Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GEFANGENEN INFO/080: Ausgabe 343, 08.12.2008


Gefangenen Info

Hervorgegangen aus dem Angehörigen Info. Das Angehörigen Info entstand im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989.

Ausgabe 343, 08.12.2008


INHALT

Zur bevorstehenden Haftentlassung Christian Klars
Die Zeitungen zu Christian Klars anstehender Freilassung
Dokumentiert aus der jungen Welt: Ihre Moral und unsere - Anmerkungen zur Freilassung von Christian Klar
Aktionstag 13. Dezember: Solidarität mit den Angeklagten im mg-Prozess
Solidarität mit Axel, Florian und Oliver
Secours Rouge International: 13.12. - Solidaritätstag mit den mg-Prozess Betroffenen
Mitteilung des Verlags
Zur Zukunft des Infos
Solidarität mit Heike Schrader
Neuigkeiten aus dem Stammheimer Prozess
Foltervorwurf gegen Zeugen
Aus einem Brief von Devrim Güler vom 13.10.2008
Zum Repressionsschlag in NRW am 5.11.
Berlin: Zur Situation von Andrea
Freiheit für alle politischen Gefangenen
Radio Flora zum Tode des Schriftstellers und Kommunisten Christian Geissler
Todessdrohung gegen Kolumbienkampagne
Die Spur der Vereinzelung im Knast ...
Zwei Briefe von Gabriel
"Sie werden uns nicht anhalten!"
Rom und das Individuum
Dezember 2008: Hungerstreik der Lebenslänglichen Italiens
Solidarität - Erklärung zur dritten Delegation der RHI, die nach Mailand in Solidarität mit der/den angeklagten im Prozess gegen die PC p-m angeklagten Genossin/Genossen gefahren ist
Internationales Symposium gegen Isolation
Offener Brief der Eltern von Bertrand, Mathieu, Elsa, Aria und Yldune
Einstellungsbündnis 28.11.2008: Solidarität mit den GenossInnen in Frankreich
Letze Meldung: Tarnac - 3 weitere Eingekerkerte sind wieder frei
Informationen zum Kampf des Gefangenenkollektivs von PCE(R) und Grapo in den Knästen des spanischen Staates
Griechenland: Massenhungerstreik gegen Haftbedingungen beendet - Teilerfolg für Strafgefangene
Physischer Angriff auf Abdullah Öcalan
Der Klang der Stille
"Mumias Leben ist noch immer in Gefahr"
Zur Erinnerung an die Reichspogromnacht

*


Zur bevorstehenden Haftentlassung Christian Klars

Göttingen, 24.11.2008

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat heute entschieden, dass Christian Klar nach 26 Jahren Knast Anfang Januar aus der Haft entlassen wird.

Auch wenn die Rote Hilfe diese Entscheidung natürlich erfreut zur Kenntnis nimmt, ist sie für uns dennoch kein Grund zum Jubeln. Christian Klar hat 26 Jahre in bundesdeutschen Knästen verbracht, davon viele unter den verschärften Bedingungen der Isolationshaft. Die Rote Hilfe hat seit vielen Jahren die längst überfällige Freilassung der verbliebenen Gefangenen aus der "Rote Armee Fraktion" gefordert. Dass diese Forderung nicht durchsetzbar war, zeigt nicht nur eine Niederlage der Solidaritätsbewegung. Es offenbart auch die Tatsache, dass der Umgang mit den Gefangenen aus der RAF bis zum heutigen Tag, mehr als zehn Jahre nach der Selbstauflösung der RAF, von einem staatlichen Rachebedürfnis geprägt ist. Insbesondere Christian Klar ist als Symbolfigur für den Aufbruch der Stadtguerillagruppen in den 1970er Jahren abgestraft worden, er ist länger inhaftiert als irgendein anderer Gefangener aus der RAF.

Die bevorstehende Haftentlassung Christian Klars ist für uns Anlass, noch einmal an die Bedingungen der Verfolgung, Verurteilung und Inhaftierung der ehemaligen RAF-Mitglieder zu erinnern. Die Verfahren gegen mutmaßliche oder tatsächliche Mitglieder der RAF setzten grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft. Gekaufte Kronzeugen, verschwundene, unter Verschluss gehaltene oder vernichtete Beweise und Dokumente, ausgehebelte Verteidigerrechte und Sondergesetze machten und machen diese Verfahren zur offensichtlichen Farce. Der Terrorparagraph 129a erübrigte in den meisten Fällen jeden individuellen Tatnachweis. Allen Mitgliedern der RAF wurden regelmäßig sämtliche während ihrer Mitgliedschaft stattgefundenen Taten zur Last gelegt. Den besonderen Zorn der Verfolgungsbehörden zogen sich die Angeklagten insbesondere zu, wenn sie nicht bereit waren, sich selbst und andere zu belasten oder sich von ihrer eigenen Geschichte und ihren linken Zielen zu distanzieren. Mehr als deutlich wurde dies im vergangenen Jahr, als eine antikapitalistische Äußerung Christian Klars zum Anlass genommen wurde, ihm bereits in Aussicht gestellte Hafterleichterungen zu verwehren.

Der Kampf gegen die politische Justiz und für die Freiheit der politischen Gefangenen ist mit der aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts keineswegs überflüssig geworden. So sitzt mit Birgit Hogefeld ein weiteres Mitglied der RAF im Gefängnis, in Stammheim findet zur Zeit ein absurdes 129b-Verfahren gegen türkische Exil-Linke statt.

Die Rote Hilfe e.V. fordert auch weiterhin: Weg mit dem
Gesinnungsparagraphen 129a und 129b!

Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Mathias Krause für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.


*


Die Zeitungen zu Christian Klars anstehender Freilassung

Es ist weiterhin wichtig, auf einige der aktuellen Artikel einzugehen, da sich dort weitere Linien von Repression und Widerstandsbekämpfung abzeichnen.

In diesen herrschenden Diskurs reiht sich auch das Neue Deutschland (ND) ein, die bekanntlich der Linkspartei nahe steht. "Deutscher Herbst geht zu Ende", titelt der ND vom 25.11.

Damit ist wohl gemeint, dass mit Christian, das letzte Mitglied, der um 1977 in der RAF organisiert war , nach 26 Jahren aus dem Knast endlich herauskommt. Es wird aber unterschlagen, dass alle Gesetze aus dieser Zeit weiter in Kraft sind bzw. weiter verschärft sind:

Die Paragrafen zur Bekämpfung, Überwachung und Ausforschung des linken Widerstandes, Paragraf 129 und Paragraf 129a, sind um den Paragraf 129b (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland) erweitert und verschärf worden.
Gegen radikale Linke gibt es zu Zeit zwei Gerichtsverfahren: Zum einen findet seit September in Berlin das Verfahren gegen Axel, Florian und Olli wegen "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung mg" (Paragraf 129) statt. Zum anderen wird seit dem Frühjahr gegen 5 türkische migrantische Linke wegen Paragraf 129b verhandelt.
Die Isolationshaftbedingungen: Im ersten Stammheimer Verfahren kamen Gutachter 1975 zum Ergebnis, dass die 4 RAF-Gefangenen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe nach der jahrelangen Isolation nicht mehr verhandlungsfähig sind.
Die Isolationsfolter wird auch weiße Folter genannt, weil sie keine sichtbaren physischen Spuren am Körper hinterlässt. Sie dient der sensorischen Deprivation und sozialen Isolation, die auf das Aushungern der Seh-, Hör-, Riech-, Geschmacks- und Tastorgane zielt und dadurch zu lebensgefährlichen Zuständen führen kann.
Diese Haftbedingungen bestehen weiter und gehen heute auch an keinem der Gefangenen spurlos vorbei. Die Prozesse werden auf Kosten des Lebens von Gefangenen geführt, so findet z.B. ein Prozess in Stammheim gegen den herzkranken und somit haftunfähigen Mustafa Atalay und den an einer Psychose leidenden Ilhan Demirtas sowie in Berlin gegen den retraumatisierten Florian statt.
Weiterhin sind Sondergerichte bzw. Staatschutzgerichte mit besonders ausgewählten und geschulten Richtern ausgestattet, die Verteidigung wird generell benachteiligt wie z.B. durch vorenthalte Akten, Einschüchterung und Behinderung der Öffentlichkeit durch drakonische Kontrollen.

In fast allen Gazetten und im ND findet man davon nichts, stattdessen wird in einem Kommentar die Freilassung als "Stärke des Rechtsstaat" bezeichnet.

Nicht nur die Bild vom 25.11. befürchtet, "dass DER (originale Schreibweise aus der Bild) ... zum Medienstar werden dürfte. Christians Anwalt Jürgen Schneider hat das jüngst öffentlich dementiert. Aber dieser Angriff gegen Christian zielt gegen jegliche politische Betätigung, an einem Artikel aus dem selben Blatt wird es ein Tag später deutlicher: "Wird Terrorist Klar zur linken Galionsfigur?"" Bosbach von der CDU ebenda: "Mir graut davor, ... dass er demnächst ... bei Chaotendemos mitmischt."

In Belgien wurde Bertrand Sassoye, ehemaliger Gefangener aus der Stadtguerillagruppe Kämpfende Kommunistische Zellen CCC (Cellules Communistes Combattantes), für 7 Wochen inhaftiert, da er sich weiterhin politisch engagierte: z.B. als Mitglied des internationalen Sekretariates und der Internationalen Kommission zum Aufbau einer Roten Hilfe International. Nur eine internationale Kampagne führte zu seiner Freilassung.

Oder im Oktober wurde der Gefangene aus der französischen Stadtguerillagruppe Action Directe, Jean-Marc Rouillan, nach einem Interview mit der Zeitung L'EXPRESS zurück in den geschlossenen Vollzug verlegt. Er war seit Dezember 2007 im Freigang, sollte dort 1 Jahr arbeiten und dann - nach fast 22 Jahren Knast, davon die meiste Zeit in Isolationshaft - entlassen werden.

Gerade ein gemeinsames Agieren von jungen und alten Linken fürchten die Herrschenden, und das soll perspektivisch hier und europaweit unterbunden werden.

Der Tagesspiegel verlangt in seiner Ausgabe vom 25.11., "nun muss sich auch der Staat der Aufarbeitung stellen". Das hört sich erst einmal gut an, bleibt aber in einem kurzen Satz stecken: "Die BRD, deren Staatsorgane, unter Eindruck der mörderischen RAF-Kampagne im Ausnahmezustand waren und bei der Fahndung zumindest zeitweise an den Grenzen der Rechtsstaatlichkeit operierten ..."

Dann geht es aber gleich um die Frage, wer den Generalbundesanwalt Buback erschoss und was das BKA davon wusste.

Die Fragen, die im Februar 2007 im Gefangenen Info schon einmal gestellt worden sind, sind natürlich nicht gemeint:

Buback war für die Sondergerichte und die verschärften Isolationshaftbedingungen gegen die Gefangenen aus der RAF und andere militante Gruppen verantwortlich, die 9 Inhaftierte nicht überlebten. Hat seine Behörde das jemals bedauert?

Haben sich PolizistInnen von ihren Erschießungen distanziert? Haben die Führungsetagen der Dresdner Bank oder von Daimler sich für ihre Mitarbeit für den deutschen Faschismus entschuldigt? Oder von ihren Verstrickungen mit dem damaligen Apartheidsregime in Südafrika? Oder Schleyer von seiner Teilhabe an der Arisierungspolitik in der besetzten CSR oder später in der BRD von den Aussperrungen streikender Arbeiter? Oder sind die Eliten und ihre Büttel für all ihre Taten angemessen verurteilt worden?

Alles Fragen, die nur durch eine starke und emanzipatorische Linke gestellt und beantwortet werden können.

Wolfgang


*


Dokumentiert aus der jungen Welt

Ihre Moral und unsere

Anmerkungen zur Freilassung von Christian Klar

Es gibt nur zwei Situationen, in denen politische Gefangene freigelassen werden. Entweder sind die Kräfte der Revolution so stark, dass der Staat gezwungen ist, seine Geiseln freizugeben, oder der Staat ist so stark, dass er einen Gnadenakt erweisen kann. Die erste Situation gab es in Deutschland so gut wie nie. Tausende haben über Jahrzehnte versucht, die Haftbedingungen der politischen Gefangenen in den BRD-Knästen zu verbessern, haben auf den Straßen ihre Freilassung gefordert. Aus humanitären Gründen, aus Solidarität. Genützt hat das nichts. Der bewaffnete Kampf war längst Geschichte.

Aber auch das neue, große Deutschland wollte keinen Schlussstrich ziehen. Niemand soll es in noch einmal wagen, jene Herrschenden persönlich zur Rechenschaft zu ziehen, die verantwortlich sind für millionenfache Ausbeutung, Massenverarmung, Elend, Krieg und Tod. Das war die Botschaft dieser 26 Jahre Haft - mit Isolationshaft und weißer Folter. Dafür wurde das Recht gebeugt, gab es Sondergesetze und eine nie da gewesene Hatz auf Sympathisanten. Christian Klar hat das alles jetzt hinter sich, ungebrochen. Dafür sind ihm in diesem Land mehr Menschen dankbar, als es der herrschenden Bande recht sein kann. Die Gefangenen aus der RAF haben in den Verfahren gegen sie nie juristisch agiert - revolutionäre Politik ist nicht justitiabel. Dafür haben sie die härtesten und fragwürdigsten Urteile kassiert. Die Justiz wusste nie, wer für was verantwortlich war. Man hat das Recht gebeugt und die Kollektivschuld eingeführt. Christian Klar konnte nichts bewiesen werden. Weder kennt das deutsche Strafrecht Reue oder Buße noch Aussagebereitschaft als Voraussetzung für eine Haftentlassung. Praktiziert wurde pure Rache. Eigentlich ein Fall für die UNO-Menschenrechtskommission.

Der Co-Pilot der 1977 entführten Lufthansamaschine, Jürgen Vitor, kündigt in der Bild an, er werde wegen der Freilassung sein Bundesverdienstkreuz zurückgeben. Die Witwe des ebenfalls 1977 erschossenen Jürgen Ponto hat ihres bereits zurückgegeben. Warum auch nicht? Die Trauer der Angehörigen der Opfer dieser Auseinandersetzung wurde nicht nur von Christian Klar respektiert und verstanden. Tote gab es auf beiden Seiten.

Die Lumpenjournaille kann nicht fassen, dass ein Revolutionär so einfach nach 26 Jahren freikommt - nach deutscher Tradition gehören die alle an die Wand. So wie 1918/19 die roten Matrosen, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, so wie 1920 die Räte der Münchner Republik, 1929 die Arbeiter im Berliner Wedding und ab 1933 Zehntausende von Kommunisten und Antifaschisten.

Eine Tradition und Moral, die nicht die unsere sein kann. Am 15. Mai gab der letzte Ankläger im "Auschwitz-Prozess" Mitte der 60er Jahre in Frankfurt am Main, Oberstaatsanwalt Hans Eberhard Klein, dieser Zeitung ein Interview: "Eines dieser Verfahren hatte die so genannte Skelettesammlung in Auschwitz zum Gegenstand. Seinerzeit war da ein Befehl aus Berlin gekommen, man soll 30 jüdische Häftlinge töten und die Skelette der Universität Straßburg zuführen. Zu medizinischen Experimenten. Der verantwortliche Mediziner ist dann extra nach Auschwitz gekommen, um die Häftlinge auszusuchen. (...) Drei der Beteiligten dieses Verbrechens standen dann bei uns als Angeklagte vor Gericht: Derjenige, der selektiert hat, derjenige, der die 30 getötet hat, und derjenige, der die Auswertung der Leichen vorgenommen hatte. Der letzte der drei hat sich darauf berufen, nur auf Weisung gehandelt zu haben. Er wurde sogar freigesprochen. Die anderen beiden wurden zu lächerlichen Strafen von drei bzw. dreieinhalb Jahren verurteilt. Und das, obwohl die Tat zweifelsfrei feststand: Es war Mord."

