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GEFANGENEN INFO/098: Ausgabe 361, April/Mai 2011


Gefangenen Info

Hervorgegangen aus dem Angehörigen Info. Das Angehörigen Info entstand im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989.

Nr. 361, April/Mai 2011


Inhalt dieser Ausgabe

Seite 3

- Die Militanten der RHI verteidigen!

Schwerpunkt

- Interview mit Addameer Zur Situation der palästinensischen gefangenen Frauen

Inland

- Aktuelles zum Revisionsverfahren im Fall Oury Jalloh
- Zur Repression gegen Buch- und Infoläden
- Weitere Angriffe gegen Soli-Strukturen
- Keine Beugehaft für ehemalige RAF-Militante!
- Zur Repression gegen tamilische Exilorganisationen
- Aktivitäten zum langen Marsch gegen Isolation
- Aufruf zur Prozessdelegation
- Gefangenenvorstellung: David Gilbert

International

- Hunger- und Durststreik der 300
- Mumias Todesurteil nicht verfassungskonform

Gefangene

- Brief von Baris Sever, Beytullah Yildiz und Tommy Tank
- Brief von Tommy Tank und Faruk Ereren
- Brief von Nurhan Erdem
- Grußwörter zum 18.03. von Thomas Meyer Falk, Günther Finneisen und Tommy Tank

Feuilleton


*


Liebe Leserinnen und Leser,

nachdem die letzte Ausgabe sich maßgeblich um den 18. März gedreht hat, spiegelt sich in dieser Ausgabe beinahe die gesamte Bandbreite der Repression wieder: Von Beugehaftandrohungen, neuen §129b Prozessen, der Kriminalisierung unserer Strukturen und mehreren geplanten Prozessen gegen Mitglieder der Roten Hilfe International bis hin zur Situation der politischen Gefangenen in Palästina, was - anlässlich des jährlichen Aktionstag für die palästinensischen politischen Gefangenen am 17.04. - der Schwerpunkt dieser Ausgabe ist.
Wie ihr also seht hat sich seit der letzten Ausgabe einiges getan. Anlässlich der drohenden bzw. schon laufenden Prozessen in Belgien, Spanien und der Schweiz gegen Mitglieder der RHI ruft das Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen zur Solidarität und zu einem Aktionstag am 19.06. - dem Tag des revolutionären Gefangenen - auf. Übrigens: Vom 16.06. - 18.06. wird es im Rahmen des 19.06. Veranstaltungen zur Geschichte der belgischen Stadtguerilla in Stuttgart, Magdeburg und Berlin geben. Weiterhin für uns aktuell und ein besonderes Anliegen sind natürlich die Zeugenvorladungen der ehemaligen Militanten: Gegen Siegfried Haag und Roland Mayer wurden 6 Monate Beugehaft angeordnet, was in den nächsten Wochen vom Bundesgerichtshof geprüft werden wird. Aus diesem Grund ruft das Netzwerk zur Solidarität und zu vielfältigen Aktionen auf, falls der BGH die Androhung bestätigen sollte.
Ausserdem hat Ende März hat in Düsseldorf ein §129b Prozess gegen 4 angebliche Mitglieder der LTTE angefangen und am 19. Mai beginnt der mittlerweile 4. §129b-Prozess gegen angebliche Mitglieder der DHKP-C. Hierfür rufen wir zu einer Prozessdelegation am 19. Mai, 9:15 Uhr vor dem OLG Düsseldorf des 5. Strafsenat, Kapellweg 36, auf. Besonders froh sind wir über die vielen Briefe, die wir von den Gefangenen erhalten haben, die ihr ab Seite 16 abgedruckt findet. Dieses Mal auch zum ersten mal Briefe unserer kurdischen Genossen Baris Sever und Beytullah Yildiz!
Hierbei ist auch noch besonders anzumerken, dass unser langjähriger Begleiter Günter Finneisen in den nächsten Wochen verlegt werden wird. Er soll auf eine Sicherheitsstation, Sicherheitsstufe 1 untergebracht werden. Also wieder in Isolation. Ab Mai ist seine Adresse dann:

Günther Finneisen
JVA Rosdorf
Am Großen Sieke 8
37124 Rosdorf

Noch eine organisatorische Angelegenheit: Bei uns auf dem Konto sind einige Zahlungen eingegangen, die wir leider nicht zuordnen konnten, da weder Rechnungsnr. oder ein Name zu identifizieren war. D.h. wenn ihr bereits bezahlt habt und trotzdem von uns eine Mahnung erhaltet, dann seht uns das nach und setzt euch mit uns in Verbindung, so dass wir die Angelegenheit klären können.

In diesem Sinn:

Ein Angriff auf einen von uns ist ein Angriff auf alle!
Hoch die internationale Solidarität!

Oder um es mit Günther Finneisens Worten zu sagen:
Mit Power auch durch die Mauer!

Die Redaktion


*


seite 3

Ein Angriff gegen eineN von uns ist ein Angriff gegen alle! 19. Juni 2011: Die Militanten der RHI verteidigen!

www.political-prisoners.net

In nächster Zeit beginnen in Belgien und in der Schweiz Prozesse gegen Militante(1) die am Konstituierungsprozess der Roten Hilfe International beteiligt sind. In Spanien finden beinahe wöchentlich solche Prozesse statt und zahlreiche AktivistInnen wurden bereits wegen ihrer Mitgliedschaft in der SRI verurteilt. Wir rufen daher für den 19.06. dazu auf sich durch vielfältige Aktionen mit den GenossInnen zu solidarisieren.

Zum Hintergrund:
Belgien, Brüssel: Im Juni 2008 werden 4 Mitglieder der SR/APAPC (Rote Hilfe Belgien/Angehörigen und FreundInnen der kommunistischen Gefangenen) verhaftet und für einige Wochen in Untersuchungshaft gesperrt. Einer davon, Bertrand Sassoye, ist Mitglied des internationalen Sekretariats und der Internationalen Kommission zum Aufbau einer Roten Hilfe International. Der Repressionsschlag fand vor dem Hintergrund der "Operation Tramonto (Sonnenuntergang)", die sich gegen insgesamt 15 italienische Militante und Mitglieder der PC P-M (politisch-militärische kommunistische Partei) richtete, in Italien statt. Die italienischen Genossen wurden zu langjährigen Haftstrafen mit dem Vorwurf eine "subversive Organisation" gegründet zu haben, teilweise bis zu 20 Jahren Haft verurteilt. Den Verhafteten in Belgien wird vorgeworfen Kontakte zu der PC P-M gehabt zu haben. Zwei der Angeklagten, Bertrand Sassoye und Pierre Carette, die ehemalige Militante der Stadtguerilla Kämpfende Kommunistische Zellen (CCC) sind, werden in folge dessen auch ein Verstoß gegen ihre Bewährung vorgeworfen. Im Laufe dieses Jahres soll nun der Prozess gegen die 4 beginnen.

Schweiz, Zürich: Zwischen Ende der 90er bis heute kam es in der Schweiz zu über 60 kleineren und größeren Brand-Anschlägen mit internationalistischer und klassenkämpferischer Ausrichtung. Viele davon richteten sich gegen die Unterdrückung fortschrittlicher Kämpfe z.B. in Indien oder gegen die Repression gegen die PCE(r)/GRAPO in Spanien. Andere richteten sich gegen Repressionsorgane in der Schweiz, wie z.B. gegen den schweizerischen Geheimdienst.
Die schweizerische Bundesanwaltschaft wirft nun einer Genossin der internationalen Kommission für den Aufbau einer Roten Hilfe International einen Teil dieser Anschläge vor und möchte die Genossin zu mindestens 2 Jahre verurteilen. Bereits in den nächsten Wochen soll der Prozess gegen sie beginnen.

Spanien: Bereits seit Jahren befindet sich das Comitee por Socorro Roji Internacional (kurz: SRI) auf der "Antiterror" Liste Spaniens und erfährt dementsprechende Repression: Zahlreiche Prozesse finden beinahe wöchentlich statt und dutzende von Personen werden eingesperrt mit dem Vorwurf Solidarität organisiert zu haben. (Das Comitee por Socorro Rojo Internacional (kurz: SRI) ist in Spanien eine eigenständige Struktur, orientiert sich aber an dem Aufbauprozess für eine RHI.)

Aus diesen drei Fällen wird die internationale Dimension der Verfolgung von Widerstand und Solidarität deutlich: Mit allen Mitteln soll eine erstarkende Bewegung geschwächt, zerschlagen oder präventiv verhindert werden - und das im internationalen Rahmen. Zwar ist klar, dass diese Repressionsschläge nicht Produkte einer internationalen Aktion sind, dennoch wird deutlich, dass egal ob in Belgien, Spanien oder in der Schweiz - genauso wie in der BRD oder anderen europäischen Ländern - es eine gemeinsame Strategie und auch gemeinsame Mittel der Herrschenden gibt, Aufstände oder aufkeimenden Widerstand präventiv zu bekämpfen, Bewegungen zu kriminalisieren, zu isolieren und ihre AktivistInnen mundtod zu machen.

Daraus wird auch die Notwendigkeit deutlich international Solidarität aufzubauen, sich mit den Genossen und Genossinnen zu solidarisieren, sie zu unterstützen und das verknüpfende Band des gemeinsamen Kampfes aufzunehmen, um gegen ihre Repression unsere Solidarität als Waffe einzusetzen. Die Angriffe richten sich gegen den Widerstand an sich und somit auch (perspektivisch) gegen uns.

Als radikale Linke müssen wir uns diesen Angriffen entgegenstellen und diese Angriffe durch unsere Solidarität ins Leere laufen lassen, indem wir unsere GenossInnen nicht alleine lassen, sondern Seite an Seite mit ihnen sie gegen diese Angriffe und damit ihre politische Identität verteidigen.

Es ist weder das erste, noch wird es das letzte Mal sein, dass sich die Repression des Systems gegen militante RevolutionärInnen, AntikapitalistInnen, AntiimperialistInnen und AntifaschistInnen richtet - sei es in der BRD oder in einem anderen Land. Der Kampf gegen den Kapitalismus ist legitim und Klassensolidarität ist unsere Waffe gegen ihre Repression!

Daher möchten wir dazu aufrufen am diesjährigen 19.06. - dem Tag der revolutionären Gefangenen - sich mit den Militanten der Roten Hilfe International durch vielfältige Aktionen rund um den 19.06. solidarisch zu zeigen. Seien es Demonstrationen oder kleinere Aktionen: Nutzen wir die Waffe der Solidarität!

Kampf der Kapitalistischen Repressionsmaschinerie! Internationale Klassensolidarität aufbauen! Kapitalismus zerschlagen!

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen

(1) Während der Begriff Militante in Deutschland nur mit Brand- und sonstigen Anschlägen in Verbindung gebracht wird ist in anderen Ländern der Begriff der Militanten eine Beschreibung für politische AktivistInnen, die sich bewusst und tatkräftig für einen revolutionären Umsturz einsetzen, ohne dabei Mittel und Wege diesen zu erreichen auszuschließen.


Der 19. Juni - Tag der revolutionären Gefangenen

Der historische Bezugspunkt des 19.06. findet sich in Lateinamerika.
1985 kam es in Peru zu großen Gefangenenrevolten, die sich gegen die betriebene Isolierung von politischen Gefangenen durch die Aufteilung in kilometerweit voneinander entfernte Gefängnisse, sowie gegen die geplante Einführung von Hochsicherheitsknästen richteten.

Die Kämpfe dauerten bis zum 19. Juni 1986 an, als das sozialdemokratische Regime, unter Billigung der Sozialistischen Internationale angeführt von Willi Brandt, mehr als 300 Gefangene des maoistischen PCP-Sendero Luminoso tötete und die Gefangenenkämpfe blutig niederschlug.

Die Angehörigenorganisation der CCC-Gefangenen (APAPC, Assoziation der Angehörigen und FreundInnen der kommunistischen Gefangenen) in Belgien griff diesen Tag erstmals 1997 mit einer Konferenz in Brüssel auf.

In den Folgejahren gab es unter internationaler Beteiligung weitere Treffen, die einen gegenseitigen Austausch und eine Koordination von Aktivitäten hinsichtlich einer effektiveren Solidaritätsarbeit für die revolutionären Gefangenen weltweit förderten.

Die CCC-Gefangenen haben mit einer von ihnen formulierten Plattform 1999, sowohl für die Solidaritäts- und Angehörigenstrukturen draußen, als auch für ein koordiniertes Agieren der Gefangenen in den Knästen Eckpunkte gesetzt, die zur Unterstützung der Gefangenenkämpfe wesentlich waren.

Eckpunkte zur Unterstützung der Gefangenen: - Schluss mit Folter und Isolation - Freilassung haftunfähiger Gefangener - Information über die Gefangenen und ihren Kampf - materielle Unterstützung der Gefangenen - internationale Solidarität in den Gefangenenkämpfen (bspw. bei Hungerstreiks)

Eckpunkte für den Aufbau einer gemeinsamen Gefangenen-Plattform:
- Solidarität ist eine Waffe!
- Das Recht zur Revolte!
- Ohne Gerechtigkeit kein Frieden!
- Weder Reue noch Kapitulation!
- Ein Angriff gegen eineN von uns ist ein Angriff gegen alle

Sie richteten sich damit an alle revolutionären, kommunistischen, anarchistischen oder antiimperialistischen Gefangenen weltweit.
In der Plattform 19. Juni waren zeitweise über 100 Gefangene aus Spanien, der Türkei und Belgien organisiert.


*


schwerpunkt

"Es gilt nach wie vor, die Freilassung aller politischen Gefangenen weltweit zu fordern"
(Mahmoud Hassan - Addameer)

red.

Anfang März reiste ein Aktivist von Addameer - Mahmoud Hassan - durch Deutschland und berichtete auf Veranstaltungen über die aktuelle Situation der palästinensischen politischen Gefangenen und die politische Arbeit von Addameer - einer palästinensischen Gefangenenhilfsorganisation. Wir nutzten die Gelegenheit und führten für euch ein Gespräch mit Mahmoud...

GI: Vielleicht könntest du zu Beginn kurz etwas über Addameer erzählen, wann habt ihr euch gegründet und worin besteht eure Arbeit?

Mahmoud: Unsere Organisation Addameer wurde 1992 von linken Personen gegründet. Wir sind eine Organisation, welche die Inhaftierten verteidigt und ihnen hilft. Unser Sitz befindet sich in Ramallah. Wir sind unabhängig und gehören keiner Partei an.
Unsere Arbeit besteht hauptsächlich darin die politischen Gefangenen zu verteidigen und ihnen auch in den israelischen Militärgerichten beizustehen. Wir bieten vor allem rechtliche Unterstützung und organisieren Aktionen in Solidarität mit den Gefangenen. Momentan läuft zum Beispiel eine Kampagne unter dem Motto "Break the Silence", welche hauptsächlich über die Situation der weiblichen Gefangenen berichtet.
Darüber hinaus versuchen wir unsere Aktivitäten auf internationaler Ebene auszuweiten. So fanden Aktionen in Holland und Frankreich statt. Auch eine Kampagne zur Abschaffung der Isolationshaft wird von uns organisiert. Wir werden auch versuchen, an der nächsten Tagung der Menschenrechtskommission in Genf teilzunehmen, um auch dort über die Situation von politischen Gefangenen zu berichten. Eine weitere wichtige Kampagne zielt auf die Beendigung der Administrativhaft.

GI: Könntest du uns kurz erklären, was Administrativhaft bedeutet?

Mahmoud: Administrativhaft wird ohne ein Urteil und auch ohne ein Gericht verhängt. Jede/r PalästinenserIn kann davon betroffen sein, nur weil er/sie PalästinenserIn ist. Es bedarf keinen wirklichen Grund und keinen Nachweis einer bestimmten Tat, es kommt einem Verhinderungsgewahrsam gleich. Diese Administrativhaft wird auf 6 Monate festgesetzt und kann jeder Zeit verlängert werden. Es wird von einer militärischen Verwaltungsbehörde verhängt, ein Richter wird nur darüber informiert.
Wenn es denn einen konkreten Grund geben sollte, wird eine geheime Akte an den Richter gegeben und nur Angehörige des Militärgerichts haben Einsicht. Der/die Angeklagte und VerteidigerInnen bekommen keine Einsicht, so dass eine Verteidigung unmöglich gemacht wird. Derzeit sind 221 Gefangene davon betroffen, darunter drei Frauen. Lenan Abu Ghalma (1) befindet sich auch darunter.
In den vergangenen Jahren saßen 2000 Gefangene in Adminstrativhaft.

GI: Könntest du einen Überblick über die Situation der Gefangenen geben und uns sagen, wie viel Menschen in israelischen Gefängnissen derzeit inhaftiert sind?


Administrativhaft in Zahlen
- im November 2010 befanden sich 110 Häftlinge seit ein bis zwei Jahren in Administrativhaft
- 27 Palästinenser wurden permanent über 2 bis 5 Jahre in Administrativhaft gehalten
- Zwischen 1987 und 1992 wurde 14.000 mal Administrativhaft angeordnet
- 2009 wurden nur 3,6 % alle Anordnungen zur Administrativhaft vom Militärrichter abgelehnt
- 2007 wurden circa 63 % aller Administrativhaft durch den Militärrichter genehmigt und angeordnet
- in den Jahren 2005 bis 2007 waren durchschnittlich 765 Häftlinge in Administrativhaft


Mahmoud: Vorneweg möchte ich sagen, dass für uns alle palästinensischen Gefangene politische Gefangene sind. Wir differenzieren nicht zwischen den Gefangenen. Derzeit gibt es ca. 6000 politische Gefangene, unter ihnen befinden sich 300 Kinder. Vielleicht kurz zur Erklärung: In Palästina gilt ein Mensch bereits mit 16 Jahren als erwachsen, d.h. es sitzen über 300 Kinder unter 16 Jahren in israelischen Gefängnissen. Ungefähr 789 der palästinensischen politischen Gefangenen sind zu einer lebenslangen Haft verurteilt, von denen sind auch mehrere zu mehreren lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt. Frau Ahlam Tamimi zum Beispiel ist zu 16x lebenslänglich, Marwan Barghoti ist zu 5x lebenslänglich + 20 Jahre und Saddat zu 30 Jahren verurteilt.
Kommen wir zu den Bedingungen der Gefangenen. Sie werden in Isolationshaft gesteckt und haben keinen Kontakt zu anderen Gefangenen, sie dürfen auch keine Besuche der Familien erhalten, ebenso dürfen sie nicht telefonieren. Der/die Gefangene ist 23 Stunden allein auf Zelle und verlässt diese auch nur allein. Sie dürfen auch keine arabischen Zeitschriften bekommen, wenn dann nur Zeitungen auf Hebräisch. Bücher zum lesen ist ebenfalls ausgeschlossen. Es gibt Gefangene, die jahrelang unter solchen Bedingungen inhaftiert sind. Ein Gefangener beispielsweise sitzt seit 7 Jahren in Isolationshaft.
Nach dem letzten Gazakrieg wurde Goldstone damit beauftragt, einen Bericht (2) über die Lage der Palästinenser anzufertigen. Selbst er hat festgestellt, dass alle Gefangene politische Gefangene sind und freigelassen werden müssen.

GI: Wie sieht speziell die Situation von weiblichen Gefangenen aus, kannst du uns darüber berichten?

