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GLEICHHEIT/3276: UN-Armutsgipfel entlarvt Versagen des Weltkapitalismus


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

UN-Armutsgipfel entlarvt Versagen des Weltkapitalismus

Von Bill Van Auken
24. September 2010


Der Kapitalismus ist für Hunger und Armut von Milliarden Menschen auf dem Planeten verantwortlich. Das hat der "Armutsgipfel" enthüllt, der am Mittwoch bei den Vereinten Nationen zu Ende ging.

Trotz der Versprechungen der UN und der Großmächte seit zehn Jahren, diese Bedingungen zu verbessern, wachsen in Wirklichkeit Verzweiflung und Elend der unterdrücktesten Schichten der Weltbevölkerung. Gründe sind die verschärfte imperialistische Ausbeutung und die globale Finanzkrise.

Zahllose Staatschefs stellten sich in New York City vor die UN-Generalversammlung und bekundeten ihre platonische Unterstützung für die so genannten Millienniumsentwicklungsziele, die auf einem ähnlichen Gipfel vor zehn Jahren beschlossen worden waren.

Etwas Freimütigere gestanden ein, es sei heute, nach zehn Jahren, schon klar, dass die Etappenziele bei Armut, Hunger, Kinder- und Müttersterblichkeit etc. bis zum festgelegten Datum 2015 keinesfalls erreicht werden könnten.

Das Ziel wäre gewesen, die schlimmsten Symptome der Armut und Unterdrückung zu beseitigen, in denen das Profitsystem einen großen Teil der Weltbevölkerung gefangen hält. Selbst wenn die Ziele noch erreicht werden könnten, würde dies nichts daran ändern, dass Milliarden Menschen nach wie vor in Hunger und Elend leben.

Im Rahmen der Entwicklungsziele nahmen die UN eine "Millenniumserklärung" an, deren zentrale Aufgabe darin hätte bestehen sollen, "die Globalisierung in eine positive Sache für alle Menschen zu verwandeln".

Das abgelaufene Jahrzehnt gibt diese Erklärung der Lächerlichkeit preis. Sie sollte von Anfang an lediglich der Ausbeutung der unterdrücktesten Länder durch das Weltfinanzkapital einen Deckmantel verleihen.

Die globale Wirtschaftsintegration ermöglicht ein ungeheures Wachstum von Technologie, Produktion und Kommunikation. Aber diese sind vollständig den Profiten der Banken und Konzerne und der Tatsache untergeordnet, dass eine winzige Finanzaristokratie geradezu obszönen Reichtum anhäuft.

Für die Masse der armen Weltbevölkerung bedeutet die kapitalistische Globalisierung eine Katastrophe nach der anderen, während die soziale Ungleichheit immer mehr zunimmt. Die Globalisierung der kapitalistischen Landwirtschaft, verbunden mit Privatisierungen und globaler Warenspekulation, führte 2007-2008 zu einer Nahrungsmittelkrise, die weitere Hunderte Millionen Menschen in chronischen Hunger stürzte.

Statt das erste Millenniumsziel, "extreme Armut und Hunger zu besiegen", zu erreichen, ist eine dramatische Verschlechterung der Lage eingetreten. Während vor zehn Jahren, als die Ziele beschlossen wurden, 830 Millionen Menschen am Rande des Hungers lebten, stieg die Zahl während der Lebensmittelkrise auf über eine Milliarde an und verharrt jetzt bei 915 Millionen.

Der Weltbank zufolge müssen heute noch 980 Millionen Menschen von weniger als einem Dollar am Tag leben, das sind kaum weniger Menschen als die 1,25 Mrd. im Jahre 1990.

Das Millenniumsziel lautete, die Zahl bis 2015 zu halbieren. Aber die Krise, die 2008 an der Wall Street ihren Ausgang nahm, hat sich um die Welt ausgebreitet und die Zahl derer, die in absoluter Armut leben, noch anschwellen lassen. Der Weltbank zufolge wurden 2009 fünfzig Millionen Menschen zusätzlich in diese Verhältnisse gestürzt, und weitere 64 Millionen werden wahrscheinlich 2010 dieses Schicksal erleiden.

Auch bei anderen Zielen wurde ein beschämend geringer Fortschritt erreicht. Zum Beispiel sollte die Kindersterblichkeit bis 2015 um Zweidrittel gesenkt werden. Aber nach einem ganzen Jahrzehnt erleben immer noch jedes Jahr 9,2 Millionen Kinder nicht ihren fünften Geburtstag. Ursache sind Mangelernährung und verhinderbare Krankheiten.

Auch das Versprechen, die Müttersterblichkeit um Dreiviertel zu senken, ist an der Wirklichkeit zerschellt. Eine halbe Millionen Frauen sterben jedes Jahr an Komplikationen bei Schwangerschaft oder Geburt.

Die UN hatten versprochen, die Ausbreitung von Aids zu stoppen, aber nach einem Jahrzehnt erhalten nur ein Drittel der 33,2 Millionen infizierten Menschen eine Behandlung. Zudem werden die Mittel für Anti-Aids-Kampagnen auch noch gekürzt, sodass Erfolge wieder in Frage gestellt werden. Europäische Länder steuern dieses Jahr z.B. 623 Dollar weniger zu HIV/Aids Programmen bei als letztes Jahr.