Dass seinerzeit irgendjemand sein Bundesverdienstkreuz zurückgegeben hat, ist nicht bekannt.

Trotz alledem: Willkommen in der Freiheit, Genosse Christian Klar.

Hans Schulz, junge Welt 27.11.


*


Aktionstag 13. Dezember

Solidarität mit den Angeklagten im mg-Prozess

Wir rufen zu einem dezentralen Aktionstag am Samstag, den 13. Dezember 2008, auf, aus Solidarität mit den drei vor dem Berliner Kammergericht Angeklagten Axel, Florian und Oliver und aufgrund der allgemein zunehmenden staatlichen Repression gegenüber der radikalen Linken. Wir rufen euch dazu auf, euch im Rahmen eurer Möglichkeiten zu beteiligen. Organisiert Demonstrationen, Veranstaltungen, Straßentheater, Wandbilder, Transparente an Brücken und vieles mehr.

Bündnis für die Einstellung des Paragraph 129a-Verfahrens [Einstellungsbündnis], Antifaschistische Linke Berlin [ALB], Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin [ARAB], Revolutionäre Perspektive Berlin [RPB]

Feuer und Flamme der Repression


*


Solidarität mit Axel, Florian und Oliver

Am 25. September 2008 begann der Prozess gegen drei Aktivisten aus der radikalen Linken vor dem Berliner Kammergericht. Von der Bundesanwaltschaft wird gegen sie der Vorwurf erhoben, Ende Juli 2007 versucht zu haben, auf dem Gelände des Rüstungskonzerns MAN AG in Brandenburg/ Havel drei Bundeswehrfahrzeuge anzuzünden. Des Weiteren werden sie der klandestinen militanten gruppe (mg) zugerechnet. Die seit 2001 existierende mg hat sich zu über 20 Brandanschlägen auf Einrichtungen von Staat und Kapital bekannt und sich außerdem mit theoretischen Texten und Diskussionsbeiträgen maßgeblich an einer Debatte zur Militanzfrage beteiligt. Die drei Berliner sind in dem laufenden Prozess einerseits der versuchten schweren Brandstiftung angeklagt und anderseits der Mitgliedschaft in einer "kriminellen Vereinigung" nach Paragraf 129 des Strafgesetzbuches (StGB). Mit einem Aktionstag am 13. Dezember 2008, der in verschiedenen Städten veranstaltet werden soll, wollen wir unsere Solidarität mit den Beschuldigten ausdrücken und gegen staatliche Repression auf die Straße gehen.

Weg mit Paragraf 129, 129a und b

Die Paragrafen 129, 129a und b StGB zur strafrechtlichen Verfolgung der Mitgliedschaft, Werbung und Unterstützung für eine "kriminelle" oder "terroristischen Vereinigung" werden immer wieder dazu verwendet, um gegen die radikale Linke vorzugehen. Die Paragraphen sind Sondergesetze, welche eine Verurteilung allein durch den Nachweis einer Zugehörigkeit zu einer kriminalisierten Vereinigung ermöglichen. Es geht dabei weniger darum, ob einer Person eine bestimmte Straftat zur Last gelegt werden kann, sondern vielmehr um die Frage, ob sie Teil einer Gruppe ist, die insgesamt als "kriminell" eingestuft wird. Der "Terrorparagraph" sieht Haftstrafen bis zu zehn Jahren vor. Allerdings entpuppt er sich vorrangig als Ermittlungs- und Einschüchterungsinstrument der Sicherheitsbehörden. Denn mit Hilfe dieses Paragraphen ist es den staatlichen Organen möglich, massive Ausforschungsmaßnahmen wie Rasterfahndung, Überwachung von Telefon, Handy und Mailverkehr, Einsatz von Peilsendern, Kameras vor den Wohnungen der Betroffenen und vielem mehr über Jahre hinweg anzuwenden. Diese weit reichende Bespitzelung fand und findet in mehreren - teils eingestellten oder noch laufenden Verfahren - gegen AktivistInnen der radikalen Linken statt. So zum Beispiel gegen politische Gegner des G8-Gipfels oder auch gegen AntifaschistInnen aus Bad Oldesloe - Verfahren, die ergebnislos eingestellt werden mussten, aber die umfassende Ausforschung von Teilen bundesweiter linker Strukturen zur Folge hatten.

In Stuttgart-Stammheim läuft derzeit ein Prozess gegen fünf Linke aus der Türkei, denen die Mitgliedschaft in der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) vorgeworfen wird. Dies ist der erste größere Prozess gegen eine linke Organisation, bei dem der 2001 neu geschaffene Paragraf 129b ("Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung") angewendet wird. Bei diesem Prozess gegen migrantische Linke wird es sicher nicht bleiben. Denn bereits jetzt laufen weitere Paragraf 129b-Ermittlungen, so zum Beispiel gegen 10 Personen von ATIF (Föderation der ArbeiterInnen aus der Türkei) wegen angeblicher Mitgliedschaft in der TKP/ML (Türkische Kommunistische Partei/Marxisten Leninisten). Auch die kurdische Bewegung ist massiver Repression ausgesetzt. So wird die PKK (Kurdische Arbeiterpartei) seit 15 Jahren als "kriminelle Vereinigung" verfolgt. In engem Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen kurdische Linke steht auch das Verbot des Sender Roj-TV und der Tageszeitung Özgür Politika in der Bundesrepublik Deutschland.


*


Internationale Klassensolidarität aufbauen!

Secours Rouge International

13.12.: Solidaritätstag mit den mg-Prozess Betroffenen

Seit dem 25. September 2008 läuft der Prozess gegen Axel, Oliver und Florian in der BRD. Ihnen wird vorgeworfen Mitglieder in einer angeblich kriminellen Vereinigung zu sein, der mg - militante gruppe. Ihnen gehört unsere ganze Solidarität!

www.rhi-sri.org


Gegen Staat und Kapital

Als radikale Linke stehen wir in Opposition zur bestehenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Daher ist es klar, dass der Staat mit seinen verschiedenen Repressionsapparaten wie Polizei und Justiz versucht, diesen Widerstand zu behindern und wenn möglich zu zerschlagen. Schließlich dient das staatliche Gewaltmonopol der Sicherung der herrschenden "Ordnung". Neben der konkreten Behinderung der politischen Arbeit durch Beschlagnahmung von Computern und Materialien bei Hausdurchsuchungen sowie der Einschüchterung durch Observation und Gerichtsverfahren ist auch die öffentliche Diffamierung radikaler linker Politik eine Folge der Kriminalisierung. Radikal linke Politik und Organisierung soll als Terrorismus verleumdet werden, um mögliche Solidarisierung zu erschweren und Spaltungsprozesse innerhalb der linken Bewegung voranzutreiben.

Mit den sich verschärfenden sozialen Widersprüchen wird auch das Ausmaß an Überwachung und Repression gesteigert. In den letzten Jahren hat es eine ganze Palette an Verschärfungen diesbezüglich gegeben und zukünftig sind noch weitere Gesetze geplant, mit denen demokratische Rechte weiter abgebaut werden und der Überwachungsstaat ausgebaut wird. Das Vorratsdatenspeicherungsgesetz, die zunehmende Aushöhlung des Versammlungsrechts und neue digitale Abhörtechniken sind einige der Neuerungen in diesem Bereich. Auch die Gesetzesinitiativen zur Durchsetzung und Legitimierung des Bundeswehreinsatzes innerhalb der Bundesrepublik Deutschland stehen vor der Verabschiedung.

Für Solidarität und Revolution

Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, eine Gesellschaft, in der für die Bedürfnisse und nicht für den Profit produziert wird, ist Ziel unseres politischen Kampfes - eine Gesellschaft, in der alle über die Produktionsmittel, die Produkte und deren Verwendung verfügen und gemeinsam planen, was produziert wird und nicht eine kleine Minderheit, die heute die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums zu ihren Gunsten bestimmt. Aber die besitzende Klasse wird nicht freiwillig ihre Macht und ihr Eigentum aufgeben, sondern sie wird mit allen Mitteln versuchen, ihre Herrschaft zu verteidigen. Deshalb müssen wir uns bewusst sein, dass unsere Strukturen immer wieder das Ziel staatlicher Repressionsmaßnahmen werden können. Dementsprechend ist es für uns auch wichtig, uns vor der Überwachung zu schützen. Als radikale Linke bekämpfen wir ein System, das immer wieder Krisen produziert und innerhalb der kapitalistischen Logik außer durch Krieg und Zerstörung auch keine wirklichen Auswege aus seinen Krisen finden kann. Die aktuelle globale Finanzkrise zeigt einmal mehr, welche katastrophalen Folgen eine Wirtschaftweise hervorbringt, in der es nur um Profite geht. Dass die Kosten der Krise von den Lohnabhängigen getragen werden sollen, während die staatlichen Ausgaben für Soziales eingespart werden, macht deutlich, wie abhängig staatliche Politik vom ökonomischen Reproduktionsprozess ist.

Deshalb richtet sich unser Kampf nicht allein gegen die Angriffe der Repression, sondern ist vor allem auf die Perspektive einer solidarischen und klassenlosen Gesellschaftsordnung ausgerichtet. In diesem Kampf spielt die Solidarität mit den politischen Gefangenen und allen von Repression Betroffenen allerdings eine wichtige Rolle. Nur gemeinsam und international können wir uns den Repressionsschlägen effektiv entgegensetzen!

Solidarität mit Axel, Florian und Oliver!
Weg mit Paragraf 129, 129a und b!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Kapitalismus zerschlagen - Solidarität aufbauen!


*


Mitteilung des Verlags

Dies ist das letzte Gefangenen Info, das im GNN-Verlag erscheint

Seit seiner Entstehung im Hungerstreik der Gefangenen aus RAF und Widerstand im Frühjahr 1989 wurde das Info, zunächst als Hungerstreik Info, dann als Angehörigen Info und seit einigen Jahren als Gefangenen Info im GNN-Verlag verlegt. Redaktion, Verlag und Info haben in den 90er Jahre rund 30 Versuche der Bundesanwaltschaft überstanden, die Zeitung durch Verfahren mundtot zu machen. Das ist nicht gelungen.

Da ich mich Anfang 2008 beruflich verändert habe, habe ich die Verlagsarbeit seither weitgehend eingestellt. Lediglich die Lokalberichte Hamburg und bisher das Gefangenen Info sind weiter im GNN-Verlag erschienen. Mit der Redaktion vereinbart war, dass das Info bis zur Freilassung von Christian Klar im Verlag fortgeführt wird. Mit der Freilassung von Christian Klar, für die das Info zusammen mit vielen anderen seit vielen Jahren gekämpft hat, stellt der Verlag die Herausgabe des Infos ein.

Ich freue mich, dass andere die Herausgabe des Infos fortsetzen sollen.

Wir bitten alle Leserinnen und Leser, die das Abo kündigen wollen und nicht wünschen, dass ihre Adressdaten an die neue Redaktion übergeben werden, uns dies bis zum Jahresende mitzuteilen. Sofern eine Kündigung des Abos nicht erfolgt, gehen wir vom Einverständnis aus, dass wir die Vertriebsdaten an Wolfgang, den Ansprechpartner der neuen Redaktion, übergeben können, ebenso die bereits bezahlten Abogelder für die noch ausstehenden Lieferungen. Bis dahin verschicken wir keine Rechnungen; auch haben wir seit November keine Abogelder mehr eingezogen.

Christiane Schneider, GNN-Verlag Hamburg


Zur Zukunft des Infos

Da das Gefangenen Info bald 20 Jahre existierte und für viele Menschen ein wichtige Quelle der Information darstellte, wird es zukünftig vom Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und Einzelpersonen getragen.

Das Info wird auch in Europa, USA und Kanada gelesen. Vor allem politischen und sozialen Weggesperrten ist es wichtig. Wir danken vor allem den Gefangenen, die sich für das Weiterbestehen des Infos öffentlich einsetzten.

Die Eingesperrten werden auf jeden Fall weiterhin eine Printausgabe des Infos erhalten. Ebenso danken wir allen Leser und Leserinnen für ihre Treue und werden sie demnächst über die Zukunft dieser Zeitschrift informieren.

Wolfgang für die neue Redaktion

Post erst einmal über:
GNN-Verlag
Neuer Kamp 25
20359 Hamburg

Oder über:
hamburg@political-prisoners.net


*


Solidarität mit Heike Schrader

Am 8. Dezember beginnt vor dem OLG Düsseldorf der Prozess gegen Heike Schrader. Ihr wird nach Paragraph 129a StGB vorgeworfen, in den Jahren 1996 bis 1999 "Mitglied einer terroristischen Vereinigung", konkret der DHKP-C, gewesen zu sein.

Mit den Paragraphen 129, 129a und 129b werden politisch aktive Genossinnen und Genossen verfolgt. Wir vom Einstellungsbündnis sind mit diesen Konstrukten vertraut. Seit der Verhaftung von Oliver, Florian, Axel und Andrej im Sommer 2007 organisieren wir große Teile der Solidarität für die Beschuldigten in diesem Verfahren. Der Vorwurf gegen sie lautete ebenfalls "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung". Inzwischen wird in dem Prozess vor dem Berliner OLG gegen Axel, Florian und Oliver nach Paragraph 129 "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung" verhandelt. Um dieses Konstrukt aufrecht zu erhalten, müssen Aussagen eines angeblichen Spitzels des Bundesamts für Verfassungsschutz herhalten. Bei Heike Schrader stützt sich die Anklage auf die ebenso zweifelhaften Aussagen eines Kronzeugen.

Im Dezember 2007 kam die heute in Griechenland lebende Heike Schrader zu einer Lesereise in die Bundesrepublik, um das von ihr übersetzte Buch des griechischen politischen Gefangenen Savvas Xiros "Guantanamo auf griechisch - Zeitgenössische Folter im Rechtsstaat" vorzustellen. Bei ihrer Ankunft am Köln-Bonner Flughafen wurde sie auf Betreiben der Bundesanwaltschaft (BAW) verhaftet, ihr Haftbefehl wurde dann unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Im Juli 2008 hat die BAW Anklage erhoben. Der Prozess ist auf den 8., 9. und 10. Dezember terminiert.

Laut BAW habe Heike Schrader Kontakte zu politisch aktiven Migrantinnen und Migranten aus der Türkei gepflegt. Austausch, Diskussionen, Bündnisarbeit und Organisierung gehören zu den Grundsätzen einer linken Praxis, die herrschende Verhältnisse verändern will. Staatliche Repression und Kriminalisierung zielen genau auf eine solche Politik. Solidarität ist eine wirksame Waffe, um derartige Angriffe zurückzuschlagen. Insofern machen wir uns gerne gemein mit der Sache linker Aktivistinnen und Aktivisten, senden Heike Schrader solidarische Grüße und rufen zur Teilnahme an ihrem Prozess auf.

Bündnis für die Einstellung der Paragraph 129(a)-Verfahren
http://einstellung.so36.net

Das Verfahren wird am 8., 9. und 10. Dezember jeweils 10 Uhr vor dem Strafsenat des Oberlandesgerichts in 40221 Düsseldorf, Prozessgebäude, Saal 2, Kapellweg 36 stattfinden.


*


Neuigkeiten aus dem Stammheimer Prozess

Es ist nicht nur die Länge der U-Haftzeit, sondern auch die Tatsache, dass fast alle der Angeklagten, außer Ilhan Demirtas, der Isolationshaft ausgesetzt sind. Ilhan leidet an einer Psychose, was ihm ein früheres Gutachten attestierte.

Direkt am Montag, den 4. November, wurde die Verhandlung für 1 Stunde unterbrochen. Grund war die offensichtliche gesundheitliche Angeschlagenheit des Angeklagten Demirtas, dessen Verteidigung erneut beantragte, seine Verhandlungsfähigkeit zu überprüfen. Nach der genannten Untersuchungszeit kam dann die überraschende Diagnose: "Es besteht kein Grund zur Sorge, eine gesundheitlich bedingte Unfähigkeit zur Verhandlungsteilnahme liegt nicht vor."

