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CORREOS/184: Mexiko - Die Geschichte von Kiki Camarena


Correos des las Américas - Nr. 176, 16. Dezember 2013

Die Geschichte von Kiki Camarena

von Dieter Drüssel



In Mexiko geht der «Drogenkrieg» in aller Grausamkeit weiter. Nur wird darüber jetzt viel weniger berichtet. Man hat schliesslich Positives zu erzählen: Die Privatisierung des mexikanischen Öls kommt voran. Deshalb gilt heute wie gestern: Bitte keine Störgeräusche! Die aber gibt es. Wir resümieren hier, was in Mexiko seit zwei Monaten Wellen wirft: die enge Verflechtung von CIA und Drogenbusiness in den 80er Jahren und die Ermordung von linken Journalisten und eines US-Funktionärs, die im Wege standen.


Mexiko, in den 80er Jahren. Der neoliberale Präsident Carlos Salinas de Gortari ist am Ruder. Die Namen der Capos des Drogenkartells von Guadalajara, Rafael Caro Quintero, Félix Gallardo und Ernesto Fonsceca, haben in Mexiko den gleichen Klang wie international jener des kolumbianischen Supernarcos Pepe Escobar. Februar 1985: Enrique «Kiki» Camarena, Agent der US-Drogenbehörde DEA, wird von den beiden Narcos Caro Quintero und Fonseca entführt, während zweier Tage brutal gefoltert und danach ermordet. Die US-Behörden von Ronnie Reagan lassen die Mörder verfolgen und in Mexiko vor Gericht stellen. Im Rahmen der Untersuchung erweist sich der mexikanische zivile Geheimdienst Dirección Federal de Seguridad DFS als korrupt bis ins Mark, er wird aufgelöst und durch einen 'besseren' Dienst ersetz, den CISEN. Ein never again! des US-Drogenkrieges, unzählige offizielle Tränen und Emotionen gelten dem (ursprünglich mexikanischen) Helden aus den USA, der sein Leben im Dienst der Nation lassen musste. Zeit, die Weichen umzustellen, auf den heutigen «Drogenkrieg». Mit der Verhaftung von Caro Quintero und Fonseca wird das Ende des Guadalajara-Kartells zugunsten neuer, prosperierender Kartelle eingeleitet. Willkommen in der Aktualität.


Ein alter Zeitungsartikel

Diese offizielle Story war schon brüchig, bevor sie ausformuliert war. Man musste sich anstrengen, um nicht zu sehen, dass die DFS, - als eng mit den US-Diensten verbundenes Repressionsorgan, verantwortlich für viele politische Morde - jetzt einfach einen neuen Anzug verpasst erhielt. Ein paradigmatischer Fall war jener der Ermordung des bekannten linken Journalisten Manuel Buendía, der zu den Connections der CIA mit Drogenhandel und rechtsradikalen Strukturen in Mexiko recherchiert hatte. Im Zuge des Rearrangements des Geheimdienstes wurden DFS-Agenten für seine Ermordung verurteilt, jedoch ohne die Connections zu den US-Diensten zu ritzen. Am 5. Juli 1990 veröffentlichte die LosAngelesTimes (LAT) einen im Februar zuvor verfassten Report of Investigation der US-Drogenbehörde DEA(1), in dem von Aussagen von Laurence Víctor Harrison die Rede war, der «für grosse mexikanische Drogenhändler und ihre Verbündeten im mexikanischen Justizapparat ein kompliziertes Kommunikationsnetz unterhielt [...] Laut dem Report erklärte Harrison am 9. Februar den DEA-Agenten Hector Berrellez und Wayne Schmidt, dass die CIA Mexikos Bundessicherheitsdienst DFS 'als Tarnung benutzt für den Fall, dass Fragen aufkämen, wer das Training leite'»(2). Es ging laut LAT um ein Training «guatemaltekischer Guerrillas [...], die auf einer Ranch im Besitz von Rafael Caro Quintero in Veracruz» an der mexikanischen Ostküste ausgebildet würden.

