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GEGENWIND/729: Schädlicher Fluglärm


Gegenwind Nr. 348 - September 2017
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein

Krieg & Frieden
Schädlicher Fluglärm
Fluglärm führt zu Gefäßschäden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

von Ralf Cüppers


Abhebende und landende Flugzeuge verursachen den Lärm, dem vor allem in der Nähe von Flughäfen wohnende Menschen ausgesetzt sind. Wegen des abrupten Anstiegs des Schallpegels wird Fluglärm als besonders belästigend empfunden. Danach folge Straßenlärm, an dritter Stelle Lärm durch Züge vor Nachbarschaftslärm.


Ein Teddy klemmt im Stacheldraht vor einem Tornado, daneben ein Transparent '... gib endlich Ruhe' - Foto: © Ralf Cüppers

Teddy gegen Fluglärm
Foto: © Ralf Cüppers


Im Tierversuch erhöht simulierter Fluglärm die Konzentration der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol im Körper und die Funktion der Gefäße wird beeinträchtigt. Das Ergebnis damals: Fluglärm fördere Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfälle. Durch welche Mechanismen die Gefäßschäden zustande kommen, ist eindeutig geklärt. Im Mäusestall wurde über mehrere Tage hinweg die Geräuschkulisse erzeugt, die durch Flugzeuge entsteht. Der Fluglärm erreichte dabei eine Lautstärke von bis zu 85 Dezibel. Dabei untersuchten die Forscher, wie die Mäuse darauf im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die keinem Fluglärm ausgesetzt war, reagierten. Bereits nach einem Tag habe Fluglärm eine Gefäßstörung ausgelöst und die Pegel der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortison steigen an, dies erzeugt Bluthochdruck. Die Hormone aktivieren die Innenschicht der Gefäße, was für eine höhere Durchlässigkeit von Entzündungszellen sorge. Zugleich würden unter anderem Enzyme aktiv, die große Mengen sogenannte freie Radikale bildeten - das sind Molekülteilchen, die Zellen schädigen können und zu Krebszellen verändern können. Bei der Kontrollgruppe seien diese Effekte nicht aufgetreten.

Fluglärm ist Ursache von Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen

Von 420 Anwohnern eines Flughafens erhielten in einer zwei Jahre andauernden Studienperiode 71 der Studienteilnehmer die Diagnose eines Bluthochdrucks, 44 Teilnehmer entwickelten Herzrhythmusstörungen und 18 erlitten einen Herzinfarkt. Mit der Zunahme des Fluglärms um zehn Dezibel steigt die Wahrscheinlichkeit einer neuen Diagnose von Bluthochdruck um mehr als 50 Prozent Das Risiko des Auftretens von Herzrhythmusstörungen ist durch Fluglärm verdoppelt.

Fluglärm erhöht den Blutdruck auch dann, wenn sich die Menschen subjektiv gar nicht gestört fühlen. "Erhöhter Blutdruck ist ein wichtiger Risikofaktor für die spätere Entwicklung von Herzinfarkt und Schlaganfall", wurde bereits 2010 erkannt. "Wir gehen davon aus, dass Menschen die Fluglärm ausgesetzt sind, eine Gefäßregulationsstörung haben, die gefäßverengenden Mechanismen überwiegen und dadurch steigt der Blutdruck." Besonders gefährlich am Fluglärm ist, dass sich die gesundheitlichen Folgen nicht sofort zeigen. Es kann 10 bis 15 Jahre dauern, bis die Gesundheitsschäden auftreten.

Blutdruckanstieg ist ab einer Lautstärke von 35 Dezibel zu erwarten. Nach solchem Lärm stieg der systolische Blutdruck im Durchschnitt um 6,2 Millimeter Quecksilbersäule (mm Hg) und der diastolische Blutdruck um 7,4 mm Hg. Dabei erhöhte sich der Blutdruck um so mehr, je lauter der wahrgenommene Lärm war.

35 Dezibel entspricht dem Überflug eines Flugzeugs in großer Höhe. Beim Tiefflug und in der Nähe des Flughafens, erreicht ein Tornado-Kampfflugzeug in 100 m Entfernung einen Schalldruckpegel von 200 Pascal entsprechend 140 Dezibel. In 30 m Entfernung sind es 630 Pascal oder 150 Dezibel.

