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GLEICHHEIT/3139: Irische Gewerkschaften stimmen Streikverbot für vier Jahre zu


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Irische Gewerkschaften stimmen Streikverbot für vier Jahre zu

Von Steve James
6. Juli 2010
aus dem Englischen (28. Juni 2010)


Das Komitee für den öffentlichen Dienst des Irischen Gewerkschaftsdachverbandes ICTU beschloss letzte Woche seine formelle Zustimmung zu einem Verbot von Streiks für vier Jahre, zu umfassenden Rationalisierungen im öffentlichen Dienst, zur "freiwilligen" Streichung einiger Tausender Arbeitsplätze und zur Fortsetzung eines Lohnstopps. Bis jetzt ist das so genannte Croke-Park-Abkommen das Schlimmste, dem in Folge der Wirtschaftskrise je eine europäische Gewerkschaft zugestimmt hat.

Allein dieses Jahr wurden Streichungen von ungefähr 4 Milliarden Euro, das sind 3 Prozent des BSP, durchgeführt. Für 2011, 2012 und die darauf folgenden Jahre sind noch einmal 3 Milliarden Euro vorgesehen. Diese Kürzungen finden statt, weil die Koalitionsregierung aus Fianna Fail und Grünen bis 2014 das Defizit im öffentlichen Sektor von jetzt 14 auf 3 Prozent senken will.

Seit 2008 wurden die Ausgaben im öffentlichen Sektor zweimal beschnitten: mit einer siebenprozentigen "Rentenabgabe" und Kürzungen zwischen 5 und 15 Prozent. Auch Studenten und Sozialhilfeempfänger betroffen, wobei die Arbeitslosigkeit in die Höhe schnellt. Allein für dieses Jahr machen die Kürzungen bei den verschiedenen Sozialleistungen bei den meisten Personen 1000 Euro aus.

Aber der ICTU konzentrierte sich darauf, Proteste zu ignorieren, Streiks zu unterdrücken und den Arbeitern einzuhämmern, dass es für sie keine Alternative gebe. Seit 2008 die Wirtschaftskrise ausbrach, ist der ICTU vor Allem bemüht, seine Befähigung zur Unterstützung von Sparmaßnahmen unter Beweis zu stellen, um seine Zusammenarbeit mit der Regierung zu festigen.

Sogar noch vor der formellen Bestätigung des ICTU-Beschlusses forderten die Vorsitzenden der beiden bedeutendsten Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, bei den unmittelbaren Entscheidungen über die Kürzungen mit einbezogen zu werden. Um "einen Entwurf über das Vorgehen bei den Reformen vorzulegen", forderte Jack O?Connor von der SIPTU von Premierminister Brian Cowen die Einberufung einer Zusammenkunft von Regierung, Arbeitgebern und Gewerkschaften. Shay Cody, designierter Generalsekretär der Gewerkschaft IMPACT, stieß ins gleiche Horn wie O?Connor. Beide forderten die Bildung eines Komitees für eine konzertierte Aktion von Regierung und Gewerkschaften.

Brendan McGinty, ein Vertreter des Arbeitgeberverbands IBEC lobte die Einigung als "begrüßenswerten Realismus". McGinty verlangte, der öffentliche Sektor solle in Zukunft dem privaten Sektor bei der Kostensenkung nacheifern; weil dort für 2009 bis 2011 eine neunprozentige Reduzierung der Arbeitskosten geplant sei.

Mit dem Hinweis, es könne noch schlimmer kommen, falls sie nicht zustimmten, wurde Croke-Park-Abkommen den Gewerkschaftsmitgliedern aufgezwungen. Parallel dazu ließen die Gewerkschaften keinen Zweifel daran, dass sie keinerlei Kampf zur Verteidigung der Lebensbedingungen der Arbeiter anführen werden. In dem Abkommen wird von einer "unvorhersehbaren Verschlechterung" der staatlichen Haushaltslage ausgegangen, und dann empfohlen, dass es bis 2014 keine weiteren Lohnkürzungen geben solle und der Vorschlag gemacht, dass - sollte es die Haushaltlage wieder erlauben - eventuell versucht würde, die Verluste, die die Arbeiter schon erduldet haben, wieder auszugleichen.

Gleichwohl lehnten sehr viele Arbeiter das Abkommen ab. Trotz penetranter Medienattacken gegen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und Forderungen nach kollektiven nationalen Opfern, wiesen 9 von 19 Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes das Abkommen zurück, einige mit großer Mehrheit. 75 Prozent der 10.000 Mitglieder der Lehrergewerkschaft von Irland stimmten gegen das Abkommen. Bei den größten Gewerkschaften SIPTU und IMPACT stimmten überhaupt nur 50 beziehungsweise 57 Prozent ab, allerdings mehrheitlich dafür.

Die gegen zukünftige Lohnkürzungen eingefügten Klauseln sind jedoch wertlos. Fast täglich werden neue aus dem Finanzdebakel resultierende Konsequenzen und Probleme offensichtlich. Der Irish Independent berichtete, dieses Jahr gebe es einen Ausfall von etwa 77 Milliarden Euro irischer, dieses Jahr fälliger Bankschulden. Diese Schulden müssen entweder bis September/Oktober beglichen, oder neu umgeschuldet werden. Da die irischen Banken, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, aber doch alle ruiniert sind, bleibt die Ausgabe von Schuldverschreibungen letzte Option.

