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GEGENWIND/763: Schleswig-Holstein plant Abschiebungshaft-Anstalt


Gegenwind Nr. 358, Juli 2018

Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

REPRESSION
Schleswig-Holstein plant Abschiebungshaft-Anstalt
Regierung legt Abschiebungshaft-Vollzugsgesetz im Entwurf vor

von Reinhard Pohl


Schon bei den Koalitionsverhandlungen war es umstritten: CDU und FDP wollen wieder ein Gefängnis, um Abschiebungen leichter durchführen zu können. Die Grünen sind dagegen, haben aber zugestimmt. Bereits im Landtagswahlkampf hatte der damalige Innenminister Stefan Studt die Linie vorgegeben: Er habe bereits mit Innenministern anderer Bundesländer im Norden gesprochen, um eine gemeinsame Abschiebungshaft-Anstalt zu bauen.

Die Pläne der Landesregierung sehen jetzt vor, die ehemalige Marinekaserne in Glückstadt umzubauen. Die Abschiebungshaft soll 60 Plätze haben, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern wollen sich beteiligen. In der Landtagsdebatte Mitte Juni stimmte die AfD den Plänen zu, während SPD und SSW sie ablehnten.

Das Innenministerium, das mit der Planung und Durchführung beauftragt ist, hat jetzt den Entwurf eines Abschiebungshaftvollzugsgesetzes vorgelegt. Das geschieht deshalb, weil die EU in ihrer Rückführungs-Richtlinie festgelegt hat, dass die Abschiebungshaft von der Strafhaft getrennt werden muss. Das Abschiebungsgefängnis in Rendsburg, das einige Jahre lang betrieben wurde, war noch als Filiale des Gefängnisses in Kiel geführt worden, wenn auch mit etwas lockereren Regeln.

In der Abschiebungshaft sollen diejenigen untergebracht werden können, die nach Ende des Aufenthaltsrechts oder ohne je Aufenthaltsrecht gehabt zu haben ins Herkunftsland zurückgeschickt werden. Es soll aber auch für AsylbewerberInnen sein, für die nach der Dublin-Verordnung ein anderes EU-Land zuständig ist. (§ 1)


Entwurf für ein Vollzugsgesetz

In der Abschiebungshaft dürfen die Gefangenen keine Geräte besitzen, mit denen Fotos oder Videos hergestellt werden können - das bedeutet vermutlich, dass nur "alte" Mobiltelefone erlaubt sind und vermutlich Telefone auf den Fluren. (§ 3)

Frauen, Männer und Kinder sollen getrennt voneinander und einzeln untergebracht werden, also in 1-Personen-Zellen. Dabei sollen Minderjährige nur "ausnahmsweise" in der Einrichtung sein. Wenn ganze Familien dort sind, sollen sie entweder ausnahmsweise zusammen leben dürfen oder zumindest tagsüber zusammen sein. (§ 4)

Grundsätzlich sollen die Insassinnen und Insassen nachts eingeschlossen sein, tagsüber nicht. Allerdings ist natürlich das ganze Gefängnis abgeschlossen und ohne Urlaub oder Ausgang. (§ 5)

Es soll einen Zugang für eine behördenunabhängige Beratung geben, nur die soziale Beratung und die Rückkehrberatung sollen Teil der Einrichtung sein. (§ 6)

Es soll auch eine Arbeit oder Beschäftigung angeboten werden, die in Form einer "Aufwandsentschädigung" bezahlt wird, also als 1-Euro-Job. (§ 8)

Die Insassinnen und Insassen dürfen zu den Besuchszeiten Besuch erhalten, das ist dann auch zeitlich oder bezogen auf die Häufigkeit nicht beschränkt. Rechtsanwälte oder Betreuer des Konsulats dürfen auch außerhalb der Besuchszeiten kommen. (§ 9)

Das Empfangen und Senden von Post sowie das Telefonieren ist erlaubt. Post kann kontrolliert werden, außer Post an Rechtsanwälte, Abgeordnete und so weiter. (§ 10)

Die Gefangenen dürfen Zeitschriften beziehen, Radio hören und Fernsehen. Außerdem dürfen sie Computer mit Internet-Zugang nutzen. (§ 11)

Es soll Freizeiteinrichtungen geben - das wird aber nicht näher ausgeführt. (§ 12)

Die Zellen dürfen durchsucht werden. Ebenso dürfen die Gefangenen durchsucht werden. (§ 14)

Es soll besondere Hafträume für die Unterbringung für diejenigen geben, die Gewalt angewendet haben (gegen sich, gegen andere, gegen Sachen). (§ 15)

Die Angestellten dürfen in bestimmten Situationen Zwang anwenden, ein zunächst vorgesehener Paragraph über das Fesseln wurde im Verlauf der Diskussionen wieder gestrichen. Sie dürfen allerdings keine Schusswaffen benutzen. (§ 19)

Es darf offen und verdeckte alles mit Kameras und Mikrophonen überwacht werden, nur die Zellen selbst nicht (außer die besonders gesicherten Zellen). Wenn etwas gespeichert wird, muss es allerdings eine Woche später gelöscht werden, wenn nichts passiert ist. (§ 20)

Es soll ein Beirat eingerichtet werden, der unabhängig von der Landesregierung ist. Bei ihm können sich Insassinnen und Insassen beschweren. (§ 21)


Diskussion

Diskutiert wird insbesondere die Unterbringung von Frauen und Kindern. Hier ist ein Problem, dass das Aufenthaltsgesetz das vorsieht, und das gilt für Richterinnen und Richter: Wenn eine Behörde die Haft beantragt, muss die Richterin oder Richter entscheiden und dabei das Gesetz anwenden.

Die Landesregierung kann das nur insoweit beeinflussen, dass sie den Spielraum von Ausländerbehörden in Schleswig-Holstein und der Landespolizei beschränkt, Kinder in Haft zu bringen. Allerdings werden hier auch Menschen ohne Aufenthaltsrecht aufgegriffen, für die eine Ausländerbehörde in einem anderen Bundesland zuständig ist, und es gibt auch Kontrollen durch die Bundespolizei. In beiden Fällen gilt die bundesgesetzliche Regelung, ohne dass dieses Bundesland eingreifen kann.

Übrigens: Die SPD hat sich Mitte Juni im Landtag scharf gegen die Haft für Kinder gewendet, allerdings das Gleiche weder im Bundestag noch im Bundesrat noch in der Bundesregierung getan.

Der SSW sprach sich gegen Abschiebungshaft aus. Die Grünen, wie gesagt, auch, stimmten dem aber doch während der Koalitionsverhandlungen zu. Grund dafür war das "Gesamtpaket" des Vereinbarungen in den Gesprächen (vgl. Gegenwind 346, Juli 2017).


Konkrete Planung

Das Gesetz soll im Herbst im Landtag beraten und verabschiedet werden.

Danach müssen Verträge mit Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern ausgehandelt und abgeschlossen werden. Spätestens hier müssen sich die drei Regierungen festlegen, ob sie auch die Haft für Männer, Frauen und Kinder regeln oder nur für Erwachsene.

Die Haftanstalt selbst war eigentlich für Ende 2018 geplant. Jetzt soll der Umbau 2019 erfolgen. Wann sie fertig wird, ist noch nicht klar.


Eine Stellungnahme des "Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein e.V." zur Abschiebungshaft und diesem Gesetzentwurf findet sich auf dessen Internet-Seite: www.frsh.de (Themen, Abschiebungshaft)

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Quelle:
Gegenwind Nr. 358, Juli 2018, Seite 41-42
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2018

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