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GEGENWIND/557: Die Grenzen des Wachstums, Nachhaltigkeit und Wachstumsrücknahme


Gegenwind Nr. 298 - Juli 2013
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

WIRTSCHAFT
Die Grenzen des Wachstums, Nachhaltigkeit und Wachstumsrücknahme
Auch die Natur wartet auf die Revolution

Von Klaus Peters



Eine öffentliche Debatte über die "Grenzen des Wachstums" begann spätestens 1972 nach der Veröffentlichung der gleichnamigen vom Club of Rome herausgegebenen und von Meadows et.al. verfassten Studie. Diese Studie unterstützte die Aktivitäten besorgter und durch Großprojekte betroffener Bürger, die sich verstärkt in immer mehr Bürgerinitiativen oder Umweltverbänden zusammenschlossen. Im gleichen Jahr gründete sich auch der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU).


Obgleich die Umweltprobleme an Intensität und Vielfalt zunahmen, gelang es der Umweltbewegung nicht, entscheidende Erfolge zu erreichen. Selbst die 1980 erfolgte Gründung der Partei Die Grünen änderte daran wenig. Die Ursachen für die geringen Erfolge der Umweltbewegung sind komplex. Einerseits hinderte die auch organisatorisch zunehmende Vielfalt daran, politische Schlagkraft zu gewinnen, die eben auch nicht durch den parlamentarischen Arm - wegen zusätzlicher politischer Herausforderungen und der Eigendynamik von Parteien - nicht grundlegend verbessert werden konnte. Andererseits wurden durch die deutsche Einheit und den andauernden Strukturwandel mit hoher Arbeitslosigkeit neue politische Prioritäten gesetzt. Schließlich glauben die Mehrheit der Initiativen, Verbände und auch die Vertreter der einst als besonders fortschrittlich geltenden Partei Bündnis 90/Die Grünen oder Attac und Teile der Linkspartei, dass dauerhafte Problemlösungen auch innerhalb des kapitalistischen Systems möglich sind.


Machtverhältnisse verhindern einen grundlegenden Politikwechsel

Aufgrund der gesellschaftlichen Machtverhältnisse und der daraus resultierenden politischen Konstellationen gelang es aber eben bisher nicht, die grundlegenden Strukturprobleme innerhalb der Marktwirtschaft zufriedenstellend zu lösen. Weder konnte eine wirksame Arbeitszeitverkürzung, noch konnten angemessene Arbeitslöhne durchgesetzt werden. Deregulierung und Privatisierung führten durch Leiharbeit, Zeitverträge und Niedriglohnjobs zunehmend zu prekären Arbeits- und Lebensverhältnissen. Privatisierungen und Steuererleichterungen für Unternehmen und Besserverdienende bedeuteten mittelfristig eine finanzielle Schwächung des Bundes, der Länder und Kommunen, Verlust politischer Einflussnahme und Abbau von Arbeitsplätzen in öffentlichen Einrichtungen. Schließlich verstärkte sich durch diese Politik die Umverteilung von unten nach oben. Trotz inzwischen etablierter Umweltbehörden nahmen gleichzeitig Ressourcenverbrauch und Umweltbelastungen bis auf Ausnahmen in wenigen Sektoren dramatisch zu.

Inzwischen wird zunehmend erkannt, dass der Energieverbrauch an den Ressourcenverbrauch gekoppelt ist. Energieeffizienzmaßnahmen haben diese Abhängigkeit grundsätzlich nicht geändert. Energie- und Ressourcenverbrauch sind wiederum die Ursachen für weltweite Umweltbelastungen. Die Grenzen des Ressourcenverbrauchs (Ölkrise 1973, Preissteigerungen, Kriege) und der Umweltbelastungen (Klimaveränderungen, Arten- und Biodiversitätsverlust) sind auch konkret wahrnehmbar geworden.


Konzepte und Instrumentarien - mehr als Greenwashing?

Die regionalen und weltweiten Wirtschafts-, Ressourcen- und Umweltprobleme sind den politisch Verantwortlichen prinzipiell bekannt. Die Probleme werden auch im eigenen Land und in der EU allerdings nur zögerlich zugegeben und nicht konsequent angegangen. Die Hauptgründe für diese Politik dürften die Furcht vor Glaubwürdigkeitsverlust, Machtverlust und Profitverlusten sein. Nach den "Grenzen des Wachstums" waren Studien wie "Zukunftsfähiges Deutschland", die "Klimaberichte" oder auch Internationale Umweltkonferenzen, wie die von Rio de Janeiro und Johannesburg oder Kyoto, der Grund für Initiativen der EU oder die Erstellung von nationalen Nachhaltigkeitsstrategien oder Konzepten zur Energiewende.

