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GEHEIM/291: Ausflaggen an Land - Einsatz der Bundespolizei an deutschen Stränden


GEHEIM Nr. 3/2011 - 24. Oktober 2011

DEUTSCHLAND
Ausflaggen an Land
Über den Einsatz der Bundespolizei an deutschen Stränden

Von Susanne Härpfer


Bundespolizisten gibt's wie Sand am Meer. Seit Juli stapfen sie durch Touristenorte und Strände. Was wie ein Traumjob klingt, ist in Wirklichkeit Schwerstarbeit. Sie sollen Ansprechpartner für Urlauber sein, so die Begründung für den ungewöhnlichen Einsatz. Handtaschendiebstahl, auf gebrochene Autos; Yachten oder Hotelzimmer, das sind die gängigsten Delikte. Die Bundespolizisten sollen Ansprechpartner sein für Urlauber, die schlechte Erfahrung gemacht haben mit den örtlichen Polizisten oder sich falsch verstanden fühlen. Das zumindest ist die offizielle Begründung. Zu sehen in der Sendung "Weck up" auf SAT. 1 am 17.7.2011. Doch werden tatsächlich Spezialisten der Bundespolizei verheizt als bessere Strandwächter? Wird so künstlich der Bedarf an Bundespolizisten erhöht?

Handelt es sich um Strafversetzungen? Oder steckt mehr dahinter? Gibt es Hinweise auf Terror-Anschläge an Touristenorten? So wie in den Jahren zuvor in Ägypten und Indonesien. Schlendern auch deshalb TE-Experten über Strände und durch Touristenburgen, um zu ermitteln, was dran ist an Warnungen vor Attentaten? Offiziell sollen die Bundespolizisten Handtaschendiebstahl vorbeugen. Dient dies gleichzeitig dazu, Sprengstoff rechtzeitig zu entdecken? Oder sollen sie beides erfüllen: Terrorfahnder und Hilfspolizisten? Falls ja, kommen die Beamten noch dazu, das zu tun, worum es wirklich geht? Werden die Bundespolizisten auch deshalb zur Terrorabwehr eingesetzt, um Wildwuchs von privaten Sicherheitsfirmen einzudämmen? Soll es in Zukunft nicht. viele "Werner Mauss" geben sondern hoheitliche Aufgaben wieder von Beamten wahrgenommen werden? Mauss soll 1976 griechische Touristenorte nach Rolf Pohle durchkämmen lassen. Sind die Bundespolizisten also eigentlich Zielfahnder? Dient die Legende von den Taschendiebstählen dazu, die Touristen zu beruhigen und die Gastländer gleichermaßen, die um ihre Umsätze fürchten? Oder sollen delinquente Deutsche in Sicherheit gewiegt werden? Sind die Bundespolizisten auch oder eigentlich auf der Suche nach Finanz-Flüchtlingen? Machen sie der Steuerfahndung Konkurrenz? Wie ist die Zusammenarbeit oder Konkurrenz mit dem Zollkriminalamt (ZKA)? Wie die mit dem Bundeskriminalamt (BKA)? Mit anderen Behörden? Wie dehnbar ist der Begriff "Bundespolizei"? Immerhin sind Finanzermittler rein semantisch betrachtet ja auch irgendwie Polizisten des Bundes. Angehörige des Bundesnachrichtendienstes (BND) ebenso. Die hatten noch vor einigen Jahren etwas von Bundesvermögensverwaltung zu murmeln, wenn sie nach ihrem Brötchengeber gefragt wurden. Handelt es sich bei den Beamten im Ausland also auch um solche "Bundes-Polizisten"? Wie schnell läßt sich aus einem Zöllner ein Angehöriger einer anderen Behörde machen? Wie viele unterschiedliche Hüte, Dienstmarken und Ausweise haben die Kräfte dabei? Setzen einige von ihnen EU-Recht praktisch um? Ermöglichen sie, dass Täter im Ausland festgenommen und nach Deutschland überstellt werden? Fahnden sie nach Geldern, um die Deutsche und Deutschland geprellt wurden? Gerade in der Baubranche brechen Subsubunternehmen die Tariflöhne, und wenn es ums Bezahlen der Niedrigstlöhne geht, setzen sich die Geschäftsführer ab in die Türkei oder Niederlande. Auf dem Papier gilt zwar Europäisches Recht, doch tatsächlich Geld und Täter aus dem Ausland nach Deutschland zu bringen, hier zu verurteilen und die Opfer zu entschädigen - das war in der Vergangenheit in der Praxis nahezu unmöglich. Geprellten Arbeitnehmern blieb nur Selbstjustiz. Sollen die Bundespolizisten dies ändern und endlich Menschen zu ihrem Recht, sprich ihrem Geld verhelfen? Schützen die Bundespolizisten auch Deutsche im Ausland? Damit ihnen nicht ähnliches widerfährt wie derjenige, der im deutsch-französischen Grenzgebiet entführt und vor einem französischen Gericht des Mords angeklagt wurde. Touristenorte sind gleichzeitig der Ausgangspunkt für Schleusung. Wer nach Portugal oder Spanien gebracht wird, muß nicht zurückfahren. Busse können auch mit anderen Passagieren nach Deutschland fahren als mit denen sie hinfuhren.


