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GLEICHHEIT/3059: Labour bringt Koalition aus Tories und Liberaldemokraten ins Amt


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Labour bringt Koalition aus Tories und Liberaldemokraten ins Amt

Von Chris Marsden
13. Mai 2010
aus dem Englischen (12. Mai 2010)


Die neue Koalition aus Tories und Liberaldemokraten unter Führung von David Cameron wird in erster Linie brutale Kürzungsmaßnahmen durchsetzen, die verheerende Folgen für Millionen Arbeiter haben werden.

Ihr Weg zur Macht wurde von der Labour Party geebnet. Und zwar nicht nur, weil Labour in den dreizehn Regierungsjahren die Superreichen verteidigt hat, oder weil sie die Arbeiterklasse jeder Möglichkeit beraubt hat, ihre Interessen politisch auszudrücken, und es so der verhassten Tory-Partei ermöglicht hat, wieder aus dem politischen Abseits herauszukommen. Nein, auch im ganz direkten Sinne des Wortes wurde Cameron zum Premierminister gekürt, weil mächtige Teile der Labour-Führung das wollten. Diese rechten Kräfte torpedierten die von Gordon Brown am Montag ins Spiel gebrachte "progressive Koalition" Labours mit den Liberaldemokraten.

Der Führer der Liberaldemokraten Nick Clegg hatte Probleme, einem Teil seiner Partei eine Koalition mit den Tories schmackhaft zu machen. Das versuchte Brown für eine Allianz Labours mit den Liberaldemokraten auszunutzen. Der erste Schritt war sein eigener Rücktritt als Labour-Chef zum September, sobald die Koalition zustande gekommen wäre. Zusätzlich bot er den Liberalen sechs Ministerposten an und versprach die Einführung eines alternativen Wahlsystems und ein Referendum über ein Verhältniswahlrecht.

Das Angebot war für einen Flügel der Liberaldemokraten verlockend. Clegg ist Mitglied der "Orangenen" Gruppe, die 2004 entstand, um die Liberaldemokraten von ihren sozialliberalen Positionen weg- und auf einen rein marktwirtschaftlichen Kurs zu zusteuern. Er wollte unbedingt eine Einigung mit den Tories, ebenso wie sein Schatten-Finanzminister Vince Cable, der 1982 die Labour Party verlassen und sich der Sozialdemokratischen Partei angeschlossen hatte. Browns Angebot wurde von vielen führenden Liberaldemokraten geradezu herzlich aufgenommen. Unter ihnen waren z.B. die Ex-Parteichefs David Steele und Paddy Ashdown, die sich noch an den explosiven Hass erinnern, den die letzte Tory-Regierung in der Arbeiterklasse entfacht hatte.

Browns Vorschlag, der in Konsultationen mit Peter Mandelson, Alastair Campbell und Lord Adonis erarbeitet worden war, bot einige Schwierigkeiten. So brachten die 258 Labour-Sitze und die 57 Sitze der Liberalen immer noch keine Mehrheit auf die Waage. Aber Browns Gruppe kalkulierte die Möglichkeit ein, auch die nordirische Sozialdemokratische Labour Partei sowie die nationalistischen Parteien aus Schottland und Wales, SNP und Plaid Cymru mit an Bord zu holen, die nicht bereit sein würden, mit den Tories zu stimmen.

Die Aussicht auf eine solche Koalition traf bei mächtigen Teilen der herrschenden Elite Großbritanniens und den Finanzmärkten auf helle Empörung. Sie glauben, dass nur eine Tory-Regierung die nötige Entschlossenheit an den Tag legen werde, die Konfrontation mit der Arbeiterklasse zu wagen.

Die Tory-freundlichen Medien unter der Führung von Rupert Murdochs News International entfesselten in den letzten 24 Stunden eine hysterische Kampagne gegen Gordon Brown, den sie beschuldigten, an seinem Stuhl in der Downing Street zu kleben. Der Telegraph nannte Browns verfassungsmäßig korrektes Vorgehen "Einen typischen Labour-Putsch".

Gleichzeitig geriet das Pfund an den Devisenmärkten unter Druck. Es fiel um mehr als einen Cent gegenüber dem Dollar und der Aktienindex FTSE-100 fiel um ein Prozent.

Letzten Endes war es aber das Führungspersonal des Blair-Flügels in der Labour Party, das die Wünsche der herrschenden Elite durchsetzte.

Ex-Innenminister David Blunkett sagte der BBC, dass jedes Abkommen mit den Liberaldemokraten eine "Koalition der Verlierer" wäre, und beschuldigte die Partei, sich "wie eine x-beliebige Dirne" aufzuführen.

Ein weiterer Ex-Innenminister, John Reid, sagte voraus, dass eine Koalition der Labour Party mit den Liberaldemokraten zur "Vernichtung aller Beteiligten" führen werde.