Diese Strategien und Konzepte sind allerdings regional und national nur von einigen Regionen oder Mitgliedstaaten der EU und dann auch noch in uneinheitlicher Struktur und Qualität erstellt worden. Die EU selbst hat sich auf unverbindliche Konzepte und auf einige Richtlinien und Verordnungen (wie z.B. zu Immissionsbegrenzungen, zum Emissionshandel, zur Wasserqualität) beschränkt. Gleichzeitig sollen neue potenzielle Umweltbelastungen akzeptiert werden (Carbon Capture Storage, Fracking). Beim Straßenverkehr werden Geschwindigkeitsbegrenzungen trotz enormer volkswirtschaftlicher Kosten durch Unfälle und Umweltbelastungen völlig ausgeblendet und zur Reduzierung der Belastungen von Mensch und Tier durch die konventionelle Landwirtschaft geschieht genauso wenig.

Die meisten der vorliegenden Konzepte betreffen ohnehin nur Teilaspekte der Wirtschafts- und Umweltpolitik, insbesondere den Klima- und Energiebereich. In den Klimakonzepten steht wiederum allzu oft nur die Förderung erneuerbarer Energien im Mittelpunkt(1). Diese Förderung hat in vielen Regionen auch schon zu erheblichen negativen Nebenwirkungen geführt (Maismonokulturen, Verlust der Biodiversität, Großwindenergieanlagen in landschaftlich wertvollen Gebieten). Zusätzliche Belastungen stehen bevor: neben der Kohlendioxidspeicherung und Fracking, der Bau von neuen Höchstspannungstrassen. Um diese gravierenden Eingriffe in Natur und Landschaft oder in das Umfeld besiedelter Gebiete durchzusetzen, wird unter anderem mit finanzieller Beteiligung von Bürgern bei garantierten Zinssätzen geworben. Sogenannte Bürgerwindparks werden zum Beispiel als GmbH & Co. KG betrieben, bei denen Großinvestoren die Firmen beherrschen, ein Mitspracherecht für Kleinanleger entfällt ohnehin. Industriell betriebene Großwindenergieanlagen erreichen inzwischen Höhen von 150 Metern. In den durch massiven Bau von Großwindenergieanalgen oder durch große Biogasanlagen mit ausgedehnten Maismonokulturen betroffenen Dörfern und Gebieten kommt es häufig zur Spaltung der Bevölkerung in Profiteure und Geschädigte.

Von den Industrienationen werden, um sich den Einfluss auf wichtige Ressourcen zu sichern, machtpolitische Instrumente bis hin zu militärischen Machtmitteln genutzt. Die Massenmedien und auch Teile der Gewerkschaften unterstützen diese Politik nahezu kritiklos.


Abschied vom Mythos Grüne Marktwirtschaft

Nur eine konsequente sozial-ökologische Wirtschaftspolitik kann mittel- und langfristig die bestehenden Ressourcen- und Umweltprobleme angemessen bewältigen. Auch Umweltpolitik kann dabei nicht einseitig betrachtet und betrieben werden. Soziale Gerechtigkeit ist immer mitzudenken und angemessen zu berücksichtigen. Deshalb muss eine ganzheitliche Betrachtung Grundlage einer nachhaltigen Entwicklung sein. Die nachhaltige Entwicklung schließt die Begrenzung des Wachstums bis hin zur Wachstumsrücknahme ein. Die Wachstumsrücknahme oder ein Nullwachstum müssen Wachstum in Teilbereichen nicht ausschließen (qualitatives Wachstum).

Wenn allerdings, wie proklamiert, der Verbrauch fossiler Energie bzw. der Treibhausgasausstoß bis 2050 auf 10 bis 20% reduziert werden soll(2), so ist das nur mit einem drastischen Rückgang des Verbrauchs von Ressourcen und von Energie insgesamt zu erreichen, da Ressourcenverbrauch eben grundsätzlich mit Energieverbrauch verbunden ist. Und Wachstum wird nach derzeitigen Berechnungsmethoden im Wesentlichen wiederum aus Ressourcen- und Energieverbrauch generiert.