Mustafa Atalay ist schwer herzkrank und wurde nur zwei Wochen nach einer Bypass-OP aus der Rehaklinik heraus verhaftet. Die Beamten sicherten den Ärzten zu, dass er weitergehende Behandlungen bekommen würde und verhafteten ihn. Doch weder in der JVA Hannover noch in den weiteren Gefängnissen, in die er verlegt wurde, oder in der JVA Stuttgart-Stammheim bekam und bekommt er entsprechende Behandlungen, sondern er wurde in Isolationshaft gesteckt, wo er sich weiterhin befindet.

Zu seiner Herzkrankheit kommt noch hinzu, dass er lange in der Türkei in Haft war und aus dieser Zeit schwere Folgen von Folter und schlechten Haftbedingungen trägt - wie Beckenbrüche und zeitweise Gedächtnisverlust (eine Folge von Isolation). Seine Herzerkrankung schwächt ihn und er braucht dringend eine weitere Herzoperation. Doch all das wird nicht ernst genommen, denn ihm wird vorgeworfen, dass er absichtlich seinen Gesundheitszustand (durch Zusammenpressen der Venen und übermäßigen Kaffeegenuss) verschlechtere, um die Verhandlung zu unterbrechen und "Zeit zu schinden". Für Mustafa wurde ein ärztlicher Gutachter vor Gericht geholt, der ihn während der Verhandlung beobachten soll. Dieser Gutachter ist während der Verhandlung eingeschlafen!

Am Dienstag, den 21. Oktober, schilderte Mustafa Atalay, wie er in der Türkei bald 20 Jahre lang inhaftiert war. Dort wurde er von Mitarbeitern des türkischen Geheimdienstes (MIT) und Faschisten brutal gefoltert. Er erzählte von den Folterungen und Foltermethoden, die ihm angetan worden sind. Mehrmals wurde er dort an den Armen aufgehängt und geschlagen. Dann wurde er oft mit null Grad kaltem Wasser abgespritzt, durfte sich nicht abtrocknen und musste mit nasser Haut seine Kleidung anziehen. Dazu kommen Stromschocks an den Genitalien und an den Fingern. Oft wurden auch seine Fußsohlen gepeitscht und danach musste er hüpfen. Seine Genitalien und Hoden wurden gequetscht. Manchmal war er diesen Methoden auch abwechselnd und gleichzeitig über längere Zeit ausgesetzt. An manchen Tagen wurde er so stundenlang gefoltert und brutal geschlagen. Am Ende seiner Haft ist er so brutal zusammengeschlagen worden, dass er mehrere Rippenbrüche hatte und ins Krankenhaus kam. An diesem Tag sind auch andere Gefangene so sehr geschlagen worden, dass es mehrere Tote gab.

Mustafa Atalay überlebte diese Zeit nur mit schweren Folgeschäden, unter denen er auch heute noch leidet. Die Verhandlung musste, während Mustafa Atalay von dem, was ihm angetan wurde, erzählte, dreimal unterbrochen werden.

Die anwesenden Beamten lachten während seiner Ausführungen und nahmen ihn nicht ernst.

Es gibt eine Unterschriftenaktion zur Freilassung von Mustafa unter
www.political-prisoners.net

Auch die gesundheitliche und psychische Verfassung der anderen Gefangenen ist kritisch, denn Isolationshaft, Kontaktsperren, schlechte ärztliche Behandlung und Schikanen sind Folter, die an keinem der Gefangenen spurlos vorbeigeht.


Foltervorwurf gegen Zeugen

Die Vernehmung des Leiters der Abteilung DHKP-C der Istanbuler Anti-Terroreinheit, Serdar Bayraktutan, musste verschoben werden, weil gegen ihn vor einem türkischen Gericht zwei Klagen wegen des Verdachts auf Folter anhängig sind. "Damit sind wir in eine gewisse Offensive gekommen", erläuterte der Hamburger Anwalt Heinz-Jürgen Schneider am Mittwoch gegenüber jW. Alle Zeugen der Bundesanwaltschaft rekrutierten sich letztlich aus dessen Umkreis, so Schneider. (junge Welt vom 17.10.)


*


Aus einem Brief von Devrim Güler vom 13.10.2008

Devrim ist einer der fünf türkischen Gefangenen, der in Stuttgart-Stammheim wegen Paragraf 129b verurteilt werden soll.

"Bei uns gibt es soweit keine Neuigkeiten - die Farce geht weiter. Es werden weiterhin faschistische Agenten und Folterer als Zeugen bestellt, damit sie erzählen können, wie gefährlich wir doch seien. Ich könnte mich darüber seitenweise auslassen, aber das werde ich uns beiden lieber ersparen. Nichtsdestotrotz, egal wie das Urteil ausgehen wird - die wahren Terroristen werden irgendwann zur Rechenschaft gezogen werden. Die Versuche der Faschisten und Imperialisten, den revolutionären Kampf zu kriminalisieren und ersticken werden früher oder später scheitern."

Weiter Infos: www.no129.info


*


Zum Repressionsschlag in NRW am 5.11.

Am Mittwoch, den 5. November 2008, wurden nach aktuellen Angaben zwischen 6 und 12 Uhr in Dortmund, Duisburg und Köln zeitgleich zwei Wohnungen und drei Vereine durchsucht und drei Personen festgenommen.

Letzten Informationen zufolge wurden sämtliches dort befindliche Geld sowie Datenträger und Computer beschlagnahmt. Bei von den Durchsuchungen betroffenen Vereinen handelt es sich um das Anatolische Volks- und Kulturhaus Köln, das Anatolische Kulturzentrum Duisburg und das Anatolische Bildungs- und Kulturhaus Dortmund. Angaben zufolge wurde das Türschloss des Kölner Vereins ausgewechselt.

Die drei Festgenommenen Ahmet Istanbullu, Nurhan Erdem und Cengiz Oban wurden nach ihrer Festnahme nach Karlsruhe gebracht und sollen einem Bundesrichter vorgeführt werden.

Ihnen wird die "Unterstützung und Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung" - der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) - nach Paragraf 129b vorgeworfen. Nach den bisherigen Informationen bezieht sich die Anklage, wie auch im aktuellen Prozess in Stuttgart Stammheim, auf das Sammeln von Spendengeldern, legalen Vereinstätigkeiten und Waffenschmuggel - weitere Details sind bisher noch nicht bekannt.

Die Durchsuchungen und Festnahmen reihen sich ein in eine Repressionswelle gegen migrantische Strukturen und bereits jetzt sollen neben dem aktuellen Prozess in Stuttgart-Stammheim weitere Verfahren eingeleitet werden. Für diese Verfahren wird der Ausgang des Prozesses in Stuttgart entscheidend sein. Dieser Prozess, der trotz erheblicher Menschenrechtsverletzungen und Rechtsbrüche von einem medialen Schweigen begleitet wird und somit fernab von der Öffentlichkeit stattfindet, soll einen Präzedenzfall für den undemokratischen Paragraf 129b schaffen. Bereits jetzt ist ersichtlich, dass weitere Prozesse nach Paragraf 129b folgen werden, sollte der Paragraf 129b in Stuttgart-Stammheim durchkommen: So soll Ende dieses Jahres in Düsseldorf der Prozess gegen Faruk Ereren beginnen sowie ein weiterer Prozess gegen die Journalistin Heike Schrader. Beiden wird die Mitgliedschaft in der DHKP-C vorgeworfen. Des Weiteren wird ein Verfahren nach Paragraf 129b gegen 10 Personen angestrebt, denen vorgeworfen wird innerhalb der TKP/ML (Kommunistische Partei der Türkei / Marxistisch Leninistisch) eine "terroristische Vereinigung" gebildet zu haben.

Sowohl der aktuelle Fall als auch die genannten Beispiele verdeutlichen den Charakter des Paragraf 129b, der sich unter dem Deckmantel des "Kampf gegen den Terrorismus" maßgeblich gegen linke, fortschrittliche und revolutionäre Kräfte richtet. Vor allem die innerhalb kürzester Zeit hintereinander auftreffenden Schläge gegen migrantische politische Strukturen innerhalb der BRD zeigen auf, dass der Paragraf 129b etabliert werden soll und von nun an häufiger zur Kriminalisierung von migrantischen Strukturen angewendet werden wird.

Dabei stellt der Paragraf 129b nicht nur ein Angriff auf migrantische Strukturen dar, sondern richtet sich gegen jegliche internationalistische Arbeit.

Er ist ein Angriff auf die Internationale Solidarität. Die Anklage nach Paragraf 129b - sowie nach Paragraf 129 und Paragraf 129a - setzt alle rechtstaatlichen Prinzipien außer Gesetz, und ihre Verurteilungen führen für die Betroffenen zu Haftbedingungen, die jeglichen Menschenrechten widersprechen und diese faktisch aushebeln.

Die Schlinge der staatlichen Repression zieht sich über nationale Grenzen hinweg und wirkt sich immer massiver auf jene aus, die die bestehenden Verhältnisse nicht akzeptieren und sich gegen Ausbeutung und Unterdrückung zur Wehr setzen. So auch gegen die 3 Angeklagten in Berlin, denen nach Paragraf 129 die "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung" - der Militanten Gruppe [mg] - vorgeworfen wird. Während einerseits die BRD sich an der militärischen Besatzung Afghanistans beteiligt und somit verantwortlich für die zahlreichen Morde und Verbrechen an der afghanischen Bevölkerung ist, werden andererseits hier die Menschen, die sich aktiv gegen den Krieg stellen, verfolgt und kriminalisiert.

Die demokratische und fortschrittliche Öffentlichkeit darf nicht weiter wegsehen und schweigen, während unter der Demagogie des "Kampfes gegen den internationalen Terrorismus" die elementarsten Grundrechte und -Freiheiten sowie das legitime Recht auf Widerstand außer Kraft gesetzt werden. Die seit dem 11.9. systematisch geschürte Terrorhysterie bietet weiterhin den Vorwand und die Rechtfertigung für die Einführung, Erweiterung und Anwendung eben solcher Gesetze. Die aktuellen Repressionsbeispiele zeigen eindeutig und offensichtlich, dass der so genannte "Kampf gegen den internationalen Terrorismus" in erster Linie die Kriminalisierung linker und fortschrittlicher Kräfte zur Folge hat bzw. dadurch erst gesetzlich ermöglicht wird.

Wir rufen alle demokratischen und fortschrittlichen Kräfte dazu auf, die repressive Entwicklung kritisch zu hinterfragen, sich geschlossen und gemeinsam gegen die internationalen Angriffe zu stellen und sich den Betroffenen gegenüber solidarisch zu verhalten!

Unsere Solidarität gegen ihre Repression!

Freiheit für Ahmet Istanbullu, Nurhan Erdem und Cengiz Oban!
Weg mit den Paragrafen 129!!! Freiheit für alle politischen Gefangenen!!!
Komitee gegen die Paragrafen 129


*


Erklärung aus aktuellem Anlass

Am Morgen des 5.11. wurden Ahmet Istanbullu, Cengiz Oban und Nurhan Erdem bei einer Polizeirazzia in NRW verhaftet. Die 3 Genossen haben sich legal gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und auch in Deutschland engagiert. In den letzten Monaten galt ihr Kampf der Herstellung von Öffentlichkeit zum 129b-Prozess gegen linke türkische Exilstrukturen in Stuttgart-Stammheim und ganz besonders der Freilassung des schwer herzkranken Journalisten Mustafa Atalay, der ebenfalls dort angeklagt ist.

Wir fordern:

Freilassung von Ahmet Istanbullu, Cengiz Oban und Nurhan Erdem und Mustafa Atalay!

Weg mit den Paragraphen 129a und 129b!

Besucht das 129b-Verfahren in Stuttgart-Stammheim und das "mg"-Verfahren in Berlin!

Verabschiedet am Roten Abend der Internationalen KommunistInnen am 5.11. in Berlin anlässlich einer Veranstaltung zum Berliner Paragraph 129-Verfahren

Die Adressen der Festgenommenen:

Ahmet Istanbullu: JVA Wupperal Simonshöfchen 26, 42327 Wuppertal
Cengiz Obam: Justizvollzugsanstalt Bochum, Krümmede 3, 44791 Bochum
Nurhan Erdem: JVA Köln Rochusstraße 350 50827 Köln

Cengiz und Nurhan verstehen Deutsch.


*


Berlin

Zur Situation von Andrea

Aus einem Kurzinterview mit der Andrea-Soligruppe

Wie sind die aktuellen Bedingungen vor Ort?

Momentan ist im Knast Umbau, und sie muss in einer Doppelzelle sitzen, was ihr nicht so gefällt. Dort wo sie jetzt sitzt, klappt es mit den Telefonieren auch nicht so recht. Verbindungen sind schlecht und hoher Andrang. Daher hat sie auch kaum Zeit zum Telefonieren. Die machen ihr ziemlichen Stress, weil sie die Arbeit verweigert. Darf im Kiosk nicht einkaufen, da sie das nur mit dem erarbeiteten Geld machen kann. Das bedeutet, dass sie nur den Fraß vom Knast bekommt. Daher auch ihr Vitaminmangel. Von Juni bis zu ihrer Freilassung fordern sie von ihr die Knastkosten, da sie nicht arbeitet.

Was benötigt ihr zur Zeit, um eure Kampagne weiter führen zu können?

Wie bestimmt auch ihr, GELD!!!

Was benötigt Andrea speziell?

Schreibt ihr Briefe. Das findet sie cool. Sie will alles von der Außenwelt mitbekommen. Das heißt, wenn ihr Diskussionspapiere, Grußbotschaften habt oder Infos was geht, immer reinschicken. Das wäre gut.

Wie ist ihr momentaner Status im Knast? Verweigert sie immer noch die Arbeit? Welche Rolle hat sie als Politische hinter Gittern eingenommen?

Generell sind wir und ich glaube auch Andrea bemüht, den politischen Status nicht so in den Vordergrund zu stellen. Wir sind für die Freilassung aller Gefangener. Natürlich bekommen die Knastfrauen und die WärterInnen mit, dass sie eine politische Solidarität erhält, aufgrund der Kundgebungen. Bei der letzte Kundgebung zu ihrem Geburtstag am 08.05. hat Mensch nur sie extra weggesperrt, so dass sie nix mitbekommen sollte.


Andreas Adresse:
Andrea Neff Bnr: 746/07/2
Justizvollzugsanstalt für Frauen in Berlin
Arkonastr.56 13189 Berlin

Soliarbeit kostet Geld! Spendet:
Rote Hilfe
Konto: 7189 590 600, BLZ: 100 200 00
Berliner Bank,
Verwendungszweck: Soli Andrea

Ergänzungen:
Obwohl sie von der Antirassistischen Initiative ein Arbeitsangebot erhalten hat, wird ihr diese Tätigkeit vom Knast verweigert. Als Gründe werden angeführt, Andrea leiste keine "Mitwirkungspflicht" im Knast z.B. gegenüber SozialarbeiterInnen bezüglich "ihrer Straftaten", d.h. sie zeigt keine "Reue". Am 30.Januar 2009 ist ihre Haftzeit beendet und Andrea kommt dann endlich nach 14 Monaten frei!


*


Freiheit für alle politischen Gefangenen

Solidarität aufbauen
Kapitalismus abschaffen
für den Kommunismus

Den Kampf für die Freiheit der revolutionären Gefangenen und aller kämpfenden Gefangenen zur eigenen Sache machen!

Schreibt ihnen - informiert sie - bezieht sie in eure Kämpfe ein

Devrimci tutsaklarin ve direnen tutsaklarin özgürlügü için mücadeleyi sahiplenelim!

Onlara yazalim - onlari bilgilendirelim ve mücadelemize katalim

Faisons la lutte pour la liberté des prisonniers révolutionaires et ceux en lutte la notre!