Mahmoud: Es gibt insgesamt zwei Gefängnisse für Frauen. In Hasharon gibt es eine separate Abteilung für Frauen. Hier sitzen 22 Frauen ein. In Damon gibt es einen reinen Frauenknast, dort werden aber auch Kinder inhaftiert. 1999 gab es ein parlamentarisches Komitee, welches festgestellt hat, dass dieser Knast nicht ein mal für Tiere geeignet wäre.

GI: Gibt es dort hauptsächlich männliche Wärter?

Mahmoud: Ja leider, denn viele Frauen leiden unter Missbrauch und Vergewaltigung. Es gibt auch zahlreiche Frauen, die gezwungen werden, sich nackt von den Männern untersuchen zu lassen ("strip searches").

GI: Gibt es Frauenorganisationen, die sich ausschließlich um weibliche Inhaftierte kümmern?

Mahmoud: Ja, es gibt verschiedene Frauenorganisationen, die versuchen Unterstützung speziell für die gefangenen Frauen zu leisten.

GI: Kannst uns sagen, welchen Anteil linke/revolutionäre Gefangene an den 6000 Gefangenen ausmachen?

Mahmoud: Ich weiß es nicht genau, denn wir machen keine Unterschiede. Aber ich glaube, allein die P.F.L.P. hat ca. 500 Gefangene.


- 700.000 Palästinenser wurden seit 1967 inhaftiert, darunter sind 10.000 Frauen
- 50.000 wurden seit der Al-Aqsa Intifada inhaftiert
- 2000 Folterfälle allein im Jahr 2008
- seit 2001 über 600 Meldungen von Folter und Misshandlung bei ISA-Vernehmungen
- Zwischen März 2002 und Oktober 2002 wurden 15.000 Palästinenser im Zuge von Massenverhaftungen festgenommen


GI: Wie sieht es mit Widerstand der Gefangenen in den Knästen aus? Ist es für die Gefangenen möglich Gefangenenkollektive zu bilden?

Mahmoud: Der Hungerstreik ist das letzte Mittel, was die palästinensischen Gefangenen haben um Widerstand zu leisten. Es gab seit 1967 mehrere Hungerstreiks. Seitdem sind in israelischen Knästen 193 Gefangene ermordet worden. Beim letzten Todesfall zum Beispiel haben Wärter mit Gummigeschossen und scharfer Munition geschossen. Loay Aschkar wurde mit einem Kopfschuss getötet. An diesem Tag wurden auch 20 weitere Gefangene verletzt. Der Bruder von Loay Aschkar wurde freigelassen, als er auf Grund von Folter gelähmt war - nun sitzt er im Rollstuhl.

GI: Finden die Hungerstreiks in allen Knästen statt?

Mahmoud: Es ist üblich, dass die Hungerstreiks in möglichst allen Knästen stattfinden. Doch die Israelis versuchen die Gefangenen zu spalten , so dass z.B. jeglicher Kontakt ausgeschlossen bleibt. Auch die Wärter versuchen falsche Informationen raus zugeben, damit der Hungerstreik wieder aufhört. Sie sagen dann beispielsweise, dass der Hungerstreik längst vorbei sei...
Rechtsanwälte bekommen bei Hungerstreiks keinen Zugang zu den Gefangenen, auch Journalisten wird der Zugang zu den Gefängnissen verwehrt.

GI: Wie werden diese Hungerstreiks organisiert?

Mahmoud: Unsere Gefangenenbewegung ist sehr gut organisiert, es wird eine Führung (setzt sich aus mehreren Gefangenen zusammen) gewählt. Diese trifft dann die Entscheidung, ob z. B. Hungerstreiks durchgeführt werden oder nicht.

GI: Könntest auf die Organisierung der Gefangenen ein bisschen genauer eingehen?

Mahmoud: Ihr müsst euch das so vorstellen, innerhalb eines Gefängnisses gibt es verschiedene Abteilungen und jede Abteilung wählt seine eigene Führung. Diese versucht dann mit Führungen anderer Abteilungen und Gefängnissen zu kommunizieren. Dadurch, dass die Gefängnisleitungen keine Kontakte unter den Gefangenen erlauben, wurden verschiedene Methoden entwickelt, wie Gefangene trotzdem kommunizieren können. Dieser Weg braucht aber sehr lange und so kann es sein, dass selbst die Wahl einer Führung in einem Abteil mehrere Monate in Anspruch nimmt.

GI: Vielleicht noch zu den Hintergründen der Hungerstreiks - was waren denn die letzten Forderungen?

Mahmoud: Gründe für die Hungerstreiks gibt es sehr viele, sei es das Besuchsverbot von Familien, die weitere Ausbeutung & Unterdrückung der Gefangenen oder die Folter. Der Grund für den Hungerstreik 2004 war: "Stoppt die Nacktuntersuchungen!". Die Gefangenen wurden zwei mal am Tag nackt durchsucht, ein mal auf dem Weg zum Gericht und dann wieder auf dem Weg zum Gefängnis. Am 7. April 2010 gab es einen öffentlichen Hungerstreik gegen die schwierigen Verhältnisse innerhalb der Gefängnisse. Dieser richtete sich gegen das Besuchsverbot, dass die Gefangenen keine Bücher und auch keine medizinische Versorgung bekommen.

GI: Kommen wir zur letzten Frage, wie können wir und unsere LeserInnen euch und die palästinensischen Gefangenen unterstützen?

Mahmoud: Jede/r, der/die Möglichkeit hat sollte mal unsere Website unter www.addameer.info besuchen, dort findet ihr weitere Informationen über unsere Arbeit und über die Situation der palästinensischen Gefangenen.
Verbreitet also Informationen! Wer Gefangenen direkt schreiben möchte, kann das über Addameer tun, wir werden die Briefe an die Gefangenen weiterleiten. Ihr könnt natürlich auch Protestschreiben an die israelische Botschaft oder das israelische Außenministerium schreiben und die Aufhebung der Isolation fordern.
Darüber hinaus ist am 17. April der Tag der palästinensischen Gefangenen, der Tag an dem wir uns für die Rechte der Gefangenen einsetzen. Es werden weltweit verschiedene Aktionen stattfinden und diese gilt es zu unterstützen. Es gilt nach wie vor, die Freilassung aller politischen Gefangenen weltweit zu fordern und dafür auch einzutreten, um die Gefangenen zu unterstützen.
Es gibt auch ein Projekt, das versucht politische Gefangene weltweit mit einander zu verbinden, doch es gibt große Schwierigkeiten und es ist schwer für Gefangene, dies zu realisieren. Ich rufe auch dazu auf, den Kontakt zwischen deutschen und palästinensischen Gefangenen herzustellen.

Das Interview wurde mit Mahmoud Hassan von Addameer geführt.

(1) Lenan Abu Ghalma
Lenan Abu Ghalma sitzt seit Juli 2010 in Administrativhaft in Hasharon. Sie wurde im Rahmen einer Massenverhaftung gegen die PFLP mit ihrer Schwester festgenommen. Ihre Schwester ist mittlerweile entlassen.

(2) Goldstone-Bericht
Im Auftrag des UN-Menschenrechtsrates untersuchte die United Nations Fact Finding Mission on the Gaza Conflict unter Federführung des südafrikanischen Richters Richard Goldstone den Gazakrieg mit seinen Folgen. Im September 2009 wurde dieser veröffentlicht.

Redaktion


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schwerpunkt

- Die Rolle palästinensischer politischer Gefangener Frauen ist eng verknüpft mit dem Kampf für die Selbstbestimmung Palästinas -

red.

Seit der Besetzung palästinensischer Gebiete durch Israel im Jahr 1967 ist die palästinensische Bevölkerung massivsten Angriffen durch die israelischen Militärgerichte und ihrer Gesetzgebungen ausgesetzt.
In den letzten 44 Jahren wurden geschätzte 700.000 Palästinenser durch das Militär inhaftiert. Dies entspricht ca. 20% der palästinensischen Gesamtbevölkerung.
Von besonderer Härte ist die Situation der die palästinensischen Frauen in den Gefängnissen ausgesetzt sind. Als Frauen sind sie in den Gefängnissen geschlechtsspezifischen psychischen und körperlichen Foltermethoden ausgesetzt die auch vor dem Hintergrund der besonderen Sozialisierung der Frauen in der arabischen Welt gesehen werden müssen und die von den israelischen Behörden gezielt angewendet werden.

Dazu gehören sowohl unterschiedliche gesundheitliche Ausgangspositionen und Konsequenzen für die Frauen, wie Schwangerschaften, Vergewaltigungen, Entzündungen im Genitalbereich, Geschlechtskrankheiten oder dauerhafte und sehr schmerzhafte Menstruationsblutungen, als auch unterschiedliche Formen von seelischem Stress.
In den 44 Jahren der Besatzung wurden 10.000 Frauen durch das israelische Militär festgenommen und inhaftiert.
Aktuell sind 38 politische Gefangene Frauen in den Gefängnissen eingeschlossen, 18 in Hasharon (Tel Mond), 19 in Damoon (Carmel Mountain), 1 in Neve Tirza (Ramle).

Die meisten der Gefängnisse wurden unter britischem Mandat von 1922-1948 gebaut und sind somit in katastrophalen Zustand. Es gibt wenig bis gar keine medizinische Behandlung, keine psychologische Betreuung, wenig und sehr schlechte Nahrung, verunreinigtes Wasser, keine Möglichkeiten zur Bildung, kein natürliches Licht, die Zellen sind überbelegt und befallen von Insekten, Feuchtigkeit im Winter und starke Hitze im Sommer.
Viele der Frauen leiden daher an Gewichtsverlust, Schwächeanfällen, Eisenmangel und Anämie, Rheuma, Asthma, Diabetes, Nieren- und Augenerkrankungen, Hautkrankheiten, Sichelzellenanämie und Krebs.
Nach einer Studie von Addameer tragen 38% der Frauen bleibende Schäden von Erkrankungen davon weil sie im Gefängnis nicht behandelt wurden. Gynäkologische Stationen und arabisch sprechende weibliche Spezialistinnen fehlen komplett.

Außerdem sind die gefangenen Frauen, wie alle palästinensischen Gefangenen der oftmals rassistischen Brutalität der Gefängnisbehörden ausgesetzt.
Hinzu kommt die sexistische Gewalt der vorwiegend männlichen Wärter und teilweise auch von zu Besuch kommenden männlichen Familienmitgliedern.
Die gefangenen Frauen werden vergewaltigt, gefoltert, geschlagen, gedemütigt, drangsaliert, beleidigt, stundenlang unter der heißen Sonne oder bei Regen an einem kalten Tag, ihnen wird der Schlaf entzogen, sie werden isoliert, ihre Zellen werden dauerhaft mit Tränengas befeuert oder unter Wasser gesetzt, ihre Familienbesuche werden kontinuierlich verweigert, Briefe erhalten sie nur einmal in 3 Monaten. Auch sind sie harten Leibesvisitationen und Razzien ausgesetzt. Diese werden meistens um Mitternacht oder am frühen Morgen durchgeführt. Dabei wird Tränengas in die Zellen gefeuert und die Frauen werden nackt gefesselt. Dann werden sie von den Wärtern geschlagen. Ihre persönlichen Sachen wie Familienfotos, Briefe, Kleider, Medikamente und andere Gegenstände werden ihnen weggenommen oder zerstört.
Hinzu kommen Bedrohungen und psychologischer Mißbrauch der israelischen Gefängnisbehörden die gezielt Ängste palästinensischer Frauen ausnutzen indem sie auf patriarchale Normen sowie Geschlechterstereotypen in bestimmten Bräuchen der palästinensischen Gesellschaft anspielen.
Auch schwangere Frauen werden festgenommen oder werden durch die Vergewaltigungen von Wärtern zur Zeit ihrer Inhaftierung schwanger.
Diese Frauen bekommen weder mehr Nahrung noch medizinische oder psychologische Behandlung.
Schwangere gefangene Frauen werden nur unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen, mit Händen und Füßen in Eisenketten gefesselt zum Krankenhaus transportiert. Dann werden die Frauen an Betten gekettet, solange bis sie im Geburtensaal sind, und sofort wieder angekettet wenn die Geburt vorbei ist.
In der Zeit von 2003 - 2008 wurden allein 4 Fälle bekannt in denen Frauen ihre Kinder in den Gefängnissen bekommen mussten.
Auch hier gibt es sowohl vor als auch nach der Geburt keine medizinische Behandlung geschweige denn Geburtenhilfe. Die Kinder wachsen zusammen mit den Müttern in den Gefängniszellen auf und werden wenn sie 1 oder 2 Jahre alt sind den Müttern weggenommen.

Dies sind aber nicht die einzigen Situationen mit denen schwangere palästinensische gefangene Frauen konfrontiert sind, wie zum Beispiel der Fall der ehemaligen politischen Gefangenen Fatema Younis Azzeq zeigt.
Sie wurde im Mai 2007 an einem Checkpoint von israelischen Soldaten festgenommen als sie gerade mit ihrem achten Kind schwanger war. Sie musste sich ausziehen und wurde beschimpft, geschlagen und getreten. Dann wurden ihr die Augen verbunden und sie wurde in das "Ashkelon Verhör Zentrum" gebracht. Dort wurde sie intensiver körperlicher und seelischer Folter ausgesetzt. Sie war während des gesamten Verhörs an einen Stuhl gefesselt, wurde extremer Kälte ausgesetzt, ihr wurde der Schlaf entzogen und sie wurde wiederholt geschlagen.
Diese andauernde Gewalt führte zu starken Blutungen im Unterleib. Im Januar 2008 wurde sie dann in ein Krankenhaus gebracht wo ihr Sohn Youssef geboren wurde.
Direkt nach der Geburt wurde er ihr weggenommen und sie sah ihn täglich nur zweimal zum stillen. Während der ganzen Zeit war sie an ihr Bett gekettet und durfte keinen Besuch oder anderen Kontakt haben weder zu ihren Familienangehörigen oder ihrem Ehemann noch zu ihrem Anwalt.

Auch die Art und Weise der Festnahmen und Inhaftierungen der palästinensischen politischen Gefangenen Frauen fungieren als Teil von individuellen und auch als Teil von gegen die ganze Familie gerichteten Foltermethoden.
Dies zeigt das Beispiel der politischen Gefangenen Qahira Saeed As-Saadi.
Am 8. Mai 2002 wurde Qahira von israelischen Soldaten festgenommen nachdem am Tag davor zwei andere Familienmitglieder bereits inhaftiert wurden.
Sie wurde geschlagen, über den Boden geschleift und an den Haaren gezogen während ihre vier Kinder zusehen mussten.
Nachdem sie in das Al Moskobiyyeh Verhör Zentrum gebracht wurde, wurde auch sie gefoltert und vergewaltigt.
Ihr wurde erzählt dass ihre 10 und 16 Jahre alten Töchter auch inhaftiert wurden und sie sie solange vergewaltigen würden bis Qahira den Forderungen der Behörden nachkommt.
Während der ersten zwei Jahre ihrer Inhaftierung wurde ihren Kindern verboten ihre Mutter zu besuchen. Bis heute darf die älteste Tochter sie nicht besuchen.
Eine weitere gängige Methode der Behörden ist es die Gefangenen geographisch von ihren Angehörigen zu isolieren. Das hat den Zweck die Besuche einzudämmen und hat gleichzeitig schwere psychische Auswirkungen sowohl auf die Gefangenen als auch auf die Angehörigen.
Ein Besuch bei Gefangenen bedeutet für die Angehörigen die Überwindung gleich mehrerer Mauern, wie den Checkpoints, den Gefängniseingang und den Gefängnisinneren Schleusen und damit verbunden schwere Schikanen wie wiederholte "Strip Searches" durch die Soldaten.

Die Haftzeit hinterlässt an den Frauen sowohl körperliche als auch seelische Spuren.
So beschreibt eine weitere ehemalige Gefangene: "Seit ich aus dem Gefängnis entlassen wurde, gehe ich nicht viel raus. Ich muss immer die Türen von den Räumen in denen ich sitze schließen. Meine Familie ist überzeugt dass das ein Effekt des Gefängnisses ist. Es gibt keine Institutionen die mir nach der Entlassung geholfen haben, niemand hat mich nach meinen Gefühlen gefragt, weder ob ich irgendwas brauche noch ob ich Hilfe bei dem Wiederaufbau meiner Beziehung zu meiner Familie brauche."

Diese drei Beispiele stehen exemplarisch für die allgemeine Situation der palästinensischen gefangenen Frauen.

Doch trotz dieser Realitäten wurde ihre Situation oft von den politischen Bewegungen draußen vernachlässigt, ihre tagtäglichen Bedingungen im Gefängnis nicht thematisiert und Forderungen nach ihrer Freilassung sind nicht formuliert worden.
Doch während dieser Zeit haben die palästinensischen politischen Gefangenen Frauen kontinuierlich Methoden des Widerstandes entwickelt. Seit der ersten Intifada haben sie sich den Behandlungen im Gefängnis widersetzt, sie haben kollektive Hungerstreiks organisiert, sich gegenseitig unterstützt und zusammen gekämpft. Auch außerhalb der Gefängnisse haben sie im ganzen besetzten Gebiet große Demonstrationen koordiniert und Sit-Ins abgehalten.
Mit diesen Formen des Widerstandes haben sie sich starke Instrumente geschaffen, um ihren Bedürfnissen Gehör zu verschaffen und die Situation der palästinensischen gefangenen Frauen international bekannt zu machen.

Einige Resultate dieser Kämpfe sind die heutigen Frauenorganisationen wie die Union of Palestinian Women Committees (UPWC) und die speziell für die Rechte für palästinensische politische gefangenen Frauen kämpfende Women's Organization for Political Prisoners (WOFPP).

Sie wurde während der ersten Intifada 1988 von einigen Frauen gegründet die sich im Kampf gegen die israelische Besatzung zusammengeschlossen haben.
Die WOFPP sieht ihre Aufgabe darin die politischen Gefangenen Frauen zu unterstützen und die Freilassung aller politischen Gefangenen die gegen die israelische Besatzung gekämpft haben oder dem Kampf beschuldigt werden zu propagieren.
Ihre Unterstützung besteht in der Überwachung der Bedingungen der die politischen Gefangenen Frauen ausgesetzt sind und im Widerstand gegen die Unterdrückung ihrer Rechte.

red.


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Schreibt den palästinensischen politischen Gefangenen Frauen!

Hasharon Gefängnis (Tel Mond)
Even Yehuda
P.O. Box 7
40 330 Israel

- Wafaa elBis, inhaftiert seit dem 20. Juni 2005.

- Abeer Odeh, inhaftiert seit dem 09. August 2009. Sie leidet an vielen schweren gesundheitlichen Problemen aber eine angemessenen medizinische Versorgung wird ihr bis heute verweigert

- Ahlam el Tamimi, inhaftiert seit dem 14. September 2001, Rima Daraghmah, inhaftiert seit dem 28. Juli 2004, Nilly Safadi, 33 Jahre alt, inhaftiert seit dem 11. November 2009, Die Gefängnisleitung verweigert ihnen ihre Männer, ebenfalls politische Gefangene, besuchen zu können.

- Irina Sarahna, inhaftiert seit dem 23. Mai 2002. Ihre Mutter und ihre älteste Tochter haben sie am 15. März 2011 das erste Mal seit 9 Jahren besuchen dürfen. Ihrem Mann wurde es verboten seine Tochter zu sehen.

- Kahera elSa'adi, inhaftiert seit dem 30. Mai 2002. Erst nach 1 ½ Jahren erlaubten die Behörden dass ihre Tochter sie besuchen darf.

