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GLEICHHEIT/3071: Eurokrise drückt globale Märkte


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Eurokrise drückt globale Märkte

Von Nick Beams
22. Mai 2010
aus dem Englischen (21. Mai 2010)


Weil die Krise der Eurozone die Stabilität des gesamten internationalen Finanzsystems bedroht, setzten die internationalen Märkte ihren Sinkflug am Donnerstag den dritten Tag in Folge fort.

Der Tag, der mit starken Verkäufen in Asien begann, endete damit, dass der Dow Jones Index an der Wall Street um 376 Punkte oder 3,6 Prozent abfiel. Es wird erwartet, dass sich der Rückgang fortsetzt, wenn die Märkte heute wieder öffnen. Der addierte Einbruch der letzten drei Tage an der der Wall Street beträgt 825 Punkte.

Der Markt nähert sich dem Niveau, das er nach dem so genannten "Flash Crash" vom 6. Mai erreichte, als er innerhalb von nur zwanzig Minuten um 1.000 Punkte einbrach. Für jenen Einbruch wurde ursprünglich eine fehlerhafte Computereingabe verantwortlich gemacht, aber eine Untersuchung der amerikanischen Börsenkontrolle SEC fand keinen Hinweis auf ein solches Ereignis.

Reuters zitierte einen Finanzhändler mit den Worten: "Die wichtigste Triebkraft hinter [dem Absturz der Wall Street] ist Europa. Die Angst vor der Schuldenkrise, und dass sie auf das Bankensystem übergreifen könnte, ist noch nicht gewichen."

Der Gouverneur der Federal Reserve, Dan Tarullo, sagte vor dem US-Kongress, dass die amerikanischen Banken wegen der Krise der Eurozone "weniger Kredite vergeben könnten, wie damals bei der ernsten Dysfunktion der Finanzmärkte nach dem Bankrott von Lehman Brothers." Er sagte, zehn große US-Banken seien mit 60 Mrd. Dollar in europäischen Ländern engagiert. Das sind neun Prozent ihrer Kapitalgrundausstattung, einem wichtigen Maß ihrer Finanzstärke.

Der zeitweilige Schub des 750 Mrd. Euro Rettungspakets der Europäischen Union für die Märkte sei schon völlig verpufft, sagte Tarullo. Investoren "ist klar, dass dieses Paket letztlich kein Ersatz für wirkliche und wohl schmerzhafte Haushaltsreformen in der Eurozone sind".

Es wird befürchtet, dass die Forderungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach schmerzhaften Strafen für Mitglieder der Eurozone, die sich nicht an die engen Haushaltsvorgaben halten, die tiefen Spaltungen in der Währungsunion noch weiter vertiefen könnten.

Diese Differenzen wurden deutlich, als es am 10. Mai, vor der Bekanntgabe des EU-Rettungspakets, hinter den Kulissen zu Rangeleien kam. Was in der Öffentlichkeit davon bekannt wurde, war die einseitige Entscheidung Deutschlands in dieser Woche, ungedeckte Leerverkäufe zu verbieten. Bei solchen Leerverkäufen geht es darum, dass Banken und Hedge Fonds Wertpapiere verkaufen, die sie weder besitzen noch geliehen haben, in der Hoffnung, dass diese im Wert fallen. Der Profit ergibt sich daraus, dass sie die Wertpapiere, die sie vorher verkauft haben, dann zu geringerem Preis wieder zurück kaufen.

Finanzminister Wolfgang Schäuble verteidigte diesen Schritt in einem Interview mit der Financial Times. Er sagte, natürlich müssten die Schulden unter Kontrolle gebracht werden, aber es müsse auch strengere Regeln für die Finanzmärkte geben. "Ich bin überzeugt, dass die Märkte wirklich außer Kontrolle sind. Deswegen brauchen wir eine effektive Regulierung. D.h. wir müssen einen ordentlich funktionierenden Marktmechanismus schaffen", sagte er.