Écrivons aux prisonniers - pour les informer - pour les faire partager dans nos luttes

Hagamos la lucha por la libertad de l@s prisoner@s revolucionari@s y l@as prisoner@s en lucha la nuestra!

Que les escribimos, que les informamos, que compartimos nuestra lucha con ellos


*


Radio Flora zum Tode des Schriftstellers und Kommunisten Christian Geissler

Im Sommer verstarb Christian im Alter von 79 Jahren in Hamburg. Er war einer der wenigen Intellektuellen, die keinen Frieden mit diesem Staat und den gesellschaftlichen Verhältnissen geschlossen hatten.

Da vor allem für jüngere Menschen Christian kein Begriff mehr ist, wird es anfangs eine Einführung in sein umfassendes literarisches Werk geben.

Schwerpunkt wird aber ein längeres Radiointerview aus dem Jahre 2005 sein, das anlässlich des 18. März, dem Tag für die Freiheit der politischen Gefangenen, mit ihm geführt wurde.

Dieses Gespräch handelte von:

seiner Zeit in der KPD
die Ereignisse am 2.6.67, dem Tod von Benno Ohnesorg
Ulrike Meinhof, die er schon seit den fünfziger Jahren aus der KPD kannte
14.5.1970: die Befreiung von Andreas Baader aus dem Gefängnis und seine (Geisslers) Auseinandersetzung mit der RAF
seine Arbeit im Komitee gegen die Folter an den politischen Gefangenen in der BRD
die Zeit um 1989 mit den Brüchen und Dissonanzen
Ausblick, um zu lernen und damit wieder stärker zu werden
zwischendurch wurde Musik gespielt, die die Geschichte des Aufbruches behandelte.

Leider war die Zeit bedingt u.a. durch sein Alter und seine angegriffene Gesundheit zu knapp, um dieses Gespräch zu Ende zu bringen.

"... im übrigen:
die geschichte des bewaffneten
kampfes ist nach 77 und
auch nach 89 und auch nach 92
und auch nach 98 so wenig
zuende wie die geschichte der
internationalen klassenkämpfe.
für diese treue im historischen
prozess sorgt das
herrschende system der ausbeutung
des menschen durch
den menschen. das ist, mitten
in der scheiße, schön. der
mensch, das ist seine schönheit,
läßt sich auf die dauer
nicht erniedrigen und beleidigen..."

Christian Geissler schrieb das an die Medien 1998 nach der Auflösungserklärung der RAF.

Eine Sendung von Magazin International:
Montag, den 29.12. von 18.05 - 20.00 Uhr

Zu hören auch per Livestream über: www.radioflora.de

P.S. Leider wird Radio Flora aus Hannover am 31. März 2009 von den zuständigen Stellen geschlossen.


*


Todessdrohung gegen Kolumbienkampagne

Die kolumbianische Paramilitärische Organisation "Aguilas Negras" (Schwarze Adler), ein Block der ehemaligen, seit 2006 offiziell aufgelösten AUC (Autodefensas Unidas de Colombia), hat alle Organisationen und Gruppen des europäisch-kolumbianischen Solidaritätsnetzwerks "Red de Hermandad" zu "militärischen Zielen" erklärt, darunter auch die Kolumbienkampagne Berlin.

In einem per Email eingegangenen Drohbrief werden die Mitglieder der aufgelisteten Organisationen aufgefordert zu schweigen, ansonsten würde man sie "zum Schweigen bringen". Anschließend wird auf 38 in diesem Jahr bereits ermordete Personen verwiesen und gedroht, dass den Mitgliedern der genannten Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen, Bauern- und Studentenverbänden das gleiche Schicksal zuteil werde.

Äußerst besorgniserregend ist die zeitliche Nähe zwischen der Ausweisung der deutschen Menschenrechtsbeobachterin Friederike Müller am 2. Oktober 2008 in Cali (Kolumbien) und der vorübergehenden Festnahme des französischen Journalisten und Mitarbeiters des Red de Hermandad, Damien Fellous, und seiner zwei Begleiter am 13. Oktober 2008 in Palmira (Kolumbien) durch die kolumbianischen Behörden. Diese hatten in Cali und Palmira Demonstrationen der streikenden Zuckerrohrarbeiter begleitet und über die Streiks berichten wollen.

Mit solchem willkürlichen Vorgehen gegen internationale Menschenrechtsbeobachter behindern die kolumbianischen Behörden nicht nur die Menschenrechtsarbeit kolumbianischer und internationaler NGOs, sondern sie liefern den Paramilitärs auch eine Legitimationsgrundlage für ihr illegales Handeln. Die Kolumbienkampagne und das Red de Hermandad fordern von der kolumbianischen Regierung Schutzmaßnahmen und umfassende Sicherheitsgarantien, damit sie ihre Arbeit in Kolumbien fortsetzen können.

Das Netzwerk "Red de Hermandad" leistet seit vielen Jahren durch Menschenrechtsbeobachtung und Begleitung von bedrohten Organisationen kolumbianischer sozialer Bewegungen durch internationale Freiwillige einen Beitrag zur Verbesserung der prekären Menschenrechtssituation in verschiedenen Landesteilen Kolumbiens. Durch die Anwesenheit internationaler Begleiter und die Dokumentation von - zumeist von Militär und rechten Paramilitärs begangenen - Menschenrechtsverletzungen will das Red de Hermandad den oft seit Jahren verfolgten Gewerkschaftern und Menschenrechtsorganisationen die alltägliche Arbeit und den Wiederaufbau ihrer zerschlagenenen [Organisationen ermöglichen].


*


Die Spur der Vereinzelung im Knast ...

"In der Wüste sah ich ein Geschöpf, nackt, bestialisch, welches, am Boden kauernd, sein Herz in Händen hielt und davon aß! Ich sagte: "Ist es gut, Freund?" - "Es ist bitter, bitter", antwortete er, "aber ich mag es, weil es bitter ist, und weil es mein Herz ist."
(Stephen Crane)

Wer sich in den Gefängnissen - zumindest jenen in Deutschland, denn anderorts verhält es sich vielleicht anders (vgl. beispielweise die Berichte in Belgien, Spanien, Frankreich oder Südamerika) - umsieht, begegnet vielen solcher "Geschöpfe", die ihr eigenes Herz in Händen halten und davon essen.

Vereinzelt hocken sie in ihren Zellen vor ihren Spielkonsolen, den Flachbildfernsehern und lassen leben - anstatt selbst zu leben. In der Türkei starben in den letzten Jahren viele (gefangene) GenossInnen in Kampf gegen die Einführung der "F-Typ"-Knäste: es wurden viele Knäste, die über Großraumzellen mit jeweils Dutzenden Gefangenen pro Raum verfügten, geschlossen. Die betroffenen Gefangenen verlegte man in Anstalten die jenem System von Stuttgart-Stammheim glichen: Einzelzellen, sowie durch bauliche Maßnahmen eine Reduzierung der Kommunikationsmöglichkeit von Zellenfenster zu Zellenfenster. Und dies wurde von der türkischen Regierung als "Modernisierung", als Anpassung an den "europäischen Standard" bezeichnet.

Die schon durch die Gestaltung der Hafthäuser bedingte Vereinzelung und Isolierung der Gefangenen schreitet auch in Deutschland voran. Ziel sind kleine, übersichtliche "Wohngruppen", die dem Personal ein Höchstmaß an Kontrolle den der Eingesperrten ermöglicht. Entsprechend werden Neubauten eingeplant oder bestehende Anstalten, die vielfach aus dem 19. Jahrhundert (Bruchsal als Knast zum Beispiel wurde 1848 erbaut) stammen, umgebaut.

Aber jene äußeren Rahmenbedingungen sind nur die eine Seite.

Die andere Seite betrifft das Handeln der Gefangenen, die nämlich den Prozess der Vereinzelung selbst unterstützen.

Sei es durch die eingangs erwähnten Spielkonsolen und Fernseher, vor allem aber dadurch, dass sie Solidarität in aller Regel ablehnen. Und kollektives Handeln stellt die absolute Ausnahme dar, zumindest wenn es um die Einforderung eigener Rechte und Belange geht.

Anlässlich der Fußball-Euromeisterschaft im Juni 2008 trommelten zahlreiche Insassen gegen ihre Zellentüre, wenn "ihre" Mannschaft ein Tor schoss. Die Mauern bebten! Aber mit gleicher Energie ihre Menschenrechte einzufordern, käme nur den allerwenigsten in den Sinn. Sie fürchten die Repression der Anstaltsleitungen, schlechte Stellungnahmen an die Gerichte in Entlassungsverfahren (der "Witz" dabei ist: auf Bewährung vorzeitig entlassen werden nur 30% - vgl. Tröndle/Fischer, StGB-Kommentar, 54.A,. Paragraph 57Rz1 - aber jeder hofft, zu diesen 30% zu gehören).

Oder sie haben Angst vor dem Schwert der nachträglichen Sicherungsverwahrung (mittlerweile kann nämlich die zeitlich unbefristete Sicherungsverwahrung auch nachträglich verhängt werden), wobei diese Angst in fast allen Fällen unbegründet ist, da objektiv keine Gefahr besteht, hierzu verurteilt zu werden.

Es sind also mehrere Faktoren, die zusammenkommen und welche die Vereinzelung und damit auch die Entsolidarisierung fördern.

Und dabei war noch gar nicht die Rede von jenen Gefangenen die sich als Hilfspolizisten begreifen und Mitgefangenen bei der Anstalt denunzieren; dies fördert ein Klima gegenseitigen Misstrauens.

Ach ja, und dann ist da noch die Lethargie, das Prinzip "Hoffnungslosigkeit" (das alles bringt doch eh nichts ...)

Gegen Letzteres kann eine Solidaritätsbewegung, wie sie beispielweise anarchist black cross darstellt, helfen!

Denn ohne Rückhalt von außen ist es schwer, als (vereinzelte) Gefangenen gegen den Justizapparat zu bestehen und nicht zermalmt zu werden.

Ansonsten liegt es an jenen Gefangenen, die es auch in jeder Anstalt gibt: jene, die "querschießen", sich nicht anpassen, sich wehren, Initiativen auf die Beine stellen (exemplarisch) sei die Interessenvertretung Inhaftierter von Peter Scherzl genannt).

An jenen liegt es, den Gedanken der Solidarität zu verbreiten, populär zu machen, Basisarbeit zu leisten.

Auch Spartakus hat mal klein angefangen, bevor er die Sklaven vor über 2000 Jahren gegen Rom führte (freilich geht es nicht darum, eine hierarchische Organisation zu gründen, sondern kollektiv zu handeln und ebenso zu entscheiden).

Wir, die Gefangenen, aber auch die Menschen "draußen" (denn auch dort ist die Vereinzelung keineswegs nur eine Ausnahme) sollten nicht weiter unsere Herzen aufessen, wir sollten vielmehr von dem Boden, auf dem wir kauern, aufstehen!

Wir sollten die Wüste verlassen! Gemeinsam sollten wir aufstehen und rufen: "Yes, we can! We will strike back!"

Thomas Meyer-Falk, Schönbornstr. 32, 76746 Bruchsal http://www.freedom-for-thomas.de


Radiotipp von Thomas Meyer-Falk:
Deutschlandfunk
Freitag, den 12.12. um 20.10 Uhr
Das Gespenst Freiheit
Wenn der Knast zum Zuhause wird
Von Paula Schneider aus dem Jahre 2008
u.a. auch über Gefangene der JVA Tegel


*


Zwei Briefe von Gabriel

"Sie werden uns nicht anhalten!"

Liebe Mitstreiter/innen,

zunächst möchte ich meiner persönlichen Zufriedenheit Ausdruck geben in Bezug auf die vielen Handlungen, Aktionen, Aussagen und Demonstrationen der Solidarität, die (auf internationaler Ebene) stattgefunden haben zum Hungerstreik im August in Deutschland. Ich denke, dass dieser kollektive Hungerstreik, bei dem wir mit etwa 500 Gefangenen beteiligt waren, uns selbst wie auch die Leute draußen überrascht hat; besonders in Deutschland, wo, wie ich es schon gesagt habe, es sich um den ersten kollektiven und selbst organisierten HS sozialer Gefangener handelt. Unzweifelhaft kann sich die Vereinigung IvI die Früchte ihrer Mobilisationsarbeit zuschreiben. Das kann niemand leugnen.

(...) Wir können Hungerstreik als eines der wenigen Mittel ansehen, die ein gefangener Mensch zur Verfügung hat, um zu kämpfen und/oder die Aufmerksamkeit auf seine Situation, die der anderen Mitstreiter/ innen und andere Fragen zu lenken. Man sollte nie den Zusammenhang vergessen, in dem sich der Kampf entwickelt: die Gefängnisse (in all ihren Formen, für Jugendliche, für Einwanderer).

Wenn man in Betracht zieht, dass die Zersplitterung nicht nur ein (durch die Massengesellschaft hervorgerufenes) gesellschaftliches Phänomen "draußen" ist, sondern dass sie auch in den Gefängnissen (die dafür eine wahrhafte soziale und politische Spiegelung sind) und anderen Anstalten des Ausgrenzens, der Absonderung besteht, kann man verstehen, warum wir ein Instrument wie den Hungerstreik wählen. Hungerstreik erlaubt es uns, unsere Forderungen und/oder Erklärungen darzustellen, wie auch immer ihr Charakter ist (legalistisch, reformistisch, radikal usw.), und ihr Ziel.

Andererseits gibt es den subjektiven Faktor, den diese Kämpfe hervorrufen, in denen jedes Individuum sich als aktiver Teil einer Initiative fühlt und weiß, dass es das ist, einer Initiative, die sowohl über die eigene Persönlichkeit als auch die Bedingungen hinaus steigt, die versuchen, es auf ein Nichts zu reduzieren.

Die abgestuften deutschen Gefängnisse (nach Spanien exportiert zu Beginn der 80er Jahre) haben eine bestimmte Funktion: die Gefangenen zu klassifizieren, disziplinieren und von einander zu trennen durch räumliche Verstreuung, Isolierung und Individualisierung. In einem "Raum", in dem die Individuen sich nicht kennen und sich nicht als gleichwertig anerkennen, kann ein Gefühl von Gemeinschaft schwerlich entstehen. Das ruft eher Gleichgültigkeit, Konkurrenz und Egoismus hervor. Deshalb trennt man in deutschen Gefängnissen (die auf internationaler Ebene immer mehr kopiert werden) vom Haftbeginn an die Kumpel/ innen und Freund/inn/en (Dispersion), und im Gefängnis studieren und sieben sie das durch, was sie "psychologisches Profil" des/der Gefangenen nennen, um darüber zu wachen, dass sie keinerlei Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln können, das für die Institution problematisch werden könnte.

Aus all diesen Gründen (und noch mehr) wollen wir (eine gewisse Gruppe von Gefangenen) mit Hungerstreik einen gemeinsamen Kampfraum schaffen, der diese Atomisierung und Isolierung überwindet.

Ich glaube es ist überflüssig zu betonen, dass andere Arten, die Anstalt und ihre Untaten zurückzuweisen und gegen sie zu kämpfen, in persönlichen Handlungen zahlreicher Gefangener im Gefängnisalltag stattfinden (Flucht, Angriffe gegen Wächter, Klagen etc. etc.).

Gegen die verschiedenen Ausprägungen der "weißen Folter" (FIES, QHS, 41bis, 270, F-Typ etc.) und die verschiedenen Wegsperrzentren "Centres d'enfermement) zu kämpfen, geht über nationale Zusammenhänge hinaus; genau so wie der Kampf gegen die lebenslange Haftstrafe (in formeller oder versteckter Form) oder die Kriminalisierung/ Inhaftierung einer immer größeren Anzahl von Menschen, Ideen, Kollektiven und Verhaltensweisen. Sicher hat jeder Zusammenhang und jedes Land seine Eigenheiten, sowohl in den Vorgehensweisen als auch in den Mitteln, wie solche repressive Politik angewandt wird. Unsere Aufgabe besteht darin, die Mittel und Formen sichtbar zu machen, die diese politischen Strukturen praktisch entwickeln.

