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GEGENWIND/517: Doppelstrategie als Ansatz grundlegender politischer Veränderungen?


Gegenwind Nr. 288 - September 2012
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Parteien
Doppelstrategie als Ansatz grundlegender politischer Veränderungen?
Mögliche Perspektiven linker Politik vor den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein im Frühjahr 2013 und der Bundestagswahl im Herbst 2013

Von Klaus Peters



Die Voraussetzungen sind alles andere als gut, denn die neoliberalen Herrschaftsstrukturen haben gewirkt, wie die letzten Wahlergebnisse zeigten. Die schweren Niederlagen bei den Landtagswahlen sind nur zu einem geringeren Teil auf Versäumnisse der Linkspartei und persönliches Fehlverhalten zurückzuführen. Dennoch sollte über Strategien und vielleicht auch über die Voraussetzungen und die Eignung von politischen Akteuren intensiver nachgedacht werden.


Grundsätzlich hat eine antineoliberale Politik bei den Kommunalwahlen in den städtisch geprägten Regionen die größten Chancen, mit Mandaten auch in den Kreistagen und Gemeindeparlamenten vertreten zu sein, dies lässt sich aus den bisherigen Wahlergebnissen entnehmen. Manch Neoliberalen passt das Auftreten von Vertretern der Linksparteien vermutlich sogar ins Konzept. Einige Unzufriedene und sozial Benachteiligte erhalten Posten und Vergütungen, dürfen sich bei Interesse sogar die eine oder andere Verbesserung für Unterprivilegierte ausdenken, diese vorschlagen und sich mit den Betroffenen auseinandersetzen. Bei den Betroffenen stellt sich aufgrund des minimalen oder ganz ausbleibenden Erfolgs Frustration ein, eine nicht unerhebliche Anzahl von potenziell unbequemen Zeitgenossen wird aber zumindest vorrübergehend ruhig gestellt oder sogar auf die eigenen Leute eingestellt.

Für die Bundestagswahl gilt Ähnliches. Durch den hohen Organisationsgrad und die Verankerung in vielen Kommunen, Kreisen und Landesparlamenten in den östlichen Bundesländern hat die Linkspartei wieder gute Chancen, wieder in den Bundestag einzuziehen. Bis zu einem gewissen Grad ebenfalls für Neoliberale nützlich. In den Talkshows oder der bürgerlichen Presse kann somit relativ unproblematisch Meinungsvielfalt und Chancengleichheit suggeriert werden.

Der Aufbau einer antineoliberalen Kultur oder der massenhafte Widerstand gegen die gegenwärtige zutiefst ungerechte Politik bleibt ein extrem schwieriges Unterfangen. Durchaus häufiger wiederkehrende Proteste beschränken sich in der Regel auf eindimensionale, gruppenegoistische Interessen und zeigen allzu oft auch noch ein großes Potenzial an Irrationalität. Wichtige Politikbereiche werden sogar ausgeblendet: Artenschwund, Landschaftsverbrauch, Landschaftsverschandelung und Baufrevel oder Straßenverkehrsopfer und Wachstumswahn.


Trotz alledem

Die viel Optimismus ausstrahlenden "Montagsdemonstration(en) gegen Sozialabbau" finden seit nunmehr fast 8 Jahren (!) zwar noch in vielen Städten statt, das Interesse ist jedoch trotz Erweiterungen des Themenspektrums zurückgegangen. Viele andere Organisationen und Initiativen existieren ebenfalls seit vielen Jahren, immer neue kommen hinzu[1]. Doch ihre Wirkungen sind begrenzt, auch trotz teilweise bundesweiter Zusammenschlüsse, wie dem Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU).

Von Akteuren des linken politischen Spektrums wurde 2011 im westfälischen Gelsenkirchen eine große internationale Umweltkonferenz, der "Umweltratschlag", mit relativ großem Aufwand und viel Engagement erfolgreich durchgeführt. Die Medien und die etablierten Verbände blieben der Veranstaltung zwar fern, doch die Resonanz erfüllte insgesamt doch die Erwartungen. Zum Umweltratschlag 2013 sollen auch die Strukturen und die Strategie einer neuen, in Gelsenkirchen erstmals vorgestellten Umweltorganisation der "Umweltgewerkschaft", detaillierter ausgearbeitet worden sein. In der Vorbereitung findet dazu Anfang 2013 eine Strategiekonferenz statt.


Sozial und ökologisch gerecht und nachhaltig

Die Umweltgewerkschaft versteht sich nicht als Konkurrenz zu den existierenden Umwelt- und Naturschutzorganisationen. Sie möchte durch Zusammenführung von Akteuren in der Umwelt- und in der Arbeiterbewegung und durch die Verbindung von regionalen und internationalen Ansätzen neue Potenziale erschließen und signifikant mehr Erfolge erreichen.

Alle politischen Akteure, die sich für eine sozial gerechte Gesellschaft und die nachhaltige Sicherung unserer Lebensgrundlagen einsetzen wollen, sind aufgerufen, die Gründung dieser Umweltgewerkschaft zu unterstützen und mit ihr zusammenzuarbeiten. Ein solches strategisches Bündnis kann die Kraft, die Wirkungsmöglichkeiten und die Glaubwürdigkeit linker Politik erhöhen und damit auch ihren Gebrauchswert deutlicher machen.


[1] Am 24. Mai 2012 gründete sich der Verein Westküste-trassenfrei e.V. (www.westküste-trassenfrei.de)

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Quelle:
Gegenwind Nr. 288 - September 2012, Seite 43-44
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2012