Die LAT zitierte Harrison weiter: «Vertreter der DFS, die die Tarnung für das Ausbildungscamp übernahm, handelten in Wirklichkeit vereint mit grossen Drogenbossen, um den Drogenfluss über Mexiko in die USA sicher zu stellen [...] Mit der DFS als Tarnung unterhielt die CIA geheime Landepisten für das Auftanken von Flugzeugen, die mit Waffen für Honduras und Nicaragua beladen waren. Piloten dieser Flugzeuge pflegten angeblich Kokain in Barranquilla, Kolumbien, zu laden und auf dem Weg nach Miami in Mexiko auf von der CIA unterhaltenen und von Drogenhändlern betriebenen Landepisten aufzutanken.» Soweit der LAT-Bericht. Bei den «guatemaltekischen Guerillas» handelte es sich offenbar um die Contras, die das sandinistische Nicaragua jahrelang unter US-Kommando mit einem brutalen Krieg überzogen hatten - und vielleicht um guatemaltekische Aufstandsbekämpfungstruppen der Kaibiles. Wir hatten es hier also mutmasslich mit einer mexikanischen Komponente der als Iran-Contragate bekannt gewordenen Triangulierung zu tun: Die US-Regierung rüstete ihre Contras mit Waffen auf, die sie mit Geld aus dem Erlös des Handels von Kokain des kolumbianischen Medellín-Kartells unter Pablo Escobar finanzierte. Kein Wunder geriet die Angelegenheit blitzschnell in mediale Vergessenheit. Hier ging es nicht mehr um eine Sündenbock-DFS, sondern ums Eingemachte.


Das Interview

Zur Zeit drohen neue Entwicklungen, den Vergessenheitsschlaf zu stören. Am 10. Oktober 2013 berichteten Fox News einmal und die mexikanische Zeitschrift Proceso mehrmals im Oktober und November über Aussagen ehemaliger DEA-Agenten zur Ermordung von Kiki Camarena. Kurzzusammenfassung: DEA-Agent Camarena war der CIA/Drogen-Connection in Mexiko auf die Spur gekommen Die CIA liess ihn von der DFS und dem Guadalajara-Kartell entführen und über seine Quellen befragen. Die «Jungs» übertrieben es dabei mit der Folter, so dass Camarena nach zwei Tagen ermordet werden musste, zusammen mit seinem mexikanischen Piloten Alfredo Zavala.

Für zusätzliche Störgeräusche sorgte ein mexikanisches Gericht, das letzten August den seit 28 Jahren inhaftierten Caro Quintero von aller Mitschuld am Tod Camarenas freisprach und aus der Haft entliess. Letzten 8. November fügte sich das Oberste Gericht Mexikos dem Druck aus den USA und hob seinen eigenen, das Freilassungsurteil überhaupt erst ermöglichenden Richterspruch vom letzten März auf. Caro Quintero gilt seither als flüchtig.

Eine zentrale Figur in der neuen Wende des Falles Camarena ist DEA-Agent Héctor Berrellez, dem wir schon im LAT-Artikel begegnet sind. Parallel mit einem weiteren ehemaligen DEA-Kader und einem früheren CIA-Piloten erläuterte er den Medien eine ganz andere Version der Story. Berrellez ist nicht irgendwer, sondern der Mann, der die DEA-Untersuchung über den Mord an Camarena während fünf Jahren geleitet hat, die Operación Leyenda. Der Mann, der laut Aussagen seines damaligen Vorgesetzten Mike Holm in der DEA den Ruf eines Eliot Ness hatte, ist heute im privaten Sicherheitsbusiness in Kalifornien tätig. In einem Interview mit Proceso(3) packte er Interessantes aus: «Die Agenda [von Camarena] enthielt viele Namen und Telefonnummern, darunter jener von Manuel Buendía. Als ich die Untersuchung begann, sagte mir dieser Name nichts. Als ich fragte, wer das sei, sagten sie mir, es handle sich um einen von der CIA und der Dirección Federal de Seguridad (DFS) ermordeten mexikanischen Journalisten.» - «Wer sagte Ihnen das?» - fragt der Journalist. «Mexikanische Quellen, die offensichtlich gut über die Sache Bescheid wussten. Ich machte eine Untersuchung und kam zum Schluss, dass er ermordet wurde, weil er einige Artikel schrieb, in denen er die DFS beschuldigte, die Drogenhändler zu protegieren und die CIA, mit der DFS in schmutzigen Geschäften liiert zu sein.»