Unter Administrativhaft im Hasharon Gefängnis:

- Hanaa Shalabi, inhaftiert seit dem 14. September 2009. Im März 2011 wurde ihre Haft um weitere 4 Monate verlängert.

- Kifah Katash, 37 Jahre alt, inhaftiert seit dem 01. August 2010. Im April 2011 wurde ihre haft um weitere 4 Monate verlängert.

- Aliya J'abri, 30 Jahre alt, ist eine Lehrerin von Hebron. Sie wurde am 15. Februar 2011 um 2 Uhr Nachts verhaftet und zu einem Verhör Zentrum in Qirvat Arba gebracht. Dann wurde sie zu dem Ofer Zentrum gebracht und einem Verhör unterzogen. Am 2. März 2011 wurde sie in Administrativhaft in das Hasharon Gefängnis gebracht.

- Samha Hijaz, 39 Jahre alt, ist eine Mutter von 6 Kindern von elMazr'a elSharqiya, Ramallah Bezirk. Sie wurde am 08. Februar 2011 verhaftet und am 20. Februar ins Hasharon Gefängnis verlegt.

- Amal Taqataqa, 22 Jahre alt, von Bet Fajar, Ramallah Bezirk wurde im März 2011 verhaftet. Sie wurde zu 3 Monaten Haft und einer Geldstrafe von 2000 NIS verurteilt.

Damoon Gefängnis (Carmel Mountain)
P.O. Box 98
Daliyat Ha-Carmel
Israel

- Ramia Abu Samara, 31 Jahre alt, von Yata, Hebron Bezirk, wurde am 16. Dezember 2010 verhaftet. Am 30. März 2011 wurde sie gegen ihren Willen aus dem Damoon Gefängnis in das Hasharon Gefängnis verlegt. Daraufhin trat sie in einen Hungerstreik um wieder zurückverlegt zu werden. Die Gefängnisleitung schloss sie dann in eine Isolationszelle in der sie 24 Stunden am Tag mit einer Kamera überwacht wurde. Als ein Soldat ihr sagte dass sie schließlich ins Damoon Gefängnis zurückverlegt wird beendete sie am 03. April 2011 ihren Hungerstreik.

Anfang Januar 2011 trat eine Gruppe von politischen Gefangenen Frauen (Duaa elJayusi, Woroud Qasem, 'Aisha Ghanimat and Somoud Qaraja) in einen Hungerstreik. Sie streikten aus Solidarität mit Linan Abu Ghalma die sich ebenfalls in einem Hungerstreik befand um in das Damoon Gefängnis zurückverlegt zu werden. (Am 16. Januar wurde Linan Abu Ghalma in das Damoon Gefängnis zurückverlegt) Die Gefängnisbehörde überzog die 4 Frauen daraufhin mit einer Reihe von Zwangsmaßnahmen: Sie erhielten Besuchsverbote und der Strom in den Zellen wurde ihnen abgestellt, sodass sie in dunklen Zellen und ohne Heizung waren. Außerdem entzogen sie den Frauen für 3 Tage den Schlaf.

- 'Aysha 'Ghanimat, 20 Jahre alt, von Surif, Hebron Bezirk wurde am 02. September 2009 verhaftet. Seit dem erlauben die Behörden ihrer Mutter nicht sie zu besuchen.

- Faten elSa'adi, wurde am 8. Mai 2008 verhaftet. Erst nach 8 Monaten gaben die Behörden ihrer Mutter eine einmalige Besuchserlaubnis.

- Suad Nazal, 24 Jahre alt, von Qalqilya, wurde am 23. August 2009 verhaftet. Erst nach 2/3 ihrer Gesamtstrafe erlaubten die Behörden ihrer Mutter sie zu besuchen.

- Hanan elHamuz, 41 Jahre alt, Mutter von drei Kindern, aus dem 'Aza Flüchtlingslager, Bethlehem Bezirk, wurde am 11. Oktober 2010 verhaftet. Am 23. März 2011 wurde sie zu 30 Monaten Haft und einer Geldstrafe von 3000 NIS verurteilt.

Neve Tirza Gefängnis (Ramle)
PO BOX 229
72100 Ramleh
Israel

- Maryam elTarabin, von Jericho, wurde am 24. Januar 2005 verhaftet. Im März 2011 wurde sie aus dem Hasharon Gefängnis in eine Isolationszelle in das Neve Tirza Gefängnis verlegt.


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inland

"Weiß ich nicht mehr." "Ich kann mich nicht erinnern." -
Das Mauern der Polizei setzt sich ungebrochen auch im Revisionsverfahren im Fall Oury Jalloh fort

red.

Der ursprünglich für Oktober 2010 anberaumte Prozess im Fall Oury Jalloh begann nach einer angeblichen Erkrankung des Angeklagten Polizeibeamten Andreas Schubert letztlich erst im Januar 2011 im Landgericht Magdeburg.

Seit dem sind nun einige Prozesstage vergangen und die sich abzeichnende Tendenz ist desaströs - wenngleich wenig überraschend. Denn so erinnert dieses Verfahren vielerorts an den zur Farce verkommenen ersten Prozess vor dem Landgericht Dessau-Roßlau: Auch in diesem Prozess präsentieren die vorgeladenen Polizeibeamt/innen neben offenkundig einstudierten und wenig aussagekräftigen Antworten eine fadenscheinige kollektive Amnesie auf detaillierte und offenbar nicht-antizipierte Rückfragen. Es ist die altbekannte Strategie des Mauerns, die sich in Endlosschleifen aus "weiß ich nicht mehr" und "ich kann mich nicht mehr erinnern" gebärdet. Es bleibt abzuwarten, ob die vorsitzenden Richter/innen und Schöffinnen sich auf dieses Spiel der Vertuschung und dem demonstrierten Unwillen zur Aufklärung einlassen werden und dann Gefahr laufen, am Ende wie schon Richter Steinhoff des Landgerichts Dessau-Roßlau mit doppelter Zunge sprechen zu müssen: Denn obgleich die Schande des 7. Januars 2005 zum Himmel schreit, bedient sich Unrecht des Rechts, wenn die Verantwortlichen ungestraft davon kommen.
Wie es anfangs nicht anders zu erwarten war, hat sich der Angeklagte jeglicher Stellungnahme entzogen. Doch bereits am dritten Prozesstag änderte er seine Strategie. Nachdem der Verteidiger von A. Schubert eine Stellungnahme abgegeben hatte, in dieser er den Tod von Oury Jalloh als tragischen Schicksalsschlag auslegte, äußerte sich der Angeklagte ebenfalls zu den Geschehnissen am 7. Januar 2005. Die darauf folgende Vernehmung zog sich über Stunden. Die Befragung, seitens der Justiz, stützte sich offensichtlich auf Versäumnisse der Dienstvorschriften, nicht etwa auf unterlassene Hilfeleistung bzw. vorsätzlichen Mord.

Am siebten Prozesstag, dem 4. März 2011, deutete sich an, dass auch die vorsitzenden Richter/innen die Verhöhnung der Strategie durch die Zeug/innen erkennen. Vernommen wurde der Polizeibeamte Schulze - einer jener, der Oury Jalloh zuletzt lebend gesehen und die Gewahrsamszelle Nummer 5 kontrolliert hatte. Zunächst begann Schulze die Ereignisse des 7. Januar 2005 zu schildern, wobei sich seine Aussagen auffallend mit jenen glichen, die er vor einigen Jahren gemacht hatte. Die detaillierten Rückfragen der Richter/innen und Nebenklagevertreter/innen ließen sich dann nicht mehr mit einstudierten Antworten begegnen, und so wählte Schulze vermehrt das altbekannte "weiß ich nicht mehr" - bei Fragen der Nebenklagevertreterin sogar oftmals, bevor diese ihre Fragen überhaupt zu Ende stellen konnte. Die Farce der Vernehmung fand dann einen ersten Höhepunkt, als sich der Zeuge Schulze in seinem eigenen Netz aus Lügen verstrickte. Hatte er zunächst der Nebenklagevertreterin verneint, jemals an einem Treffen von Zugehörigen der Polizei in Vorbereitung auf den damaligen Prozess vor dem Landgericht Dessau-Roßlau teilgenommen zu haben, erinnerte er sich dann jedoch bei der Vernehmung durch die Verteidiger des Angeklagten Schuberts doch an ein solches Treffen. Dabei soll den Polizeibeamt/innen gesagt worden sein, bei Gericht das auszusagen, was man wisse. Auf die verwunderte Rückfrage der Nebenklagevertreterin, ob er das vorher nicht gewusst habe, weiß auch Schulze keine Antwort mehr, ersucht das Gericht um eine Pause und blickt hilfesuchend in den Zuschauerraum. Dort sitzt ein Vertreter vom Bezirkspersonalrat der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost. Er nahm bereits an den vorherigen Prozesstagen teil - aus "fürsorgerechtlichen Gründen", wie er am vierten Prozesstag im Zeugenstand verkündete. Das bedeutet soviel wie Pausengespräche mit dem Angeklagten Schubert, oder, wie am siebten Prozesstag, mit dem Zeugen Schulze. Die von Schulze beantragte Pause wird ihm vom Gericht gewährt, doch im Zuschauerraum kommt es zu Tumulten als kritische Beobachter feststellen, dass jener Vertreter des Bezirkspersonalrat dem Zeugen Schulze auf die separate Wartefläche folgen will, was aber erfolgreich verhindert werden konnte. Befürchtet wurden strategische Absprachen während der Pause - nicht zu Unrecht, wie sich nach der Pause herausstellen soll. Denn so wurde ein Aktivist in den Zeugenstand gerufen, der seinen Unmut während der Pause kundgegeben hatte. Im Zeugenstand kritisierte er zunächst den offenkundig befangenen Staatsanwalt. Dieser mache seine Arbeit nicht - die Anklageschrift ist eine Schande und müsse geändert werden. Und dann teilte er dem Gericht mit, dass er am Morgen des siebten Prozesstages mitbekommen hatte, wie jener Vertreter des Bezirkspersonalrates dem Zeugen Schulze riet, bei Schwierigkeiten eine Pause zu verlangen - einen Rat, den Schulze offenkundig beherzte.

Einen zweiten Höhepunkt der Farce - dargeboten durch den Zeugen Schulze - ergab sich daraus, dass erneut kritische Beobachter im Zuschauerraum gesehen hatten, wie Schulze während der Vernehmung des Aktivisten im Warteraum telefonierte. Zwar sagte die Richterin, dass dieser das auch dürfe, allerdings leugnete Schulze dies, als seine Vernehmung fortgesetzt wurde. Die Nebenklagevertreterin fragte Schulze, ob man sein Handy anschauen könne, was er bejahte. Als er dann aber sein Handy herausholte, begann er wirr auf dem Handy herumzudrücken. Obgleich alle Anwesenden im Saal dies sahen, leugnete er, Tasten gedrückt zu haben. Wie sich am achten Prozesstag heraus herausstellte, hat das Gericht einen Durchsuchungsbefehl beantragt, um alle Handys Schulzes zu prüfen. Das Ergebnis der Auswertung wird bestätigen, dass er gelogen hat.
Wie wichtig es ist, dem Rechtssystem Deutschlands gegenüber misstrauisch zu sein, belegte dann auch die Vernehmung des Zeugen durch den Staatsanwalt. Die Aussagen Schulzes haben eindeutig gezeigt, dass es ein polizeiinternes Treffen vor(!) dem Prozess in Dessau gab, und somit interne Absprachen nahe legt. Mit seiner Vernehmung lenkte der Staatsanwalt jedoch die Aufmerksamkeit auf ein von ihm selbst anberaumtes Treffen von Mitgliedern der Polizei während(!) des laufenden Prozesses, was angeblich dazu dienen sollte, das Mauern der Polizeibeamt/innen zu beenden. Nicht nur versuchte er damit den Zeugen zu schützen, sondern auch davon abzulenken, dass es offenkundig mehrere Bemühungen gab, die Wahrheit zu vertuschen und Absprachen zu treffen. Das Sprechen des Staatsanwaltes von einem "Unglück", das am 7. Januar 2005 passiert sein soll, gibt der Verhöhnung, wie sie die Polizeibeamt/innen demonstrieren, den Rest. Denn das, was an jenem Tag passierte, war nichts weniger als institutionell gedeckter rassistischer Mord.
Dies alles erscheint umso absurder, wenn man sich vor Augen führt, dass gut zwei Jahre vor dem Tod von Oury Jalloh bereits eine andere Person, der obdachlose Mario Bichtemann, in der gleichen Zelle aus ungeklärten Umständen ums Leben kam. Auch an diesem Tag war der Angeklagte Schubert der agierende Dienstgruppenleiter, Polizeibeamtin Höpfner seine "rechte Hand" und entsprechende Kontrollgänge wurden unter anderem auch von Jürgen Semmler durchgeführt, der nun am achten Prozesstag im Zeugenstand anwesend war und mit seiner Aussage den Angeklagten weiter belastete: Als nämlich der zweite Vorsitzende Caspari den Zeugen Semmler mit dem Fall Mario Bichtemann konfrontierte, sagte dieser aus, dass ihm bei der Kontrolle des Mannes u.a. aufgefallen war, dass er nicht mehr zu wecken gewesen sei und er an dem Gesundheitszustand des Gefangenen stark zweifelte. Als er seinen Vorgesetzten Schubert darüber informierte, hielt dieser es nicht für nötig, sich direkt in die Gewahrsamszelle zu begeben, um sich vom Zustand des Mannes selbst ein Bild zu machen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten.
Als die Befragung des Zeugen Semmler auf Grund einer angeblichen Erkrankung von Schubert erst vier Wochen später fortgesetzt wurde, erinnerte sich der Zeuge auch an einen Drogenabhängigen aus Köthen, der eingesperrt wurde und dem es so schlecht ging, dass er, Semmler, Schubert sagte, er würde diesen nicht unbeaufsichtigt lassen, woraufhin Schubert dies ablehnte mit der Begründung, dass er weiter seinen Dienst verrichten solle. Auf die Frage hin, ob es nicht schon nach dem Tod von M. Bichtemann und spätestens nach dem von Oury Jalloh Überlegungen gab, wie dieses zu verhindern sei, gab Semmler dennoch zur Antwort: "Oury Jalloh war für mich kein Fall, das war eine normale Kontrolle einer Gewahrsamszelle". Und zur Frage, ob es da kein Interesse von ihm an Aufklärung gegeben hätte: "Nee, was da passiert ist, war ein mittleres Wunder. Das ist schon alles tausendmal durchgekaut worden und wer was gehört hat, dass da etwa ein Feuerzeug da war und gefunden wurde. Wie sonst soll's brennen, als durch Feuerzeug, Streichhölzer oder Voodoo."

Am dreizehnten Prozesstag wird der Zeuge Torsten Bock vernommen. In seiner ersten flüssigen Erzählung zu den Ereignissen am 07.01.2005 erklärte dieser zweimal im Gewahrsamstrakt gewesen zu sein, um seinen Kollegen Ulrich März aufzusuchen. Das erste Mal war er am Morgen unten, um ihm eine "fachliche" Frage zu stellen. Nachdem er von seinem Streifeneinsatz ins Revier zurückgekommen war, ist er dann ein zweites Mal runter gegangen. Er wollte "den Ulli" fragen, ob er mit zum Mittagessen kommen würde. Er fand März zusammen mit Udo Scheibe in der Zelle 5, an der Matratze des an Händen und Füßen fixierten Oury Jalloh vor. Auf die Frage der Richterin, was die beiden dort machten, erklärte Bock, dass es für ihn offensichtlich war, das sie ihn noch mal abtasteten und durchsuchten. März sagte zu Bock, das er noch zu tun hätte. Weil es für Bock ersichtlich war, das es noch eine Weile dauern würde, verlies er den Gewahrsamsbereich. Nach seiner Wahrnehmung hat sich Oury Jalloh zu diesem Zeitpunkt ruhig verhalten und sich nicht verbal geäußert. Auch war er der Meinung, dass die Hosentaschen von Oury Jalloh nach außen gekrempelt waren. Als Bock dann vom Essen aus der Kantine zurück kam, brannte es bereits.

Das Gericht war sichtlich überrascht von dieser Zeugenaussage und unterbrach die Sitzung für einige Minuten, mit der Bitte, dass Torsten Bock den Zeugenstand nicht verlassen solle. Nach der Pause eröffnete der zweite Vorsitzende dem Zeugen, dass sich durch seinen Bericht eklatante Widersprüche zu den Aussagen von März und Scheibe ergeben haben. Diese hatten behauptet seit der Ingewahrsamnahme des Oury Jalloh am Morgen gegen 9.00 Uhr nicht mehr im Zellentrakt gewesen zu sein.

Aufgrund dieser neuen Erkenntnis gibt die Nebenklägerin eine entscheidende Erklärung zu Protokoll. Sie führt an, das wenn man der Aussage des Zeugen Bock glauben kann, sich folgendes ergibt:
"Erstens, entgegen der Bekundungen des Zeugen März und Scheibe waren beide gegen Mittag noch einmal im Gewahrsamstrakt.
Zweitens, Oury Jalloh wurde in der Gewahrsamszelle Nummer 5 noch einmal untersucht und unter anderem hiermit ausgeschlossen, dass sich ein Feuerzeug in dessen Hosentaschen befand.

Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Zeugen März und Scheibe zu der Ursache, die zum Tod des Oury Jalloh geführt habe, mehr wissen dürften, als sie als Zeugen hier bereit waren zu sagen. (...) Die Aussage legt darüber hinaus sehr nahe, dass die Theorien von den Selbstentzündungen des Oury Jallohs ausgeschlossen werden müssen."

Trotz allem erwarten wir auch von dem laufenden Revisionsverfahren keine Aufklärung und Gerechtigkeit. Der bürgerliche Staat versucht vielmehr seine augenscheinliche Rechtsstaatlichkeit zu bewahren und liefert deshalb auch einen Schauprozess ab. Sowohl die Anklageschrift des Staatsanwaltes als auch die Fragen seitens der Justiz spiegeln dies deutlich wieder. Für uns ist klar, dass dies kein tragischer Schicksalsschlag war und auch keine unterlassene Hilfeleistung, sondern ein rassistisch motivierter Mord! Denn Oury Jalloh ist kein Einzelfall. Erinnert sei hier an die unzähligen Opfer an den europäischen Außengrenzen, in den Abschiebeknästen und die Opfer rassistischer Polizeigewalt.

Oury Jalloh - Das war Mord!


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Zur Repression gegen Buch- und Infoläden

In den Jahren 2009 und 2010 gab es zahlreiche Durchsuchungen in den Berliner Buch, und Infoläden M99, Oh 21 und Schwarze Risse und im Münchner Cafe Marat durch das jeweilige Landeskriminalamt. Allein im Jahr 2010 fanden sieben Razzien statt. Begründet wurden diese mit dem Verdacht der Beihilfe der Anleitung zu Straftaten (§130a STGB) und dem Verstoß gegen das Waffengesetz (§ 40 WaffG - Verbotene Waffen inklusive des Verbotes, solche herzustellen oder zu ihrer Herstellung aufzurufen).

Die durchsuchten Läden sollen in ihren Räumen unter anderem die Zeitschriften Interim, Prisma und Radikal ausgelegt haben.
Um der Repression zu begegnen vernetzten sich die betroffenen Buchläden in der Initiative "Unzensiert lesen". Nachdem die Öffentlichkeit, unter anderem durch mehrere sehr gut besuchte Informationsveranstaltungen, über die Situation und die Hintergründe des Verfahrens informiert werden konnte gab es zahlreiche solidarische Reaktionen unter anderem im Rahmen eines von über 1000 Personen und Gruppen unterzeichneten Aufrufes.

