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GLEICHHEIT/4204: Berlin - Israelis und Iraner protestieren gemeinsam gegen Kriegsgefahr in Nahost


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Berlin: Israelis und Iraner protestieren gemeinsam gegen Kriegsgefahr in Nahost

Von unserem Korrespondenten
11.‍ ‍Mai 2012



Mehrere hundert Israelis, Iraner und Deutsche demonstrierten vergangenen Samstag gemeinsam gegen die Kriegsvorbereitungen der USA und Israels, die den Iran bedrohen. Die Demonstration in der Hauptstadt war kurzfristig angesetzt worden, um vor den Gefahren einer Verschärfung der Konflikte zu warnen, die zu einem militärischen Flächenbrand im ganzen Nahen Osten führen könnten.

Die Organisatoren kritisierten in ihrem Aufruf die Waffenlieferungen Deutschlands an Israel, wie auch die Sanktionen der Westmächte gegen den Iran. Die Demonstranten zeigten, dass sie die Politik der iranischen Regierung zwar nicht unterstützen, jedoch der Meinung sind, dass die Androhung eines Militärschlags gegen den Iran in eine militärische Konfrontation mit weitreichenden Konsequenzen für die ganze Region münden könnte.

In ihrer Erklärung heißt es. "Angesichts der wachsenden Kriegsdrohungen sind wir überzeugt davon, dass eine starke Opposition gegen die Kriegstreiberei und eine kritische Analyse der Ursachen des aktuellen Konflikts notwendig sind. Wir versuchen, gegen den Krieg zu handeln, indem wir Verbindungen zwischen den Menschen aus der Region herstellen, (...) und eine kritische Auseinandersetzung in der deutschen Öffentlichkeit über Deutschlands Intervention im Nahen und Mittleren Osten führen."

Um jegliche Demonstration von Nationalismus oder Antisemitismus zu unterbinden, hatten die Organisatoren die Teilnehmer auch dazu aufgefordert, die Mitnahme von nationalen Emblemen zu unterlassen. Eine kleine Gruppe Zionisten versuchte, die Protestaktion zu stören, und hielt Plakate hoch, die zum Sturz der iranischen Regierung aufriefen. Die Demonstranten beachteten sie jedoch nicht, machten sich auf ihren Weg durch die Innenstadt und riefen Parolen nach Beendigung der deutschen Waffenexporte in die Region.

Bemerkenswert war die Abwesenheit aller offiziellen deutschen Parteien. Kein einziges Transparent der Sozialdemokratischen Partei, der Grünen, der Linkspartei und der Gewerkschaften war auf der Demonstration zu sehen. In den vergangenen Wochen haben diese Organisationen alle signalisiert, dass sie sich im Fall eines amerikanisch-israelischen Angriffs auf den Iran hinter die deutsche Regierung stellen und die militärische Aggression im Nahen Osten unterstützen werden.

Die Organisatoren erklärten, sie seien angesichts der kurzen Vorbereitungszeit erfreut, dass sich so viele an der Demonstration beteiligten. Unterstützer der WSWS verteilten Hunderte Flugblätter, und WSWS-Reporter diskutierten mit zahlreichen Teilnehmern.

Sadaj S. lebt seit einiger Zeit in Deutschland und studiert hier, um Lehrerin zu werden. Sie begrüßte die Demonstration als Gelegenheit, zu zeigen, dass Israelis und Iraner gemeinsame Interessen haben. Die Tatsache, dass Israel Nuklearwaffen besitze, sei seit Längerem bekannt, sagte sie. Niemand verurteile dies jedoch, aus Furcht, als Antisemit gebrandmarkt zu werden. Daher lobte Sadej das kürzlich veröffentlichte Gedicht von Günter Grass und sagte: "Es ist höchste Zeit, dass jemand diese Frage öffentlich anspricht." Es sei außerordentlich wichtig, dass das Schweigen durch einen Prominenten, einen Nobel-Preisträger gebrochen worden sei.

Zur SPD äußerte sich Sadej kritisch. Grass war bis zu seinem Parteiaustritt in den frühen 1990er Jahren langjähriges Mitglied der Partei, aber der größte Teil der Parteiführung kritisierte seinen Standpunkt. "Offensichtlich hat die SPD vor dem Druck aus Israel kapituliert", sagte Sadaj. Sie zeigte sich enttäuscht von der SPD-Spitzenpolitikerin Andrea Nahles, die sich gegen Grass ausgesprochen hat.