Wir versuchen gleichzeitig, eine Dynamik der Kämpfe und des Widerstands, der Agitation und der Bewusstwerdung unter unseren gefangenen Kamerad/inn/en zu entwickeln. Persönlich war ich keinesfalls überrascht über die Antwort des NRW-Justizministeriums, das unsere Teilnahme am August- HS geleugnet hat - was können sie schon sagen? - und auch nicht über das komplizenhafte Schweigen der Massenmedien (taz, Junge Welt und Neues Deutschland ausgenommen).

Wie dem auch sei, mit den Kamerad/ inn/en der IvI und mit einigen anarchistischen Einzelnen sind wir bereit, diesen langen Kampf fortzuführen. Zur Zeit sind wir dabei, uns auf den HS vorzubereiten, der im Dezember in Italien durch und für die "Lebenslänglichen" stattfinden wird. Wir glauben, dass das eine gute Gelegenheit sein wird, um den Kämpfen gegen die Gefängnisse und den Vorschlägen wie der, der uns aus Spanien erreicht hat, weitere Impulse zu geben. Im Augenblick sind wir damit beschäftigt, das Programm und die Vorschläge der italienischen Kamerad/inn/en "Mai dire Mai" (Niemals nie sagen) ins Deutsche zu übersetzen, sowie auch "Propuestas en torno a las condenas largas y la cadena perpetua encubierta" (Vorschläge rund um die Langstrafen und die versteckte Verurteilung zu lebenslänglich) und "Lettre aux compagnonNEs anarchistes " (Brief an die anarchistischen Kampfgefährt/ inn/en) von Carmelo Musumeci (sei gegrüßt, Kamerad!) ... Gleichzeitig stellen die Kamerad/inn/en der Vereinigung IvI ein spezielles Dossier zusammen über Vorschläge und den Zusammenhang des deutschen Gefängnissystems.

Wir glauben, dass es wichtig ist, diese Entwürfe zu verbreiten, um der Diskussion und Auseinandersetzung auf internationaler Ebene Nahrung zu geben.

(Es folgen noch Grüße an verschiedene anarchistische Genoss/inn/en und noch mal kurzes Statement über das sich Ergänzen verschiedener Arten des Kampfes. Habe dafür jetzt keine Zeit, weil sofort Versammlung)

SIE WERDEN UNS NICHT ANHALTEN!
ES LEBE DIE INTERNATIONALE SOLIDARITÄT!

Gabriel Aachen, Oktober 2008


*


Rom und das Individuum

Liebe GenossInnen,

wie Ihr schon wisst, erschien vor einiger Zeit ein Artikel in der italienischen Zeitung "La Stampa", in welchem ich beschuldigt wurde, der "Ideologe" der FAI (Informelle) zu sein. Der rote Faden, welcher mit den letzten in Italien stattgefundenen "Anschlägen" in Verbindung steht, derjenige, welcher einen "extrem individualistischen" Anarchismus "verkündet" usw.

Natürlich wusste ich, das hinter diesem "Artikel" einige Bullen mit sehr bösen Absichten stecken (die "JournalistInnen" sind nicht anders gewesen, als "Instrumente" in den Händen der Geheimdienste).

Am letzten 8. Oktober kamen ein italienischer Magistrat der Turiner Staatsanwaltschaft, der Turiner Polizeichef und zwei Carabinieri (der ROS "spezielles Kommando der Carabinieri" und der "Digos", die politische Abteilung) hier in den Aachener Knast. Dabei waren auch deutsche Beamte, der Aachener Polizeichef und zwei hochgradige Beamte der deutsche Polizei (BKA und LKA), welche gekommen waren, um mich zu verhören.

Wie ich mir schon vorgestellt hatte, gingen die Fragen um die FAI (Informelle), um einige meiner Briefe und Texte, sowie um ein paar meiner GenossInnen ...

Selbstverständlich habe ich zugehört, was sie von mir wollten, und ich habe so geantwortet, wie ich Lust drauf hatte, allerdings mit dem Bewusstsein im Kopf, dass jedes Worte in den Händen dieser Subjekte eine zweischneidige Waffe ist ...

Ich bin mir extrem bewusst, dass die gegen mich laufenden Ermittlungen (genauso gegen diejenigen, welche in meiner Nähe sind) nur dem Aufbau eines juristischen, journalistischen sowie polizeilichen Konstrukts dienen. Die Absicht dahinter ist, die Individuen des revolutionären und solidarischen Anarchismus einzuschüchtern.

Dennoch, in diesem Fall verlieren sie ihre Zeit und das Geld der "braven SteuerzahlerInnen", weil in meinem Alter (und nachdem, was ich alles bis jetzt erlebt habe) solche Sachen in mir nur ein verachtendes Lächeln provozieren.

Für einen kurzen Augenblick habe ich gedacht, dass die "brave Gesellschaft", welche der italienische Staat repräsentiert, mich über die Mörder an meinen Genossen in den niederträchtigen FIES-Abteilungen verhören wollte. Dennoch habe ich sehr schnell realisiert, dass diejenigen, welche ähnliche Abteilungen (41bis, 270, usw.) und dazu noch die Lebenslänglich haben, überhaupt keine Absicht besitzen können, zu solchen Sachen ermitteln zu wollen (Rom bezahlt ihre VerräterInnen nicht ...).

Diejenigen, welche, wie eben diese, ihre Zeit der Verfolgung jeden Schrittes oder jeder Person, welche bei der letzten italienischen Auflage des Buches von Xose' Tarrio "Huye, hombre, huye"(1) mitgemacht haben, seine Mutter einbezogen, gewidmet haben, diese haben keinen Respekt verdient ...

Um gar nicht zu erwähnen, was solche Unvorzeigbaren während des G8 in Genua gegen die revolutionäre Bewegung sowie andere, gemacht haben...

Dennoch ... Ihr habt mich hier ... Ihr könnt mich in Ketten vorführen (wie in der Vergangenheit während des Krieges gegen die "Galli", in "Vincentorix" in Rom), um als Trophäe den "braven BürgerInnen" Italiens vorzuführen (Ihr musst keine Angst haben, dass die spanische Behörden sich für mich positiv einsetzen werden) ... Hier für Euch ein "sichtbares Gesicht", eine rebellische Stimme von den "fürchterlichen InsurrektionalistInnen", welche uns mit den Steuern erpressen, die Bomben über gesamte Bevölkerungen abschießen, die unsere Kinder mittels unanständiger Propaganda verderben, die foltern, töten und vergewaltigen, und, und, und ...!!!

Wie ihr seht, ich agiere nicht "im Geheimen", weder verstecke ich mich, noch bin ich von euer Legionen von bezahlten Prahlern eingeschüchtert ... Ich wiederhole es noch mal: Ihr habt mich hier!

Das ist alles erstmal ...

Eine anarchistische Umarmung für die GenossInnen

[Gabriel]

(1) Das Buch gibt es auch in deutscher Sprache: Hau ab, Mensch!


*


Dezember 2008

Hungerstreik der Lebenslänglichen Italiens

Offener Brief von Carmelo Musumeci an die anarchistischen GenossInnen

Im vergangenen Jahr, am 1. Dezember 2007, haben die Lebenslänglichen Italiens das erste Mal in der Geschichte einen Hungerstreik unternommen, um die Abschaffung des Lebenslänglich zu fordern. Bei diesen waren nicht nur sie selber, sondern auch ihre Familien und normale BürgerInnen involviert. - Und die AnarchistInnen? Die AnarchistInnen sind, wie immer, zusammen mit den letzteren dabei gewesen und haben den Kampf der Lebenslänglichen am meisten unterstützt.

Weil die Lebenslänglichen sich dazu entschieden haben, sich nicht länger schweigend foltern zu lassen, versuchen sie es noch mal dieses Jahr und haben beschlossen, ab dem 1. Dezember 2008 einen Stafettenlauf-Hungerstreik zu unternehmen. Um mehr darüber zu erfahren, könnt Ihr die Website www.informacarcere.it besuchen.

Was werden die AnarchistInnen aus Italien und Europa machen? Die Lebenslänglichen wissen es schon! Es ist sicher, dass sie noch mal in der ersten Linie mit dabei sein werden, für die Freiheit kämpfend, so wie es während ihrer ganzen Geschichte gewesen ist. Die Wege, um mit uns zu kämpfen, müsst Ihr selber finden. Dazu fällt mir ein, dass eine Freundin von uns aus Irland mal erzählt hat, dass in England und Frankreich, wenn für irgendetwas Aufmerksamkeit erzielen werden soll, weiße Bettwäsche mit einem Schriftzug an Straßenüberführungen, an einem Monument oder an anderen öffentlichen Räumen befestigt "auftauchen". Danach werden Bilder davon im Internet veröffentlicht, und falls es möglich ist, eine ausreichende Zahl von weißer Bettwäsche (oder Transparente) innerhalb der gleichen Periode, an verschiedenen Orten, auftauchen zu lassen, dann werden die Medien es versuchen, eine Antwort zu geben, zu der Frage, welche die Leute sich stellen! In den meisten Fällen.

Wir besitzen nur einen einzigen Weg, um Aufmerksamkeit zu erzielen: nichts essen. Und dies ist genau das, was wir machen werden. Es sieht so aus, als wenn alle da draußen aufgegeben hätten zu kämpfen, allerdings weder die Lebenslänglichen noch die AnarchistInnen! Die Macht, jegliche Art und Weise von Macht, falls sie alleine zur Entscheidung kommen sollte, würde nichts erlauben.

Es muss gekämpft werden und wir haben uns dazu entschlossen, dies zu tun. Allein oder mit Euch, wir werden kämpfen. Draußen gibt es keine Unstimmigkeit mehr. Die Souveränität gehört nicht mehr der Bevölkerung, sondern den Massenmedien. Die Bevölkerung besitzt nicht mehr die Instrumente, um sich ein eigenes Bewusstsein aufzubauen. Die Tatsache, dass genau von "da drin" Schreie nach Freiheit und Veränderung geboren werden, ist schön und interessant ... reicht uns eine Hand, um den Flusslauf wechseln zu können.

Für die Lebenslänglichen im Kampf aus Spoleto

Carmelo Musumeci, 27.9.08

Carmelo ist ein Gefangener, welcher schon seit mehreren Jahren gegen die Knastbedingungen kämpft. Er steht auch im Kontakt mit verschiedenen anarchistischen Gruppen Italiens.


*


Solidarität

Erklärung zur dritten Delegation der RHI, die nach Mailand in Solidarität mit der/den angeklagten im Prozess gegen die PC p-m angeklagten Genossin/Genossen gefahren ist

Liebe Genossinnen,
Liebe Genossen,

Zum dritten Mal organisiert die Kommission für eine RHI eine internationale Delegation vor die Tore des Gerichts und in den Saal der Klassenjustiz, um die Genossin und die Genossen im Prozess nach dem konterrevolutionären Angriff "Tramonto" ("Sonnenuntergang") vom 12.02.07 zu grüßen.

Und es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir unsere internationale Klassensolidarität auf die Straße und in den Gerichtssaal tragen. In diesem Sinn sind wir mit den GenossInnen des PC p-m einig. Sie sagen in ihrem politischen Solidaritätspapier mit den wegen Mitgliedschaft in der kommunistischen Organisation mg (Militante Gruppe) angeklagten Genossen in Berlin:

"Der Neubeginn der revolutionären Bewegung führt auch durch den Gerichtssaal und die Gefängnisse als unvermeidbare Passagen für die Militanten, die sich ernsthaft mit dem revolutionären Kampf identifizieren. Und heute wird, auf Grund der endlosen Vertiefung der allgemeinen und historischen Krisenspirale, die Auseinandersetzung zwischen den Klassen und die Konfrontation zwischen den aufkommenden Klassenkräften und dem kapitalistischen System immer schärfer."

Deshalb bewegt sich die präventive Konterrevolution auf internationaler Ebene, um alle Versuche oder politischen Entwicklungsprozesse zu verhindern, zu blockieren oder einzukerkern, die sich auf den revolutionären Weg machen auf der Suche nach einer Klassenalternative zum kapitalistischen System. Die Instrumente der Konterrevolution sind verschieden, und die Bourgeoisie benützt, je nach Lage, entweder das der reinen Repression oder das des ideologischen Angriffs, wie ihn der deutsche Staat zur Zeit mit einem Film von Stefan Aust über die GenossInnen der RAF führt: "Der Baader-Meinhof-Komplex". Es ist der teuerste Film in der Geschichte des deutschen Kinos, mit einer massiven Propagandamaschinerie, die weit über die Grenzen Deutschlands hinausreicht, und mit einer Oscar-Nominierung, bevor er in den Kinosälen der Schweiz und Deutschlands angekommen ist! Ein Film mit einer klar deklarierten Absicht: "Wir haben ihn in dieser brutalen und blutigen Form produziert, damit jeder versteht: Es ist nicht wichtig, weshalb sie es getan haben, sondern dass sie es taten und dass es nie mehr vorkommen darf!"

Warum wird gerade jetzt ein Film mit dieser Absicht und Umsetzung produziert, der die Genossen der RAF als blutrünstige Psychopathen hinstellt? Weshalb die Aktionen der Repression wie "Tramonto" in Italien und in der Schweiz am 12.02.2007 und diesen Sommer auch in Belgien? Weshalb der Prozess in Berlin gegen die "mg" oder in Stuttgart gegen die DHKP-C in diesen Tagen?

Weil es heute wie gestern Viele gibt, die für die revolutionäre Klasse nach Alternativen zum Elend und zu den Kriegen des Kapitalismus suchen. Und es sind Viele, die sich auf einen Weg machen, der in der Geschichte die internationale kommunistische Bewegung zu vielen Errungenschaften geführt und die nötigen Lehren für die Kontinuität des Klassenkampfes gegeben hat.

In der Tat verwundert es in dieser historischen Phase des Kampfes nicht, dass sich die Konterrevolution auf dem präventiven Feld aufstellt und auch die internationale Klassensolidarität angreift. Wie es die Bundesanwaltschaft vor den Sommerferien tat, als sie dem Mailänder Gericht ein neues Dossier namens "Solidarität" übergab. Es versteht sich von selbst, dass auch diese Aktion, die den Prozessakten ein Dossier der schweizerischen und sicher auch der belgischen Konterrevolution hinzufügte, auf internationaler Ebene ausgebrütet worden war.

Der massive Schlag gegen die belgische Rote Hilfe vom 5.6.08 zeigt den internationalen Charakter der präventiven Konterrevolution klar auf.

Unsere Antwort kann nur eine sein: Die internationale Klassensolidarität aufbauen und festigen - die Einheit dort verteidigen, wo sie angegriffen wird: "Der Angriff auf Einen ist ein Angriff auf alle!"

Die Klassensolidarität, die sich nach der Aktion "Tramonto" oder dieses Jahr in Belgien entwickelt hat, zeig diesen Weg: Die Klassensolidarität ist eine Waffe, die international eingesetzt wird, und keine Repression kann sie aufhalten. Diese Entwicklung hat uns erlaubt, klare Antworten zu geben:

Die Einheit im Kampf ist eine Waffe, die jeder auf seinem Terrain anwendet, und gemeinsam verbinden wir sie auf internationaler Ebene.

Ohne diese Waffe wären die belgischen Genossen nicht aus der Untersuchungshaft herausgekommen, und ohne sie könnten sie die Genossen und die Genossin in Milano nicht im Gerichtssaal als Kampfgebiet einsetzen. Solidarität mit den von der Repression getroffenen GenossInnen in Italien, Belgien und der Schweiz!

Solidarität mit den GenossInnen in den Prozessen in Mailand, Berlin und Stuttgart! Solidarität mit allen politischen Gefangenen, Gefangenen, die in den imperialistischen Knästen widerstehen!

Den Kapitalismus zerschlagen - die internationale Klassensolidarität aufbauen und verteidigen, den Angriffen Schlag auf Schlag Antworten entgegensetzen.