Am 18.2. sowie am 8.3. diesen Jahres fanden nun vor dem Amtsgericht in Berlin Tiergarten die Verhandlungstage des Prozesses gegen einen der angeklagten Buchhändler statt.
Die erschienenen Prozessbesucher wurden schikaniert durch umfangreiche Sicherheitskontrollen, in einem vom sonst üblichen Eingang abgetrennten Bereich. Dies bedeuteten für sie die genaue Durchsuchung der Kleidung sowie das Kopieren ihrer Personalausweise. Dadurch wurden sicherlich viele potentiell Interessierte abgeschreckt und der angeklagte Buchhändler auf vorverurteilende Weise quasi als besonders gefährliche Persönlichkeit dargestellt.

Trotz allem kamen zu beiden Tagen zahlreiche Besucher um den Prozess kritisch zu beobachten.
Doch es fanden dann lange nicht alle Interessierten Einlass denn der Verhandlungssaal war denkbar klein gewählt. Daher gab es, zumindest am 18.2., eine lautstarke Kundgebung vor dem Gericht bei welcher viele Zitate von Autoren verlesen wurden die im Lauf der vergangenen Jahrhunderte von staatlicher Zensur betroffen waren.
Das Berliner Staatsanwaltschaft versuchte an beiden Tagen die Ansicht durchzusetzen das Buchhändler prinzipiell für den Inhalt der bei ihnen ausliegenden Medien verantwortlich zu machen wären. Die Richter konnten dem so nicht folgen und fanden auch keine ausreichenden Anhaltspunkte für das weiterführen des Prozesses daher wurde er am 2. Verhandlungstag eingestellt.
Hätte die Staatsanwaltschaft mit ihrer Forderung recht behalten würde dies zukünftig eine kritische Medienlandschaft stark behindern. Denn Buchhändler aber auch Betreiber von Läden, Cafes und Kneipen müssten dann, in die Rolle der Zensoren gedrängt, in vorauseilendem Gehorsam alles von ihnen Vertriebene und bei ihnen Ausliegende erst einmal auf eine eventuelle strafrechtliche Relevanz hin überprüfen.

Daneben stellen die Durchsuchungen der Läden einen massiven staatlichen Angriff auf eine kritische, linke Infrastruktur dar. Sie werden benutzt um Menschen einzuschüchtern, durch die Beschlagnahmung von Computern und Literatur Arbeit zu behindern und um linke Strukturen auszuforschen z.B. indem die Personalien aller bei den Durchsuchungen Anwesenden aufgenommen werden.


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kurzmeldungen

Kurzmeldungen bundesweit

Bernburg: In der Nacht zum 26. April sollte in Bernburg (Sachsen-Anhalt) eine Abschiebung stattfinden. 25 Menschen konnten diese mithilfe einer Blockade der Tore, die sie mit Schlössern absperrten, verhindern. Mit einem Transparent mit der Aufschrift "Abschiebung ist Mord" standen sie die Nacht über vor dem AsylbewerberInnenheim. Die BewohnerInnen brachten ihnen dankend Tee bis sie am frühen Morgen von dem Erfolg ihrer Aktion hörten und aufbrachen. Was mit der bedrohten Familie weiter passiert ist leider unklar. (red.)

Sehnde: Werner Braeuner, Gefangener in der JVA Sehnde bei Hannover, wurde 2001 wegen der Tötung des Verdener Arbeitsamtsdirektors zu einer 12-jährigen Haftstrafe verurteilt. Es gibt Hinweise auf die Verunreinigung seines Knast-Essens u.a. mit Exkrementen. Dies bewegte ihn dazu beim niedersächsischen Justizministerium die Barauszahlung des Essensgeldes zu beantragen um sich selbst versorgen zu können. Der Antrag wurde abgelehnt woraufhin Werner Braeuner in Erwägung zieht in den Hungerstreik zu treten. (red.)

Hannover/Griechenland: Im Rahmen der Kampagne "Solidarität mit Sven, Stefan und Tim" erklärten sich griechische AktivistInnen mit den drei angeklagten Antifaschisten aus Hannover solidarisch. Sie malten ein Transparent, das sie als Solidaritäts-Botschaft nach Deutschland schickten. Sven, Stefan und Tim wird vorgeworfen mit einigen Anderen eine Gruppe Nazis angegriffen zu haben, die vor einer Kneipe in der hannoveranschen Nordstadt pöbelten. Ein Großteil der Gruppe bestand aus bekannten Gesichtern der örtlichen Naziszene. (red.)

Berlin: Die Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP verabschiedeten einen Gesetzesentwurf nach dem straffällig gewordene Jugendliche direkt nach dem Vergehen eine Haftstrafe verbüßen müssen. Das betrifft sowohl jeden Verurteilten auf Bewährungsstrafen als auch jeden der nur Sozialstunden ableisten muss. Diese rigorose Schikane trifft vor allem Erststraftäter. Als Aufhänger dient ein Überfall in der Berliner U-Bahnstadtion Friedrichstr. auf einen Touristen. (red.)


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inland

Weitere Angriffe auf Solidaritätsstrukturen - ein kurzer Überblick

red.

"Neben der redaktionellen Arbeit musste die Existenz und damit das Fortbestehen des Infos auch immer vor Gericht verteidigt werden, um damit das Leben vor allem der Gefangenen aus der RAF vor staatlichen Übergriffen hinter Gittern zu schützen. Heute sind es vor allem die Eingesperrten aus türkischen und anderen migrantischen Zusammenhängen, die diesen Sonderhaftbedingungen und -gesetzen ausgesetzt sind. Es bedeutet immer Kampf auf allen diesen Ebenen, den Weggesperrten einen unzensierten Raum zu geben für ihre politischen Vorstellungen bis hin zur ihrer Freiheit!"
Aus der Prozesserklärung vom 11. 10. 2010 Das "Gefangenen Info" (GI) wird seit 2009 vom "Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen" herausgegeben. Unsere Zeitschrift existiert seit 1989, seit dem letzten Hungerstreik der Gefangenen aus der RAF und des anti-imperialistischen Widerstandes. Rund 30 Verfahren gab es gegen unser Organ, die Angriffe konnten wir bis auf 2 Verurteilungen immer siegreich überstehen.
Letztes Jahr erkämpften wir vor dem Landgericht in Berlin einen Freispruch dank zahlreicher Solidarität aus dem In - und Ausland. Es war uns aber auch bewusst, dass die Attacken der Justiz, Polizei und Geheimdienste gegen uns und andere Solidaritätsstrukturen weiter gehen.
So wurde im letzten Jahr an einem PKW von AktivistInnen aus unserer Struktur ein GPS-Ortungsgerät gefunden. Dieses war im Träger hinter dem hinteren Stoßfänger mit Hilfe von Magneten befestigt. Der Peilsender besaß eine eigene und leicht wechselbare Stromversorgung (Akku mit seperatem Anschluss), weshalb wir davon ausgehen, dass es für längere Zeit an dem Fahrzeug befestigt war und auch bleiben sollte. Der Peilsender befindet sich derzeit bei einem Anwalt. Wir gehen davon aus, dass der Grad der Bespitzelung unserer Struktur - aber auch anderer Antirepressionsstrukturen - jedoch noch viel weitreichender ist.

Ein anderer praktischer Ausdruck der Behinderung unserer Arbeit sind die ständigen Beschlagnahmungen bzw. Nichtaushändigungen unserer Zeitung an Gefangene. So wurden z. B. im letzten Sommer Tommy Tank, einem politischen Gefangenen aus Torgau, 3 Ausgaben des "Gefangenen Infos" für 14 Tage beschlagnahmt und dem Verfassungsschutz vorgelegt. Die Ausgabe Nr. 356 erreichte zahlreiche kurdische und anti-faschistische Inhaftierte nicht und wurde an die Redaktionsadresse zurückgeschickt.
Vereinzelt haben Gefangene immer wieder um die Aushändigung des "Gefangenen Infos" zu kämpfen. Dem wegen § 129b eingesperrten Gefangenen Sadi Özpolats wurde die Korrespondenz vom "Sozialen Zentrum Magdeburg" durch den Bundesgerichtshof (BGH) beschlagnahmt. Geschickt wurde ihm Hintergrundmaterial zum erfolgreichen Prozess gegen unsere Zeitschrift.
Begründet wurde die Beschlagnahme durch das BGH damit, dass das GI erstmalig 1989 anlässlich des Hungerstreiks der Gefangenen aus der RAF als "Hungerstreik Info" in Erscheinung getreten ist und es "sei eine Waffe der Solidarität" um gegen die "zunehmende Repression gegen politische Gefangene aufmerksam zu machen und somit besser gegen die Unterdrückung agieren zu können."
Ebenso werden die HerausgeberInnen des GI, das "Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen", angegriffen, weil es sich als "Zusammenschluss" versteht, um sich "organisierter" gegen die herrschenden Verhältnisse besser wehren zu können.
In unserer Zeitschrift veröffentlichen wir häufig Briefe von Gefangenen, damit die Leserinnen und Leser sich ansatzweise ein Bild von ihr/ihm machen können. Ansatzweise heißt in diesem Fall, weil unter den herrschenden Knastbedingungen die Kommunikationsmöglichkeiten stark eingeschränkt sind.
Diese Beispiele zeigen, dass wir den Herrschenden ein Dorn im Auge sind und wir uns nicht abschrecken lassen in unserer Arbeit. Deshalb lässt der Staatsschutz nicht locker und startet weitere Angriffe:
In der "Leipziger Volkszeitung" (LVZ) vom 8. März erscheint ein Artikel "Ein politischer Gefangener", der Tommy und alle angreift, die sich solidarisch zu ihm verhalten. Die Kontakte, die er im Knast aufgebaut hat, werden alle der "Linksextremen Szene" zugeordnet. Diese Bezeichnung ist typischer Polizeijargon, der die Voraussetzung für weitere Kriminalisierung ist.

Für Weggesperrte ist der Knast schon sehr einschneidend und wenn Tommy bei seiner Verlegung von Leipzig nach Torgau anfangs 3/4 seiner Unterlagen und Gegenstände vorenthalten wurden, ist das eine weitere Verschärfung. Zu Recht hatte er diese repressive Situation in Torgau als "Methode" charakterisiert, "neu angekommene Gefangene zu brechen".
Die LVZ vom 8.3. hetzt weiter, "so scheint Tommy T. in einem Jahr Knast... zum gefestigten Genossen konvertiert zu sein."
Da sie ihn trotz seiner noch über 2 Jahre anstehendem Knast nicht brechen konnten, kommt da deswegen auch in den Presseorganen Wut und Aggressivität rüber.
Er setzt sich solidarisch mit Faruk Ereren auseinander, der in der Türkei 8 Jahre lang schwer gefoltert wurde und dem jetzt lebenslänglich und die Auslieferung in die Türkei droht. Daraus macht die LVZ, "er sympathisiert mit einem Linksterroristen, der wegen Anschlägen auf die türkische Justiz und Polizei... mit zwölf Todesopfern angeklagt war." Kein Wort davon, dass diese Aussage durch blutige Folter in der Türkei erpresst worden ist und alle Anträge dazu von der Verteidigung vom zuständigen Senat in Düsseldorf abgeschmettert wurden. Das macht mal wieder die Zusammenarbeit und somit die Kumpanei von deutscher und türkischer Justiz und Polizei offen.
"In einem anderen Schreiben tauscht sich Tommy T. mit einem Aktivisten aus dem Umfeld der Roten Armee Fraktion (RAF) aus - Thema: die Kranzniederlegung an den Gräbern der ersten RAF-Generation um Andreas Baader und Gudrun Ensslin." (LVZ) Hier wird zum einen der Aktivist, der ihm von der Kranzniederlegung berichtete, durch eine VS-Klassifizierung diffamiert und kriminalisiert und Tommy natürlich ebenso. Was nicht erwähnt wird, ist, dass nicht nur Andreas und Gudrun auf ungeklärter Weise den Knast nicht überlebt haben, sondern noch 7 weitere politische Gefangene. Gerade weil diese Haftbedingungen und Todesumstände heute von den Herrschenden ignoriert und verzerrt werden, ist es immer wichtig, auf diese Ereignisse hinzuweisen. Zu Recht haben wir das als "Revolutionäre Geschichte verteidigen und aneignen" bezeichnet.
Auch stört es die LVZ, dass Tommy auf einer Liste von politischen Gefangenen steht, die auf der Homepage des Netzwerks und auch im GI veröffentlicht wird. Ziel dieser Liste ist es, dass zu diesen Eingesperrten aus unseren Bewegungen Kontakt aufgenommen wird.
Einfach Solidarität zeigen mit den Weggesperrten, was einfach klingt und selbstverständlich für uns alle sein sollte. Konsequent für uns ist auch, dass das Netzwerk Briefe von Tommy und anderen Gefangenen auf seiner Homepage veröffentlicht, denn wir "unterstützen die politischen Gefangenen auf politischer, juristischer und menschlicher Ebene und stehen hinter ihnen in ihrem Widerstand für ihre Freiheit, gegen inhumane Haftbedingungen..."
(Aus dem Selbstverständnis des Netzwerks.)

Auch seine Anwältin und die Rote Hilfe Leipzig kriegen ihr Fett weg. Letztere weil sie eine gut besuchte Veranstaltung zu Tommy in Leipzig anlässlich des 18. März, dem Tag des politischen Gefangenen, organisiert haben. In diesen Zusammenhang greift die LVZ auch die Ortsgruppen der Roten Hilfe aus Magdeburg und Halle an, weil sie ebenso Veranstaltungen zu Tommy gemacht haben. Gefangenen eine öffentliche Stimme zu geben, sollte selbstverständlich für Solidaritätsstrukturen sein. Das ist bestimmt auch einer der Gründe, warum die RH vom VS beobachtet wird.

Angriffe gegen AktivistInnen im Prozess gegen Verena Becker

Am 10. März, kurz vor dem Ende des Verhandlungstages in Stuttgart, entrollten drei AktivistInnen im Gerichtsaal ein Transparent mit der Aufschrift "Solidarität mit den 10 ehemaligen Militanten aus der RAF" und erklärten "Damals wie heute: Terrorist ist der, der verhungern lässt, bombardiert und verhaftet". Dazu wurde die Parole "Freiheit für alle politischen Gefangenen!" gerufen.
Die drei Menschen wurden aus dem Gerichtsaal entfernt und nach kurzzeitiger Ingewahrsamnahme vor den Strafsenat gestellt. Die 3 GenossInnen wurden jeweils zu 150 Euro verdonnert, von denen bereits direkt nach dem Prozess ca. 200 Euro von solidarischen Personen gespendet wurden.
An diesem Tag waren Günter Sonnenberg, Stefan Wisniewski, Rolf Heißler und Waltraud Liewald im Prozess gegen Verena Becker als "ZeugInnen" vorgeladen. Insgesamt waren bisher 11 Ex-Militante aus der RAF geladen und alle verweigerten die Aussage. Gegen zwei von ihnen, Siegfried Haag und Roland Mayer, wurde Beugehaft von 6 Monaten beantragt. Der "Terrorismusexperte" der ARD bezeichnete die 3 GenossInnen, die im Gerichtsaal intervenierten, als "RAF-Fanklub" und gab auch das Alter, Vornamen und Anfangsbuchstaben der Nachnamen auf dem "SWR Terrorismus Blog" vom 10.3.2011 preis.
"Das nächste Mal" werde es nicht so glimpflich abgehen, mahnte der Vorsitzende noch."
(ebenda)

Der Vorsitzende Richter ist übrigens Hermann Wieland, der die 5 türkischen Linken im §129b-Verfahren zu hohen Strafen verknackte.
Trotz der fortlaufenden Diffamierungen und Umdeutungen unserer Geschichte war Solidarität von jüngeren GenossInnen mit den vorgeladenen älteren GenossInnen möglich und wurde auch öffentlich. Das war auch einer der Gründe, warum die Staatsschutzpresse darüber vor Wut schäumte und die Justiz bei weiteren Aktionen mit härteren Sanktionen drohte.
Wir lassen uns durch gezielte Angriffe des Staatsschutzes, der Geheimdienste und ihrer medialen GesinnungsjournalistInnen in unserer politischen Arbeit natürlich nicht abschrecken, denn unsere Arbeit macht deutlich, wie wichtig Solidarität ist - die ihnen fremd, somit suspekt ist und Angst macht.
Sinngemäß drückte das Mao mal so aus: "Wenn der Feind uns bekämpft, ist das gut und nicht schlecht."
"Da die politische Gefangenschaft aus den existierenden Verhältnissen hervorgeht, d. h. die Gefängnisse die Reaktion des kapitalistischen Systems gegen den Widerstand für Gerechtigkeit sind, vertritt das Netzwerk die Auffassung, dass die Solidarität mit den politischen Gefangenen integraler Bestandteil aller politischen und sozialen Kämpfe sein muss. Und da uns heute Ausbeutung und Repression in weltweit verschärfter Form entgegentritt, sieht das Netzwerk die Notwendigkeit, diese Solidarität über die Grenzen hinweg zu stärken und die internationale Solidarität als unsere Antwort auf ihre Repression einzusetzen."
So steht es in der Präambel des Netzwerk, aber es gilt für alle, die für eine freie und egalitäre Gesellschaft kämpfen.

No pasaran!


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Aufruf zur Solidarität: Weg mit den Beugehaftandrohungen gegen zwei ehemalige Militante aus der RAF!

www.political-prisoners.net

Seit dem 30. September 2010 läuft in Stuttgart der medial groß inszenierte Prozess gegen das frühere RAF-Mitglied Verena Becker. Hintergrund des Verfahrens ist die Erschießung des damaligen Generalbundesanwalt Buback im April 1977 durch das RAF-Kommando "Ulrike Meinhof". Buback, ein ehemaliges NSDAP-Mitglied, war in seiner Funktion direkt verantwortlich für die Verschärfung der Isolationshaftbedingungen und den Tod von vier Gefangenen aus der RAF: Holger Meins, Katharina Hammerschmidt, Siegfried Hausner und Ulrike Meinhof.
Vorgeladen und im Verena Becker-Prozess als Zeugen aussagen sollten die 11 früheren RAF-Mitglieder: Günter Sonnenberg, Stefan Wisniewski, Rolf Heißler, Waltraud Liewald, Knut Folkerts, Brigitte Mohnhaupt, Sieglinde Hofmann, Rolf Clemens Wagner, Irmgard Möller, Siegfried Haag und Roland Mayer.
Bisher wurde den als Zeugen und Zeuginnen vorgeladenen ehemaligen Militanten aus der RAF das Aussageverweigerungsrecht nach §55 StPO zugesprochen. Bei Siegfried Haag und Roland Mayer wurde das Aussageverweigerungsrecht jedoch nicht anerkannt. Die beiden waren seit November 1976 bereits inhaftiert und sollen - so die Argumentation des Senats und der Bundesanwaltschaft - sich somit durch Aussagen nicht selbst belasten können.
Infolge dessen wurde gegen sie durch den Senat 6 Monate Beugehaft und eine Geldstrafe von 300 Euro verhängt. Da sie gegen die Anordnung Beschwerde einlegten, ist die Vollstreckung bis zur Überprüfung durch den Bundesgerichtshof (BGH) ausgesetzt und die beiden befinden sich noch auf freiem Fuß.
Voraussichtlich innerhalb der nächsten Wochen entscheidet der BGH dann darüber ob die Beugehaft gegen Siegfried Haag und Roland Mayer vollstreckt wird.