Der sozial-ökologische Umbau der Wirtschaft bedeutet gravierende Veränderungen, auch Veränderungen der Lebensweise, insbesondere derjenigen mit hohem Ressourcen- und Energieverbrauch. Wo, in welchen Wirtschaftsbereichen sind die größten Veränderungen möglich und notwendig? Um die entsprechenden Potenziale zu ermitteln, sind auf der Ebene der Gebietskörperschaften Nachhaltigkeitskonzepte nach vereinheitlichten Kriterien zu erstellen und umzusetzen. Im Mittelpunkt dieser Konzepte müssen die Wachstumsbegrenzung, die Kreislaufwirtschaft und die weitgehende Regionalisierung der Wirtschaftskreisläufe stehen. Hinzukommen muss ein Abbau der Stadt-Land-Gegensätze.


Teilbereiche, in denen vorrangig ein Umbau zu erfolgen hätte:
  • Konventionelle Landwirtschaft auf ökologischen Landbau umstellen.
  • Verkehr soweit wie möglich auf öffentlichen Schienenverkehr umstellen;
  • reduzierte Tempolimits und PKW-Maut.
  • Einrichtung von regionalen Recyclingzentren und Gebrauchtwarenkaufhäusern, Aufbau von Tauschringen.
  • Abbau und Abschaffung des Militärs.
  • Umstellung auf vegetarische bzw. vegane Ernährung.
  • Flächenverbrauch drastisch reduzieren.
  • Es dürfen nur noch Mehrfamilienhäuser zugelassen werden;
  • Begrenzung des Baus von Zweitwohnungen.
  • Flugverkehr reglementieren. Nutzung auf Personen bezogen limitieren.
  • Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche.
  • Waldbildung, Ausbau von Biotopverbundsystemen;
  • Biosphärenregionen gründen.
  • Grundlegende Umstellung des Steuer- und Fördersystems.

LITERATUR:

Brot für die Welt, Evangelischer Entwicklungsdienst, BUND (Hrsg.): Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt (2008)

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.: Wirtschaftswachstum oder nachhaltige Entwicklung (2011)

Club of Rome, Donella u. Dennis L. Meadows et.al.: Die Grenzen des Wachstums (1972)

Daly, Herman E.: Beyond Growth - The Economics of sustainable Development (1997)

Die Bundesregierung: Nationale Nachhaltigkeitsstrategie, Fortschrittsbericht 2012

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 03.06.2013: Deutschland muss Energieverbrauch stärker senken, EU will Anrechnung von Maut und Stromsteuer auf Energiesparziele nicht akzeptieren

Gruhl, Herbert: Ein Planet wird geplündert (1975)

Hauff, Volker (Hrsg.): Unsere gemeinsame Zukunft, Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (1987)

Karathanassis, Athanasios: Naturzerstörung und kapitalistisches Wachstum (2003)

Kern, Bruno: Energiewende zwischen infantilen Phantasien und Ernüchterung (2010)

Peach, Niko: Nachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum. Eine unternehmensbezogene Transformationstheorie (2005)

Reheis, Fritz: Entschleunigung, Abschied vom Turbokapitalismus (2003)

Sarkar, Saral/Kern, Bruno: Ökosozialismus oder Barbarei, Eine zeitgemäße Kapitalismuskritik (2004/2008)


ADRESSEN:

www.assoziation-daemmerung.de
www.gegenstrom.13.de
www.oekosozialismus.net


ANMERKUNGEN:

(1) Gemäß der 2007 von der EU beschlossenen Energieziele bis 2020 ist der Energieverbrauch von den Mitgliedstaaten jeweils um 20% zu senken. Diese Vorgabe ist im Sommer 2012 konkretisiert worden; die Mitgliedstaaten sollen ihren Energieverbrauch jährlich um 1,5% reduzieren. Deutschland hat diese Vorgabe bisher nicht eingehalten.

(2) In aktuellen Energieszenarien wie dem Energiekonzept der Bundesregierung aus dem Jahr 2010 wird von einer Reduktion der Treibhausgase um mindestens 85% bis zum Jahr 2050 gegenüber 1990 ausgegangen.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 298 - Juli 2013, Seite 13-15
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2013