Kommission für eine RHI 6.10.2008 Milano Wiederaufnahme Prozess PC p-m


*


Internationales Symposium gegen Isolation

Liebe Freundinnen und Freunde!

wir möchten Euch über eine große Veranstaltung im nächsten Monat informieren und würden uns freuen, wenn Ihr an unserem politischen und kulturellen Programm teilnehmen könnt.

Die Internationale Plattform gegen Isolation, die seit mehr als 7 Jahren daran arbeitet, fortschrittliche Kräfte, demokratische Basisorganisationen und Intellektuelle zu vernetzen, und jährlich eine Internationale Konferenz organisiert, beschäftigt sich mit aktuellen und brennenden Fragen wie Basisrechte entgegen der zunehmenden Kriminalisierung und Überwachung von oppositionellen Kräften, mit dem Völkerrecht entgegen der Verhängung von Embargos und Sanktionen gegen Länder wie Kuba oder Palästina, sowie mit den Rechten der politischen Gefangenen gegen Isolation, Repression und physische Folter, sowie mit anderen Maßnahmen, die eine faire Verteidigung der Gefangenen unmöglich macht.

Dieses Jahr wird das 7. Internationale Symposium gegen Isolation in Wien stattfinden.

Es werden viele interessante Gäste aus dem Irak, Palästina, Libanon, der Türkei, aus Irland, Italien, Deutschland, Belgien aus den USA, sowie VertreterInnen der Botschaften Kubas und Venezuelas in Wien teilnehmen.

Auch Themen, die in Österreich aktuell sind, wie die Kriminalisierung politischen Engagements sollen dabei behandelt werden. Zu diesem Thema wollen wir RechtsanwältInnen, politische AktivistInnen und kritische Menschen aus benachbarten Ländern und aus Österreich eingeladen. Neben den Seminaren wird auch ein internationales Kulturprogramm stattfinden. Es spielen MusikerInnen aus der Türkei, aus Irland, Lateinamerika und aus dem arabischen Raum.

Ziel der Veranstaltung ist es, für diese Themen zu sensibilisieren und ein aktives internationales Netzwerk von fortschrittlichen Kräften aufzubauen und die bestehenden Verknüpfungen zu stärken, um entschlossen für die Wahrung der Grundrechte und Freiheiten einzutreten.

Die Internationale Plattform ist ein langfristiges Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Aber die interessanten Vorträge und jährlichen Zusammenkünfte an sich, bieten die regelmäßige Möglichkeit, aktuelle Entwicklungen weiterzuverfolgen und sich auszutauschen.

Im Folgenden das Programm zur geplanten Veranstaltung, für die wir möglichst viel Öffentlichkeit erreichen möchten.

Wir hoffen in diesem Sinne, dass ihr euch von diesen Themen angesprochen fühlt und laden Euch ein, am Symposium aktiv teilzunehmen.

Mit solidarischen Grüßen

Sandra Bakutz
für die Internationale Plattform gegen Isolation
Kontakt: 0676/545 89 85


Unter den TeilnehmerInnen des diesjährigen Symposiums befinden sich Mitglieder von baskischen Menschenrechtsorganisationen, aus der Türkei Ra. Behic Asci, der 293 Tage am Todesfasten teilnahm, Ra. Selcuk Kozaagacli, der Vorsitzende des Progressiven AnwältInnenvereins, Ahmet Kulaksiz, der seine beiden Töchter im Todesfasten verloren hat, sowie GewerkschaftsvertreterInnen der DISK und KESK.

Es werden außerdem ehemalige politische Gefangene aus der Türkei und Irland, Mitglieder des Republican Sinn Fein, die irakische Rechtsanwältin Sahar Mahdi von der Union für politische Gefangene und Irakische Gefangene, Mohammed Safa vom Khiam Rehabilitationszentrum für Folteropfer im Libanon, Dr. Mariam Abu Daqa von der Developmental Women Studies Association in Gaza/Palästina, VertreterInnen der Organisation Opror aus Dänemark, Campacc oder SACC aus England/Schottland, , demokratische RechtsanwältInnen aus Deutschland und ev. Belgien, VertreterInnen des Vereins der Verfolgten des Naziregimes/ Antifaschistisches Bündnis, VertreterInnen des Komitees gegen Paragrafen 129ab, DOE (Föderation der GrundschullehrerInnen) aus Griechenland, Fritz Edlinger, von der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen (Österreich), Mag. Mustafa Akgün, Gesellschaft f. bedrohte Völker (Österreich), VertreterInnen der Botschaften Kubas und Venezuelas.

Am Kulturprogramm werden MusikerInnen, wie der irische politische Sänger Ciaran Murphy, Grup Yorum aus der Türkei, die lateinamerikanische Musikgruppe Sol Caribe und KünstlerInnen aus dem arabischen Raum teilnehmen.

Eingeladen wurden außerdem Familienmitglieder der 5 kubanischen Gefangenen. Ihre Teilnahme konnte bisher noch nicht bestätigt werden.

Wir hoffen auf weitere Zusagen in den kommenden Tagen und Wochen.

Das Programm findet sich unter:
http://www.ipai-isolation.info

Organisation: Internationale Plattform gegen Isolation,
http://www.ipai-isolation.

info, email: isolation@post.com unterstützt vom Türkei
Informationszentrum e.V.


*


Offener Brief der Eltern von Bertrand, Mathieu, Elsa, Aria und Yldune

Der Brief:

Wenn alle Medien zusammen in gemeinsamer Kakophonie eine Handvoll junger Menschen, die gerade im Gefängnis schmachten, zum Objekt ihrer Lügen werden lassen, ist es sehr schwer, den richtigen Ton zu treffen, um den Rabatz zu beenden und ein wenig Wahrheit einklingen zu lassen.

Viele Journalisten haben sich geradezu verbogen, um die Stellungnahmen von der Innenministerin zu bestätigen, sogar bereits zu dem Zeitpunkt, wo die Razzien noch stattgefunden haben. Die Verhafteten wurden deshalb von Beginn an schuldig erklärt.

Niemand konnte sich der effekthascherischen Reality-Polizeishow der letzten zwei Wochen entziehen, wobei die Kinder in die Hauptrollen gezwungen wurden. Der seelische Schmerz, die Angst und Tränen haben uns heruntergerissen, dieser Zustand hält immer noch an. Aber das, was uns am meisten verletzt hat, uns am meisten zerstörte, ist die ausgebrochene Flut der Lügen.

Heute waren es unsere Kinder, morgen könnten es eure sein. Wir sind immer noch fassungslos, aber wir sind nicht länger gelähmt. Die folgenden Fakten sind ein Versuch, zurück zur Wahrheit zu finden und die öffentliche Vorverurteilung verstummen zu lassen.

Unsere Kinder kamen offensichtlich in den Genuss einer Sonderbehandlung, 108 Stunden in Dunkelheit eingesperrt, einige ohne jegliche Anklage. Um das zu rechtfertigen, wurde uns erzählt, dass es sich um ganz seltsame, sonderbare Menschen handelt, die man nicht an jeder Straßenecke findet. Gleichzeitig wurde uns deutlich, dass sie doch ganz normale Menschen sind, mit Meinungen und Positionen, die du überall finden kannst.

Die Polizei warf unseren Kindern vor, sich zu organisieren. Sie sollen sich gemeinsam lokal für ihre grundlegenden Bedürfnisse eingesetzt haben, ein dörfliches Lebensmittelgeschäft, das geschlossen wurde, wieder eröffnet und aufgegebenes Land kultiviert und die Essensverteilung an alte Leute organisiert haben. Ist es schlecht, sich für Grundbedürfnisse zu organisieren? Hier, in Zeiten der Krise? Unsere Kinder wurden als Radikale eingeordnet. Im Wörterbuch steht Radikal für: ein Problem bei den Wurzeln anpacken. In Tarnak bauten unsere Kinder Möhren an - ohne Chefs oder Führungskräfte. Weil sie blauäugig der Überzeugung sind, dass Leben, Intelligenz und Entscheidungen freudvoller sind, wenn sie gemeinschaftlich getroffen werden.

Das Innenministerin ließ uns wissen, dass ein einfaches Lesen des Buches " "L'insurrection qui vient (der kommende Aufstand), verfasst von dem "comite invisible" (das unsichtbare Komitee), einem schon zum Terroristen macht. Dadurch, dass sie das Buch öffentlich in den Medien bespricht, riskiert sie bald 25000 mehr von ihnen auf ihrem Hoheitsgebiet. Für all die Menschen, die sich die Zeit nehmen, das Werk zu lesen, ist das Buch kein "Terroristischer Katechismus", sondern ein politisches Essay mit dem Versuch, neue Perspektiven zu entwickeln und gemäß Nouvel Observateur und Libération eines der bestverkauften sozialwissenschaftlichen Bücher des Jahres.

Unsere Kinder werden beschuldigt, an einer Demonstration am 3. November in Vichy teilgenommen zu haben. Einige unter uns sind die Kinder, die Enkel von denen, die durch das Vichy Regime deportiert wurden. Dass unsere Kinder sich entschieden haben auf diese Demonstration zu gehen und sich körperlich dem Immigrationsgipfel entgegengestellt haben in einer Stadt voll solcher Symbolik, füllt uns mit Stolz, aber auch Hoffnung und Mut.

Kehren wir zu zurück zu den Verdächtigungen gegen unsere Kinder. Entgegen dem, was behauptet wurde, terrorisiert die Sabotage von Schienen nicht die Bevölkerung oder bringt Menschen in Gefahr. Sie führt nur dazu, dass die Bevölkerung Zeit verliert oder totschlägt. Was die Regierung terrorisierte, war nicht, dass sie an die tausend Zugtickets erstatten musste, sondern dass eine politische Idee, die auch eine Aktionsidee war, sich ständig weiterverbreitet. Sabotage war niemals Mittel des Terrors, stand aber immer für sozialen Wandel. Es gab eine Zeit, als die CGT (französische größte Gewerkschaft) hierzu aufgerufen hat.

Bankiers sind für die größte ökonomische Krise der letzten 80 Jahre verantwortlich. Diese wird sicherlich zu Millionen Hungernden führen. Und wir grüßen weiter herzlich unsere Banker auf der Straße. Unsere Kinder werden nur verdächtig, für die Verspätung von ein paar Züge verantwortlich zu sein, und sie müssen deshalb mit 20 Jahre Gefängnis rechnen.

Die eindrucksvollste Polizeioperation der letzten Woche war nicht, offene Türen in direkter Nähe zu einem schlafenden neuen Monate alten Kind zu sprengen, sondern vielmehr die Öffentlichkeit zu überzeugen, dass der Wunsch nach Veränderung einer so perfekten Welt nur aus den Köpfen von degenerierten, gefährlichen Mördern entstammen kann.

Wenn Türen zuschlagen, fühlen wir, als ob die Maskierten zurückkehren.

Wenn sie öffnen, träumen wir, dass unsere Kinder zurückkehren.

Die Eltern von Bertrand, Mathieu, Elsa, Aria und Yldune

PS: Wir grüßen und richten unseren Dank an die Einwohner von Tarnac, die es vorziehen, das zu glauben, was sie erleben, statt dem, was sie im Fernsehen sehen.

Lasst den Vorwurf der "kriminellen Vereinigung im Sinne terroristischer Aktivitäten" fallen und lasst die Angeklagten unverzüglich frei.


*


Hintergrund zu den Razzien

Früh morgens am 11. November führte die französische Polizei eine der größten Razzien der letzten Zeit in Frankreich durch. Die Polizei durchsuchte verschiedene Gebäude und Wohnungen in Paris, Rouen, Limoges, der La Meuse Region und in dem in der Mitte Frankreichs gelegenen Dorf Tarnac durch. Zehn Personen wurden in Gewahrsam genommen, neun wurden inzwischen beschuldigt, Anhänger einer terroristischen Vereinigung und für mutwillige Sachbeschädigungen verantwortlich zu sein. Offiziell angegebener Hintergrund der Razzien waren Sabotageaktionen durch Hakenkrallen gegen Bahnstrecken des Hochgeschwindigkeitszuges TGV an vier Stellen.

Die Razzia in Tarnac, ein Dorf mit 350 EinwohnerInnen und vermutete Basis der so genannten TerroristInnen, wurde durch 150 Angehörige von National Polizei, Antiterroreinheiten, Sprengstoffspürhunden und mit Hilfe von kriminaltechnischem Gerät usw. durchgeführt und dauerte den ganzen 11. November über. Das Dorf war dabei für mindestens einen halben Tag komplett von der Außenwelt abgeschnitten, das öffentliche Leben war lahmgelegt.

Insgesamt wurden in Tarnac sechs Menschen, zwei in Rouen, eine Person in Paris und eine in der Region La Meuse in Gewahrsam genommen. Das neue französische Polizeigesetz bietet die Möglichkeit, Verdächtige im Bedarfsfall für 96 Stunden ohne Recht auf eine anwaltliche Unterstützung einzusperren Eine Person, die Mutter eines Beschuldigten, wurde ohne Anzeige nach drei Tagen entlassen. Die anderen neun Betroffenen sind angeklagt, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein. Vier von ihnen wurden nach 96 Stunden entlassen. Gegen fünf Personen wurde ein Haftbefehl ausgesprochen. Sie werden zusätzlich beschuldigt, "gemeinsame Sachbeschädigung mit terroristischem Ziel" durchgeführt zu haben. Die ErmittlerInnen beziehen sich hier auf die Sabotage der SNCV-Gleise. Eine der Angeklagten wurde sogar als "Anführer einer terroristischen Zelle" bezeichnet.

Bisher hatten weder Rechtsanwälte noch die Öffentlichkeit stichfeste Beweise für die Rechtmäßigkeit der Anklage geliefert bekommen. Die Polizei präsentierte als Beleg terroristischer Aktivitäten bisher nur eisernes Stangenmaterial, Schweißgeräte, Kletterausrüstung und so genannte "anarchistische Literatur".

Ausdrücklich erwähnt wurde in diesem Zusammenhang das Buch "L'insurrection qui vient" (der kommende Aufstand), das von einem Autorenkollektiv verfasst wurde, das sich den Namen "comite invisible" (das unsichtbare Komitee) gegeben hat.

Dennoch wurden die Razzien von der Presse breit aufgenommen. Bereits um 8:30 Uhr am Tag der Razzia wurde in den Medien von den Ereignissen berichtet. Die JournalistInnen waren offensichtlich bereits im Vorfeld von der Polizei gut informiert worden. Deshalb war für Medien zu Beginn klar, dass es sich bei den Betroffenen um gesuchte TerroristInnen handeln muss. Inzwischen erklären ihre Anwälte, dass hier ein eindeutiger Verstoß gegen die Unschuldsvermutung vorliegt und dass durch diese Vorverurteilung die Wahrscheinlichkeit einer Befangenheit des Gerichts besteht.

Zwei Tage nach den Razzien fand eine öffentliche Versammlung zum Thema in Tarnac statt. Mehr als hundert Menschen zeigten ihre Solidarität. Hier wurde beschlossen, eine lokale Unterstützungsgruppe für die Betroffenen zu gründen. Bereits am nächsten Tag folgte eine Pressekonferenz, auf der die UnterstützerInnen die sofortige Freilassung der Gefangenen sowie die Rücknahme der Terrorismusbeschuldigung verlangten.

Die Soligruppe benötigt dringend Unterstützung. Auf www.soutien11novembre.org wurde eine Homepage eingerichtet.


*


Es folgt die Übersetzung eines kurzen Textes von dieser Webseite, der sich der Frage widmet wie eine sinnvolle Unterstützung möglich ist:

"Wie kann Unterstützung aussehen?"

Nach der ersten Schockwelle in den Medien ist es wichtig, einen öffentlichen Druck aufzubauen, damit die Sache nicht in Vergessenheit gerät. Wir müssen den Druck während des ganzen Verfahrens aufrechterhalten. Um das zu erreichen, könnt ihr überall Unterstützungskomitees gründen: organisiert Veranstaltungen, nutzt alle Möglichkeiten, um über das Verfahren und dessen Umstände zu informieren, sammelt Geld...