Revolutionäre Geschichte verteidigen...
Der momentan laufende Prozess gegen Verena Becker soll dazu dienen, ein weiteres Mal mit der Geschichte der RAF abzurechnen, indem diese diffamiert und letztlich entpolitisiert wird. Vor Gericht steht also nicht Verena Becker alleine, sondern auch die Geschichte und Politik der RAF und damit verbunden die revolutionären Kämpfe in der BRD und weltweit. Die RAF verstand sich als Befreiungsbewegung im Kontext mit den Kämpfen im Trikont und in den Metropolen.

Sie stand für Aufrichtigkeit, Mut und Hoffnung, auch unter schwierigen Bedingungen zu agieren und war für viele Linke ein wichtiger Bezugspunkt.

Daher müssen wir die RAF als Bestandteil unserer Geschichte - der Geschichte der revolutionären Linken - begreifen und verteidigen. Dass auch 33 Jahre nach der Aktion gegen Buback und 12 Jahre nach der Auflösung der RAF, noch immer seitens der Herrschenden versucht wird die Geschichte der RAF in ihrem Sinne umzudeuten, verdeutlicht wie wichtig es für den Staat ist auch den Teil der Geschichte für sich zu vereinnahmen.

Damit wird auch deutlich welchen Sinn und Zweck die Vorladungen der Ehemaligen Militanten aus der RAF haben sollte: Sie sollten zu Staatszeugen werden und aktiv dabei helfen die eigene Geschichte zu verleugnen und im Sinne der Herrschenden endlich abzuschließen.

...Solidarität organisieren - Tag X
Siegfried Haag und Roland Mayer sollen als Militante aus der RAF "abgestraft" werden, letztlich damit auch das Bild des "RAF-Schreckens" aufrecht werden und mit dem bewaffneten Kampf abgerechnet werden. Da sie, wie auch andere ehemalige Militante oder AktivistInnen der revolutionären Linken, ProtagonistInnen linker Geschichte sind, ist es die Aufgabe von uns - als revolutionäre Linke - sie zu verteidigen und Angriffe gegen diese zurückzuschlagen.

Daher rufen wir dazu auf, dass wenn der BGH die Beugehaft bestätigen sollte, am Wochenende nach der Entscheidung mit unterschiedlichsten Aktionen den Protest gegen diese Entscheidung auf die Straße zu bringen und sich mit Siegfried Haag und Roland Mayer solidarisch zu zeigen.

Revolutionäre Geschichte aneignen und verteidigen!
Keine Beugehaft gegen Siegfried Haag und Roland Mayer!

Aktuelle Informationen auf:
www.political-prisoners.net
www.nullaefinito.jimdo.com


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kurzmeldungen

Kurzmeldungen bundesweit

Rheinbach: Peter Scherzl ist Bundesvorsitzender der "Interessenvertretung Inhaftierter". Er wird aufgrund seiner völlig legalen Inanspruchnahme von Grundrechten seitens des Vollzugs seit Jahren mit Hunderten Willkür- und Schikaneakten überzogen. Ganz offensichtlich soll Peter Scherzl 'mundtot' gemacht und an ihm gleichzeitig zudem ein Exempel statuiert werden, um andere Gefangene einzuschüchtern und sie so von Klagen und Strafanzeigen gegen die vielfach 'von oben' gedeckte Rechtsbeugung im Strafvollzug abzuhalten. (red.)

Berlin: Die Berliner Polizei hat am 5.4. gewaltsam eine Protestaktion von KurdInnen auf dem Alexanderplatz verhindert. Eine Woche lang sollte mit einem "Demokratischen Lösungszelt" über die Unterdrückung des kurdischen Volkes in der Türkei und die Forderungen der kurdischen Freiheitsbewegung nach kulturellen, demokratischen und sozialen Rechten informiert werden. Obwohl ein Pavillon angemeldet war, wurde das Zelt von der Polizei demontiert und beschlagnahmt. Die deutschen Justizbehörden stellen sich somit in die Linie ihrer türkischen Kollegen. (red.)

Leipzig: Nach mehreren Hausdurchsuchungen in Brandenburg und Sachsen am Morgen fanden sich gegen Abend zwischen 500 und 600 Menschen zu einer Demonstration zusammen um diese unter dem Motto "Gegen die Kriminalisierung linker Strukturen " öffentlich zu thematisieren. Die Durchsuchungen fanden im Rahmen mehrerer Verfahren um §129 statt bei denen den Beschuldigten nach monatelanger Telekommunikations-Überwachung vorgeworfen wird an Aktionen beteiligt gewesen zu sein die sich vorrangig gegen Nazis richteten. (red.)

Weilheim: Am 11.04.2011 standen zwei Genossen aus dem Raum Oberbayern vor dem Weilheimer Amtsgericht. Vorgeworfen wurde ihnen "gefährliche Körperverletzung" obwohl sie sich 4 Monate zuvor mit einem aggressiven Rassisten konfrontiert sahen, der sie mit einem Messer bedrohte und jagte. Die Haftstrafen von 10 Monaten Knast ohne Bewährung und 2 Wochen Jugendarrest plus 40 Sozialstunden kamen zustande als die Beiden versuchten den Angreifer mithilfe eines Pfeffersprays abzuwenden. Die Strafmaße schlagen damit weit über die Forderungen der Staatsanwaltschaft hinaus. (red.)


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inland

Zur Repression gegen tamilische Exilorganisationen

red.

Inzwischen sind 4 Personen mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der tamilischen LTTE (Liberation Tigers of Thamil Eelam) nach §129b wegen "Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Organisation" und in diesem Zusammenhang wegen Verstoß gegen §34 Außenwirtschaftsgesetz in der BRD inhaftiert. In Pressemitteilungen wirft die Generalbundesanwaltschaft dem 35-jährigen Vijikanendra V. S. vor "Deutschlandverantwortlicher der LTTE" zu sein, der 33-jährigen Sasitharan M. und der 39-jährigen Koneswaran T. sollen in leitenden Funktionen für finanzielle Angelegenheiten verantwortlich gewesen sein. Sasitharan M. soll außerdem das Büro der Tamil Coordination Comitee (TCC) in Oberhausen geleitet haben. Außerdem sollen sie angeblich 3 Millionen Euro Spendengelder an die Führungsspitze der LTTE in Sri Lanka weitergeleitet und u.a. für Waffenverkäufe verwendet haben. Dem gesondert verfolgten 35-jährigen Agilan W. wird vorgeworfen, Waffen, Waffenzubehör und Ausrüstung für den bewaffneten Kampf der LTTE beschafft zu haben und für mehr als 370.000 Euro Gegenstände für den militärischen Bedarf und ihren Transport nach Sri Lanka organisiert zu haben. Außerdem soll er für Öffentlichkeitsarbeit und Spendenkampangen verantwortlich sein - das Tamil Coordination Comitee (TCC) wird per Anklagekonstrukt als Teil der LTTE bezeichnet und damit kriminalisiert. Die Schweizer Bundeskriminalpolizei verhaftete außerdem im Januar 2011 10 weitere Personen mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der LTTE Schweiz und durchsuchte in diesem Zusammenhang 23 Objekte. Den Verhafteten wird ebenfalls v.a. das Sammeln von Spenden und "die Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation" vorgeworfen. In einem vergleichbaren Verfahren kam es in Frankreich bereits im November 2009 durch das Tribunal de Grande Instance de Paris zu Verurteilungen.

Die LTTE ist eine Organisation, die wegen ihres bewaffnet geführten Kampfes für eine Gleichstellung der ethnischen Minderheit der Tamilen in Sri Lanka verfolgt und endgültig zerschlagen werden soll. Im Kampf gegen die Antiterrorparagraphen wollen wir auf eine Solidarisierung mit den Angeklagten und gegen ihre Isolierung und Kriminalisierung hinwirken, da sie sich als national-revolutionäre Befreiungsbewegung verstehend für legitime Ziele einsetzt. Für den Großteil der Diaspora-Tamilen, die nach den Pogrom von 1983 in der ganzen Welt verstreut als Flüchtlinge leben, ist die LTTE aus der Erfahrung der Unterdrückung und Entrechtung in ihrer Heimat die wichtigste Organisation zur Durchsetzung ihrer Forderungen.
Im Mai 2009 führte die singhalesische Regierung unter Präsident Rajapakse mit Unterstützung von chinesischem und indischem Militär einen Krieg gegen die LTTE mit unvorstellbarer Grausamkeit und Brutalität und wurde dafür international als Sieger über eine der weltweit "gefährlichsten Terrorgruppen" gefeiert. Die LTTE versuchte vor dem Krieg in den Jahren zwischen 2002 bis 2006 über Verhandlungen mit der Regierung Lösungen im Konflikt zwischen der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit von 75% und der tamilisch sprechenden Minderheit von 25% zu erarbeiten. Während den Verhandlungen gingen die LTTE auch von ihrem ursprünglichen Ziel eines eigenen Staates zurück, zugunsten eines föderal organisierten multi-ethnischen Staates, und erhoffte sich auch über Kontakte durch europäische Staaten Unterstützung. Die singhalesische politische Elite entschied sich für die militärische Zerschlagung der LTTE und durch den Krieg sollte die wichtigste Organisation der tamilischen Bevölkerung zerstört und ihren Forderungen endgültig der Boden entzogen werden. Mit dem juristischen Mittel der Verfolgung mit dem Antiterrorparagraphen §129b wird durch die deutsche Justiz die Politik des reaktionären Regimes in Sri Lanka aktiv unterstützt und fortgesetzt, die Verfolgungen in der Schweiz und die Verurteilungen in Frankreich weisen auf ein europaweit koordiniertes Vorgehen gegen tamilische Exilstrukturen hin.

Die Wurzeln der LTTE gehen auf die seit den 1930er Jahren in Sri Lanka existierende Arbeiter- und Bauernbewegung zurück, welche sich auch in marxistisch-leninistischen Parteistrukturen organisierte und eine ethnische Separation nicht kannte. Nach der Unabhängigkeit Sri Lankas 1948 setzte sich der in der singhalesischen Bevölkerung vorhandene singhalesisch-buddhistische Nationalismus Stück für Stück durch. Getragen wurde diese Entwicklung auch von der (singhalesisch dominierten) sozialistischen Partei Sri Lankas (LSSP), welche 1964 eine Koalition mit der (singhalesischen) chauvinistisch-rassistischen SLFP einging. Auch die maoistisch geprägte JVP versuchte über eine anti-tamilische Rhetorik an die vorhandenen Ressentiments anzuknüpfen und wurde später zur stärksten ideologischen Triebkraft in ihrer Forderung nach der Zerschlagung der LTTE. Als Gegenbewegung formulierte die tamilische Linke eigene nationale Ziele der tamilischen Minderheit. 1976 wurde auf einer Konferenz von tamilischen Parteien und Gruppen erklärt, dass die tamilische Befreiungsbewegung ihre Forderung nach einem eigenen Staat nicht mehr nur gewaltfrei nach den Prinzipien Mahatma Gandhis erreichen könne und es wurde mit der Bildung revolutionärer Untergrundbewegungen nach dem Vorbild der lateinamerikanischen Guerillas begonnen.

Einen besonderen Platz innerhalb der entstehenden Guerillagruppen nimmt die LTTE ein, welche in den späten 70er und 80er Jahren zur Sammlungsbewegung der srilankischen Tamilen wurde. Die Mitglieder der LTTE sind nicht hauptsächlich Studenten aus der akademischen Mittelschicht der Metropole Jaffna, sondern Fischer aus dem Umland. Die LTTE hat mit dem traditionellen Kastenwesen gebrochen und stellt die Forderung nach vollständiger Befreiung von jeglicher sozialer Segregation von Geburt an. (Selbst) Gandhi hat nicht an der Kastengesellschaft Indiens gerüttelt. In den von ihr kontrollierten Gebieten baute die LTTE Kooperativen zur Selbstversorgung der Agrar- und Fischergesellschaft und zur Bildung und Erziehung auf. Auf Initiative der singhalesischen Regierung hin wurde die LTTE mit Beschluss des Rats der Europäischen Union seit Juni 2007 auf die EU-Terrorliste gesetzt. Das kollektive Bewusstsein der tamilischen Bevölkerung hat durch den Krieg eine tiefe Demütigung erfahren. Dennoch ist der Wille zur Befreiung ungebrochen, was zahlreiche Initiativen der mehr als 1 Million im Ausland lebenden Tamilen zeigen. Sie zwangen zuletzt den Präsidenten Rajapakse zur vorzeitigen Abreise aus London, weil er sich sonst einer Anklage als Kriegsverbrecher gegenüber gesehen hätte.

Quellen:
- Gedanken von Velupillai Pirabakaran, Vakai-Verlag, Deutschland 2010
- Balasingham, Anton, Liberation Tigers und der Befeiungskampf für Thamil Eelam, 1983,
www.humanrights.de/ftp/pub/balasingham_pamphlet.pdf
- Söhnlein, Karl, Zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Sri Lanka. Unter besonderer Berücksichtigung kolonialer Einwirkungen auf die Gesellschaft Sri Lankas, Köln 1984
- Liberation Tigers of Tamil Eelam,
http://wapedia.mobi/de/Liberation_Tigers_of_Tamil_Eelam
- Stoppt die völkermörderische "letzte Offensive" gegen die Tamilen,
http://www.arbeitermacht.de/infomail/421/tamilen.htm


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inland

Zum "Langen Marsch" gegen Isolation

red.

Anlässlich des Tages der politischen Gefangenen am 18. März fand zwischen dem 9. März und dem 18. März eine Rundreise durch 9 Städte der BRD statt, bei der die Aufhebung der Isolationshaft, der viele politische Gefangene ausgesetzt sind - besonders die wegen § 129b Inhaftierten - gefordert wurde.
Organisiert wurde die Tour von der "Anatolischen Föderation" unter dem Motto "Einhundertausend Stimmen gegen Isolationshaft", die in den Städten Düsseldorf, Köln, Duisburg, Münster, Nürnberg, Stuttgart, Hamburg, Magdeburg und Berlin Halt machte.

Es gab in den Orten Kundgebungen, Infostände, Unterschriftensammlungen und Veranstaltungen über den Themenkomplex Isolation.

Auch wurde das Verfahren gegen Faruk Ereren in Düsseldorf von einer Delegation beobachtet. Der Abgeordnete der Linken des nordrheinwestfälischen Landtages, Ali Alatan, erklärte sich nach einem Gespräch mit Mitgliedern des Marsches bereit, Faruk zu besuchen.

Neben Faruk wurden 4 weiteren Gefangenen, die wegen § 129b verhaftet worden sind, wie Cengiz Oban, Nurahn Erdem, Ünal Kaplan Düzyar und Sadi Özpolat diverse Postkarten geschrieben und Plakate in den Knast geschickt.

Der Lange Marsch endete mit der Teilnahme an der "Solidaritätskonferenz für die politischen Gefangenen" in Berlin am 19. März.

Fazit:
Der zweite "Lange Marsch" fand dieses Mal im Zusammenhang mit dem 18. März, dem "Tag des politischen Gefangenen", statt. So konnten die Forderungen wie die Aufhebung der Isolation und die Beendigung der Kriminalisierung von migrantischen AkivistInnen aus der Türkei bekannter gemacht werden. Der Druck reicht allerdings noch nicht aus, um die Repression insgesamt zurück zu drängen. Daran muss weiter intensiv gearbeitet werden.


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Ein weiterer §129b Prozess... ...gegen angebliche Mitglieder der DHKP-C beginnt

www.political-prisoners.net

Der Prozess gegen Sadi Özpolat und Ünal Kaplan Düzyar wird am Donnerstag, den 19. Mai, 9:15 Uhr vor dem OLG Düsseldorf des 5. Strafsenat, Kapellweg 36, beginnen. Vorgeworfen wird ihnen mit Hilfe des §129b die "Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung". Beide sollen Funktionäre der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) sein.

In der Türkei war Sadi Özopolat insgesamt 17 Jahre im Knast. Er nahm am Todesfasten 1996 teil und war Anfang des Jahrhundert Sprecher der hungerstreikenden Gefangenen. Nach seiner Entlassung 2003 wurde er 2004 erneut verhaftet. Nach seiner Entlassung 2008 reiste er aus Türkei aus und stellte einen Asylantrag in Frankreich.

Sadi wurde am 19. Mai 2010 in Colmar aufgrund eines Festnahmeersuchens der Bundesanwaltschaft festgenommen und im Juli 2010 nach Deutschland ausgewiesen.
Weil von ihm gesendete Briefe, vom Gericht genehmigte Bücher, abonnierte Zeitungen nicht ausgehängt wurden führte er im November 2010 einen fünftägigen Hungerstreik durch. Durch seinen Streik konnte er erreichen, dass er die beschlagnahmten Materialien endlich bekam. Am 10. Mai wird er vom rheinland-pfälzischen Wöllstein in die JVA Bochum verlegt.

Ünal Kaplan Düzyar wurde am 24. Februar 2010 verhaftet. In seinen Briefen schreibt er über die harten Isolationshaftbedingungen: Das Licht werde nachts immer angemacht, um ihn beim Schlafen zu stören. Er werde immer grundlos durchsucht. Außerdem wurde er monatelang trotz Beschwerden nicht medizinisch behandelt, weil er sich gegen die unmenschlichen Bedingungen gewehrt habe. Erst nachdem er monatelang mit seinen Anwälten dagegen gekämpft hatte, sei er behandelt worden.
Anfangs befand er sich in der JVA Diez. Zum Prozessbeginn wurde er nach Köln-Ossendorf verlegt. Er ist im Sicherheitstrakt und damit in absoluter Isolation. Dieser Bereich ist ein "Knast im Knast".
Der Prozess ist der vierte Prozess gegen angebliche Mitglieder der DHKP-C und verdeutlicht damit den eindeutigen Willen der Justiz gegen migrantische Organisationen und Strukturen vorzugehen, diese zu kriminalisieruen, um sie letztlich zu zerschlagen.

Wir rufen daher dazu zu einer Prozessdelegation zum ersten Prozesstag am 19. Mai auf. Zeigt euch solidarisch, informiert euch, schreibt den Gefangenen und kommt zum Prozess!

Schreibt den Gefangenen:

Ab 10.Mai:

Sadi Özpolat
JVA Bochum
Krümmede 3
44791 Bochum

Ünal Kaplan Düzyar
JVA Köln
Rochusstraße 350
50827 Köln

Das Prozessgebäude Kapellweg 36 liegt etwa 4,4 Kilometer von dem Hauptgebäude entfernt.


Ab Düsseldorf Hauptbahnhof mit den S-Bahnen:
S 8 Richtung Mönchengladbach Hbf/Europaplatz,
S 11 Richtung Bergisch-Gladbach,
S 28 Richtung Kaarster See bis Haltestelle "Völklinger Straße", mit der Straßenbahn-Linie 708
Richtung Düsseldorf-Hamm bis zur Haltestelle "Hemmersbachweg", so dann jeweils über die Plockstraße zum Kapellweg 36.