Doch die Akte Buendía sei nicht sein Auftrag gewesen, so Berrellez weiter, weshalb er sich auf die Untersuchung des Guadalajara-Kartells konzentriert habe. Die DEA habe den Ort der Folter von Camarena, eine Wohnung in Guadalajara, eruiert und dort viele Spuren gesichert. «So entdeckten wir, dass sich dort auch der Honduraner Juan Ramón Matta Ballesteros aufgehalten hatte». Matta war ein Narco und CIA-Protégé, der eine wichtige Rolle im Handel des kolumbianischen Kokains via Guadalajara-Kartell in die USA und nach Spanien innehatte. Sein Flugunternehmen Setco flog im Auftrag des Nationalen Sicherheitsrates der USA während Jahren Waffen für die Contras, wie detailliert im sogenannten Kerry-Report von 1988 nachzulesen ist(4). Der vom jetzigen US-Aussenminister verantwortete Senatsbericht über Aspekte von Iran-Contragate bietet trotz aller systematischen Auslassungen auch heute noch eine sehr informative Lektüre - weswegen er ignoriert wird, auch vom Autor und einem seiner Mitautoren, dem heutigen US-Vizepräsidenten Joe Biden.

Matta war nicht der einzige Besucher der Folterwohnung. Berrellez berichtet aufgrund von Verhören von Kripo-Leuten, dass eine Gruppe von Leuten der DFS und der damaligen Bundeskriminalpolizei Policía Judicial Federal («Los Federales») sich am Entführungstag in der Wohnung an der Calle Lope de Vega in Guadalajara versammelt hatte, als «ein Amerikaner kam und sagte: 'Beeilt euch! Camarena wird jetzt mit seiner Frau Mittag essen gehen'.

Fünf Federales fuhren mit zwei Wagen zum US-Konsulat, fingen Camarena ab und verbrachten ihn in die Wohnung an der Lope de Vega. Dorthin gelangte auch Caro Quintero [...] Unterdessen hatten die DFS-Agenten schon ein Aufnahmegerät installiert. Es handelte sich um ein Polizeiverhör. Die von der DFS begannen die Verhöre.» Auch Ernesto Fonseca, Capo des Kartells von Guadalajara, war anwesend. Die beiden von Berrellez einvernommenen Zeugen waren Federales aus Jalisco, vom Morddezernat, «Leute von Gabriel González González, die er aber als Schutz für die Narcos abkommandiert hatte. Fonseca sagte: 'Ich überlass ihn euch, Muchachos. Foltert ihn nicht zu sehr!' Dann blieben die beiden Federales im Zimmer und fingen an, Camarena zu befragen. Die Aufnahmen habe ich hunderte Male gehört.»