Eine internationale Solidaritätsbewegung ist notwendig, um die Inhaftierten so schnell wie möglich raus zu bekommen. Gleichzeitig ist es wichtig, ein Minimum an grundsätzlichen Bedürfnissen für die Gefangenen zu garantieren: Kleider, Zigaretten, Hygieneprodukte. Außerdem brauchen wir Geld für die AnwältInnen und damit Nahestehende die Leute im Knast besuchen können, die bis auf weiteres in der Region Paris eingesperrt sind. Die finanziellen Bedürfnisse sind real und dringend.

Die Spenden werden auch zur Finanzierung von zukünftigen Aktivitäten der Unterstützungskomitees verwendet werden. Ein Konto wird im Moment eröffnet und wird bald auf dieser Seite veröffentlicht werden.

Ihr könnt auch Briefe an die Inhaftierten schreiben. Schickt diese an das Unterstützungskomitee in Tarnac, wir werden sie umgehend weiterleiten.

Die Adresse ist:
Gabrielle, Manon, Yldune, Binjamin, Julien
Comite de soutien aux inculpes du 11 novembre
19170 Le Bourg
Tarnac
France

Vielen Dank für Eure Unterstützung
http://www.soutien11novembre.org


*


Einstellungsbündnis 28.11.2008

Solidarität mit den GenossInnen in Frankreich

(...) Die Anwälte haben bisher keinerlei Einsicht in die Ermittlungsakten erhalten. Offiziell angegebener Hintergrund der Razzien waren Sabotageaktionen durch Hakenkrallen gegen Bahnstrecken des Hochgeschwindigkeitszuges TGV an vier Stellen. In Frankreich kritisierten verschiedene Gewerkschaften (darunter SUD rail und die CNT), dass Sabotageaktionen, die von ihnen als legitimes und historisch wichtiges Kampfmittel der ArbeiterInnenbewegung betrachtet werden, als Terrorismus diskreditiert werden. Auch in Deutschland versuchen immer wieder die GegnerInnen der Atompolitik auf die Verantwortung der Bahngesellschaften hinzuweisen und den Castortransport aktiv zu blockieren und zu sabotieren. Die Bahn - auch in Frankreich - profitiert von den Atommülltransporten zwischen Frankreich und Deutschland. Statt sich zu weigern, diese Fracht zu transportieren, verdienen die Unternehmen daran.

Der Protest gegen die Castortransporte ist legitim und wichtig. Auch von uns, dem Einstellungsbündnis für die Einstellung der 129 (a)-Verfahren, waren im November viele an den Protesten beteiligt. Auch deswegen erklären wir uns solidarisch mit den Festgenommenen. Denn warum auch immer der französische Staat meint, die Festgenommenen kriminalisieren zu müssen, wir sehen uns als Teil einer internationalen Bewegung gegen die Atompolitik. Wir erklären uns solidarisch mit den Beschuldigten. In ganz Europa versuchen Regierungen über so genannte Anti-Terrorgesetze, linke Politik zu kriminalisieren und AktivistInnen unter Terrorverdacht zu stellen. Die Vereinheitlichung europäischer Terrorismusgesetze, Vorratsdatenspeicherung, der Ausbau bestehender Datenbanken sowie die grenzüberschreitende Polizeizusammenarbeit sind nur einige der neuen Bausteine europäischer Sicherheitsarchitektur. Ob in Griechenland, Österreich, Frankreich oder Deutschland, die Verfahren dienen überall der Kriminalisierung von Widerstand.

Den Festgenommenen und Beschuldigten wünschen wir viel Mut und Kraft und massenhafte Unterstützung! Solidarität ist eine Waffe, nutzen wir sie im notwendigen Widerstand gegen die Profiteure von Atompolitik, Krieg und Grenzpolitik!

http://einstellung.so36.net


*


Letze Meldung:

Tarnac: 3 weitere Eingekerkerte sind wieder frei

Mittlerweile sind drei weitere Menschen auf Bewährung und unter strengen Auflagen aus dem Knast entlassen. Im Knast bleiben Julien Coupat, dem vorgeworfen wird Anführer der Gruppe zu sein, und seine Freundin Yldune L.

Mehr auf http://tarnac9.noblogs.org.
http://tarnac9.noblogs.org


*


Informationen zum Kampf des Gefangenenkollektivs von PCE(R) und Grapo in den Knästen des spanischen Staates

Ab Freitag, dem 17. Oktober, werden die Gefangenen in einen unbegrenzten Hungerstreik treten. D.h. sie werden jeden Freitag, also jeweils nur an diesem Tag, in den Hungerstreik treten.

Die Kampfmaßnahme bezieht sich auf die Schein-Prozesse, gegen die "Gesetze der Parteien" und für die Amnestie.


*


Griechenland: Massenhungerstreik gegen Haftbedingungen beendet

Teilerfolg für Strafgefangene

Seit Freitag 12 Uhr ist in Griechenland der größte jemals in den Gefängnissen des Landes durchgeführte Gefangenenstreik Geschichte. Über 5000 der insgesamt etwa 12.500 Häftlinge hatten mit einem mehr als zwei Wochen lang geführten Hungerstreik gegen die unmenschlichen Haftbedingungen in den Haftanstalten protestiert.


Der Einstellung des Hungerstreiks war die Veröffentlichung eines Gesetzentwurfs vorausgegangen, den der Justizminister innerhalb der nächsten Tage im griechischen Parlament zur Abstimmung vorlegen wird. Das Papier sieht die Absenkung der Höchstgrenze für Untersuchungshaft von 18 auf 12 Monate (außer bei mit lebenslanger oder 20-jähriger Freiheitsstrafe bewehrten Verbrechen), großzügigere Regelungen für vorzeitige Haftentlassung bei schwerer Krankheit, erweiterte Möglichkeiten für die Umwandlung von Haft- in Geldstrafen und die Absenkung der Mindestdauer der Inhaftierung im Zusammenhang mit Drogendelikten von vier Fünftel auf die auch bei anderen Delikten gültigen drei Fünftel der Gesamtstrafe vor.

"Der vom Justizminister im Parlament einzubringende Gesetzesentwurf betrifft nur wenige unserer Forderungen", heißt es in der Erklärung des Gefangenenkoordinationskomitees zur Einstellung des Hungerstreiks. "Der Justizminister ist verpflichtet, sich an seine Ankündigung über die sofortige Freilassung einer Anzahl von Gefangenen zu halten." Etwa 1500 Gefangene würden durch die neuen Bedingungen sofort freikommen, hatte der Minister versprochen, im Laufe der Zeit würde sich diese Zahl auf 5000 Gefangene steigern lassen. "Wir, die Gefangenen, sehen die Gesetzesvorlage als einen ersten Schritt, als Ergebnis unseres Kampfes und der Solidarität der Gesellschaft. Aber er befriedigt uns nicht, er löst nicht unsere grundlegenden Probleme."

In ihrem insgesamt 16 Punkte umfassenden Forderungskatalog hatten die Gefangenen vor allem die Abschaffung der völlig willkürlich verhängten Disziplinarstrafen und die Verbesserung der medizinischen Versorgung in den Gefängnissen gefordert. Viele Gefängnisse verfügen weder über eigenes medizinisches Personal noch über eine Ausrüstung, die über Erste-Hilfe-Utensilien hinausreicht. Unter diesen Bedingungen sind in den vergangenen 10 Jahren offiziell 377 Menschen in den Gefängnissen ums Leben gekommen.

Eines der größten Probleme in griechischen "Besserungsanstalten" ist zudem deren völlige Überbelegung. Den etwa 12.500 Gefangenen steht eine Zellenkapazität von unter 8000 Plätzen zur Verfügung. Gefangene müssen auf dem Zellenboden, in manchen Haftanstalten sogar auf dem Toilettenboden schlafen. Einer von 1000 Einwohnern des Landes sitzt hinter Gittern, 45 Prozent von ihnen sind allerdings keine Einheimischen, sondern Migranten. Etwa die Hälfte der Eingesperrten sitzen im Zusammenhang mit Drogendelikten, obwohl sie sogar nach offizieller Meinung des Justizministeriums eigentlich keine Kriminellen, sondern Suchtkranke sind.

Auch in den Solidaritätsinitiativen mit den Gefangenen hält man die vom Justizminister eingeleiteten Schritte für unzureichend. So säßen zum Beispiel Tausende Menschen im Gefängnis, weil sie sich die Umwandlung ihrer Haft- in eine Geldstrafe nicht leisten können. Nötig sei auch die Umsetzung der anderen Forderungen der Gefangenen, wie die Einführung EU-weiter Regelungen zu Freigang, Sozialarbeit statt Gefängnis oder Strafaussetzung auf Bewährung.

Unter den Gefangenen, die sich am Protest beteiligten, bereitet man sich unterdessen auf die zu befürchtenden Repressionen der Gefängnisverwaltungen vor. "Mit unserem Kampf haben wir vor allem unsere Würde erobert. Und diese Würde opfern wir keinem Minister und keinem Wärter. Wir werden keine Willkür dulden, keine Strafverlegung, keine Disziplinarmaßnahme zur Einschüchterung. Wir standen aufrecht und werden uns aufrecht halten", heißt es in ihrer Erklärung.

Anke Stefan, Athen, Neues Deutschland, Samstag, 22. 11.2008


*


Physischer Angriff auf Abdullah Öcalan

Das Verteidigerteam Abdullah Öcalans erklärte am 16.10., dass ihr Mandant im Einpersonengefängnis Imrali vom Personal der Haftanstalt physisch angegriffen worden ist. In der Erklärung heißt es: "Unser Mandant Herr Abdullah Öcalan befindet sich seit neun Jahren im Einpersonengefängnis Imrali in schwerer Isolation. In den letzten fünf Jahren ist er etliche Male mit einer Disziplinarstrafe, einer Isolation in der Isolation, belegt worden. Diesem unrechtmäßigen Vorgehen gegen unseren Mandanten ist vergangene Woche ein weiteres unmenschliches Handeln in Form von physischer Misshandlung hinzugefügt worden."

Unter dem Vorwand einer Durchsuchung sei seine Zelle verwüstet worden. Auf seinen Widerspruch hin, sei ihm gesagt worden, er solle schweigen, er habe "nicht das Recht, auch nur ein Wort zu sagen". Anschließend sei er an den Armen von zwei Bediensteten in einen Nebenraum geführt worden, wo ein weiterer Vollzugsangestellter ihm in den Rücken getreten habe, worauf Abdullah Öcalan zu Boden gegangen sei. "Als unser Mandant daraufhin sagte, man solle ihn lieber umbringen als so zu behandeln, hat ein Vollzugsangestellter ihn offen mit den Worten bedroht: 'Das kommt auch noch an die Reihe'."

Es handele sich bei diesem Vorgehen um einen klaren Fall von Folter und Misshandlung. "Wir denken, dass es sich bei diesem physischen Übergriff, der parallel zur ansteigenden Gewalt in der jüngsten Zeit stattfindet, nicht um einen Zufall handelt. Auffallend ist außerdem, dass unmittelbar vor diesem Vorfall das Gefängnispersonal ausgewechselt wurde. Wir sind davon überzeugt, dass es sich nicht um ein individuelles Vorgehen des Personals handelt." Es sei bekannt, dass es auf Imrali kein Vorgehen außerhalb des direkten Befehls des Krisenzentrums im Ministerpräsidentenamt gebe.

"Angesichts dieses provokativen Vorgehens teilt unser Mandant mit, dass er aufgrund der Verantwortung, die er gegenüber dem Volk habe, besonnen handeln wird und für alle negativen Entwicklungen auf Imrali der Staat verantwortlich ist. Wir möchten die Öffentlichkeit ein weiteres Mal darauf aufmerksam machen, dass im Gefängnis Imrali unter höchsten Sicherheitsbedingungen gegen unseren Mandanten nichts ohne das Wissen des Generalstabs und der Regierung unternommen wird. Somit fällt es in die Verantwortung des Staates, umgehend die Verantwortlichen ausfindig zu machen."

OSPAM.isku@nadir.org
http://www.nadir.org/isku


*


Der Klang der Stille

Isolierung und Einzelhaft für palästinensische Gefangene in Israels Haft. Ein Bericht von Ärzten für Menschenrechten, Israel (PHR) und A-Damir, August 2008 Zehn Gefangene werden jedes Jahr in israelischen Gefängnissen in Einzelhaft gehalten. Grund: die Sicherheit des Staates, des Gefängnisses, der Gefangenen. Isolierte Gefangene werden allein in einer separaten Zelle gehalten oder mit anderen, die Isolation benötigen. Einige der palästinensischen Gefangenen werden aus Staatssicherheitsgründen isoliert gehalten, während andere an psychischen oder sozialen Schwierigkeiten leiden, die das Zusammensein mit anderen Gefangenen erschwert.

Es wurden viele Untersuchungen über die Auswirkungen der Isolierung auf die psychische Gesundheit durchgeführt: Sie lassen alle einen langfristigen psychischen Schaden erkennen und manchmal einen nicht wieder gut zu machenden Schaden, egal ob es vorher schon einen psychischen Schaden gab oder nicht. Die schwerwiegenden Folgen der Isolierung sind auch von israelischen Gefängnisdienst (IPS) erkannt worden. Er bestätigt, es gibt zweifellos ein begrenztes Zeitlimit, nach dem die meisten Einzelhaft als unerträglich empfinden und die auf Dauer an Auswirkungen als Folge leiden werden.

Die Lage der palästinensischen Gefangenen in Einzelhaft ist noch viel schlimmer. Der Bericht zeigt, dass isolierte palästinensische Gefangene, die für lange Zeit, manchmal mehr als 20 Jahre, im Vergleich zu isolierten jüdischen Gefangenen unter noch härteren Bedingungen leiden. Sie werden in ihren Zellen 23 Stunden am Tag allein gehalten mit minimalen Dingen, sich die Zeit zu vertreiben, und wie nicht isolierte palästinensische Gefangen haben sie nicht die Möglichkeiten, Telefongespräche zu führen. Es werden ihnen für lange Zeiten aus Sicherheitsgründen Besuche verweigert.

Gefangene in Isolationshaft, ob sie schon vorher psychische Probleme hatten oder nicht, werden medizinisch nicht genügend versorgt. Gesundheitsdienst für psychisch Kranke ist im IPS ungenügend. Sie ist begrenzt auf eine verwaltete Medikamentenverteilung, die aber nicht von unterstützender Therapie begleitet wird. Die Lage der isolierten palästinensischen Gefangenen ist auch in folgender Hinsicht sehr schlimm: Der Gefängnispsychiater spricht kein arabisch. Er kommuniziert mit den Patienten über einen Dolmetscher, der zum Gefängnispersonal gehört. Diese Vermittlung vermehrt nur den Vertrauensmangel zwischen dem Gefangenen und dem Arzt. Außerdem schafft die Unkenntnis des medizinischen Personals über den sozialen Codes der palästinensischen Bevölkerung ein zusätzliches Hindernis, um dem psychisch Kranken eine optimale Behandlung zu geben. Schließlich haben die palästinensischen Gefangenen keine Berechtigung, Dienste von Sozialarbeitern anzunehmen, die kriminellen Gefangenen zugestanden werden.

Der Bericht enthüllt die ethischen Probleme, die mit der Beteiligung der IPS-Ärzten am Isolationsprozess zu tun hat: IPS-Ärzte geben ihre Meinung zum Gesundheitszustand des Gefangenen ab in Bezug auf Isolationshaft. Und heute nehmen sie an einem System teil, das sich als schädigend für die psychische und physische Gesundheit ihrer Patienten auswirkt. Die Ärzte für Menschenrechte, Israel, sehen dies als ein weiteres Beispiel für die Situation einer dualen Loyalität des medizinischen Personals an: Ihre Loyalität gegenüber der IPS steht über der der Patienten. Der Psychologe, der die Gefangenen in Isolierhaft untersucht, wird nicht gegen die Schäden der Isolierhaft protestieren oder gegen sie handeln.