Kein entwickeltes kapitalistisches Land erfüllt das minimale Versprechen, den ärmsten Regionen der Welt zu helfen. 2005 hatten sie sich verpflichtet, schäbige 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe aufzuwenden. Durchschnittlich stellen die G-7 Länder aber nur 0,22 Prozent bereit, und die Vereinigten Staaten sogar nur 0,17 Prozent.

Obwohl sie ihre Versprechen nicht eingehalten haben, triefen die Reden der Führer der kapitalistischen Großmächte vor imperialistischer Arroganz gegenüber den Unterdrückten der Welt.

Am Dienstag ließ Kanzlerin Angela Merkel die Zusagen von 2000 fallen. "Die internationale Gemeinschaft hat sich vor zehn Jahren reale Ziele gesteckt", sagte sie. "Leider müssen wir heute erkennen, dass wir diese Ziele wahrscheinlich nicht erreichen werden."

Sie machte die ärmsten Länder für dieses Scheitern verantwortlich und warnte sie: "Entwicklungshilfe kann nicht für immer fließen."

US-Präsident Barack Obama stieß am Mittwoch in das gleiche Horn. Er gab vor der Generalversammlung zu, dass die amerikanischen Hilfsprogramme der "nationalen Sicherheitsstrategie" Washingtons untergeordnet seien.

Obama verkündete, seine Regierung werde "die Geschäftsgrundlage für Entwicklungshilfe ändern". "Zu lange sind unsere Bemühungen daran gemessen worden, wie viel Geld wir ausgegeben haben", sagte er. Eine solche Methode schaffe "Abhängigkeit", betonte er. "Dieser Kreislauf muss durchbrochen werden."

Als Führer eines Landes, das nur ein Viertel der versprochenen Mittel bereit gestellt hat, forderte Obama die UN-Delegierten auf, "die alte engstirnige Debatte hinter sich zu lassen, wie viel Geld wir ausgegeben haben".

Dieser angeblich neue Ansatz des US-Präsidenten bedeutet, Hilfe in solche armen Länder zu lenken, die sich vorbehaltlos der Vorherrschaft des amerikanischen Finanzkapitals unterwerfen. Er betonte, dass solche Länder "ein wirtschaftsfreundliches Umfeld schaffen müssen, das attraktiv für Investitionen ist und Unternehmer ermutigt", um "wirkliche Veränderungen zu erreichen".

Mit anderen Worten, Obamas Rezept gegen die globale Armut besteht in einer höheren Dosis des gleichen Gifts, das sie erst geschaffen hat: nämlich der ungehemmten kapitalistischen Ausbeutung.

Das ist nicht gerade eine Überraschung. Obama, Merkel und die Führer anderer kapitalistischer Großmächte zwingen der eigenen Bevölkerung brutale Sparmaßnahmen auf. Die logische Übertragung dieser Politik auf die unterdrücktesten Länder der Welt heißt: Der Hunger von Millionen ist der unvermeidliche Preis für das Geschäftemachen.

Hinter ihren arroganten Forderungen an die verarmten Länder, für ihr Schicksal selbst "Verantwortung zu übernehmen" und "die Korruption zu bekämpfen", setzen die kapitalistischen Großmächte ihre Ausplünderung der historisch unterdrückten Regionen der Welt fort.

Das Afrika der Sub-Sahara erhält zum Beispiel jedes Jahr zehn Mrd. Dollar an Hilfen, muss aber mehr als vierzehn Milliarden an Schuldendienst an die Banken der Wall Street und der Londoner City leisten. Was Korruption angeht, so leidet der ganze Planet noch unter den Folgen der kriminellen Handlungen der Finanzspekulanten der Wall Street, die die Unterstützung der Regierungen unter Bush und Obama genießen und von ihnen mit über zwölf Billionen Dollar gerettet wurden.

Der Millenniumsgipfel der UN hat erneut unterstrichen, dass die Antwort der kapitalistischen Großmächte auf die schlimmste Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren in der Verdopplung der Angriffe auf die Arbeitsplätze, den Lebensstandard und die soziale Lage der arbeitenden Bevölkerung besteht, darunter auch die der ärmsten und unterdrücktesten Länder. Gleichzeitig greifen sie immer mehr zu Militarismus und Krieg.

Gegen diese Welle sozialer Reaktion muss die Arbeiterklasse ihre eigene, unabhängige, revolutionäre Perspektive stellen: den internationalen Sozialismus. Im Rahmen des Profitsystems ist es unmöglich, die Armut zu überwinden.

Die historische Aufgabe besteht in jedem Land darin, das kapitalistische System zu überwinden und die globale Wirtschaft im Interesse der Arbeiterklasse und der Unterdrückten zu reorganisieren. Die Produktion darf nicht mehr der Erzielung von Profit dienen, sondern muss auf die Befriedigung der Bedürfnisse der ganzen Weltbevölkerung ausgerichtet sein.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 24.09.2010
UN-Armutsgipfel entlarvt Versagen des Weltkapitalismus
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2010