Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GLEICHHEIT/2408: Der Zusammenbruch von General Motors


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI)

Der Zusammenbruch von General Motors

Von Jerry White
7. März 2009
aus dem Englischen (6. März 2009)


Ein Bericht der Auditing-Firma Deloitte & Touche vom Dienstag bestätigt, dass General Motors, bis vor kurzem der weltgrößte Autohersteller, seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann und am Rande des Bankrotts steht.

Die Prüfer verweisen auf die anhaltenden Verluste von GM - 30,9 Milliarden Dollar in 2008 und 82 Milliarden Dollar in den letzten vier Jahren -, auf den negativen Netto-Wert der Firma und auf ihre Unfähigkeit, das nötige Bargeld zu erlösen, um ihre weiteren Geschäfte zu bezahlen. Sie sagten, ohne weitere Milliarden-Kredite der Bundesregierung bestünden "beträchtliche Zweifel", ob GM "als funktionierender Konzern überlebensfähig" sei.

Nach der Bekanntgabe fielen die GM-Aktien, die vor sechzehn Monaten noch mit 43 Dollar gehandelt wurden, auf 1,86 Dollar ab. Der Börsenwert der Firma dümpelt inzwischen bei etwa einer Milliarde Dollar dahin. Das ist der niedrigste Wert seit der Großen Depression. "Wir sind der Meinung, dass GM wertlos geworden ist, gleich, ob die Firma weitere Mittel von der Regierung erhält, oder in die Insolvenz geht", erklärte der Analyst Joseph Amaturo von Bunckingham Research vergangene Woche Investoren.

Das Auditing, das von GM in Auftrag gegeben und bei der Börsenaufsicht eingereicht worden war, wurde veröffentlicht, um Zehntausende Beschäftigte des Autoherstellers in den USA, Kanada und Europa unter Druck zu setzen und ihnen größere Zugeständnisse bei Löhnen und Sozialleistungen abzupressen. Gleichzeitig bedrohte die Firma die Renten und die Krankenversorgung von fast einer halben Million Rentnern und ihrer Angehörigen.

GM hat zugesagt, in den nächsten drei Jahren weltweit 47.000 Arbeitsplätze zu vernichten und zusätzlich vierzehn Werke in Nordamerika und Europa zu schließen. Das ist Bestandteil des "Umstrukturierungsplans", den sie der Obama-Regierung vorgelegt hat. Zusätzlich sucht der Konzern seine Verpflichtungen gegenüber Gläubigern und Lieferanten zu verringern und Deutschland, Schweden und anderen ausländischen Regierungen Milliarden abzuringen.

Die Warnungen vor einem unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch sind allerdings nicht nur leere Drohungen, um weitere Zugeständnisse der Beschäftigten zu erreichen. Selbst wenn die Autoarbeiter die drastische Senkung ihres Lebensstandards akzeptieren würden, und wenn diverse Regierungen Milliarden Dollar an öffentlichen Geldern zur Verfügung stellen würden, drohte dem Autoproduzenten immer noch der Untergang oder eine massive Schrumpfkur, die den Konzern in einen Schatten seiner selbst verwandeln würde.

Der Kampf des GM-Konzerns gegen den Bankrott - hauptsächlich auf Kosten seiner Arbeiter - wird durch den globalen Zusammenbruch des kapitalistischen Systems ständig unterminiert. Die Arbeitslosigkeit wird hoch- und der Autoabsatz nach unten getrieben, die Kreditmärkte frieren ein und das Bankensystem gerät ins Wanken.

Der Zusammenbruch von General Motors ist ein konzentrierter Ausdruck der Krise des Profitsystems. Der globale Abschwung hat den Autoabsatz weit stärker einbrechen lassen, als es das Management von GM bei seinen Restrukturierungsplänen für die Regierung eingerechnet hatte. Die Prüfer glauben nicht an eine schnelle Erholung der Wirtschaft und schreiben: "Es gibt keine Sicherheit, dass sich der globale Automarkt wieder erholt oder dass es nicht einen noch stärkeren Einbruch gibt."

In den USA, dem größten Automarkt der Welt, sind die Verkäufe auf das tiefste Niveau seit 30 Jahren gefallen. In diesem Jahrzehnt wurden durchschnittlich jedes Jahr sechzehn bis siebzehn Millionen Autos verkauft. 2008 gingen die Verkäufe auf dreizehn Millionen zurück, und dieses Jahr werden nicht mehr als neun Millionen Verkäufe erwartet. Im vergangenen Monat wurden in China zum ersten Mal in der Geschichte mehr Autos verkauft als in den USA.