Als er später nach der Opposition der Finanzmärkte gegen diesen Schritt gefragt wurde, antwortete Schäuble den Journalisten: "Wenn Sie einen Sumpf trocken legen wollen, dann fragen Sie doch auch nicht die Frösche nach einer objektiven Einschätzung der Situation."

Diese Maßnahmen, die an und für sich wenig bis gar nichts bewirken, weil sie leicht umgangen werden können, verstärken nur die Unruhe an den Märkten, weil sie die Differenzen zwischen den europäischen Mächten noch unterstreichen.

Ein britischer Sprecher soll das Verbot eine "Luftnummer" genannt haben. Die französische Finanzministerin Christine Lagarde sagte, der Schritt sei "umstritten, weil es vorher keine Diskussion darüber gab". Sie sagte, der Euro sei nicht in Gefahr, trotz Merkels Warnungen, dass der Euro immer noch bedroht sei und das Rettungspaket nur eine vorübergehende Atempause bringe.

Auch andere führende europäische Politiker reagierten auf Merkels Bemerkungen erbost. Der luxemburgische Premierminister und Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, sagte: "Nach meiner Meinung sollten manche Leute lieber erst einmal nachdenken, bevor sie reden... Manchmal wäre es sogar besser, sie würden den Mund halten." Später betonte er, er habe nicht Merkel gemeint.

Der belgische Ministerpräsident Yves Leterme war noch direkter: "Wir haben einen Plan beschlossen, um den Euro zu verteidigen. Wir können jetzt nicht hergehen, wie Frau Merkel, und seine Wirksamkeit in Frage stellen."

Neben den Auswirkungen auf die USA schürt die Eurokrise auch in China und Asien die Furcht vor einem regelrechten wirtschaftlichen Abschwung. Qi Zhongyi, Direktor der Presseabteilung der chinesischen Handelskammer, sagte der Financial Times, viele chinesische Firmen hätten wegen des 14,5 prozentigen Wertverlustes des Euro gegenüber dem Renminbi in diesem Jahr "riesige Verluste" erlitten.

Die EU ist Chinas größter Exportmarkt. Sie nahm im vergangenen Jahr 19,7 Prozent seiner Exporte im Wert von 236 Mrd. Dollar auf. Der starke Verfall des Euro unterläuft die amerikanischen Pläne, eine Aufwertung der chinesischen Währung zu erreichen, um Washingtons Handelsposition zu verbessern.

Es gibt auch Befürchtungen, dass ein geringeres Wachstum aufgrund der europäischen Krise die Profite von Rohstoffkonzernen, die China beliefern, stark in Mitleidenschaft zieht. Tom Albanese, Vorstandsvorsitzender des Bergbauriesen Rio Tinto, sagte, er fürchte eine erneute Krise wie 2008, als das Austrocknen der Kreditmärkte das Wachstum Chinas im vierten Quartal stark beeinträchtigte.

Diese Sorgen werden auch von einer Tendenz an den Finanzmärkten genährt, australische Werte zu verkaufen, was zu einem Wertverfall des australischen Dollars führt. Der australische Dollar ist auf 82,5 US-Cent gefallen. Vergangene Woche war er noch 90 Cent Wert und Ende letzten Monat 93 Cent. Weil sein Schicksal so eng mit der chinesischen Wirtschaft und ihrer Nachfrage nach industriellen Rohstoffen verbunden ist, wird der australische Dollar oft als Wetterfahne für Risiken betrachtet. Sein Absturz in den letzten zehn Tagen ist daher ein sicheres Zeichen für zunehmende globale Finanz- und Wirtschaftsrisiken.

Siehe auch:
Das zweite Stadium der kapitalistischen
Weltwirtschaftskrise (22. April 2010)
http://www.wsws.org/de/2010/apr2010/beam-a22.shtml


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Quelle:
World Socialist Web Site, 22.05.2010
Eurokrise drückt globale Märkte
http://wsws.org/de/2010/mai2010/beam-m22.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2010