Gegenwind Nr. 359, August 2018
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg
Schwanger ohne Papiere: Wenn aus guter Hoffnung Angst wird
von Germaine Adelt
Dass in Deutschland durch den "Nothilfeparagraph" jeder Mensch im Notfall medizinisch behandelt wird, ist bekannt. Dass eine Schwangerschaft und eine Geburt kein Notfall sind, ebenso. Zumindest sollte es nie so sein. Dafür gibt es die Vorsorgeuntersuchungen und Entbindungen unter medizinischer Betreuung.
Allerdings sieht dies für Schwangere ohne Papiere anders aus.
Jede werdende Mutter macht sich gelegentlich Sorgen, ob es ihrem
ungeborenen Kind auch gut geht. Für Schwangere ohne Papiere ist es
ungleich sorgenvoller. Denn sie können keine der empfohlenen
Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen. Es sei denn sie tragen die Kosten
selbst. Für eine planbare medizinische Untersuchung können sie vorab
Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beantragen. Dazu
braucht es einen Antrag beim Sozialamt, das wiederum den
Aufenthaltsstatus der Person an die Ausländerbehörde weitergeben muss,
so dass oft eine Abschiebung droht.
"Es ist fast unmöglich diesen Kreis zu durchbrechen", erklärt Germaine Adelt vom MediBüro Kiel. "Hier die Frau, die kein Anrecht auf medizinische Leistungen hat, dort die Schwangerschaft, die voranschreitet oder die Geburt, die dann eben irgendwann einmal naturgemäß los geht. Und so ist man immer in der Ambivalenz", so die Hebamme weiter, "die Unterstützung zu organisieren, ohne den Aufenthaltsstatus der Schwangeren zu gefährden. Oft ist es so, dass die ausländischen Papiere der Frauen in Deutschland erst anerkannt werden müssen oder ganz fehlen. Somit ist eine Krankenversicherung nicht ohne weiteres möglich."
"Das dauert seine Zeit. Wie wir aber alle wissen, hält sich die Natur nicht an diese Regularien", sagt Christoph Krieger aus dem MediBüro Kiel. "Das Kind wird geboren, wenn es soweit ist. Auch, wenn die Behörden für den Antrag noch Wochen oder gar Monate brauchen."
Bis zu sechs Wochen vor der Entbindung können die Frauen abgeschoben werden und dann wieder ab acht Wochen danach. Hinzu kommt auch die Tatsache, dass die Frauen nicht wissen, woher sie Hilfe bekommen können. So werden mögliche Erkrankungen nicht erkannt. Eine enorme Gefahr für Mutter und Kind.
"Nun sind wir hier in Kiel in der glücklichen Lage, die Voruntersuchungen unentgeltlich im hiesigen Gesundheitsamt vornehmen zu lassen", so Adelt, "auch unterstützt uns die Universitätsklinik sehr kulant, wenn es um sichere Geburten geht. Aber viele Frauen wissen das nicht und zudem existiert dieses Problem bundesweit."
Da der II. Bundeskongress aller MediBüros und MediNetze dieses Jahr in Kiel ausgerichtet wurde, nahm das MediBüro Kiel dies zum Anlass und hat als Auftaktveranstaltung eine öffentliche Podiumsdiskussion organisiert. Zu eben jenem Thema. Hochkarätige Gäste aus Politik, Wissenschaft und Praxis waren geladen.
"Ganz besonderes freuten wir uns das PICUM (Plattform for international cooperation on undocumented migrants) auch vertreten war", erzählt Krieger, "und aus europäischer Sicht zu diesem Thema berichtete, exemplarische Versorgungsmodelle, aber auch Hindernisse aufzeigte."
Der anschließende interne Bundeskongress diente dazu, sich vertiefend zu dem Podiumsthema auszutauschen. Aber auch in Workshops alle relevanten Schwerpunkte der bundesweiten Arbeit aller MediBüros und MediNetze zu vertiefen. Ob nun mit rechtlichen, medizinischen, politischen oder strategischen Inhalten. Aber auch um eine Resolution zu verabschieden, die alle Vertreter der anwesenden MediBüros und MediNetze unterzeichneten, um auf dieses Thema öffentlich aufmerksam zu machen.
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Zum 11. Bundeskongress der Medibüros, Medinetze und Medizinischen
Flüchtlingshilfen vom 25. bis zum 27. Mai 2018 in Kiel wurde die
medizinische Versorgung von Schwangeren ohne Papiere als
Schwerpunktthema festgelegt und behandelt. Im Zuge der verschiedenen
Veranstaltungen hat sich der Bundeskongress mit Vertreter *innen aus
Politik und Praxis mit diesem Thema auseinandergesetzt.
Basierend auf dieser intensiven Auseinandersetzung mit dem Zugang zur medizinischen Versorgung von Schwangeren ohne Papiere wurde folgende Resolution von den versammelten Medinetzen, Medizinischen Flüchtlingshilfen und Medibüros verfasst.
Auf dem 11. Bundeskongress vertretene Medibüros, Medinetze und Medizinischen Flüchtlingshilfen:
Aachen, Berlin, Bonn, Bremen, Dresden, Essen, Freiburg, Gießen, Göttingen, Halle/Saale, Hannover, Jena, Kiel, Leipzig, Lübeck, Magdeburg, Mainz, Mannheim / Heidelberg, Marburg, Nürnberg, Oldenburg, Rhein-Neckar, Rostock, Würzburg.
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Quelle:
Gegenwind Nr. 359, August 2018, Seite 20-21
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2018
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