Die Kubaner

«Dann kamen die Kubaner [...] mit Agenten der DFS und einer verhörte Camarena [...] Ich beauftragte mein Team herauszufinden, was für Kubaner in Mexiko waren. Einer der Vertragsnehmer mit der CIA (... Víctor Lawrence Harrison) sagte mir: 'Rodríguez ist der Mann, der in Mexiko die Lager der Contra leitet. Die Camps sind in Veracruz, auf einer Ranch von Caro Quintero. Sie benutzen eine Luftlinie von Juan Ramón Matta Ballesteros (Setco). Diese Piloten fliegen für die Contras Waffen nach Nicaragua. Aber diese Piloten kommen nach Mexiko, laden Kokain in ihre Flugzeuge und fliegen dann in die US-Militärbasen, wo sie den Zoll umgehen können.» Beide Zeugen identifizierten Rodríguez unabhängig voneinander anhand von Fotos. Ein weiterer Informant mit DFS- und CIA-Verbindungen sagte Berrellez: «Das einzige, was ich Ihnen sage ist, dass der Pilot, der Caro Quintero nach dem Mord an Camarena ausser Landes flog, ein Amerikaner ist» - mit einem CIA-Flugzeug der Setco von Matta.

Berrellez weiter: «Ich beschloss, diese Piloten zu untersuchen. Ich schlug das meinen Vorgesetzten in Washington vor und sie sagten Nein. 'Diese Piloten werden wir nicht verhören und wir werden nicht zulassen, dass du sie verhörst, denn sie arbeiten für die USA. Kümmere dich einzig um die Narcos!'» Berrellez erinnert sich an ein gleich gerichtetes Untersuchungsverbot, das er als Chef des DEA-Büros in Mazatlán im Staat Sinaloa 1986/87 erhalten hatte. Er hatte Hinweise erhalten, dass US-Flugzeuge aus einer Ranch eines ehemaligen Gouverneurs des Staates Grossladungen Kokain transportierten. Seine Chefs begründeten das Verbot so: «Es handelt sich um ein Camp fürdie Ausbildung der Contras».

Auch der oben als Leiter der Contra-Lager in Mexiko erwähnte 'Rodríguez'ist nicht irgendwer. Als CIA-Agent kubanischer Herkunft war er bei der Hinrichtung von Che Guevara in Bolivien dabei. In den 80er Jahren war er, was der Kerry-Bericht dokumentiert, bis über beide Ohren in die Waffen/Drogengeschäfte der US-Administration für den Contra-Krieg involviert. Dabei war er auch in El Salvador aktiv, wo unter seinem Kommando der berüchtigte CIA-Kubaner Posada Carriles arbeitete..


Der geflüchtete Drogenbulle

Ein als Informant angeworbener ehemaliger Comandante der DFS erklärte Berrellez die Aufgabe der DFS mit vier Worten: «Cuidar a los narcos» - die Narcos beschützen. Ein weiterer Informant und Freund des DEA-Ermittlers Berrellez war der in Mexiko bekannte Drogenpolizist Guillermo González Calderoni, ein Comandante der Federales. Berrellez: «Er hatte sich, erklärte er mir, mit Raúl, dem Bruder des damaligen Präsidenten Salinas de Gortari, zerstritten.» Anscheinend ging es um einen Verteilungsstreit. «Er erzählte mir: 'Sie erteilten mir den Auftrag zum Mord an zwei Politikern des PRD [damals eine linke Partei] in Monterrey. Ich schickte Leute, um das zu erledigen'. Er versicherte auch, dass sie [die Gebrüder Salinas de Gortari] den Befehl zur Ermordung von José Francisco Ruiz Massieu gegeben haben». (Für die Ermordung 1994 des damaligen PRI-Generalsekretärs wurde Raúl Salinas de Gortari erst verurteilt, dann aber 2005 wieder freigesprochen.)

