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GEHEIM/289: Libyen im Kreuzfeuer - Ein Blick zurück auf vergangene Aggressionen


GEHEIM Nr. 1/2011 - 29. März 2011

LIBYEN
Im Kreuzfeuer
Ein Blick zurück auf vergangene Aggressionen.

Von Hassan Abou Louft


In der Nr. 1 unseres Magazins GEHEIM aus dem Jahr 1993 hatten wir nachfolgenden Artikel veröffentlicht, der eine unvollständige Liste nordamerikanischer Aggressionen gegen das nordafrikanische Land enthüllt. Angesichts der aktuellen Entwicklungen haben wir uns entschlossen, ihn erneut zu veröffentlichen, um die ungebrochene Kontinuität der US-Strategie zu dokumentieren. Zu Beginn des nachfolgenden Artikels wird auf die Hintergründe des Lockerbie-Anschlags verwiesen. In der Nr. 2/2001 haben wir eindeutig belegt, das Libyen, anders als von der westlichen Desinformationskampagne unterstellt, nicht der Auftraggeber des Anschlags auf die PanAm-Maschine war, auch wenn das Land nur wenig später hierfür indirekt mit Kompensationszahlung faktisch die Verantwortung übernommen hatte. Dies geschah eindeutig nur aus politischen Gründen. Tripolis wollte offenbar alles aus der Welt schaffen, was einer Normalisierung mit dem Westen im Wege stand. Die Moral auch aus dieser Geschichte lautet jedoch: Der Feind liebt den Verrat, aber niemals den Verräter...

Die GEHEIM-Redaktion


Am 21. Dezember 1988 stürzte eine PanAm-Maschine, Flug Nr. 103, von einer Bombe zerrissen, über dem englischen Städtchen Lockerbie ab. Seither steht Libyen als angeblicher Urheber des Attentats am Pranger der internationalen Medien, zwei angebliche Attentäter - libysche Staatsbürger waren schnell gefunden, Sanktionen wurden dem Land von der UN auferlegt, um Tripolis zur Auslieferung der angeblichen Verantwortlichen zu zwingen. Bis heute gibt es keine eindeutigen Beweise. Dennoch wird Libyen international verurteilt (..)

Konkret galt der Anschlag wahrscheinlich mehreren, für Operationen im Nahen Osten verantwortlichen CIA-Agenten, die sich an Bord der Maschine befunden hatten. GEHEIM hatte bereits kurz nach dem Anschlag gemeldet, dass sich der CIA-Mann Metthew K. Gannon an Bord der Maschine befunden hatte; er war von seinem Posten in Beirut (Libanon) abgelöst worden. Er wurde des weiteren von folgenden nordamerikanischen Geheimdienstleuten begleitet: Ronald Larivier (CIA), Daniel O'Connor (CIA), Major Charles McKee (Defence Intelligence Agency / militärischer Geheimdienst der USA), Michael S. Bernstein (Office of Special Investigations / Justizministerium). Einige von ihnen seien Mitglieder eines supergeheimen Kommandos zur Befreiung von westlichen Geiseln im Libanon gewesen (...).. Bei dem gezielten Anschlag habe der nahöstliche Waffen- und Drogendealer Monzer Al-Kassar mit seinen weitverzweigten Verbindungen seine Hände im Spiel gehabt. (...)

Dennoch, von den USA eingeschworen, hat sich die Weltmeinung auf Libyen als angeblichen Organisator des Anschlages eingespielt; jede andere Spur wird bewusst nicht weiter verfolgt. Damit drängt sich der Verdacht auf, dass es den USA nicht um die Aufklärung des Lockerbie-Attentates geht, sondern um eine internationale Kampagne gegen Libyen mit dem Ziel, das nordafrikanische Land zu isolieren, zu destabilisieren und seine Führung zu stürzen. Nachfolgend wollen wir eine lange Kette von Aktionen der CIA beschreiben, Libyen wieder unter nordamerikanische Kontrolle zu zwingen; die Kampagne um Lockerbie reiht sich mühelos ein ...

US-Strategie gegen Libyen

- 1972 lehnte Washington jeden Dialog und jede diplomatische Beziehung auf Botschafterebene mit Libyen ab.

