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GEGENWIND/785: Buchbesprechung - "Wirtschaft anders denken" von Alrun Vogt


Gegenwind Nr. 364, Januar 2019

Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

BUCH
Krise oder Reformsprung?

von Klaus Peters


Schon oft ist unser Geld- und Wirtschaftssystem analysiert und kritisiert worden. Am gründlichsten geschah dies wohl durch den deutschen Sozialphilosophen Karl Marx. Auf den Spuren von Marx, seinen Vordenkern und seinen Jüngern bewegt sich auch die Autorin, Alrun Vogt, in ihrem Buch "Wirtschaft anders denken", obgleich sie Marx nicht erwähnt. Die Politikwissenschaftlerin Vogt befasst sich mit vier besonders kritischen Elementen des gegenwärtigen Geld- und Wirtschaftssystems. Ausgehend von den Folgen des ungezügelten Wachstums und dem daraus resultierenden, letzten dramatischen Höhepunkt, der Finanzkrise 2007/2008, analysiert sie zunächst das Zinssystem, die Geldschöpfung und Kreditvergabe der Privatbanken mit Eigenkapital, das durchweg weniger als 10 Prozent beträgt. Als weiteren Schwachpunkt und wesentliche Ursache sozialer Ungerechtigkeit des Systems identifiziert sie das Privateigentum an Grund und Boden. Schließlich plädiert sie für ein bedingungsfreies Grundeinkommen.


Alles nicht so neu könnte man meinen. Im frühen Mittelalter gab es sogar schon einmal eine längere Phase ohne Zins und Zinseszins mit wirtschaftlicher Prosperität, wie die Autorin erläutert. Thomas Morus befasste sich in dem Klassiker der politischen Philosophie, "Utopia" Anfang des 16. Jahrhunderts bereits ausführlicher mit den negativen Auswirkungen des Privateigentums auf Moral und die Gerechtigkeit.

Was also tun? Der Schlüssel für eine Transformation liegt grundsätzlich beim politischen Willen in der Gesellschaft. Die aktuelle Politik, in den Kommunen bis hin zur großen Politik, macht die Defizite immer wieder deutlich. Selbst wenn der Wille vorhanden ist, sogar in Parteiprogrammen zum Ausdruck gebracht wird, sind die Abhängigkeiten, Egoismen, intellektuelle Defizite und Trägheit zu schwerwiegend, um diesen Willen umzusetzen. Irgendwie geht es ja noch weiter, auch wenn Minimal- und Teillösungen wieder zu neuen Problemen führen. Letztlich kann nur die Aufklärung, wie durch dieses Buch, Hoffnung verbreiten und Antrieb sein.

Alrun Vogt weist in ihrer Schlussbetrachtung zu Recht darauf hin, dass Wirtschaftswissenschaftler und Medien allzu oft eher das Gegenteil von Aufklärung betreiben, grundlegende Reformen deshalb sogar an der Zustimmung ihrer potentiellen Profiteure scheitern. Der Anteil der weit überwiegenden Zahl der Politiker dürfte an diesem Dilemma auch nicht gerade gering sein. Die Autorin prophezeit neue, dramatische Wirtschaftskrisen, die letztlich dann aber doch zu einem Umdenken in der Bevölkerung führen müssten. Als politische Alternative biete sich die Einführung eines angemessenen, sanktionsfreien Grundeinkommens an, das der Bevölkerung eine bisher nicht gekannte Unabhängigkeit ermögliche und sie vom Spiel der Mächtigen befreien könnte.


Alrun Vogt: Wirtschaft anders denken, Vom Freigeld bis zum Grundeinkommen, 204 Seiten, 2016, Oekom-Verlag, 16,95 Euro

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Quelle:
Gegenwind Nr. 364, Januar 2019, Seite 51
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2019

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