Weltweit schrumpft der Automobilmarkt wie noch nie. Das betrifft Japan, Europa, Lateinamerika und sogar die bisher schnell wachsenden Märkte Chinas und Indiens. Globale Autogiganten wie Toyota, Nissan oder Volkswagen geben Produktionskürzungen und Arbeitsplatzabbau bekannt und verlangen von ihren Arbeitern Zugeständnisse. Industrieanalysten erwarten eine Welle von Bankrotten und Zusammenschlüssen von Autokonzernen und Zulieferern, um die "Überkapazitäten" zu beseitigen, was Millionen Arbeitsplätze kosten wird.

Die Krise von GM und der Autoindustrie insgesamt unterstreicht die Anarchie und Irrationalität des Kapitalismus. Es gibt heute keinen geringeren Bedarf an Autos und LKWs als letztes Jahr. Und es gibt auch keinen Mangel an Technologie, Wissen und verfügbarer Arbeitskraft, um sichere, umweltfreundliche und erschwingliche Autos zu produzieren.

Aber im Kapitalismus wird für privaten Profit produziert und nicht zur Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse. Außerdem wird die Produktion und Verteilung zwar in globalem Umfang organisiert und von transnationalen Konzernen beherrscht, aber sie ist in dem engen und ökonomisch hinderlichen Rahmen rivalisierender Nationalstaaten gefangen. Deswegen droht Millionen Arbeiter die Verarmung, während sich die Produkte ihrer Arbeit auf den Fabrikparkplätzen, Bahnhöfen und in den Häfen der ganzen Welt stapeln.

Der Zusammenbruch von GM ist ein Symbol für den historischen Niedergang des amerikanischen Kapitalismus. Dieser Industriegigant, der für Generationen den Standard in der Autoproduktion gesetzt hat, ist schon 101 Jahre alt. Sein Niedergang wirft ein grelles Licht auf Verwandlung der amerikanischen Ökonomie: Seit Jahrzehnten wird ihre Produktionsbasis systematisch ausgehungert und weitgehend stillgelegt, während riesige Reichtümer mittels einer Verschuldung und Spekulation, die sich von der Produktion wirklicher Werte losgelöst hat, in den Händen der Finanzaristokratie angehäuft werden.

Folgende Zahlen belegen diesen Prozess. 1950, als GM 40 Prozent aller Autos der Welt produzierte, wurden 60 Prozent der amerikanischen Unternehmensprofite in der Produktion erwirtschaftet, und die Finanzwirtschaft erzielte zehn Prozent der Profite. 2004 hatte sich dieses Verhältnis umgekehrt. Im Finanzsektor wurden 45 Prozent der Profite erzielt, und in der Produktion nur noch sechs Prozent.

Der Niedergang des amerikanischen Kapitalismus wiederum ist nur ein konzentrierter Ausdruck der Krise des globalen kapitalistischen Systems, die einen Punkt erreicht hat, an dem Märkte zusammenbrechen, die Konsumnachfrage einbricht und große Teile der weltweiten Produktivkräfte zerstört werden.

Die United Auto Workers und die anderen Gewerkschaften haben keine Lösung für die Krise. Zwischen ihrer Perspektive und der des Managements gibt es keinen wesentlichen Unterschied. UAW-Präsident Ron Gettelfinger wiederholt die Behauptungen des Managements, dass die Arbeiter alle sozialen Errungenschaften aufgeben müssten, die sie in Generationen erkämpft haben. Die Gewerkschaft drängt auf neue Zugeständnisse noch über 2007 hinaus, als die Löhne für Neueingestellte halbiert wurden. Das erklärte Ziel der Gewerkschaft besteht darin, die Löhne und Sozialleistungen ihrer Mitglieder auf das Niveau der nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeiter in den amerikanischen Werken von Toyota und anderen ausländischen Herstellern zu senken.

Das gleiche trifft auf die Gewerkschaften in der ganzen Welt zu. Die kanadische Autoarbeitergewerkschaft hat versprochen, mit allen Zugeständnissen der UAW mindestens gleichzuziehen, um den "Wettbewerbsvorteil" der GM-Werke in Kanada zu erhalten. In Deutschland fordert die Gewerkschaft bei der GM-Tochter Opel eine Herauslösung von Opel aus dem GM-Konzern und die Gründung einer europäischen AG. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie bereit ist, die Arbeitskosten so weit zu senken, wie es notwendig ist, um die Firma profitabel zu machen.