Die "Klagemauer" der Schulden wird von Bankmanagern als das ernsteste Systemrisiko angesehen, mit dem irische Banken konfrontiert sind. Die Lage wird von der Finanzaufsicht und dem Finanzministerium überwacht. Sollten die Banken, insbesondere die am meisten schuldenbelastete und verstaatlichte Anglo Irish Bank, auf dem stark angespannten Markt keine Kredite mehr erhalten, wird die irische Regierung ein weiteres Mal gezwungen sein, finanzielle Offerten zu machen. Kreditvergaben an Banken der Eurozone brachen innerhalb eines Monats von 38 Milliarden auf einen Stand von 1,9 Milliarden Euro im Mai ein, trotz des folgenden 750-Milliarden-Rettungspakets der Europäischen Union, das dann etwas zur Linderung des Zustands beitrug.

Allerdings wird es immer kostspieliger, die Schulden der irischen Regierung zu finanzieren, gerade wegen der riesigen, 70 Milliarden Euro umfassenden Rettungspakete, die den irischen Banken schon dargebracht wurden. Derzeit kann sich die Regierung selbst nur mit Zinssätzen um die 5,5 Prozent finanzieren, was weit über dem Zinssatz für Deutschland liegt. Zinsen für Staatsanleihen von 6 Prozent oder mehr werden als außerordentlich riskant eingeschätzt.

Der Wirtschaftsfachmann Morgan Kelly wies letzten Monat unmissverständlich auf den drohenden Staatsbankrott hin, der durch ein enormes Schuldenniveau und erdrückende Zinszahlungen verursacht wurde.

Zwei kürzlich erschiene, von Finanzminister Brian Lenihan in Auftrag gegebene Berichte zeigen den Einfluss des Immobilienbooms auf, der der gegenwärtigen und sich vertiefenden Krise vorherging.

In ihrem "Einleitenden Bericht über den Ursprung der Bankenkrise in Irland" stellten Klaus Regling und Max Watson fest, dass der Zusammenbruch in Irland aus dem Zusammentreffen des Endes einer "allgemeinen Immobilien-Blase mit einer außergewöhnlichen Konzentrationen von Kreditvergaben für Projekte im Immobilienbereich resultierte." Auf Grund der europaweiten Integration des Finanzsektors wurde der irische Immobilienmarkt plötzlich von irischen und internationalen Banken mit einem riesigen Angebot billiger Kredite überschwemmt.

Der Markt für Privatkredite wuchs zwischen 2004 und 2006 jährlich um 30 Prozent. Im selben Zeitraum dehnten irische Banken ihre Geschäfte um nahezu 46 Prozent aus und vergaben fast 75 Prozent ihrer Kredite für geschäftliche Immobilien. Ein immer größerer Teil der neu verliehenen Gelder wurde nur für kurzfristige Kredite verwendet; 2003 waren das 11,1 und 2006 41 Milliarden Euro.

Regling and Watson made clear that in 2008 Ireland was heading for a major crisis even if Lehman Brothers had not collapsed. The report also noted that inflated reliance on property meant that tax revenue was itself dependent on the boom. This dependency was intensified by income tax cuts through which the government sought to maintain an illusion of pay increases. In due course, this intensified the collapse in state revenue when the property bubble burst.

Regling und Watson zeigten klar auf, dass Irland 2008 auch ohne den Zusammenbruch von Lehman Brothers Anwärter für eine tiefe Krise war. Weiter wurde in dem Bericht dargelegt, dass übertriebenes Setzen auf Immobilien bedeutete, dass die Steuereinnahmen von dem Boom abhängig wurden. Diese Abhängigkeit wurde durch Steuersenkungen noch intensiviert, durch welche die Regierung versuchte, die Illusion von Lohnzuwächsen aufrecht zu erhalten. Als die Immobilienblase dann platzte, waren es diese Abläufe, die das Einbrechen der Staatseinnahmen noch verschlimmerten.

In einem weiteren Bericht des neu eingesetzten Leiters der Irischen Zentralbank, Patrick Honohan liegt der Schwerpunkt auf dem völligen Versagen der Regulierungsbehörden, die den Zusammenbruch weder kommen sahen, noch ihn verhinderten.

Nach Honohan gab es "klare und eindeutige Hinweise auf das umfassende Missmanagement der Banken...die sich riesige externe Verbindlichkeiten aufluden, um einen von Krediten übersättigten Immobilienmarkt und Bau-Boom zu unterstützen."

Bei all dem hätten die irischen Aufsichtsbehörden unter Personalmangel und schlechter Qualifizierung gelitten, sie hätten zu Zaghaftigkeit und zum "Leisetreten" tendiert und "den Knüppel im Sack gelassen". Äußerte das Personal Bedenken, legten die Banken ihre Verträge schlicht den übergeordneten Aufsichtsbehörden vor.

In diesem Kontext entstand das Croke-Park-Abkommen. Von der Arbeiterklasse wird jetzt verlangt, die Zeche für die Spekulationsorgie zu zahlen, für die sie nicht verantwortlich ist und von der sie keinerlei Nutzen hatte. Das Vorgehen der ICTU entspricht völlig dem allgemeinen Trend. Als Reaktion auf den Zusammenbruch 2008 und die darauf folgende Krise in der Eurozone sind die offiziellen Gewerkschaften zu wohlfeilen Instrumenten der europäischen Finanzaristokratie mutiert, um die Kosten der Rettungsmaßnahmen auf die Arbeiterklasse abzuwälzen.

Siehe auch:
Irland: Gewerkschaften reagieren auf drohenden
Staatsbankrott mit Streikverzicht (04. Juni 2010)
http://wsws.org/de/2010/jun2010/irla-j04.shtml


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Quelle:
World Socialist Web Site, 06.07.2010
Irische Gewerkschaften stimmen Streikverbot für vier Jahre zu
http://wsws.org/de/2010/jul2010/irla-j06.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2010