Reisen und Tarnen

Reisen können getarnt werden. An Ferienorten gibt es Reisebüros. Perfekt für Geldwäsche. 2004 machte der sogenannte Visa-Skandal Furore. Tausende Menschen waren mit dem sogenannten Reiseschutzpass aus der Ukraine über Deutschland nach Portugal, Spanien und andere Länder gereist. Sollen die Bundespolizisten die Fragen aufklären, die damals der Untersuchungsausschuss auch deshalb nicht hat erhellen können, weil die Regierung wechselte. Sollen sie vor Ort ermitteln, wer eigentlich wo aufgetaucht ist und heute was macht? Mit Hilfe des Reiseschutzpasses waren auch Tschetschenen aus Moskau nach Deutschland gereist, die nach Informationen des Russischen Nachrichtendienstes FSB an der Geiselnahme im Moskauer Musicaltheater beteiligt, gewesen sein sollen. Sollen die Bundespolizisten herausfinden, ob einige sich in Spanien oder anderen Urlaubs-Orten aufhalten? Verknüpfen die Beamten dies mit der Sicherheitsüberprüfung für Tomatenpflücker? Denn manche der Menschen, die von der Ukraine mit Hilfe der Reiseschutzpässe via Deutschland gereist waren, sollen in solche Gebiete gefahren sein, in denen Tomaten und anderes Gemüse angebaut wird.


"Supply Chain Security"

Im Rahmen der Europäischen Sicherheitspolitik wird zunehmend auf die sogenannte "supply chain security" gedrängt. Diese Sicherheit in der Lieferkette betrifft auch Gegenden, die zugleich Schleuser anziehen und die Versorgung mit Nahrungsmitteln sicherstellen sollen. Eine gefährliche Mischung. Je knapper Lebensmittel werden, desto wichtiger werden Landwirtschaft und Transport. Wenn sich diese Sektoren aber in Händen von mafiösen Strukturen befinden, die Geschleuste und arme Einheimische ausbeuten, sind Sicherheitsfragen berührt. Daher könnte die EU-Initiative der supply chain security theoretisch eigentlich dazu dienen, Dumpinglöhnen den Garaus zu machen. In der Praxis jedoch wird sie zum "klick in the box"-Verfahren reduziert - also zur reinen Formalie degradiert und somit das vermeintliche mehr an Sicherheit ins Gegenteil verkehrt. Das Modell sieht vor: Produkte sollen vom Ausgangspunkt bis zum Ladenregal zurückverfolgbar sein, beim Transport soll jeder Schritt überwacht sein. Nur ausgewählte Firmen sollen noch grenzüberschreitend Geschäfte machen dürfen. Das klingt gut, klingt nach ehrbarem Kaufmann, ist es aber nicht. Denn so, wie bereits vorher Lieferanten Zollpapiere ausfüllten, so geschieht dies auch jetzt. Abgeglichen wurde lediglich, ob die Papiere stimmig waren. Was wirklich geladen wurde, das überprüften Beamte nur stichprobenartig. Hin und wieder gab es Überraschungen, wenn statt Südfrüchte und landwirtschaftliche Maschinen in Wirklichkeit Waffen in den Containern waren. Mit dem "supply chain"-System wäre dies weiterhin so; die Kontrollen sogar noch reduziert. Denn schließlich sollen nach dem System nur noch ausgewählte Vertragspartner dabei sein, und die entgehen Überprüfungen. Dabei wird jedoch nicht Subsubunternehmerprinzip bedacht.

Und das, obwohl eigentlich jeder mit eigenen Augen täglich sehen kann, dass beispieisweise Paketboten zwar T-Shirts von DHL oder anderen Firmen tragen. Wenn es aber Ärger gibt, dann stößt man rasch auf scheinselbständige Franchise-Nehmer, die Arbeitsbedingungen und Tariflöhne unterlaufen und außer dem Logo nichts mit dem Weltkonzern zu tun haben.

Sicherheit sieht anders aus. Auf diese Weise werden Menschen in falsche Sicherheit gewiegt. Sollen die Bundespolizisten auch diesem Verfahren auf die Schliche kommen? Ausflaggen an Land?


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Quelle:
GEHEIM-Magazin Nr. 3/2011 - 24. Oktober 2011, Seite 5-6
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2011