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen,
Tayad Solidaritätskomitee International


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kurzmeldungen

Kurzmeldungen international

Italien: In den frühen Morgenstunden des 06. April rückten über 300 PolizistInnen in 60 Objekte und Wohnungen in vielen Städten in Italien ein, um Durchsuchungen und Verhaftungen durchzuführen. Die anarchistischen AktivistInnen werden beschuldigt Mitglieder einer "subversiven Vereinigung mit umstürzlerischen Zielen" zu sein. Konkret geht es wohl um Aktionen gegen den Abschiebeknast von Bologna, Angriffe auf Banken, Demonstrationen und die Explosion einiger selbst gebauter Sprengsätze vor dem Energiekonzern Eni. (red.)

Italien: Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat den Mörder von Carlo Guiliani und den Staat Italien freigesprochen. Der damals 23-jährige Aktivist war während der Proteste gegen den G8-Gipfel 2001 in Genua von dem damals 22-jährigen Carabinieri Mario Placanica aus einem Jeep heraus erschossen worden. Nach dem Urteil des Gerichts kam es vom 18. bis zum 22. Juli 2001 in Genua zu "keinen Verletzungen der Menschenrechte". Die Angehörigen von Carlo Guiliani wollen weiter juristisch vorgehen. (red.)

Spanien: 36 antifaschistische und kommunistische Gefangenen der PCE(r), GRAPO und der SRI haben am 08. April ihren Hungerstreik beendet. Sie begannen ihn am 01. April mit dem Ziel, die Isolationshaft des Generalsekretärs der PCE(r), Manuel Perez Martinez "Arenas", zu beenden und die ständigen Angriffe auf die Gefangenen zu thematisieren. Durch den Hungerstreik und zahlreiche Solidaritätsmeldungen und Aktionen waren die Behörden gezwungen, Arenas' Isolation zu beenden. Daraufhin wurde der Hungerstreik beendet. (red.)

Frankreich: Das Africa House in Calais, ein großes besetztes Fabrik-Gelände in dem zurzeit 80 Menschen ohne Papiere leben, wurde am 31. März teilweise geräumt. Alle Bewohner wurden von der Polizei aus dem Gebäude vertrieben und Teile des Gebäudes zerstört. Täglich werden Menschen willkürlich von der Straße weg festgenommen. Calais ist ein Sammelplatz für Flüchtlinge ohne Papiere, die über den Ärmelkanal illegal nach England einreisen wollen. Weitere Informationen: http://calaismigrantsolidarity. wordpress.com/ (red.)


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international

Gefangenenvorstellung: David Gilbert

red.

Wir möchten an die Vorstellung von Ruchell "Cinque" Magee in der letzten Ausgabe des Gefangenen Infos anknüpfen und euch in den nächsten Ausgaben weitere politische Langzeitgefangenen vorstellen. Dabei wollen wir in erster Linie unbekanntere Gefangene vorstellen. Mit der jetzigen Ausgabe bleiben wir noch einmal in den USA und möchten euch den Gefangenen David Gilbert vorstellen.

Zu seiner Verhaftung

David Gilbert wurde im Jahre 1981 zusammen mit Militanten der Black Liberation Army (1) und anderen Militanten nach einem fehlgeschlagenen gemeinsamen Raubüberfall von der BLA und der Revolutionary Armed Task Force (RATF) (2) auf ein Geldtransporter - der später als Brinks-Überfall zu einer recht fragwürdigen Berühmtheit gelangte - festgenommen. Seither befindet er sich ohne Unterbrechung im Knast. Momentan ist der früheste Zeitpunkt seiner "bedingten Haftentlassung" am 13. Oktober 2056 - David Gilbert wäre zu diesem Zeitpunkt 112 Jahre alt.

Zu seiner Person und seiner Politisierung

David Gilbert fing 1962 an der Colombia University zu studieren, war Mitgründer des Independent Committee Against the War in Vietnam und organisierte Streiks und andere Proteste mit. Schon bald gehörte er zum SDS (Students Democratic Society) und verstand sich als revolutionärer linksradikaler Kommunist. Neben seiner agitatorischen und organisatorischen Arbeit schrieb Gilbert einige theoretische Papiere z.B. über Imperialismus und "die neue Arbeiterklasse".

1969 zerbrach der SDS und es entstanden zahlreiche verschiedene Gruppen mit unterschiedlichster ideologischer Ausrichtung. Einer dieser Gruppen, die aus diesem Geflecht entstanden ist waren die "Weathermen" (3), die sich vornahmen, den bewaffneten Kampf in der amerikanischen Jugend zu propagieren, sich mit der Black Panther Party und anderen militanten Gruppen zu solidarisieren, sowie den Krieg in Vietnam durch verschiedenste Aktionen - gemäß einer ihrer Leitlinien "Bring the war home" - in die amerikanische Städte zu bringen.

David trat zusammen mit seinem Freund Ted Gold 1969 den "Weathermen" bei. Anfang 1970 starben Ted Gold und zwei andere Weather Mitglieder bei dem Versuch einen Brandsatz zu bauen, bei der "berühmten" Explosion in einem New Yorker Wohnhaus. Vor dem Hintergrund, dass die Weathermen nun ins Blickfeld der Öffentlichkeit und der Repressionsorgane gelangte gingen die AktivistInnen in die Illegalität. Begleitet wurde dieser Schritt durch die programmatische Umbennenung in "The Weather Underground".
Was David Gilbert in der Zeit bis zu der Auflösung des Weather Underground 1975 genau gemacht hat kann natürlich nicht nachvollzogen werden. Die Weather Underground erhöhten ihre Aktivität und es kam zu zahlreichen Anschlägen auf Regierungseinrichtungen und Einrichtungen des Kapitals.
Als die Unterstützung für sie abnahm, wurden auch weniger Aktionen durchgeführt und einige der Weather Underground tauchten aus der Illegalität wieder auf. Die meisten von ihnen wurden nicht bestraft, obwohl sie jahrelang von der Polizei gesucht worden sind. Oftmals waren es auch die Fehler der Polizei, die dazu führten, dass die Fälle nicht vor Gericht verhandelt worden sind.

Gilbert und seine Partnerin Kathy Boudin blieben weiter in der Illegalität und waren weiterhin aktiv, selbst nach der Geburt ihres Sohnes im August 1980.

Ende der 70er, Anfang der 80er gründete Gilbert zusammen mit anderen Militanten die Revolutionary Armed Task Force (RATF) und führte mit dieser zusammen zahlreiche Anschläge und Überfalle durch. In diesem Zusammenhang fand auch der Brinks-Überfall statt, bei dem zwar von BLA Militanten 1,6 Mio $ erbeutet wurden, bei einer Schießerei jedoch zwei Polizisten getötet wurden, die Beteiligten alle verhaftet und verurteilt wurden und der Überfall als Legitimation für großangelegte Razzien und Repressionswellen gegen die antiimperialistische und bewaffnete Linke in der USA diente.

David Gilbert und Kathy Boudin konnten zwar zusammen mit anderen von der Szenerie erfolgreich fliehen, wurden aber nur wenige Tage danach festgenommen. Er nahm nicht an seinem Prozess, der ihm 1983 gemacht werden sollte, teil, da er dem Staat nicht das Recht zugestehen wollte über ihn oder die Revolution zu urteilen. Er wurde zu 75 Jahre Haft für drei Fälle von fahrlässiger Tötung verurteilt, während Kathy Boudin eine Strafe von 20 Jahren - lebenslänglich bekommen hatte.

Während seiner Haftzeit...

...rief er Gefangenen-Bildungsprogramme über HIV & AIDS zusammen mit anderen Gefangenen ins Leben, schrieb zahlreiche Buch-Rezensionen und schrieb regelmäßig Essays für linke und alternative Zeitungen, die auch 2004 in einem Buch zusammengefasst worden sind (siehe unten). In dem Film "The Weather Underground" sind Teile eines Interviews mit ihm zu sehen und auf der DVD Version des Films ist das komplette Interview zu sehen.

Momentan befindet er sich im Dannemora Gefängnis in New York.

Schreibt ihm:
David Gilbert
#83-A-6158
Clinton Corr. Facility
P.O. Box 2001
Dannemora, NY 12929

(1) Die Black Liberation Army war eine Stadtguerilla, die sich aus ehemaligen Mitgliedern der Black Panther Party zusammensetzte. Die BLA gab es von 1970-1981

(2) Die RATF verstand sich als antiimperialistische Stadtguerilla, die aus weißen Mitgliedern bestand und die sich mit der BLA und der Schwarzen Bewegung solidarisierten. David Gilbert gehörte zu den Mitbegründern der RATF.

(3) Der Name Weathermen stammt aus dem Bob-Dylan-Song Subterranean Homesick Blues, worin es heißt: "You don't need a weatherman to know which way the wind blows"


Literatur von und über David Gilbert:

David Gilbert:

No Surrender - Writings From An Anti-Imperialist Political Prisoners
ISBN-13: 978-1894925266

The Weather Underground:
Prairie Fire - The Politics of Revolutionary Anti-Imperialism

Die Bücher sind nur auf Englisch verfügbar.


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Einige Aktivitäten der Weather Underground:

8.-11. Oktober 1969: Die "Days of Rage" werden in Chicago begangen und es kommt zu Sachbeschädigungen im großen Ausmaß. 287 Weathermen Mitglieder werden inhaftiert

9. Juni 1970: Im New Yorker Polizeihauptquartier geht als Antwort auf die zunehmende Repression ein Sprengsatz hoch. Die Weathermen übernehmen die Verantwortung.

14. Oktober 1970: Das Zentrum für Internationale Angelegenheiten der Harvard Universität wird auch als Protest gegen den Vietnam-Krieg zum Ziel eines Anschlags der Frauen-Brigade der Weather Ungerground.

1. März 1971: Eine Bombe der Weather Underground trifft das Kapitol der Vereinigten Staaten aus Protest gegen die Invasion der USA in Laos

19. Mai 1972: An Ho Chi-Minhs Geburtstag explodiert eine Bombe im Pentagon als Antwort auf die Bombenangriffe der USA auf Hanoi.

Juli 1974: Die Weather Underground veröffentlichen das Buch Prairie Fire, indem sie die Notwendigkeit für eine geeinte Kommunistische Partei verdeutlichen

16. Juni 1975: die Weather Underground führen aus Solidarität mit den streikenden puerto-ricanischen Zement Arbeitern einen Anschlag auf die Banco de Ponce (eine puerto-ricanische Bank) durch.

20. Oktober 1981: Die RATF führen zusammen mit der BLA den Brinks Raub durch.


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international

Hunger- und Durststreik der 300

red.

In Griechenland begannen am 25. Januar 2011 300 über Jahre im Land lebende Migranten einen Hungerstreik. Sie forderten die Legalisierung aller illegalen EinwanderInnen. Daraufhin folgte eine massive populistisch-rassistische Hetze von großen Teilen der bürgerlichen Medien und VertreterInnen der Parteien. So wurde z.B. die integrationsbeauftragte Staatssekretärin mit den Worten zitiert: "Diese Menschen haben keine Kultur", in den Medien wurde eine angebliche Seuchengefahr herbeigeredet.

250 der Hungerstreikenden fanden ursprünglich Unterkunft in einem nicht benutzten Trakt der Athener Universität. Der Rektor der Universität beugte sich jedoch dem staatlichen Druck, hob das Universitätsasyl auf und beantragte die Räumung des Gebäudes. Daraufhin wurde das Gebäude in einem Großeinsatz der Polizei weiträumig abgesperrt und die vom Berliner SEK ausgebildeten Sondereinsatzkommandos EKAM rückten zu seiner Erstürmung an. Im letzten Moment wurde der Hungerstreik in ein zur Verfügung gestelltes Stockwerk eines Privathauses verlegt. Für die 50 Hungerstreikenden in Thessaloniki wurde das 7. Stockwerk des Gewerkschaftszentrums zu diesem Zweck angeeignet, was auch ohne Probleme geduldet wurde. Vom Stadtrat wurde ein Unterstützungsbeschluss für die Hungerstreikenden verabschiedet.
Nachdem nach 30 Tagen Hungerstreik mehrere Dutzend der Aktivisten aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation in Krankenhäuser eingeliefert wurden, die Regierung aber dennoch keinerlei Zugeständnisse machen wollte, begannen sieben Hungerstreikende einen zusätzlichen Durststreik, dem sich in den folgenden Tagen viele weitere anschlossen. Dadurch wurde der Druck auf die Regierung Papandreou stark erhöht. Nach 43 Tagen befanden sich 100 Hungerstreikende in Krankenhäusern. Ein Angebot der Regierung, wonach den Betroffenen eine 6-monatige Duldung gewährt werden könne, wurde vom Plenum der Hungerstreikenden abgelehnt.

Da der Tod vieler Hunger- und Durststreikenden unmittelbar bevorstand, sah sich die Regierung gezwungen, zumindest auf einen Teil ihrer Forderungen einzugehen. Große Teile der griechischen Bevölkerung und unzählige Organisationen weltweit unterstützten die Forderungen der Migranten. Der langsame Tod so vieler Menschen direkt unter den Augen und der Verantwortlichkeit des Staates hätte in der zugespitzten gesellschaftlichen Situation in Griechenland gefährlich für die herrschenden Strukturen werden können.

Letztendlich akzeptierte die Vollversammlung der Migranten das Angebot der griechischen Regierung, allen Hungerstreikenden zunächst eine sechs Monate gültige Duldung mit der Aussicht auf Verlängerung auszustellen. Außerdem sollten alle MigrantInnen, die bereits acht Jahre (davor erst nach 12 Jahren) im Lande leben, einen Antrag auf die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung stellen können.

Nach 44 Tagen beendeten die 300 den Hunger- und Durststreik. Die Zugeständnisse, die sie den Herrschenden abgerungen haben, sind zwar weit entfernt von ihren ursprünglichen Zielen, aber ein paar konkrete Verbesserungen wurden erreicht. Vor allem aber ist ihnen gelungen, mitten in der Krise große Aufmerksamkeit für die illegalisierten Flüchtlinge und ihre Forderungen herzustellen. Sie haben einen wichtigen psychologischen Sieg errungen und für alle MigrantInnen in Griechenland neues Selbstbewusstsein gewonnen.


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Mumia Abu Jamal: Todesurteil nicht verfassungskonform!

red.

Am Dienstag, den 26. April, entschieden die drei Richter des 3. Bundesberufungsgericht in Philadelphia, dass das Todes-Urteil, das im Juli 1982 gegen Mumia Abu-Jamal gefällt wurde, nicht verfassungskonform ist.
Grund für ihre Entscheidung war, dass die Geschworenen nicht genügend in Kenntnis darüber gesetzt worden seien, wie mildernde Umstände zu berücksichtigen sind. D.h. dass wenn der Richter die Geschworenen darüber aufgeklärt hätte, wäre schon damals eine Verurteilung zu lebenslanger Haft möglich gewesen - so die Argumentation der Berufungsrichter.

Mit diesem Urteil wurden bereits getroffene Beschlüsse vom März 2008 und vom Dezember 2001 bestätigt. Damals war die Staatsanwaltschaft jeweils in Berufung gegangen, weswegen die Beschlüsse nicht rechtskräftig geworden waren und Mumia weitere zehn Jahre im Todestrakt verbringen musste.
Auch dieses mal gibt es für die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit in Berufung zu gehen, was auch, so der Bezirkstaatsanwalt aus Philadelphia, in Erwägung gezogen wird - was das weitere Vorgehen wieder einmal in die Länge ziehen würde.

Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft wird gestützt und getragen von rassistischen Medienkampagnen, sowie u.a. von der rassistischen Fraternal Order Of Police (FOP). Die FOP arbeitet seit Jahrzehnten daran die Hinrichtung von Mumia durchzusetzen, nicht zuletzt weil Daniel Faulkner, der Polizist für dessen Ermordung Mumia Abu-Jamal verurteilt worden ist, ebenfalls FOP-Mitglied war.

Das Urteil kann und muss als ein Sieg bewertet werden, es zeigt sich bei näherer Betrachtung jedoch als zweischneidige Angelegenheit: Denn - so das jetzige Urteil - innerhalb der nächsten 180 Tage muss in einer Anhörung über sein Strafmaß verhandelt werden oder (!) Mumia ohne Anhörung "zu lebenslanger Haft verurteilt" werden. D.h. Dass die lebenslange Haft für Mumia durchaus wahrscheinlich ist.

Was sicher ist, ist dass Mumia auch weiterhin auf unsere Unterstützung angewiesen ist und nur durch Druck von der Straße wir gemeinsam gegen die drohende lebenslange Haft für Mumia vorgehen können. Denn für uns kann und muss es nur heißen: Freiheit für Mumia Abu Jamal!


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kurzmeldungen

Kurzmeldungen International

USA: Nachdem der Oberste Gerichtshof am 28. März die Rechtsmittel des im US-Bundesstaat Georgia einsitzenden Troy Davis abgewiesen hat, muss der Gefangene damit rechnen, dass zum vierten Mal innerhalb von vier Jahren ein Hinrichtungstermin gegen ihn festgesetzt wird. Troy wurde 1991 für schuldig befunden einen Polizisten ermordet zu haben, unmittelbare Beweise für seine Täterschaft wurden nicht ermittelt. Einige der HauptbelastungszeugInnen haben ihre Aussagen zurückgezogen und geben an, damals unter Druck gesetzt worden zu sein. (red).

USA: Dem mutmaßlichen Wikileaks - Informanten Bradley Manning werden 22 neue Anklagepunkte vom US-Militär zur Last gelegt. Am schwersten wiegt der Vorwurf der "Unterstützung des Feindes", wofür in den USA die Todesstrafe verhängt werden kann. Die Militär-Staatsanwaltschaft kündigte an, dass sie lebenslange Haft fordern will. Bradley war im Juli 2010 angeklagt worden, weil er als US-Soldat vertrauliche diplomatische und militärische Dokumente, die u.a. Kriegsverbrechen belegen, an Wikileaks weitergegeben haben soll. (red.)

Türkei/Nordkurdistan: Seit Beginn des Monats März nehmen parallel zu den Polizeiübergriffen auf kurdische Feste und Demonstrationen auch die Militäroperationen massiv zu. Die türkische Armee verlegt große Truppenkontingente an die Grenzen nach Südkurdistan, die Grenzen sollen durch den Aufbau neuer Militärbasen verstärkt werden. Seitdem haben 14 Guerillas ihr Leben verloren, die Leichen von mindestens dreien wurden verstümmelt. Am 01. April hatte die KCK ihren einseitigen 6-monatigen Waffenstillstand beendet. (red.)

Türkei: Am 09. April wurden morgens um 3.30 Uhr der Verein für Freiheiten von Gazi und mehrere Wohnungen im Istanbuler Stadtteil Gazi gestürmt. Im Zuge der Razzien wurde das gesamte Viertel von tausenden Polizisten der Schnellen Eingreiftruppen und von Sondereinsatzkommandos mit Maschinenpistolen und Hubschraubern umstellt und abgeriegelt. Mehrere Menschen wurden festgenommen. Die militärische Operation in dem proletarisch geprägten Viertel Istanbuls dauerte bis nach 9 Uhr morgens an. (red.)


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gefangene

Briefe aus den Knästen...