Für den Abstand zur Schallquelle gilt der logarithmische Zusammenhang: verdreifachen ist etwa 10 Dezibel weniger, verzehnfachen etwa 20 Dezibel weniger.

Über 1000 mal so viel Schalldruck wie bei Manni Manta mit Bleifuß

Zum Vergleich: ein PKW bei Volllast erzeugt in nur 10 m Entfernung maximal 200 Millipascal oder 80 Dezibel, im Leerlauf 20 Millipascal oder 60 Dezibel, ein "normal" sprechender Mensch in 1 m Entfernung 2 Millipascal oder 40 Dezibel.

Dezibel ist eine logarithmische Einheit.

Das Symphonieorchester kann maximal 90 Dezibel erreichen, aber im Unterschied zum Mäuseversuch ist ein Konzert zeitlich begrenzt, es spielt ja auch nicht stundenlang über viele Tage hintereinander immer wieder dasselbe Stück.

In Diskotheken oder auf Baustellen mit Drucklufthämmern werden auch schon einmal Schalldruckpegel von 2 Pascal oder 100 Dezibel gemessen, dann ist die Schmerzschwelle des menschlichen Ohres erreicht.

Gängige Blutdruckmedikamente wie z.B. Diuretika, BetaBlocker, ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Antagonisten, Calciumkanalblocker senken den Blutdruck um jeweils 5 bis 10 mm Hg, Menschen mit stark erhöhtem Blutdruck erhalten deshalb häufig eine Kombination aus mehreren Blutdrucksenkern unterschiedlichen Wirkprinzips. Der Blutdruckanstieg durch Lärmbelastung von nur 35 Dezibel entspricht also der Wirkstärke eines Blutdruckmedikamentes.

Entscheidend sei dabei allein die Lautstärke und nicht die Quelle des Lärms gewesen, Bluthochdruck beginnt nach Definition der Weltgesundheits-Organisation (WHO) bei einem Wert von 140 zu 90 mm Hg; systolisch zu diastolisch.

Bei Frauen ist erwiesen, dass die Erkrankungsrisiken für Depressionen: signifikant erhöht waren. Die Ergebnisse ergeben sich aus mehreren Untersuchungen zu Fluglärm-Effekten in der Umgebung von europäischen Flughäfen. Bei extremer Lärmbelästigung sind Depression und Angst immerhin doppelt so häufig wie bei geringer Lärmbelästigung.

Lärmbelastung führt bei Kindern zu einem erhöhten Risiko für Asthma oder andere Erkrankungen der oberen Atemwege auf. Der Stress wird bei den Kindern anders verarbeitet als bei den Erwachsenen. Zwar wachen Kinder nicht so schnell bei Lärm auf wie Erwachsene, doch sie reagieren unterhalb des Aufwachens stärker auf Geräusche als Erwachsene. Nicht nur der kindliche Schlafrhythmus wird durch Fluglärm kräftig durcheinander gebracht. Auch am Tag beeinträchtigt der Fluglärm Kinder. Es falle ihnen schwerer zu lernen. Diese Verarbeitung von Lerninhalten, die vor allem im Kurzzeit- oder auch ein wenig im Langzeitgedächtnis stattfindet, kann durch den Lärm ganz erheblich gestört werden. Kinder in lärmgeplagten Grundschulen lernten langsamer lesen als Kinder in ruhigeren Lagen und seien auch häufiger von Sprech- oder Sprachstörungen betroffen.

Was bedeutet das für Betroffene?

Forscher halten es für möglich, dass körperliches Training oder Herzmedikamente wie etwa Blutdrucksenker in der Lage sind, die Schäden einer solchen Gefäßfunktion durch Fluglärm zu korrigieren oder künftige Schäden sogar zu verhindern. Das müsse aber noch getestet werden. Das Wichtigste sei jedoch, Fluglärm zu reduzieren.

Also: Fliegerhorst Jagel schließen - Bundeswehr abschaffen!

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Quelle:
Gegenwind Nr. 348 - September 2017, Seite 29 - 30
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2017

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