González Calderoni wurde nach dem Streit mit den Salinas der Boden in Mexiko zu heiss; er bat Berrellez 1993 um Fluchthilfe. Der schickte ihm einen Jet. In den USA angekommen, sagte der Comandante dem DEA-Mann: «Du hast mir einen grossen Gefallen getan und ich will dir etwas sagen [...] Ihr selber habt Kiki umgebracht, die Amerikaner haben Kiki umgebracht und stellt euch nicht blöd an. Dich gebrauchen sie bloss.» Später hatte González auch mit Philip Jordan zu tun, der heute ebenfalls als Ex-DEA-Agent zur Sache Camarena aussagt. Jordan, ehemaliger Chef des wichtigen DEA Intelligence Center von El Paso und ehemaliger Abteilungsleiter der DEA, war Vorgesetzter von Camarena, als dieser ermordet wurde. Berrellez gibt Jordans Zusammenfassung der Infos von González so wieder: «Alle Welt in Mexiko unter den Comandantes weiss, dass Félix Rodríguez Matta Ballersteros den Befehl gegeben hat, und Juan Ramón flog von Honduras nach Mexiko, um den Befehl an Caro und Fonseca weiterzugeben, dass sie und die DFS Kiki entführen müssen. Es ging nur darum, ihn zu verhören, damit er seine Quellen preisgibt.»


Zu «robust»

Camarenas Verhör war also gemäss Berrellez zu «robust», der DEA-Mann hätte hospitalisisiert werden müssen, um zu überleben, weshalb die DFS beschlossen habe, ihn zu liquidieren. Er wurde erschlagen, sein Pilot Zavala, der mit Camarena zusammen entführt worden war, wurde lebend mit der Leiche seines Bosses im gleichen Loch verscharrt.

Soweit zum Interview mit Berrellez in Proceso. Interviews mit dem früheren hochrangigen DEA-Funktionär Phil Jordan und dem CIA-Vertragspiloten Tosh Plumlee in Proceso, aber auch vereinzelt in US-Medien, ergänzen und bestätigen das Bild. Unklar bleibt, was Berrellez und Jordan dazu bewogen hat, gerade jetzt an die Öffentlichkeit zu treten.

In der Nummer vom 27. Oktober 2013 gibt Proceso Aussagen des damaligen Vizeinnenministers und Ex-Militärs Jorge Carrillo Olea wieder, die das intime Verhältnis DFS-CIA beschreiben. So habe etwa der damalige US-Botschafter John Gavin eine Reihe DFS-Agenten als Bodyguards gehabt und auch bezahlt.


Follow the money

Ein weiteres Motiv für die CIA/Narco-Szene, die Quellen von Camarena herauszufinden, war, dass Camarena bei gefassten Drogenhändlern nicht bloss die Ware, sondern auch ihre Finanzkonti beschlagnahmte. Sowohl Berrellez wie Jordan betonen diesen Punkt. Dies konnte die Finanzierung der black operations der CIA empfindlich gefährden - und könnte den offensichtlichen Hass der Folterer Camarenas erklären. Diese haben Camarena unter anderen Torturen ein Loch in den Kopf gebohrt und einen Besenstiel in den Darm gerammt.

Erhellend in diesem Finanzzusammenhang ist die Aussage Berrellez im Proceso-Interview, dass er sich die Freilassung von Caro im August 2013 damit erkläre, dass der PRI an dessen Geld wolle. «Das letzte Mal, als ich die Bankkonti einsah, die Caro in Luxemburg hat, waren es mehr als vier Milliarden Dollar. Und es gibt ein weiteres Konto [...] in der Schweiz, das man nie beschlagnahmt hat [...] mit mehreren Milliarden Dollar».

Wie wenig das Motto Camarenas, beim Geld anzusetzen, auch heute in Mexiko befolgt wird, haben wir im Correos 171 von September 2012 dargelegt («Fleissig Geld waschen» und «Die Farce hinter dem Drogenkrieg»). Dass das Prinzip bei Grossbanken ohnehin nicht gilt, haben wir mehrmals anhand der US-Narcofreisprüche für Banken wie Wells Fargo/Wachovia oder HSBC gezeigt (Correos 163 und 173).