- 1974 wurde die Lieferung von 8 Flugzeugen vom Typ DC 1309 an Libyen gestoppt.

- Am 3.1.1975 drohte der amerikanische Außenminister mit der Anwendung von Gewalt gegen die Öl produzierenden Länder.

- 1977 nahm das Pentagon Libyen in die Liste der Feinde der USA auf.

- Am 24. 1. 1978 erklärte das amerikanische Außenministerium, Libyen sei der erste Staat, gegen den die USA Maßnahmen wegen seiner Haltung zu der Palästina-Frage ergreifen werde.

- 1979 startete die CIA die Rekrutierung einiger Agenten und Söldner, unter denen sich auch der Spion Mohamed Youssef Al-Magrief befand.

- Am 10.4.1980 setzten die amerikanischen Behörden die Angehörigen des libyschen Volksbüros in den USA unter Druck und wiesen vier Angehörige der diplomatischen Mission außer Landes.

- Am 12.5.1980 wurden in Libyen amerikanische konspirative Zellen ausgehoben, deren Aufgabe Spionageaktivitäten waren.

- Im Sommer 1980 wurde ein Plan ausgeheckt mit dem Ziel, das Flugzeug Moamar Al-Gaddafis auf einem Flug nach Osteuropa abzuschießen. Stattdessen wurde ein italienisches Flugzeug versehentlich abgeschossen.

- Im Mai 1981 befahl Präsident Reagan die Ausweisung der Angehörigen des libyschen Volksbüros (Botschaft) in Washington.

- Am 27.7.1981 veröffentlichte das amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek einen Artikel, wonach der Chef der CIA, William Casey, einem aufwendigen Plan für den Umsturz des Systems in Libyen zugestimmt hatte. Nach Informationen einiger Kongressabgeordneter zielte dieser Plan auf die Ermordung Moamar Al-Gaddafis ab.

- Am 8.8.1981 erstellte der CIA-Chef einen Plan, der einen Medien- und Psychokrieg vorsah.

- Am 19.8.1981 um 7.12 Uhr wurde der Golf von Sirte angegriffen; acht amerikanische Flugzeuge griffen zwei Aufklärungsflugzeuge der libyschen Luftwaffe, die sich auf einem routinemäßigen Aufklärungsflug über libyschem Territorium befanden, an. Beide Flugzeuge wurde abgeschossen.

- Am 31.8.1981 veröffentlichte Newsweek einen Artikel unter dem Titel "Der unerklärte Krieg", in dem zu lesen war, die Luftschlacht über dem Mittelmeer werde den unerklärten Krieg nicht beenden. Die USA seien davon überzeugt, dass Gaddafi eine Gefahr für die pro-westlichen Regime darstelle. Darin liege auch der Grund für die Bemühungen der Reagan-Administration, ihn als eine aktive, politische und militärische Macht auszuschalten.

- Am 17.10.1981 startete die sechste amerikanische Flotte Manöver in der Nähe des Golfes von Sirte, die bis zum 22.10.81 andauerten.

- Am 16.2.1981 kam es zu einem Zwischenfall zwischen libyschen und amerikanischen Flugzeugen, als amerikanische Flugzeuge die libysche Lufthoheit 80 km von Benghasi entfernt verletzt hatten.

- Am 17.2.1983 gab Präsident Reagan den Befehl, den atomaren Flugzeugträger "Nimitz" in Richtung der libyschen Küstengewässer zu schicken.

- 1984 drangen mehrere von der CIA angeworbene Spione in das Land ein. Sie hatten das Ziel, Mordanschläge zu verüben und Unruhe zu stiften:

a) Am 4.2.1984 drangen 5 Gruppen in folgenden Formationen ein:
- Erste Gruppe: Salem Al-Galay, Salem Almani
- Zweite Gruppe: Khaled Yahya Moamar, Abdullah Al-Matouni
- Dritte Gruppe: Saleh Al-Muaddab, Kamal Al-Schami
- Vierte Gruppe: Usama Schalluf, Salem Abdul Sallam Al-Hass
- Fünfte Gruppe: Nasser Al-Dahra, Jamal Al-Sabai, Anis Mohamed Al-Raeed.