Die Gewerkschaften, die Autokonzerne, die kapitalistischen Regierungen und die Medien behaupten gemeinsam, die Arbeiter hätten "keine Wahl", als Armutslöhne und Massenarbeitslosigkeit zu akzeptieren.

Das stimmt nicht. Es gibt eine Alternative. Der Weg vorwärts beginnt damit, die Voraussetzungen des kapitalistischen Systems nicht länger zu akzeptieren und für eine geplante, egalitäre und internationale Umstrukturierung der Wirtschaft zu kämpfen, die den Bedürfnissen der Arbeiterklasse - der großen Mehrheit der Bevölkerung - entspricht, anstatt den Interessen der reichen Elite.

Die grundlegenden Bedürfnisse des Lebens - ein sicherer Arbeitsplatz, eine Wohnung, Krankenversicherung und Ausbildung - können nicht von einem System garantiert werden, das die Produktion und Verteilung des Reichtums, den die Arbeiterklasse geschaffen hat, dem Profitstreben einer winzigen Bevölkerungsminderheit unterordnet. Die Autoindustrie, die die kollektive Zusammenarbeit von Millionen Arbeitern, Ingenieuren, Entwicklern und Angestellten erfordert, darf nicht in den Händen der Großaktionäre und Vorstandschefs bleiben, deren sture Orientierung am "Shareholder Value" und an ihrer eigenen, persönlichen Bereicherung die Industrie in Grund und Boden gefahren haben.

Die Autoindustrie muss enteignet und in öffentliche Dienstleistungsunternehmen unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse verwandelt werden. Kleine Aktienbesitzer müssen geschützt werden, aber Großinvestoren und Vorstände dürfen nicht entschädigt werden.

Entscheidungen über die Wahl des Managements und alle Fragen der Löhne, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen müssen von Fabrikkomitees getroffen werden. Diese müssen aus Arbeitern. Technikern und Angestellten bestehen, die sich als aufrichtige Vertreter der Beschäftigten und der gesellschaftlichen Interessen erwiesen haben. Die Arbeitszeit muss bei vollem Lohnausgleich verkürzt werden, um jedem Arbeiter einen Arbeitsplatz garantieren zu können.

Die Enteignung der Autoindustrie unter Arbeiterkontrolle ist ein entscheidendes Element bei der sozialistischen Umstrukturierung der gesamten Wirtschaft, darunter der Banken und der Finanzkonzerne. Es ist die Voraussetzung, um die Finanzmittel der Gesellschaft für die Bedürfnisse der Menschen, anstatt für die Profitmaximierung, einsetzen zu können.

Die Probleme der amerikanischen Arbeiter können allerdings nicht in einer Firma oder in einem Land gelöst werden. Die Herausforderungen der modernen globalen Wirtschaft können nur gemeistert werden, wenn die nationalen Grenzen niedergerissen werden. Durch sie werden die Arbeiter verschiedener Länder einander entgegen gestellt; sie sind Ursache der Handels- und militärischen Konflikte, die im vergangenen Jahrhundert zu zwei Weltkriegen geführt haben. Stattdessen müssen Industrie und Finanzwirtschaft auf der Grundlage eines internationalen Plans reorganisiert werden, der sich auf die Zusammenarbeit der Produzenten der ganzen Welt stützt.

In den USA erfordert der Kampf für diese Perspektive den Bruch mit beiden Parteien der Wirtschaft und einen Kampf gegen die Obama- Regierung. Die Arbeiterklasse muss als unabhängige politische Kraft organisiert werden, sie muss ihre Kämpfe vereinen und den Kampf um die politische Macht aufnehmen.

Siehe auch:
Debatte über Verstaatlichung der Banken
(26. Februar 2009)

Die erste Pressekonferenz im Weißen Haus:
Obama zeichnet Bild einer Wirtschaftskatastrophe
(12. Februar 2009)

Day of action at Opel in Germany: The poison of
trade union nationalism
(28. Februar 2009)


*


Bitte senden Sie Ihren Kommentar an: wsws@gleichheit.de!.

Copyright 1998-2009 World Socialist Web Site - Alle Rechte vorbehalten


*


Quelle:
World Socialist Web Site, 07.03.2009
Der Zusammenbruch von General Motors
http://wsws.org/de/2009/mar2009/gm-m07.shtml
Deutschland: Partei für Soziale Gleichheit
Postfach 040144, 10061 Berlin
Tel.: (030) 30 87 24 40, Fax: (030) 30 87 26 20
E-Mail: info@gleichheit.de
Internet: www.wsws.org/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. März 2009