Sadaj äußerte sich auch gegenüber der Linkspartei kritisch, weil diese Grass nicht gegen die Angriffe verteidige: " Die Präsidentschaftskandidatin der Partei, Beate Klarsfeld, hat Grass als eine der ersten verleumdet", sagte sie. Klarsfeld verdanke ihren Ruf der Verteidigung der Menschenrechte und ihrer Ablehnung des Faschismus; ihre Kommentare zu Grass seien jedoch "unentschuldbar". Offenbar kapituliere auch die Linkspartei vor dem israelischen Druck. "Ich möchte klar sagen, dass die Judenverfolgung der Nazis ein historisches Verbrechen war. Dieses Verbrechen rechtfertigt jedoch nicht ein zweites Verbrechen, wie die Kriegsvorbereitungen gegen den Iran."

Eine 50 Jahre alte Demonstrantin aus dem Iran sagte: "Ich bin grundsätzlich gegen Krieg. Unter den Folgen hat immer die Bevölkerung zu leiden." Vor ein paar Jahren war sie mit ihrer Familie aus dem Iran geflohen. Sie gestand ein, dass sie zu Beginn der Amtszeit Präsident Ahmedinedschads Hoffnungen in ihn gesetzt hatte, danach jedoch von seiner Amtsführung enttäuscht war.

Sie wies darauf hin, dass er bei den letzten Wahlen lediglich dreißig Prozent der Stimmen erhielt. Dennoch, so betonte sie, sei seine mangelnde Popularität keine Rechtfertigung für die Kriegstreiberei der USA und Israels gegen den Iran. "Was Politiker und Medien verbreiten, ist nicht die Hauptfrage", sagte sie. "Das Entscheidende ist, was sie tun. Europa und die USA schicken Waffen nach Israel!" Sie betonte, dass jeder Krieg darauf hinauslaufen würde, dass sowohl Israel als auch der Iran und deren Bevölkerungen ausgelöscht würden.

Sie drückte ihre Empörung über die Kampagne gegen Günter Grass in Deutschland aus: "In Deutschland darf niemand Israel kritisieren, weil jede solche Aussage als antisemitisch gewertet wird. Die Frage, um die es geht, betrifft jedoch die Kritik an der israelischen Politik und nicht an den Juden." Nach einer Lösung für den Nahostkonflikt befragt, sagte sie, dass sowohl Israel als auch den Palästinensern ein Existenzrecht zugestanden werden müsse. Sie sagte weiter: "Ich war zwar selbst nie auf palästinensischem Gebiet, aber ein Freund erzählte mir, wie schlecht die Menschen in den Lagern behandelt werden."

Miriam aus Tel Aviv erklärte, sie sei gegen einen israelischen Militärschlag gegen den Iran, aber auch gegen die Regierung Benjamin Netanjahus. Allerdings sei sie überzeugt, dass der Iran an einer Atombombe baue. Sie sagte auch, Günter Grass sei nicht die geeignete Person, Kritik an Israel zu üben. In Israel sei alles"sehr kompliziert" und für Europäer schwer nachzuvollziehen.

Ein junger Mann, der neben ihr stand, widersprach diesen Äußerungen und erinnerte Miriam daran, dass Israel das Land sei, das über Atomwaffen verfüge, und nicht der Iran. Außerdem habe Israel in den letzten Jahren mehrere Kriege gegen die Palästinenser und den Libanon begonnen.

Eine weitere Demonstrantin aus Israel, die seit einiger Zeit in Deutschland lebt, sagte, die Propaganda gegen den Iran schüre tief sitzende Ängste der israelischen Bevölkerung vor Angriffen eines anderen Staates. Sie sprach sich auch gegen die Politik Netanjahus aus und sagte, das israelische und iranische Volk müssten gemeinsam gegen die Kriegsgefahr kämpfen.

Eine junge Demonstrantin, Jana, wies darauf hin, dass die Kampagne gegen Grass bewiesen habe, dass die Medien schlicht nur noch Werkzeuge der Politiker und ihrer Interessen seien. Es sei klar, dass der Iran nicht nur wegen seiner wichtigen Rohstoffe, sondern auch wegen seiner wichtigen geostrategischen Lage als Ziel der Aggression ausgewählt werde.

Schon früher habe man mit ähnlichen Methoden Hasskampagnen gegen den Iran geschürt. Die Bevölkerung könne nicht viel gegen den Krieg tun, weil die Politiker nur auf die Verfolgung ihrer eigenen Interessen aus seien, so Jana. "Gerade deshalb ist es notwendig, dass die Menschen sich über die politischen Hintergründe informieren und sich darüber bewusst werden."

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Quelle:
World Socialist Web Site, 11.05.2012
Berlin: Israelis und Iraner protestieren gemeinsam gegen Kriegsgefahr in Nahost
http://www.wsws.org/de/2012/mai2012/iran-m11.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2012