b) Im April 1984 drang eine weitere Gruppe in das Land ein, die die gleiche Ausbildung erhalten und die den gleichen Auftrag hatte; sie bestand aus: Al Aref Dakhiel, Mustafa BuGhrara.

c) Im Mai 1984 drang der Spion Ahmed Ibrahim Hawas, begleitet von Ammar Al-Hassairi und Baschir Hamouda in das Land ein; gemäß einem Plan, der ihnen Sabotageaktionen und Mordanschläge erleichtern sollte; es wurden sudanesische Reisepässe, Landkarten und Zeichnungen sowie Namen nationaler Persönlichkeiten bei ihnen gefunden. Ihr Plan sah die Durchführung folgender Anschläge vor:
- Eliminierung von 40 Personen, deren Namen sie bei sich trugen.
- Zerstörung von wichtigen Anlagen, Vergiftung von Trinkwasser-Brunnentanks.
- Brandstiftung auf den von Arabern und Ausländern stark besuchten Volksmärkten.

Die Agenten der genannten Gruppen gaben an, intensives Training für diese Terroraktionen durch sudanesische Geheimdienstler während der Numeiri-Ära sowie durch einen "Mr. Jack", den CIA-Chef im Sudan, erhalten zu haben. Der besagte "Mr. Jack" soll, ihren Angaben zufolge, in direktem Kontakt zu dem Leiter dieser Terroraktionen, dem erwähnten Mohamad Youssef Al-Magrief und seinem Kumpanen Ali Abdullah Al-Darrat, gestanden haben.

Im Sommer 1985 veröffentlichte die Washington Post einen längeren Artikel auf der ersten Seite, in dem zu lesen war, das amerikanische Außenministerium habe im Sommer 1985 Sondermaßnahmen getroffen; es habe u. a. den amerikanischen Botschafter in Ägypten mit einer Geheimoperation beauftragt. Demnach sollte eine vom Weißen Haus geleitete amerikanisch-ägyptische Militäraktion, die eine ägyptische Invasion und die Besetzung der Hälfte des libyschen Territoriums mit amerikanischer Hilfe vorsah, gestoppt werden. Dieser Plan zielte auf die Entmachtung Gaddafis ab.

1985 rekrutierte die CIA Söldner, um diese für Mordanschläge auf Gaddafi auszubilden. Einer dieser Pläne sah das Beimischen einer Substanz in seine Mahlzeiten vor, die graduell das Immunsystem des Körpers schwächt und somit den langsamen Tod herbeiführt, ohne daß die Symptome schnell erkennbar werden.

- 1986 erließ Präsident Reagan eine Anordnung, der zufolge allen amerikanischen Staatsbürgern und Unternehmen der 1. Februar 1986 als Frist für die Beendigung jeglicher Art der Zusammenarbeit mit Libyen genannt wird.

- Am 24.3.1986 führten die Vereinigten Staaten von Amerika einen militärischen See- und Luftangriff auf den Golf von Sirte durch, an dem drei Flugzeugträger beteiligt waren.

- Am 25.3.1986 bombardierten Flugzeuge der US-Marine im Mittelmeer nahe des Golfes von Sirte zivile Ziele im Golf von Sirte sowie ein Küstenwachboot, das sich auf routine-mäßiger Aufklärung befand.

- Am 25.3.1986 ermächtigte die US-Administration den Befehlshaber der im Mittelmeer stationierten sechsten Flotte, libysche Flughäfen anzugreifen für den Fall, dass US-Schiffe und Flugzeuge von den libyschen Streitkräften angegriffen würden.

- Am 31.3.1986 veröffentlichte die ägyptische Zeitung Al-Ahram einen Artikel, der besagte, dass die USA während der letzten Monate Ägypten dreimal eine gemeinsame militärische Aktion gegen Libyen vorgeschlagen hatten.

- Am 15.4.1986 griffen die Vereinigten Staaten Libyen an; 10 US-Flugzeuge führten den Befehl des Präsidenten Reagan durch, das Haus des Moamar Al-Gaddafi sowie Tripolis und Benghasi zu bombardieren. Unschuldige Zivilisten kamen ums Leben, viele Frauen und Kinder wurden verletzt, Wohnhäuser und heilige Stätten wurden zerstört.