Um die Rechte und die Gesundheit isolierter palästinensischer Gefangenen aufrecht zu erhalten als auch die Regeln medizinischer Ethik empfehlen die PHR, dass das Gesundheitsministerium, die israelische Medizinische Gesellschaft und ihre Mitglieder, die israelische psychiatrische Vereinigung den Mechanismus der Isolierung in israelischen Gefängnissen bekämpfen und verhindern, dass Ärzte damit verwickelt werden. Wir empfehlen, dass eine ärztliche Untersuchung eines isolierten Gefangenen seine oder ihre Befreiung aus der Isolierung empfiehlt, da sie sicher schädlich für den Gefangnen ist.

Für nähere Information kontaktiere man
bitte: anat@phr.org.il
http://www.arendt-art.de/deutsch/palestina/texte/Palaestina_israel_gefangene_gefaengniss.htm#Stille


*


"Mumias Leben ist noch immer in Gefahr"

Der Rechtsanwalt Robert M. Bryan (R.B.) lebt in San Francisco und vertritt seit 2003 den US-Journalisten Mumia Abu Jamal, der seit mehr als 25 Jahren in der Todeszelle sitzt.

Wie ist die juristische Situation Ihres Mandanten Mumia Abu Jamal aktuell?

Sein Leben hängt weiter an einem seidenen Faden. Es hängt von der Entscheidung des Supreme Court, dem obersten Gerichtshof der USA, ab. Ich arbeite zur Zeit an einen Antrag auf Zulassung eines neuen Verfahrens für Mumia. Darüber wird der Supreme Court in der ersten Hälfte des Jahres 2009 entscheiden.

Welche Optionen hat der Gerichtshof?

Es gibt drei Möglichkeiten. Wenn er den Antrag der Verteidigung ablehnt und das Todesurteil wieder in Kraft setzt, sind alle juristischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Der Supreme Court kann auch entscheiden, dass es ein neues Verfahren nur über das Strafmaß gibt. Dann ginge es um die Frage, ob Mumia erneut zum Tode oder einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt wird. Die dritte Option, die wir anstreben, ist die Anordnung eines völlig neuen Verfahrens durch den Supreme Court. Der gesamt Fall würde noch einmal aufgerollt. Dann könnten auch endlich die Beweise in das Verfahren eingeführt werden, die Mumias Verantwortung für den Polizistenmord infrage stellen, wegen dem er zum Tode verurteilt wurde. Ich bin optimistisch, dass Mumia in einem solchen Verfahren freigesprochen werden wird.

Wie begründen Sie Ihren Antrag nach einem neuen Verfahren an den Supreme Court?

Mein Hauptargument ist, dass mein Mandant wegen seiner schwarzen Hautfarbe diskriminiert wurde. Das zeigte sich bei der Auswahl der Geschworenen. Die Jury war rein weiß besetzt. Ich bin sehr optimistisch, dass dieses Argument anerkannt wird, nachdem ein Bundesrichter erklärte hat, dass der Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung verletzt werde, wenn auch nur ein Jurymitglieder wegen seiner Hautfarbe ausgeschlossen wurde. Das ist bei Mumia eindeutig geschehen. Ein weiteres Argument für meinen Antrag ist die falsche Belehrung der Geschworenen. Der Staatsanwalt hatte vor der Urteilsfindung erklärt, die Jury könne ruhig für die Todesstrafe stimmen. Der Angeklagte habe immer die Möglichkeit Berufung nach Berufung einzulegen und die Aufhebung der Todesstrafe zu erreichen.

Welche Rolle sehen Sie aktuell die Rolle der internationalen Solidarität im Fall Mumia?

Die hat weiterhin eine ganz wichtige Rolle und muss noch verstärkt werden. Es geht bei unserem Kampf nicht mehr nur um Mumias Leben. Mumia ist verurteilt worden, weil er links, schwarz und arm war. Er war schon ein engagierter Journalist und politischer Aktivist, bevor er verhaftet wurde. Er hat seine Aktivitäten auch in der Todeszelle nicht eingestellt. Deshalb ist er ein weltweites Symbol für den Kampf gegen Repression und Todesstrafe geworden.

Erfährt er in der Todeszelle von den Solidaritätsaktionen?

Natürlich. Ich will ihnen ein Beispiel geben. Als ich ihm telefonisch darüber informierte, dass er vom Vorstand des P.E.N-Zentrums als Vollmitglied aufgenommen wurde, weinte er vor Freude. Endlich wurde er einmal wegen seiner Fähigkeiten und nicht nur als Todesstrafenkandidat geehrt.

Interview: Peter Nowak


Demonstrationen für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal

Sa. 13.12.08 13:30 Uhr Demonstration zur neuen US-Botschaft.
Start: Oranienplatz, 10999 Berlin, U1/8 Kottbusser Tor

Sa. 13.12.08 14:00 Uhr, Neugasse, Bern, Schweiz

Sa. 13.12.08 12:00 Uhr Demonstration anlässlich des 60. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
Schwerpunkt: "Freiheit für Mumia Abu-Jamal".
Start: Hauptbahnhof/ Glockengiesserwall, Hamburg


*


Diese Rede für die bundesweite Demonstration gegen Atomenergie, zum Anlass des 11. CASTOR-Transports, Gorleben, 08.11.08., konnte nicht gehalten werden.

Zur Erinnerung an die Reichspogromnacht

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 - also vor 70 Jahren - wurde in Deutschland von staatlicher Seite, aber mit bereitwilligster Unterstützung großer Teile der Bevölkerung - zum Teil sogar mit offensivem und fanatischem Engagement -, ein Pogrom gegen jüdische Menschen organisiert -

die Reichspogromnacht.

In Deutschland und Österreich brannten Synagogen und jüdische Bethäuser. Friedhöfe wurden geschändet und noch vorhandene jüdische Einrichtungen zerstört. 7500 jüdische Geschäfte wurden überfallen, geplündert und demoliert, annähernd einhundert jüdische Menschen wurden in dieser Nacht ermordet. Anschließend wurden über 20.000 Männer in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen verschleppt.

Was mit Hass und Terror begann, endete mit Deportation und Massenmord. Wir möchten gerne gerade auch an diesem Ort und an diesem Tag darüber reden, was in der nationalsozialistischen Zeit in diesem Lande abgelaufen ist.

Wir wollen zum Ausdruck bringen, dass die Verfolgung und Ermordung jüdischer Menschen, von Roma und Sinti, von Homosexuellen, von Kommunist_innen und Sozialdemokrat_innen, von Menschen mit Behinderung, von Oppositionellen oder anderer, von der faschistischen Norm abweichender Menschen für uns nicht ein historisches Ereignis ist, das wir in den Archiven verschwinden lassen können, sondern eine Verpflichtung darstellt, gegen Faschismus, Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Krieg, gegen jede Unterdrückung des Menschen durch den Menschen, gegen jede Normierung, Kategorisierung und Selektion von Menschen, die Stimme zu erheben und uns zur Wehr zu setzen.

Wir möchten aber an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass wir auf keinen Fall den Holocaust mit dem Atomprogramm und dessen Auswirkungen vergleichen wollen. So gibt es ja durchaus in der Anti-AKW-Bewegung Äußerungen, in denen vom "atomaren Holocaust" die Rede ist. Solche Vergleiche lehnen wir sehr entschieden ab. Damit wird der Holocaust zur Herleitung für konkrete politische Ziele eingesetzt und so relativiert und instrumentalisiert. Keine Kritik an Unrecht und Verbrechen hat Vergleiche nötig. Sie verwirren in der Regel den Blick und erleichtern es, von den eigentlichen Hintergründen abzulenken. Wir halten es für notwendig, diesen

schrecklichen Tag der deutschen Geschichte in Erinnerung zu rufen, auch wenn immer wieder versucht wird, einen Schlussstrich zu ziehen und wir immer wieder aufgefordert werden, endlich einmal Gras über die Vergangenheit wachsen zu lassen. Wir weigern uns, solchen Appellen zu folgen. Denn wer sich seiner Geschichte nicht stellt, verschließt die Augen vor der Tatsache, dass Geschichte nicht überflüssig ist, sondern immer auch Grundlage für gegenwärtiges Handeln, dass die Vergangenheit nicht vergangen ist, dass Faschismus, Rassismus und Antisemitismus bis zum heutigen Tag weiter wirken.

"Erinnern" sollte immer auch Motivation sein, aktiv in die Entwicklung der aktuellen Verhältnisse einzugreifen.

Sicher, es waren nicht alle Deutschen, die sich damals an den Pogromen beteiligt haben. Aber zugleich ist wahr, dass ein großer Teil der Bevölkerung ängstlich weggesehen hat. Viele verhielten sich auch gleichgültig nach der Devise: es betrifft ja die anderen und nicht mich.

Es gab Menschen, die die Ausgrenzung und Diskriminierung von Jüd_innen, ihre Verfolgung und schließlich ihre Vernichtung als Verbrechen ansahen, aber es gab keinen nennenswerten Protest, schon gar keinen lauten - nur wenige haben den Verfolgten geholfen. Widerstand haben nur wenige geleistet, und diese wenigen konnten oft in Zuchthäuser und Konzentrationslager weggesperrt werden. Leider ist dieser Widerstand bis heute in Deutschland nur unzureichend anerkannt und gewürdigt worden. Die Mehrheit in unserem Lande hat geschwiegen, da Widerstand ja gegen die staatliche Ordnung gewesen wäre, die nun einmal zu respektieren sei.

Die Verbrechen des Nationalsozialismus gehören zu den furchtbarsten Kapiteln unserer Geschichte, aber auch die Passivität von Millionen von nicht unmittelbar Beteiligten - Menschen, die sich nicht eingemischt haben, die aber dennoch immer von sich behauptet haben, die Menschlichkeit über alles stellen zu wollen.

Aus der geschichtlichen Distanz sehen wir, dass der Unterdrückung von Minderheiten im Innern kaum ein Jahr später die Unterdrückung und Ermordung von Millionen Menschen in anderen Ländern Europas folgte.

Wenn wir heute hier innehalten, um der Pogromnacht zu gedenken, dann auch, um uns die Frage nach der daraus zu ziehenden Lehre, nach den eigenen, auch privaten Konsequenzen zu stellen.

Wir wollen als Antwort auf diese Frage zwei Stimmen anführen von vom nationalsozialistischen Terror unmittelbar Betroffenen:

Felicia Langer [1], eine Rechtsanwältin, die in Israel lebte und mehr als 20 Jahre Palästinenser innen juristisch verteidigt hat, sagt: "Meine Lehre aus dem Holocaust war und ist, angesichts jeglichen Unrechts und Verbrechens nicht zu schweigen, sondern alle Formen von Rassismus und Antisemitismus zu bekämpfen und die Würde und Rechte der Menschen, wer auch immer sie sein mögen, zu verteidigen."

Istvan Eörsi [2], ein ungarischer Schriftsteller, sagt: "Aus dem Holocaust leite ich für mich die moralische Verpflichtung ab, dass ich stets mit den Verfolgten der jeweiligen Zeit, mit den ethnischen, konfessionellen, kulturellen und sexuellen Minderheiten sowie mit den sozial Benachteiligten solidarisch sein muss."

Wir alle sollten uns aufgerufen fühlen, für unsere Zeit und für die Zukunft zu lernen. Lassen wir nicht alles mit uns machen, mischen wir uns ein, leisten wir Widerstand, wenn wir sehen, dass Unrecht geschieht und vorbereitet wird. Verschließen wir nicht unsere Augen und Ohren, seien wir wachsam, werden wir aktiv, ganz gleich, ob es sich z.B. um das menschenverachtende Atomprogramm, um CASTOR-Transporte , um Folgen der Globalisierung und des Neoliberalismus, um Kriegsvorbereitung und Krieg, um die Verfolgung und Diskriminierung von Flüchtlingen und Migrant_innen, oder um das Treiben von Neonazis geht, die Jagd auf Menschen anderer Herkunft und Hautfarbe machen.

Wir denken, dass unter anderem Anti-AkW-, Friedens-, antifaschistische-, antirassistische- und antisexistische Bewegung gemeinsame Anliegen haben und dass es unser aller Interesse ist, nach Wegen der Zusammenarbeit zu suchen. Es ist viel zu ruhig hier im Land. Wir müssen viel mehr in Bewegung kommen, um den Mächtigen klar zu machen, dass wir mit unserer Stimme nicht zugleich unsere Verantwortung abgeben.

Für eine Gesellschaft, in der nicht die ökonomische Rationalität, sondern der Menschen in den Mittelpunkt von Denken und Handeln steht, und:

jeder Mensch ist außergewöhnlich: ich bin weder normal noch unnormal - klug noch dumm - schön noch hässlich - schwarz noch weiß - behindert noch nicht behindert - alt noch jung - frau noch mann - unwichtig noch wichtig - nützlich noch unnütz ich bin ein Mensch!

Ich möchte euch jetzt bitten, kurz innezuhalten, um den Opfern des nationalsozialistischen Terrors zu gedenken!

Messstelle für Arbeits- und Umweltschutz, Bremen (MAUS e.V.), Systemoppositionelle Atomkraft Nein Danke, Gruppe - Hamburg (SAND)


Fußnoten:

(1) Felicia Langer, "Quo vadis Israel? Die neue Intifada der Palästinenser", Lamuv Verlag, Göttingen 2001.
Felicia Langer, in Polen geborene Jüdin, als Kind mit der Familie vor den Nazis geflohen, nach dem Krieg nach Israel ausgewandert. Mehr als 20 Jahre hat sie als Anwältin Palistinenser_innen juristisch verteidigt. Seit 1990 lebt sie in der BRD.

(2) Istvan Eörsi, "Das Ende des Überlebens", Die Zeit, 29/2002.
Istvan Eörsi wurde 1931 in Budapest geboren. Er überlebte das Budapester Ghetto. Die gesamte Familie seines Vaters und weitere Familienangehörige wurden von den Nazis ermordet.
Zuletzt veröffentlichte er "Der rätselhafte Charme der Freiheit" (Suhrkamp).


*


IMPRESSUM

Gefangenen Info
08.12.2008, Nr. 343

Das Gefangenen Info ist aus dem Angehörigen Info hervorgegangen. Das Gefangenen Info erscheint vierwöchentlich bei GNN Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung, Verlagsgesellschaft in Schleswig-Holstein / Hamburg m. b. H., Neuer Kamp 25, 20359 Hamburg.

V.i.S.d.P.: Christiane Schneider.

Redaktionsanschrift u. Bestellungen:
GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, 20359 HH,
Tel.: (040) 43 18 88 20, Fax: (040) 43 18 88 21,
eMail: gnn-hamburg@freenet.de

Einzelpreis: 1,55 Euro. Ein Jahresabonnement kostet 29,90 Euro (Förderabonnement 33,20 Euro), Buchläden, Infoläden und sonstige Weiterverkäufer erhalten bei Bestellung ab 3 Stück 30 % Rabatt.

Bei Bestellung erhalten Sie eine Rechnung bzw. ein Formular für eine Einzugsvollmacht, die Sie uns bitte zurückschicken.

Verlagskonto: Postbank Hamburg, BLZ 200 100 20,
Kontonummer: 25265-201.

Gesamtherstellung: GNN Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung, Verlagsgesellschaft in Schleswig-Holstein / Hamburg m.b.H.

Eigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung so lange Eigentum des Absenders, bis es dem Gefangenen ausgehändigt wird. "Zur-Habe-Nahme" ist keine Aushändigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info dem Gefangenen nicht persönlich ausgehändigt, ist es dem Absender mit dem Grund der Nichtaushändigung zurückzuschicken.


*


Quelle:
Gefangenen Info Nr. 343, 08.12.2008
eMail: gnn-hamburg@freenet.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2009