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GEGENWIND/396: Erfolge durch beharrlichen Widerstand


Gegenwind Nr. 256 - Januar 2010
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Erfolge durch beharrlichen Widerstand
Regionaltreffen von norddeutschen Teilnehmern an Montagsdemonstrationen

Von Klaus Peters


Ende November fand in Hamburg das zweite Treffen von Teilnehmern der seit August 2004 in insgesamt noch in rund 100 Städten wöchentlich präsenten Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV und Sozialabbau statt. Treffen für Aktivisten in norddeutschen Gruppen waren von Hamburg aus initiiert und zwischenzeitlich auch zweimal in Niedersachsen durchgeführt worden. Neben dem jährlichen Treffen von Delegierten aller deutscher Gruppen in Kassel und einem unregelmäßigen informellen Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen einzelnen Gruppen haben sich die norddeutschen Regionaltreffen als wichtiges Forum für die Diskussion über Entwicklung und Perspektiven, aber auch zur Verabschiedung von Empfehlungen oder die Vorbereitung von Beschlüssen entwickelt.

Das norddeutsche Regionaltreffen der Aktivisten gegen Sozialabbau führt Mitglieder von Gruppen aus Hamburg, Niedersachsen, Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zusammen. Aus Schleswig-Holstein sind regelmäßig Vertreter der Lübecker Gruppe dabei. Mecklenburg-Vorpommern war in diesem Jahr leider nicht vertreten, obgleich in Mecklenburg-Vorpommern mehrere Gruppen aktiv sind. Die angereisten Teilnehmer repräsentierten Gruppen von 10 bis 40 ständigen Aktivisten in ihren Städten. Die in einigen westdeutschen Städten erreichten Zahlen von über teilweise 100 Teilnehmern sind zur Zeit für die norddeutschen Gruppen zwar nicht mehr erreichbar, doch wird angesichts der politischen Entwicklung und der verstärkten eigenen Mobilisierungskraft mit einer Zunahme der Teilnehmerzahlen gerechnet.

Während die Massenmedien selbst die jährlich im Herbst in Berlin mit bis zu fünftausend Teilnehmern stattfindende Großdemonstration regelmäßig nahezu völlig totschweigen, strahlen die Vertreter der Gruppen nach wie vor Optimismus aus. Viele kleine Erfolge rechtfertigen diese Einstellung. Immerhin haben Form und Dauer der Demonstrationen und Kundgebungen sogar historische Dimensionen. Politik und Medien sind die Existenz dieser Bewegung durchaus bekannt, wie gelegentlichen Bemerkungen zu entnehmen ist. Schließlich wird ab und zu doch eine Pressemitteilung, zumindest in Auszügen, veröffentlicht. Selbst bekannte Nachrichtenmagazine haben schon berichtet, wenn auch nicht gerade mit durchweg positiver Tendenz. Insgesamt konnten hochgerechnet weit über 100.000 Menschen durch Flugblätter erreicht werden. Im nördlichen Schleswig-Holstein haben sich die Initiativen gegen die Kohlendioxidverpressung die Montagsdemonstrationen gegen Sozialbau zum Vorbild genommen und ebenfalls Montagsdemonstrationen organisiert. Auf Straßen und Plätzen kommt es regelmäßig zu Diskussionen über Grundfragen der politischen Systeme, über Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft, Handlungen oder Unterlassungen der Regierenden und über aktuelle Einzelthemen. Durch die Beantwortung von Fragen konnte vielen von Arbeitslosigkeit und Sozialabbau konkret Betroffenen geholfen werden. Beratungen zur persönlichen Situation werden entweder von selbst Betroffenen oder erfahrenen Aktiven wahrgenommen. Wo das nicht möglich ist, wird an die zuständigen Stellen verwiesen. Mit Beschwerdebriefen wird auf generelle Missstände aufmerksam gemacht.

Sehr häufig gelingt für Durchschnittsbürger oder auch für Betroffene der Schritt zum eigenen Engagement nicht, weil Geduld fehlt und sich durch die Propaganda von Macht und Medien entweder Resignation oder Glaube an die herrschende Politik festgesetzt hat. Die norddeutschen Gruppen wollen ihre Instrumente der politischen Bildung und Agitation deshalb weiter verbessern. Zu diesen Instrumenten gehören im Wesentlichen: Ansprachen, Redebeiträge und Diskussionen in der Öffentlichkeit, die Pressearbeit, die Gestaltung und Verbreitung von Flugblättern, Gestaltung von Transparenten, Internetangebote, Teilnahme an Demonstrationen und Unterstützung von Protesten von Arbeitnehmern, die durch Entlassungen oder Lohnkürzungen bedroht sind, von Studenten oder Teilnahme an Aktionen gegen eine verfehlte Klima- und Umweltpolitik, aber auch Gespräche im persönlichen Umfeld und Kulturarbeit (musikalische Angebote, politische Bildung, gemeinsame Freizeitgestaltung).


Einige der zentralen Forderungen:

• Ersatz von ALG II (Hartz IV) durch ALG 1
• 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich
• 10 Euro Mindestlohn
• Sofortanhebung der Hartz IV-Sätze auf 500 Euro
• Sicherung sozialer Dienste
• Umwandlung von Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse
• Einschränkung der Leiharbeit
• Schluss mit der Militarisierung
• Verursacher zahlen für die Finanzkrise
• Wiederherstellung und Sicherung demokratischer Rechte

Besondere Beachtung soll zukünftig der Entwicklung der Bündnisfähigkeit gewidmet werden. Auf Kundgebungen und Demonstrationen werden prinzipiell alle relevanten politischen Themen behandelt. Vertreter zahlreicher gesellschaftlicher Gruppen: Attac, Studenten, die Linksparteien, Betriebsräte, Gewerkschaftler, BUND, Tierschützer, Milchbauernverband, Umweltinitiativen, Migranten, Vertreter von Friedensgruppen und anderer Sozialinitiativen haben die angebotenen Foren bereits genutzt. Auch Vertreter ausländischer Gruppen hatten schon häufig Gelegenheit, auf Veranstaltungen der Montagsdemonstrationen zu sprechen, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen und um Solidarität zu werben.

Es kommt darauf an, wie auch auf der Veranstaltung in Hamburg deutlich wurde, bei anderen gesellschaftlichen Gruppen nachhaltiges Interesse an der Kooperation mit den Montagsdemonstrationen zu entwickeln. Die meisten Gruppen sind zwar kurzfristig mobilisierungsfähig, wenn es um eigene Interessen geht. Doch wenn geringe Zugeständnisse gemacht werden, erlahmt das Engagement auch sehr schnell. Es fehlt die politische Weitsicht, das Erkennen von Zusammenhängen - vielleicht hindert vielfach auch nur die systemtypische Ignoranz. Für die Gruppen, die die Montagsdemonstrationen tragen, ist klar geworden, dass soziale oder ökologische Fragen nicht losgelöst von den Fragen nach Macht und Besitz behandelt werden können und dass Beharrlichkeit eine unverzichtbare Voraussetzung für eine wirkliche Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse ist.

(www.bundesweite_montagsdemo.com)


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Quelle:
Gegenwind Nr. 256 - Januar 2010, Seite 42-43
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2010