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GEGENWIND/600: Hausbesetzungen legalisieren


Gegenwind Nr. 309 - Juni 2014
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Hausbesetzungen legalisieren
Hilfe zur Selbsthilfe

von Marco Höne



Auf einer Tagung der Eigentümervereinigung "Haus und Grund" Anfang Mai 2014 erklärte der Schleswig-Holsteinische Innenminister Breitner (SPD), dass Markteingriffe unverzichtbar seien, um eine Wiederherstellung der sozialen Balance auf dem Wohnungsmarkt zu gewährleisten. Endlich ist das Problem also auch in den höchsten Etagen norddeutscher Politik angelangt.


Viel zu spät. Schon lange war absehbar und auch nicht erst seit gestern spürbar, dass immer weniger Menschen in Schleswig-Holstein es nicht schaffen eine bezahlbare Wohnung zu finden. Zwei politische Entscheidungen sind dafür verantwortlich. 2004 öffnete die rot-grüne Bundesregierung den Immobilienmarkt für Hedge Fonds. Auch durch Verkaufsorgien seit den 90ern sind heute die Hälfte der 600.000 Wohnungen in Schleswig-Holstein in der Hand von internationalen Finanzinvestoren. Gerade durch die Finanzkrise wurde das sogenannte "Betongold" zum beliebten Anlage und Spekulationsobjekt. Die Preise steigen.

Zusätzlich hatte Innenminister a.D. Ralf Stegner (SPD) 2007 die Belegbindung für Sozialwohnung von 80 auf 35 Jahre verkürzt. Das heißt, es gibt immer weniger verbilligte Wohnungen auf die Bedürftige ein besonderes Zugriffsrecht haben. In den 70ern gab es noch 220.00 Sozialwohnungen im Land, heute sind es noch 67.000 und alleine Ende 2014 fallen weitere 14.000 aus der Bindung. Dabei hätte Schleswig-Holstein ein Bedarf von 157.000 Sozialwohnungen.

DIE LINKE streitet seit längerem für eine politische Gegenoffensive. Gerade auf kommunaler Ebene fordern wir die konsequente Anwendung von §11 des BauGB um mittels städtebaulichen Verträgen Investoren die Schaffung von neuen Sozialwohnungen vorzuschreiben. Eine echte Mietpreisbremse, Stopp von Zweckentfremdung, Stopp von Privatisierung öffentlicher Wohnungen und Schutz der Mieter vor Verdrängung sind weitere Stichpunkte.

Aber das, wie auch die geplante Mietpreisbremse sind quälend langsame Schritte. Seit Jahren müssen die Menschen erleben, wie ihr Grundbedürfnis zum Spielball von Profitinteressen geworden ist und haben dies demütig zu ertragen. Deswegen hat der Landesvorstand der LINKEN in Schleswig-Holstein auf seiner Sitzung am 04.05.2014 einen anderen Zungenschlag gewählt und gefordert, dass es einen legalen Rahmen für Hausbesetzung geben müsse. Wohnungen und Häuser, die seit mehr als 8 Monaten leer stehen, sollen straffrei besetzt werden können, bis sie wieder in eine sachgemäße Nutzung nachgewiesen ist. Ziel ist es, die Menschen in die Lage zu versetzen, sich selber gegen Spekulation und Renditesucht zur Wehr zu setzen. Das kann nicht die Lösung sein, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es soll ein Signal setzen, dass die Politik nicht beständig Wirtschaftsinteressen folgt (neben den erwähnten Entscheidungen, gab es ja auch noch eine Novellierung des Mietrechtes, die Zwangsräumungen erleichtert) sondern auch den Menschen mehr Rechte gibt, ihren Interessen selbst Ausdruck zu verschaffen.

Die Reaktion war ein Artikel von Peter Höver in der SHZ vom 7. Mai 2014, wo er auf Seite 6 diese Idee als Utopie bezeichnet, die illegal ist und es aufgrund von Eigentumsrechten auch bleiben würde. Eine Utopie ist das ganze mitnichten. Bis 2010 waren Hausbesetzungen in den Niederlanden unter bestimmten Bedingungen geduldet (Stichwort "kraken"). Gebäude, die ein Jahr lang leer standen, konnten straffrei besetzt werden. Gesetzeswidrig war nur das Aufbrechen des Hauses. Die Polizei rief man selbst, auf dass sie Leerstand und Hausfrieden feststellte. Ein kraaksetje, bestehend aus Bett, Tisch und Stuhl, demonstrierte den Beamten die "Wohnsituation", die sie sehen wollten. In den siebziger und achtziger Jahren waren alleine in Amsterdam mehr als 1.000 Gebäude besetzt.

Es ist also mitnichten eine Utopie, sondern war lange Zeit ein von der Politik in den Niederlanden geduldetes Mittel, sich gegen einen unsozial funktionierenden Wohnungsmarkt zur Wehr zu setzen.

Es spricht nichts dagegen in den Zeiten, in denen die Profitinteressen einiger weniger viele in Probleme bringen, etwas von diesem freiheitlichen Geist zurück zu holen. Die Politik sollte nicht die Einstellung vertreten, dass die Menschen demütig alle Missstände zu ertragen haben, bis die hohen Entscheidungsträger endlich zur Weisheit gefunden haben. Wir sollten auch den Menschen mehr Rechte an die Hand geben für ihre Interessen selbstbestimmt zu agieren.

Marco Höne
Mitglied des Parteivorstandes DIE LINKE

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Quelle:
Gegenwind Nr. 309 - Juni 2014, Seite 28
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2014