- Am 16.4.1986 erklärten amerikanische Piloten, die sich an dem Luftangriff auf Libyen beteiligt hatten, die Ermordung Gaddafis sei das Ziel des Luftangriffs gewesen.

- Am 17.4.1986 schrieb die Londoner Daily Mail, der amerikanische Präsident Ronald Reagan habe einen Geheimplan für den Umsturz des volksdemokratischen Systems in Libyen vorbereitet; weiter hieß es in dem Artikel, dass die CIA um Kontaktaufnahme zu ehemaligen libyschen Offizieren bemüht sei, um sie zu einem Umsturz des Systems zu bewegen und dass die CIA ein Sonderkonto für die Finanzierung dieser Operation eingerichtet habe.

- Am 18.4.1986 zitierte das amerikanische Wallstreet Journal zwei hohe amerikanische Verantwortliche, die aussagten, dass die US-Administration folgenden Plan erstellt habe:
- Abhalten von Manövern als Vorbereitung für einen Angriff auf strategische Ziele in Libyen.
- Vorbereitung von Sonderoperationen der CIA mit dem Ziel, das System in Libyen zu stürzen.
- Gemeinsame Aktion mit Frankreich gegen Libyen.
- Entsendung eines amerikanischen Verantwortlichen nach Europa, um die Verbündeten von der Notwendigkeit eines Wirtschaftsboykotts gegen Libyen zu überzeugen.

- Am 25.4.1986 verlautete aus gut informierten westlichen Kreisen, dass mehrere europäische Länder Informationen erhielten, wonach die US-Administration die Ermordung des libyschen Staatschefs Moamar Al-Gaddafi plane; für diesen Zweck sei ein Sonderkommando gebildet worden, dem u. a. auch von der CIA angeworbene Agenten aus dem Nahen Osten angehörten.

- Am 14.5.1986 kündigte das amerikanische Außenministerium einen Vertrag mit FIAT bezüglich der Lieferung von 170 Baggern an die US-Marine mit der Begründung, Libyen säße im Vorstand dieses Unternehmens.

- Am 22.2.1987 veröffentlichten die New York Times und die Sunday Times einen gemeinsamen Bericht über den amerikanischen Luftangriff.

- Im Dezember 1987 startete der amerikanische Außenminister eine Afrika-Reise, während der er acht Länder besuchte; er rief sie zur Zusammenarbeit und Solidarität gegen Libyen auf.

- Am 22.12.1987 traf die erste amerikanische Waffenlieferung in N'Djamena (Tschad) ein. Gleichzeitig erklärte das amerikanische Außenministerium, dass Präsident Ronald Reagan einer Militärhilfe für den tschadischen Diktator Hussain Habri in Höhe von 15 Millionen US-Dollar zugestimmt habe. Der Tschad sollte systematisch als Aufmarschbasis gegen Libyen aufgebaut werden.

- 1987 trafen die für die Sabotageoperationen ausgebildeten Truppen in Tschad ein. Ihre Ausbildung erfolgte entsprechend spezieller amerikanischer Angriffspläne gegen Libyen. Es wurden Militärlager eingerichtet, Unterkunftsmöglichkeit für Militärexperten wurden geschaffen, unbegrenzte Finanzhilfen wurden gewährt. Libysche Kriegsgefangene wurden vor die Alternative gestellt, entweder erschossen zu werden oder aber der von den CIA gesteuerten libyschen "Opposition" beizutreten.

- Am 16. Dezember 1991 veröffentlichte die in London erscheinende arabische Zeitung Al-Hayat einen Artikel, der berichtet, dass ihr US-Korrespondent ein unter der Leitung der CIA befindliches Trainingslager im Bundesstaat Virginia (USA) für die Ausbildung von libyschen Saboteuren besucht hatte.


Bildunterschrift einer im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Der Wikipedia-Artikel zu den CIA-Aktivitäten in Libyen ist sehr dürftig im Vergleich zu den Informationen, die das Magazin GEHEIM zusammengetragen hat.


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Quelle:
GEHEIM-Magazin Nr. 1/2011 - 29. März 2011, Seite 11-13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2011