Justizminister Jack Straw soll "empört" reagiert haben, und andere Minister rannten zur Tory-Presse und verurteilten den Plan als "obszön". Der Ex-Labour Abgeordnete für Reading-West, Martin Salter, nannte die schottischen und walisischen Nationalisten und "die Iren" im Telegraph provokativ "Vertreter käuflicher Politik".

Mindestens vier Minister wandten sich gegen Browns Plan. Gesundheitsminister Andy Burnham erklärte: "Ich denke, wir müssen das Wahlergebnis respektieren und die Tatsache anerkennen, dass Labour nicht gewonnen hat."

Jon Cruddas, ein Hinterbänkler, der von manchen als "Linker" gehandelt wird, meldete seinen Führungsanspruch an. Er sagte, vor einer Koalitionsvereinbarung müssten die Abgeordneten, die "angeschlossenen Gewerkschaften" und der Vorstand der Partei gehört werden.

Ein Koalitionsangebot des Führers der Scottish National Party, Alex Salmond, wurde von Entwicklungshilfeminister Douglas Alexander ohne große Umstände zurückgewiesen, wobei er die walisische Plaid Cymru gleich mit einschloss.

Die Offensive war erfolgreich. Murdochs The Times erklärte: "Interne Labour-Auseinandersetzungen zerstören Koalitionshoffnung".

Den ganzen Dienstag über wurde Brown schmerzhaft klar, dass er von großen Teilen seiner eigenen Parteiführung im Stich gelassen wurde, was seine Position immer unhaltbarer machte. Sie hatten schließlich Erfolg.

Am Abend trat Brown dann vor die Tür von 10 Downing Street und gab seinen Rücktritt als Premierminister und Labour Parteichef mit sofortiger Wirkung bekannt. Nach einer emotionalen Erklärung brach er sofort zum Buckingham Palace auf, um der Queen seinen Rücktritt anzubieten.

Infolge seines schnellen Abtritts blieb den Liberaldemokraten keine andere Wahl, als eine Koalition mit den Tories zu akzeptieren. Brown trat zurück, noch bevor die Gespräche zwischen den Liberaldemokraten und den Tories zum Abschluss gekommen waren, und bevor Clegg seiner Partei eine Koalitionsabsprache vorlegen konnte. Am späteren Abend war der Weg für die Bekanntgabe einer Koalition frei. Es gab keine weiteren Details, als dass Clegg die Position des stellvertretenden Premierministers übernehmen werde.

Der undemokratische Charakter der Labour Party wurde daran deutlich, dass weder Browns Position, noch die der Blair-Anhänger je der Mitgliedschaft der Labour Party vorgelegt wurden. Die Unterhausfraktion traf sich am Mittwoch überhaupt zum ersten Mal.

Cameron und Clegg haben ihre Parteien mit dem einzigen Ziel zusammengebracht, die Diktate der Banken und Großkonzerne zu erfüllen. Sie planen beispiellose Kürzungsmaßnahmen. Millionen werden auf die Straße geworfen, wichtige Sozialleistungen wie die Bildung und die Gesundheitsversorgung werden zerstört und weitere Millionen in Armut gestürzt.

Dabei können sie sich der vollen Unterstützung der Labour Party sicher sein.

In den nächsten Wochen wird es in der Labour Party einen Wettstreit um die Führung geben. Diverse rechte Bewerber werden ihre Entscheidung gegen eine Koalition mit den Liberaldemokraten als "vernünftig", "demokratisch" und als Möglichkeit bezeichnen, sich in der Opposition "zu erneuen" und "neu aufzustellen".

Nichts dergleichen trifft zu. Die Labour Party hat die Tories ins Amt gebracht, weil sie mit ihren Zielen übereinstimmt und das Urteil der Märkte akzeptiert, für die Labour nicht mehr die bevorzugte Partei der Finanzmärkte ist. Es gibt nichts, was sie nicht tun würden, um diese Unterstützung zurück zu gewinnen. Deswegen wird die Labour Party jeden Angriff auf die Arbeiterklasse unterstützen, entweder indem sie direkt dafür stimmt, oder indem sie mit der Gewerkschaftsbürokratie zusammenarbeitet, um den Widerstand der Arbeiterklasse zu unterdrücken.

Labour ist keine Oppositionspartei, sondern innoffizielles Mitglied einer de facto "Regierung der nationalen Einheit".

Siehe auch:
Wahlmanifest der Socialist Equality Party zu
den britischen Parlamentswahlen 2010
(10. April 2010)
http://www.wsws.org/de/2010/apr2010/sep-a10.shtml


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Quelle:
World Socialist Web Site, 13.05.2010
Labour bringt Koalition aus Tories und Liberaldemokraten ins Amt
http://wsws.org/de/2010/mai2010/tory-m13.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2010