Baris Sever: Brief vom 28.03.2011

Rojbas Genossen,

Euch ist sicher schon bekannt, dass der Prozess gegen die neun Erwachsenen bereits abgeschlossen ist. Die erste Strafkammer sah im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft keinen Tötungsvorsatz. Der absurde Vorwurf des gemeinschaftlich versuchten Mordes hatte somit keinen Halt mehr. Allesamt bekamen Freiheitsstrafen von 2 Jahren und 9 Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung, schweren Landfriedensbruches und Sachbeschädigung. In Revision sind sie trotz verhältnismäßig mildem Urteil doch gegangen, um der rechtskräftigen Verurteilung auszuweichen. Somit haben sie bei unserem Prozess weiterhin das Zeugnisverweigerungsrecht (§55 StPo). Ich dachte mir, dass ich ein bisschen über den Prozess aus meiner Sicht berichte.
Wenn man sieht, was die Staatsanwaltschaft für Methoden verwendet, um ihre Anklage so durch zu bringen kann man sich das Lachen nicht mehr verkneifen. Ich werte dies als erbärmlich. Zunächst wurden bereits in der Anklageschrift Verletzungen schlimmer beschrieben, als sie sind. Einer der Geschädigten erlitt ein Schädel-Hirntrauma, aber in der Anklageschrift ist die Rede von einem SCHWEREN Schädel-Hirntrauma. Es mag ja wie eine Kleinigkeit erscheinen, aber so geht es quer durch die Ermittlungsakten!
Weiter wurden Zeugen nicht genügend bzw. richtig belehrt. Beispiel: Manche wurden zu staatsanwaltlichen Vernehmungen vorgeladen, ohne dass dieser sie führte. Eine aktive Teilnahme ist jedoch erforderlich. In diesen Fällen saß er lediglich daneben und stellte KEINE einzige Frage! Rechtswidrig. Die Zeugen, welche teilweise als Beschuldigte vernommen wurden, wurden darüber unterrichtet, vollständige und wahrheitsgemäße Angaben machen zu müssen, wenn der Staatsanwalt im selben Raum säße. Sie durften regelrecht ihre Aussage nicht verweigern!
Der Staatsanwalt Stefan Biehl sagte zu diesen Vorwürfen: "Da wird wohl viel ins Blaue hinein behauptet" (siehe auch Stuttgarter Zeitung, 22.03.11). Schlecht für ihn, wenn es schwarz auf weiß in den von ihm erstellten Akten steht. Tja.)
Am 21.03.11, sprich am kurdischen Newrozfest begrüßte ich einen meiner Mittäter mit einer Umarmung - so gut es mit Handschellen möglich war - und selbst darüber beschwerte sich die Staatsanwaltschaft. "Weil Fluchtgefahr bestehe". Es ist offensichtlich, dass sie an der Kompetenz der Sicherheitskräfte zweifeln. Dann sollen sie diese doch durch die Bruchsaler Sicherheitskräfte ersetzen.
Der Vorsitzende Richter hält es zwar auch noch für wichtig den Trennungsvorsatz beizubehalten, aber konnte sich einen entwürdigenden Blick in Richtung Staatsanwaltschaft nicht verkneifen, als die Gründe erläutert wurden. "Verdunklungsgefahr bestünde".
Nur dumm, dass wir ein Gruppengespräch führen durften, an dem sechs der neun Angeklagten mit ihren Anwälten teilnahmen. Bei den anderen Dreien war es nicht nötig, da sie bereits aus der Haft entlassen wurden oder kurz davor standen.
Es gibt noch Einiges. Das waren ein Paar der Dinge, die in letzter Zeit vor fielen. Aber ich denke das reicht, um Wesentliches zu verstehen:
Im Herbst 2007, als die türkische Armee einen Einmarsch in den irakisch besetzten Gebieten Teil von Kurdistan plante, wurde die Jugend in Stuttgart immens mobilisiert. Das sieht das Innenministerium nicht gerne. Diese Mobilisierung hält bis heute an. Deswegen wurden angeblich, politisch linksmotivierte Straftaten von Seiten des Staatsschutzes auf das Konto der kurdischen Jugend gebucht. Keine Straftat wurde aufgeklärt und es wurde auch nie jemand dafür verurteilt. Das nennt sich Präventionsarbeit. Die kurdische Jugend soll weiterhin kriminalisiert werden, um so die nächste Generation abzuschrecken. Deshalb auch der Vorwurf des versuchten Mordes in 4 Fällen in unserem Prozess.
Der Vorsitzende Richter kann die Sturheit der Staatsanwaltschaft ebenfalls nicht nachvollziehen. Vor allem nachdem die Sachverständige sich auch gegen einen Tötungsvorsatz äußerte. "Schläge auf den Kopf können potenziell immer tödlich sein. Einen Tötungsvorsatz erkennt man aber wirklich wiederholten Schlägen auf den Kopf, was in diesem Fall konkret auszuschließen ist", so die Sachverständige.
Der Staatsanwalt glaubt durch eine Verurteilung wegen versuchten Mordes befördert zu werden.

ICH BIN KEINE KARRIERELEITER!

(Ich würde mich freuen diesen Brief in der nächsten GI-Ausgabe zu lesen :)

Rote Grüße,

Baris


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Beytullah Yildiz: Aus einem Brief vom 28.03.2011:

Es ist sehr schön zu wissen dass da draußen noch Menschen gibt die sich sehr viel Mühe geben uns (politische Gefangene) in irgendeiner Art u. Weise zu unterstützen es gibt mir persönlich sehr viel Kraft u. Mut das Gefängnisleben so gut wie es geht zu überstehen. Mein besonderer Dank an all diejenigen da draußen u. Einen besonderen Dank an all die Leute die uns bei den Verhandlungen nicht alleine gelassen haben.
Ich fand es sehr wichtig den Prozess gegen Verena Becker zu besuchen um ihr und den restlichen Zeugen Solidarität zu zeigen. Was ich erstaunlich finde dass der Sohn von Buback erwähnt dass er nichts von der Mitgliedschaft von seinem Vater in der NSDAP wusste und dass dieser thema ganz wenig oder gar nicht in den Medien thematisiert wird bzw wurde. Was sagt man so schön: "Was nicht passt wird passend gemacht!" die Tatsachen werden so verändert wie es den Kapitalisten am besten passt. Um mal die letzten Ereignisse der letzten Monate zu beschreiben und die aktuelle Lage! Ägypten, Tunesien zur Zeit Libyen u. Bald Syrien wobei Syrien schon länger lief nur wurden die Demos so vom Regime u. Geheimdienst ausgeblendet dass die Welt da draussen es so gut wie gar nichts mitkriegt was da wirklich passiert. Die Sache ist ich frage mich ob die uns für blöd halten, wenn die westlichen Länder, Nato, Amerika wussten die denn wirklich nicht dass es bis jetzt so schlecht den Menschen da unten geht, NEIN die wussten schon die ganze Zeit nur es hat denen nicht gepasst, warum auch so gefährden die ja ihre ganzen "dreckigen" Geschäfte die Sie mit den meisten Diktatoren und den ganzen Ländern machen. Egal was die ganzen Länder jetzt ihren Angriff aktuell auf Lybien rechtfertigen und behaupten es geht denen um die ganzen Zivilisten dort zu 99% geht es nur um ihre persönlichen Vorteile für die Zukunft.
Es ist erstaunlich wie zweigesichtig die Türkei sich jetzt wieder ganz besonders zeigt, nach außen spielen sie die Helden die überall helfen wollen den Menschen, aber was die Regierung in ihrem eigenen Land mit den Kurden ganz besonders und den anderen Minderheiten umgegangen wird erwähnen Sie nicht mal, wie zuletzt wieder bei den jährlichen Newroz feiern in Kurdistan wie brutal und hart gegen unschuldige Zivilisten (Frauen, Kinder, Ältere etc.) umgegangen wird.

Für mich ist es sehr wichtig die ganzen Hintergründe zu wissen um überhaupt zu verstehen dann wozu auch so aktionen die von euch bzw. ander Revolutionäre veranstaltet werden zu verstehen wie z.B. der §§129 überhaupt entstand und wozu er in Wirklichkeit dient.
Diese Kundgebungen sind sehr wichtig sei es die Kundgebung über die §129b Prozesse und über die zunehmende Kriminalisierung von Migrant/innen. Ich hoffe und wünsche mir dass dieser Kundgebungen sehr informationsreich sind und es die Menschen denen es die Sachen was um sie herum passieren nicht so interessiert es wenigstens bissle zum Nachdenken darüber bringt. In diesem Sinne gutes Gelingen.
Ich habe mich sehr über das Plakat mit den ganzen Soli-Grüßen sehr gefreut. Ich kann es gar nicht beschreiben was manchmal so eine kleine Grußkarte sogar hier drin ausmacht und was für ein Motivationsschub es ist.

Es würde mich sehr freuen sogar das ein Teil meiner Briefe wenn sie den gut genug sind in GI zu veröffentlichen.
Zu meiner persönlichen Situation es geht mir sehr gut den Umständen entsprechend. Was ich nur sehr schlimm finde dass ich nicht mit meiner Familie telefonieren kann, meine bitte um eine Telefonerlaubnis beim Gericht wurde abgelehnt mit der lächerlichen Begründung, dass es zu viele Umstände machen würde für die Anstalt (JVA), meine Familie wohnt 240 km entfernt von mir, des heisst für einen Besuch der "30min" dauert muss meine Familie ca. 500 km zurücklegen.

Schreibt den Gefangenen!
Beytullah Yildiz, JVA Freiburg,
Hermann-Herder-Straße 9, 79104 Freiburg


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Tommy Tank: Brief vom 13.03.2011

(In) Beantwortung zu den Fragen, die ihr gern in die in Halle am 18. März stattfindenden Veranstaltung zum Tag der politischen Gefangenen bzw zur Infoveranstaltung zu mir als Einzelnen habt, möchte ich nun direkt in diesem Brief eingehen.
Es gibt ein Schlüsselerlebnis, das dazu führte, das ich Zugang zur linken Szene fand. Vor ca. 2-3 Jahren fiel mir ein Flugblatt in die Hand, das zu einer in Leipzig stattfindenden Kundgebung der MLPD aufrief. Dies weckte meine Neugier und ich schaute mir das dort in der Innenstadt einmal an. Das Schlüsselerlebnis ereignete sich dann erst auf dem Rückweg, also auf dem Weg nach Hause.
Dort sah ich zwei Menschen laufen, die ich dem rechten Spektrum zuordnete. Ich entschloss mich diese anzusprechen und ggf. entsprechende Maßnahmen zu vollstrecken. Schon damals hatte ich eine antifaschistische Grundeinstellung. Es stellte sich zu meiner Überraschung heraus, dass es sich bei ihnen jedoch selbst um Antifas handelte und wir verbrachten den restlichen Tag zusammen und unterhielten uns.
Auch die Telefonnummern tauschten wir aus und so kam es im Anschluss immer häufiger zu gemeinsamen Treffen mit den beiden und deren Genossen. Es entwickelte sich ein reges antifaschistisches Engagement. So befreiten wir vornehmlich den von uns bewohnten Stadtbezirk von rechter Propaganda und plakatierten halt selbst für Antifa-Demos und z.B. gegen Homophobie.
Eine kleine, mehr oder weniger gefestigte Gruppe entstand, die sich regelmäßig in einem Gesprächskreis traf, um notwendige Maßnahmen zum Kampf gegen Rechts zu besprechen und vorzubereiten. Wir gingen auf viele Demos in Leipzig und anderen Städten. Es ging dabei sowohl um Freiraumdemos, als auch Veranstaltungen zur Verhinderung von Neonazidemos.
Aus einer "Gegen rechts"-Einstellung kam es also zur Einbindung in bereits bestehende linke Strukturen, wo ich selbst sehr viel dazulernte und zu der Überzeugung gelangte, dass der Kapitalismus in dem wir leben müssen zur Zeit mit seiner Profitorientierung verantwortlich ist für die Zerstörung der Umwelt und der Ausbeutung der fleißigen ArbeiterInnen. Wie ich beschaffen und was für ein Mensch ich bin, wie es mir im Knast geht, vermag ich nicht so direkt zu beantworten.
In jedem Fall sind die Handlungs- und Entfaltungsmöglichkeiten im Gefängnis stark eingeschränkt. Mir fehlt es sehr, an Plenen und Diskussionsveranstaltungen teilzunehmen. Dies kann nur bedingt durch die Besuche mit den GenossInnen kompensiert werden. Dennoch besitzen die Besuche größte Bedeutung. Sie muntern enorm auf.
Durch das Briefe schreiben kommen wir auch in regen Gedankenaustausch. Ich lerne viel Neues hinzu. Die Vernetzung ist auch sehr wichtig für die weitere Arbeit, vor allem wenn der Gefangene wieder draußen ist. Einige, wenn nicht sogar sehr viele, gehen im Knast ihre eigenen Wege, vereinsamen sogar, weil die Abkapselung, die Trennung von ihren Angehörigen und Freunden allzu oft in einen völligen Kontaktabbruch münden.
Im Laufe des einem Jahres, in dem ich in Haft bin, lernte ich innerhalb des Knastes nur ca. 2-3 Menschen kennen, die ebenfalls eine linke Ansicht vertreten und sich engagieren. Aufgrund der hohen Fluktuation in der U-Haft und dem fast 21-stündigen Zelleneinschluss waren die Beziehungen leider nicht von langer Dauer. Mir persönlich war der Austausch mit den Genossen sehr viel wert. Es macht schon einen großen Unterschied, ob man sich nur schreibt oder in einem Gespräch in eine unmittelbare Diskussion kommen kann.
Die allermeisten Gefangenen sind eher desinteressiert und unpolitisch. Ich habe manchmal auf meine Versuche ein linkes, antikapitalistisches Weltbild vorzustellen höhnischen Spott erfahren. Häufig war das sicher eher scherzhaft gemeint, denn ernsthaft auseinandersetzen mochte sich kaum jemand.
Doch diese Verspottungen und das immer wieder entgegengebrachte Desinteresse entmutigen mich das gezielte Gespräch mit Mitgefangenen zu suchen, um mit denen über politische Themen zu diskutieren.
Dennoch komme und kam ich bisher gut mit den Mitgefangenen aus. Das heißt, dass es sogar seitens der neonazistischen Mitgefangenen nie zu einer körperlichen Konfrontation kam. Wir mieden uns vielmehr, gingen uns aus dem Weg. Kam es doch einmal zu einem Gespräch, war schnell klar, dass wir keine Freunden werden und jeder von uns seine Meinung beibehalten wird. Die Rechten, also die, die z.B. wegen so was einsitzen, sind mir gegenüber auch leider immer in der Überzahl gewesen.
Da kannst du hier drin als einziger echt nichts ausrichten. Im Knast liefen mir viele Mitgefangene über den Weg, die wegen einer Ersatzfreiheitsstrafe für manchmal sogar bis zu 6 Monate eingeknastet wurden. Häufig wegen Schwarzfahren oder Besitz eines Tütchens Cannabis. Sie konnten die Geldstrafe nicht bezahlen und sind ohnehin sehr arm.
Ein Gefangener z.B. aktuell hier in Torgau muss 6 Monate absitzen, weil er die Bahntickets für den Besuch seiner Großmutter, die im sterben in einem Krankenhaus lag, nicht bezahlen konnte.
Solchen Mitgefangenen gebe ich auf ihr Nachfragen wesentlich lieber etwas vom Tabak, Kaffee oder Duschzeug und auch den Briefmarken ab, als den besitzenden, die nur schlecht gewirtschaftet haben mit ihren Einkäufen, die manchmal größer sind als die meinen.
Die Proletarier sind für solche Kleinigkeiten unermesslich dankbar und trotz ihrer sehr ärmlichen Verhältnisse im Knast bleiben sie relativ bescheiden.
Der entgegengebrachte Dank tut sehr gut.
Es gibt hier aber auch solche Mitgefangene, die sich durch die Gutmütigkeit der anderen permanent Vorteile verschaffen wollen, ohne dass sie es wirklich nötig haben. Stehlereien kamen bisher eher selten vor.


Tommy Tank: Aus einem Brief vom 27.03.2011:

Hallo lieber...,

heute möchte ich dir einmal mit Maschine schreiben. Das geht viel schneller und ist für Dich bestimmt auch etwas angenehmer beim Lesen.
Wie ich Euch beim Besuch schon sagte, wurde ich ja am 14.3. auf die Station 11 verlegt. Das Grauen auf der Zugangsstation fand damit ein Ende. Auch ein Großteil meiner Sachen wurden mir zurückgegeben an demselben Tag. Die Yogamatte wollten sie mir erst gar nicht geben, doch nach einem Antrag an den Leiter, werden sie sie mir nun doch noch geben. Denke noch im Laufe der kommende Woche.
Außerdem läuft hier gerade eine merkwürdige Sache. Ein Mitgefangener wies mich darauf hin, dass im Dienstzimmer an der Namenstafel unter meinem Namen steht, dass die Postkontrolle über den Abteilungsdienstleiter (ADL) zu erfolgen hat. Normalerweise wird die Post von Beamten kontrolliert, die in der Poststelle sitzen. Ich werde mich nun kundig machen, aus welchem Anlass und zu welchen Zweck die ADL meine Post kontrolliert.
In deinem Brief Nr. 49 teilst Du mit, das meine Zeilen Nr. 34 vom 10. 3. erst am 21. 3. bei Dir eintrudelten. Das fiel mir erst vorerst gar nicht auf. Das ist so jedenfalls nicht in Ordnung. Was haben die denn über die Woche mit dem Brief gemacht? ... Jedenfalls nicht unverzüglich weitergeleitet... Da frage ich erst mal nach. Das besorgt mich jetzt schon sehr. Ansonsten läuft es hier derzeit gut. Also ich lebe mich ein, komme gut mit den Anderen aus. An den neuen Wohnraum habe mich ich einigermaßen gewöhnt und komme damit klar. Die riesigen unsortierten Papierhaufen werde ich noch sortieren müssen. Ist nicht so toll, einzelne Blätter aus einem Häufchen von 50 Blatt raussuchen zu müssen. Die hier 3 erlaubten Aktenordner sind schon ziemlich voll, da werde ich mal etwas aussortieren in den nächsten Tagen.
Interessiert Dich noch etwas Bestimmtes zu den Haftbedingungen in Torgau? Dann könnte ich das ja noch einmal aufschreiben. Ich blick nur nicht mehr genau durch, wem ich bereits geschrieben habe, weil das ziemlich viel sich doppelt, was ich den Menschen so mitteile. Da kommt mir einiges öfter so vor, als habe ich es schon mitgeteilt. Und nicht immer fertige ich Durchschläge an.

Die Grüße aus Halle habe ich diese Woche erhalten.
Das ist sehr schön und lieb gemeint.

Danke auch für Deine Grüße!

Bis zum nächsten Brief,

Anmerkung: anlässlich des 18. März fand an diesem Tag eine Veranstaltung "Zu Tommy Tank und zu Kommunikation zu Gefangenen" statt. Auf einem Plakat zum 18.3. hatten BesucherInnen Grüße an Tommy verschickt und teilweise mit Zeichnungen versehen.

Schreibt den Gefangenen!
Tommy Tank, JVA Torgau,
Am Fort Zinna 7, 04860 Torgau


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Faruk Ereren: Auszüge aus drei Briefen:

Lieber ...

zu Deinem beschlagnahmten Brief: ich habe noch keinen Beschluss erhalten. Mein Anwalt teilte mir dazu sinngemäß aber mit, dass ich nach Meinung der Bundesanwaltschaft, durch deine Zeilen zu Finni und anderen linken Aktivisten, angeblich immer noch in linke Zusammenhänge eingebunden bin.
Die Gerichtsverhandlung vor dem Landgericht führte zu einem Urteil, das eine Haftstrafe in Höhe von 3 Jahren und 6 Monaten aussprach.
Die eingelegte Revision ist noch nicht abgeschlossen. Die Chancen auf eine erneute Verhandlung sind jedoch sehr gering. Ich rechne damit, in den nächsten Wochen durch Gefangenensammeltransport in die JVA Torgau verlegt zu werden, wo ich nach Meinung der Herrschenden "büßen" und "resozialisiert" werden soll.


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Zwar hat das Gericht ja den § 129b bei mir fallen gelassen, aber der "Mordvorwurf" bleibt weiterhin bestehen und damit auch die Einschränkungen. So ist zum Beispiel der Besuch von einem Genossen, Yadikar Adigüzel, abgelehnt worden. Weshalb sein Antrag abgelehnt worden ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Ich hoffe, der zuständige Senat des OLG Düsseldorf genehmigt deinen Besuch. Anmerkung: dieser Besuch ist zwischen auch auf Antrag der Generalbundesanwaltschaft wegen "Verdunkelungsgefahr" abgelehnt worden.


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Es ist für mich ein freudiges Ereignis, dass mein letzter Brief ziemlich schnell angekommen ist. Ich hoffe insgesamt, dass das kein Einzelfall bleibt und in Zukunft die Korrespondenz reibungsloser läuft. Wenn ich was nicht verstehe, frage ich Dich. Jetzt habe ich ja in der Freistunde die Möglichkeit, auch andere Inhaftierte zu fragen.
In der "jungen Welt" vom 2.4. las ich, dass es in diesem Jahr 57 neue Verfahren wegen des § 129 geben wird. Ich denke, das sind nicht wenige! Gut, dass die Isolation aufgehoben ist. Das gibt meiner Gesundheit natürlich einen positiven Schub und somit auch meiner Moral. Ich genieße das Zusammenkommen mit Gefangenen nach bald 3 Jahren Isolation: sei es beim Hofgang oder Umschluss.
Ich habe einen Antrag auf Kurse für Deutsch und Sport gestellt.

Schreibt den Gefangenen!
Faruk Ereren, JVA Düsseldorf,
Ulmenstr. 95, 40476 Düsseldorf


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gefangene

Nurhan Erdem: Auszüge aus zwei Briefen:

Lieber...,

über Finni habe ich mich sehr gefreut. Ich habe ihm geschrieben und hoffe, das er im November rauskommt. Wie du weißt, hatte ich auch diese Trennscheibe.
(Anmerkung: Besuche bei Finni finden seit 15 Jahren ausschließlich hinter Trennscheibe statt.) Es ist grausam, wenn mensch sich bei Besuchen nicht anfassen und umarmen kann.
Ich freue mich, dass Devrim (Güler) wieder mit dem Abendgymnasium angefangenen hat. Vor 4 Jahren wurde er während seines Studiums verhaftet. Meine Anwältin hat mir am 14.2. berichtet, dass Ünal Kaplan Düzyar nun in Köln-Ossendorf ist. Er ist im Sicherheitstrakt und damit in absoluter Isolation. Wie du weißt, ist dieser Bereich ein "Knast im Knast".
Ich danke Dir für die Informationen über die Tamilen. Natürlich würde ich mich freuen, wenn Du mich weiter auf dem Laufenden hältst. Wenn ich eine Adresse hätte, würde ich dem angeklagten Tamilen gerne schreiben. Ich gehe davon aus, dass er deutsch spricht, weil er die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Der Prozess gegen ihn hat jetzt vor dem 6. Strafsenat unter Vorsitz vom Richter O. Breidling angefangen.
Wenn ich Tommy Tanks neue Adresse habe, werde ich ihm schreiben.
Regelmäßig Besuch erhalte ich von meiner Mutter und Schwester. Mein Schwiegervater kommt seltener auf Grund seines Alters und der Entfernung. Es ist nicht gut, dass ich Dich (auch) nicht sehen kann. Weil unser Prozess im Dezember endete, hatte ich gehofft, Dich zu sehen. Meine Anwältin meinte, dass ich bis zur Strafhaft abwarten muss.


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Im Prozess vor dem OLG Düsseldorf unter Vorsitz von Richter Klein gegen Faruk wird der § 129b nicht mehr angewendet, was in seinem Fall keinerlei Vorteil bringen wird (bezogen auf die Höhe seiner Verurteilung). Ich bin sehr froh, dass er nicht mehr isoliert ist.
Meine Schule findet hier in der JVA Köln statt. In der Klasse bin ich mit 9 Gefangenen und nicht isoliert. Nach der Schule bin ich weiterhin unter Isolationshaftbedingungen eingesperrt.

Herzlichst

(Anmerkung: Neben Nurhans Vater und Ehemann hat noch eine weitere Person Besuchsverbot)

Schreibt den Gefangenen!
Nurhan Erdem, JVA Köln,
Rochusstraße 350, 50827 Köln


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Tomas Meyer-Falk: Zu einer Hofbesetzung in Freiburg:

Wie erst jetzt bekannt wurde, fand am 14.11.2010 in der JVA Freiburg eine Hofbesetzung statt, an welcher sich 74 Gefangene beteiligten. Hintergrund waren Einschränkungen für den Vollzugsalltag in Folge einer Schlägerei. Allerdings wurde die Hofbesetzung schon nach 15 Minuten beendet, nachdem Beamte der JVA mit Gefangenen sprachen. Einer der Teilnehmer wurde wenige Wochen später in einer andere JVA verlegt und mit einer Disziplinarstrafe belegt, da sich die Aktion, wie der stellvertretende Anstaltsleiter Maurer-Hellstern in einer Verfügung vom 03.12.2010 schrieb: "...nur knapp unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit wegen Gefangenenmeuterei." bewegt habe, die Polizei schon angefordert gewesen wäre und der betroffene Gefangene durch die Inanspruchnahme seines "Aussageverweigerungsrechts" gezielt eine Aufklärung des Sachverhalts vereitelt habe.

Thomas Meyer-Falk
z. Zt. JVA Bruchsal
www.freedom-for-thomas.de

Schreibt den Gefangenen!
Tomas Meyer-Falk, JVA Bruchsal,
Z.3117, Schönbornstraße 32, 76646 Bruchsal


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Weitere Grußwörter zum 18.03.2011:

Grusswort von Günther Finneisen

moin, moin, liebe leute,

nun, icke bin ja kein politischer ...also gefangener, und trotzdem denke ich ...auch politisch, mir eben so meinen teil.
und ich find das ja mal schön, was da so passiert im süden, und das, was wohl noch passieren wird. meine, da sind doch in so ein paar tagen so viele politische gefangene in so vielen staaten entlassen worden, über die vorher kaum eine/r was schrieb, sagte oder wusste, wie nie zuvor, das doch in manch' buch als rekord notiert gehört.
und dann noch das geschrei von so manchem politiker und politikerin, auch von unseren führenden, zumal die es ja wissen müssen, denn sie saßen ja zuvor gemütlich bei kaffee, kuchen und so zusammen, bevor sie das große laufen kriegten, oder eben mit ihren jets das weite suchten.

jedenfalls was die so brüllten, da sollten wir sie doch mal beim worte nehmen, und dass sie eben auch vor der eignen türe mal kehren. also keine gewalt gegen leute, die gewaltlos demonstrieren, das wäre doch auch hier mal schön, und das jede/r frei seine meinung sagen und dafür eintreten kann, ohne deshalb verfolgt zu werden... das würde doch die abschaffung des 129er erfordern, und zwar von a bis z, denn er war und ist doch noch nie was anderes gewesen, als um damit leute zu bestrafen, denen man eine "normale" straftat nicht nachweisen konnte, und trotzdem mundtot machen will.
Also, dann macht mal was ...und macht es gut...

mit power auch durch die mauer.

Günther Finneisen
JVA Celle
Trift 14, 29221 Celle


Grusswort von Tommy Tank

Liebe GenossInnen, liebe FreundInnen, Zum Tag der politischen Gefangenen richten wir unser Augenmerk verstärkt auf die Eingeknasteten. In meiner Grußbotschaft möchte ich auf die Situation einiger politischer Gefangener und Gerichtsprozesse eingehen.
In Stuttgart stehen derzeit 17 kurdische Jugendliche vor Gericht, denen ein Angriff auf eine von türkischen Faschisten besuchte Kneipe vorgeworfen wird. Die Repressionsbehörden bedienten sich bei ihren sog. Ermittlungen auch wieder sehr perfider Methoden. Der Ausforschungsparagraph 129 kam auch wieder zum Einsatz, musste dann aber - wie so oft - doch wieder fallen gelassen werden.
Beobachten wir die ihnen auferlegten Prozesse und bringen wir ihnen unsere Solidarität entgegen. Sehr zu begrüßen ist die Einstellung des Verfahrens gegen den Geschäftsführer des oh 21, der vor Gericht gezerrt wurde, weil er die "interim" in seinem Buchladen auslegte. Die Justiz bzw. die Anklagebehörde wollte uns wieder einmal beim "unzensierten lesen" hindern und dabei auch noch die ZeitungsverkäuferInnen kriminalisieren, weil sie uns mit Informationen und politischen Debatten in unserem Kampf gegen Gentrifizierung und Krieg unterstützen, informieren und ein Publikationsorgan bieten möchten. Nun bleibt sehr zu hoffen, dass auch die Verfahren gegen all die anderen BuchhändlerInnen v.a. aus München und Berlin eingestellt werden oder vielleicht sogar in einem Freispruch enden. Solidarität mit den linken BuchhändlerInnen!

Thomas Meyer-Falk, seit vielen Jahren in Haft und von Sicherungsverwahrung bedroht, weil er bei dem Versuch scheiterte, Geld für linke Projekte durch Banküberfall zu beschaffen, schrieb ein hervorzuhebendes Buch über das perfide Gefängniswesen. "Nachrichten aus dem Strafvollzug". Dort beschreibt, wie schikanös es in deutschen Gefängnissen zugeht.
Hierzu wird es eine Veranstaltungstour geben, für eine Teilnahme daran möchte ich gern anregen. Aus tiefster Überzeugung und aufgrund eigener schlechter Erfahrung in deutschen Gefängnissen kann ich Euch die Lektüre der kurzen Essays, die sich in seinem Buch befinden, wärmstens empfehlen. Thomas beschreibt seit Jahren Missstände in deutschen Gefängnissen und ermöglicht uns hierdurch tiefe Einblicke. Sind wir weiterhin solidarisch mit Thomas Meyer-Falk und unterstützen ihn, wo immer er Hilfe benötigt. 1 Euro des verkauften Exemplars kommt übrigens der Roten Hilfe Ortsgruppe Dresden zu gute.

Die Haftbedingungen in Deutschland sind nichts gegen die in dem Folterstaat Türkei. Unser Freund Faruk Ereren, Häftling in Düsseldorf wegen der durch Folter erpressten Aussage, einer angeblichen Beteiligung an einem Angriff gegen die türkische Justiz und Polizei, ist gerade schwer bedroht von einer Abschiebung in die Türkei. Niemand darf in ein Land verfrachtet werden, in dem Folter praktiziert wird. Die Bundesregierung wird sich im Falle der Abschiebung schuldig machen und wird mit den darauf folgenden Konsequenzen politisch tragen müssen.
Dafür, dass sich Faruk trotz der Tortur nicht brechen lässt und weiterhin Durchhaltekraft verspürt, wünsche ich ihm alles Notwendige - vor allem eine massenhafte Solidarität!

Abschließend möchte ich mich ganz herzlich bedanken bei dem "Gefangenen Info" und den vielen Roten HelferInnen, die mich während der Haftzeit sehr unterstützt haben und mir ihre Solidarität entgegenbringen. Die unzähligen Briefe und die jedes Mal wohltuenden Besuche, die Versorgung mit Lektüre helfen enorm, die Haftzeit gut bzw. besser zu überstehen und ermöglichen durch den regen Briefkontakt sowie den Lesestoff eine wahrliche Erweiterung des politischen Horizonts. Vielen Dank für Alles!

Euer Tommy Tank
JVA Torgau

Tommy Tank, JVA Torgau,
Am Fort Zinna 7, 04860 Torgau


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feuilleton

Zwischen Ölzweig und Kalaschnikow - Geschichte und Politik der palästinensischen Linken

Das Buch ist eine gute Einstiegslektüre für alle, die sich näher mit Palästina und der arabischen Linken beschäftigen möchten. Der größte Schwachpunkt des Buchs ist, dass sich - gerade in Palästina - in den zwölf Jahren seit der Veröffentlichung des Buches viel verändert hat.

Hoekmann beleuchtet in seinem Buch die zwei großen Bewegungen dieses Konflikts, einerseits die PLO andereseits den politischen Zionismus, weiter setzt er sich mit der Entwicklung der gängigsten linken Ideen, im arabischen Raum auseinander. Ausgehend von den sozialen Komponenten des Islam, werden mit dem Ba'athismus, dem Nasserismus und Mu'ammar al-Gaddafis Dritter Universaltheorie die drei wichtigsten Strömungen des Arabischen Sozialismus vorgestellt. Außerdem versucht er die große Masse an palästinensischen Organisationen zu veranschaulichen, ihre Programme vorzustellen und deren Konflikte untereinander zu erklären Auch die inneren Strukturen und die soziale Basis der beiden wichtigsten Organisationen der palästinensischen Linken, der PFLP und der DFLP werden behandelt. Beide "Fronten" berufen sich auf den Marxismus-Leninismus und kämpfen gegen den Zionismus und Israel. Im Anschluss daran eröffnet Inge Polm noch einen Blick auf die Geschichte der palästinensischen Frauenbewegung.

Hoekmann, Gerrit: Zwischen Ölzweig und Kalaschnikow -
Geschichte und Politik der palästinensischen Linken
240 Seiten, 14 Euro, ISBN: 3-928300-88-1
erschienen beim Unrast Verlag


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Luftwaffe, Judenvernichtung, totaler Krieg

"Bombenlöcher auf Straßen noch zu sehen, einfach toll." Diesen Satz schrieb Wolfram Freiherr von Richthofen am 30. April 1937 in sein Tagebuch. Zuvor hatte er die Bombenschäden in der baskischen Kleinstadt Guernica begutachtet. Nach Ansicht der dafür verantwortlichen Offiziere der Legion Condor war der Angriff, der vier Tage zuvor stattgefunden hatte, ein voller Erfolg. Ein Teil der verantwortlichen Bomberbesatzungen war auf den Fliegerhorsten Wunstorf, Hannover-Langenhagen und Delmenhorst im Kampfgeschwader Boelcke ausgebildet worden.
In der Geschichtsschreibung der Garnisonsstadt Wunstorf (Region Hannover), aber auch in Hannover-Langenhagen werden diese Einsätze bis heute verschwiegen. Auf dem Fliegerhorst Wunstorf, der zu einem der wichtigsten Flugplätze der Bundeswehr für internationale Militäreinsätze ausgebaut wird, pflegt man militärische Traditionen und das Andenken an die legendäre Ju 52. Verschwiegen wird dabei, dass diesem Flugzeug bei den Bombardements von Guernica und Warschau zahllose Menschen zum Opfer fielen.
Es geht im Buch nicht nur um die Rekonstruktion dieser Verbrechen, sondern auch um die lange Geschichte ihrer Vertuschung und um deutsche Geschichtspolitik.

Luftwaffe, Judenvernichtung, totaler Krieg. Guernica, Lomza, Warschau, Coventry ...
Deutsche Geschichtspolitik, Traditionspflege in der Garnisonsstadt Wunstorf,
"Vergessene"Geschichte in Hannover-Langenhagen

339 Seiten, Zahlreiche Abbildungen und Karten, 16,50 Euro,
ISBN: 978-3-930726-15-8


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Der Rote Hilfe Sampler
Art-Nr: JUP-00023
Preis: 15 Euro incl. MwSt. zzgl. Versandkosten
www.jump-up.de

Die Rote Hilfe hat Ende 2010 zusammen mit dem Label JumpUp ein Benefiz Sampler veröffentlicht. Auf 2 CDs fi nden sich 40 Titel von unterschiedlichen MusikerInnen und InterpretInnen, die die ganze Bandbreite der Roten Hilfe Mitglieder wiederspiegeln: Von Ernst Busch über Franz Josef Degenhardt, Kai Degenhardt, Barajano Kettcar bis hin zu Keny Arkana, den Beatpoeten, Chaoze One und Microphone Mafi a - von Alec Empire (Atari Teenage Riot), über Juri Gagarin, Saalschutz, La Phaze, Mono & Nikitaman, Chumbawamba, Obrint Pas bis hin zu Brigada Flores Magon, den Commandantes Nachfolgern Kapelle Vorwärts, den Brixton Cats und den Goldenen Zitronen - sie alle finden sich auf den 2 CDs in einer Spieldauer über 140 Minuten wieder und solidarisieren sich mit der Roten Hilfe.
Im Ankündigungstext zu dem Sampler heißt es:
Solidarität ist...tanzbar, wenn auf der Soli-Party gute Musik gespielt wird!

Die Einnahmen kommen der Roten Hilfe zu Gute.


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Aufruf an alle Gefangenen

Wir ihr sicherlich mitbekommen habt, dient diese letzte Seite des Gefangenen Infos neben der vierteljährlichen Veröffentlichung von Gefangenenadressen dazu, lesenswerte Bücher, Zeitungen und empfehlenswerte CD's wie DVD's vorzustellen. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der hier seinen festen Platz finden soll, sind Zeichnungen und Gedichte von euch aus den Knästen.
Wenn ihr ein Buch hier vorstellen möchtet dann schickt uns doch eure Rezension an unsere Redaktionsadressen. Weitere Ideen, Gedichte und Zeichnungen nehmen wir natürlich auch jederzeit gerne entgegen.


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radio flora - hannovers web-radio

"Wieviel sind hinter Gittern, die wir draußen brauchen!"
Politische Gefangene - Sendung zu Repression und Widerstand
Freundeskreis Lokal-Radio e.V.
Zur Bettfederfabrik 3, 30451 Hannover

Jeden ersten Dienstag im Monat von 18 bis 19 Uhr.
Zu empfangen per Livestream über: www.radioflora.de


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IMPRESSUM

Gefangenen Info
April/Mai, Nr. 361

Das Gefangenen Info ist aus dem Angehörigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 entstand.

HerausgeberInnen:
Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und FreundInnen

V.i.S.d.P.:
Wolfgang Lettow c/o Gefangenen Info,
c/o Soziales Zentrum, Alexander-Puschkin-Str. 20, 39108 Magdeburg

Nichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt die
Meinung der Redaktion wider. Beiträge der Redaktion
sind entsprechend gekennzeichnet.

Redaktionsanschrift:
Gefangenen Info, c/o Soziales Zentrum,
Alexander-Puschkin-Str. 20, 39108 Magdeburg
E-Mail Redaktion: redaktion@gefangenen.info
E-Mail Vertrieb: vertrieb@gefangenen.info
Internet: www.gefangenen.info

Bestellungen (Inland): Einzelpreis: 2 Euro. Ein Jahresabonnement kostet 25,90 Euro (Förderabo 28,00 Euro), Buchläden, Infoläden und sonstige Weiterverkäufer erhalten bei Bestellungen ab 3 Stück 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschließend auf das Konto des Gefangenen Info zu überweisen ist.

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Quelle:
Gefangenen Info Nr. 361, April/Mai 2011
Redaktionsanschrift: Gefangenen Info, c/o Soziales Zentrum,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2011