CIA-Fluchthilfe

Caro Quintero wurde drei Monate nach dem Mord an Camarena in Costa Rica verhaftet. Er gelangte mit CIA-Unterstützung dorthin. Bill Conroy von Narco News hatte mit dem in Contragate verwickelten CIA-Kontraktpiloten Tosh Plumlee Interviews geführt und diese in einen Artikel verarbeitet(5). Ein Auszug daraus: «'Ich [Plumlee] erhielt den Befehl, Caro Quintero in jener Ranch abzuholen. Ich wusste damals nicht wirklich, wer er war. Aber es war eine [von der US-Regierung] bewilligte Operation'. Plumlee sagte, er habe Caro Quintero in einer Cessna 310 (Eigentum einer CIA-Auslagerung namens SETCO) zu einer privaten Landepiste gleich ausserhalb Mexikos in Guatemala geflogen [...] Plumlee sagt, ein anderer Pilot, 'ebenfalls von SETCO, habe Caro Quintero in Guatemala abgeholt und nach Costa Rica geflogen». Soweit Narco News.

Bei Plumlee handelt es sich um «den Amerikaner», der Caro Quintero ausgeflogen hat, auf den Berrellez aufmerksam gemacht worden war. Bei «jener Ranch» handelt es sich um das im anfangs zitierten DEA-Memo und auch von Berrellez erwähten Anwesen von Caro Quintero, auf dem die CIA durch die mexikanische DFS Contras ausbilden und Kokainflüge auftanken liess. Plumlee wurde noch vor Auffliegen von Contragate zum Whistleblower und hat seither mehrmals vor dem US-Kongress und auch vor dem Kerry-Subkomittee des Senats ausgesagt. Er galt in Senatskreisen als vertrauenswürdig. In seiner Zeit als CIA-Vertragsnehmer flog er oft Waffen für die Contras und Kokain aus Kolumbien für den National Security Council des Weissen Hauses.


DEA-Whitewash und Freihandel

Am 29. Oktober 2013 organisierte die DEA in ihrem Museum ein Forum zum Thema Camarena. Jack Lawn, Ex-DEA-Administrator, und Jack Taylor, der in den ersten zwei Jahren die Operación Leyenda geleitet hatte, traten an, um die Aussagen von Berrellez und Jordan zu entkräften. Auf eine entsprechende Frage antwortete Lawn überzeugend: «Die Mühe, das zu kommentieren, erübrigt sich [...] Es ist unglücklich, dass zwei unserer Ex-Agenten zu diesem Schluss [der CIA-Verwicklung in die Ermordung von Camarena] gekommen sind, der auf nichts gründet», denn die CIA habe der DEA Verhörbänder von Camarena zur Verfügung gestellt.

Lawn wird noch unglücklicher werden. Am Tag vor dem Forum hatte Mike Holm Proceso ein Interview gegeben. Holm war Berrellez' Chef während dessen Zeit als Leiter der Operación Leyenda (nachdem er früher das DEA-Office of Professional Responsability geleitet hatte). Holm war voll des Lobes über die professionelle Qualität von Jordan und Berrellez und bestätigte Berrellez' Aussage, dass ihm die DEA-Chefs verboten hatten, die CIA/Kokain-Connection zu untersuchen: «Das stimmt. Sie sagten ihm, er solle einzig den Mord an Camarena untersuchen». Holm hat eine interessante Hypothese, weshalb das US-Justizministerium Berrellez die Untersuchung der CIA verboten haben könnte: «Jahre nach dem Mord, 1992 oder 1993, als die mexikanische Regierung mit den USA das Freihandelsabkommen verhandelte, gab man uns in der DEA einen Befehl, nichts über Drogenhandelskorruption von hochrangigen mexikanischen Funktionär zu berichten. Täten wir es, würde es der Kongress mitbekommen und den Ratifizierungsprozess des Handelsabkommens blockieren»(6).


Anmerkungen:

(1) http://narcosphere.narconews.com/userfiles/70 DEA.Mexico.Report.2.1990.pdf

(2) Informant Puts CIA at Tanch of Agent's Killers.
http://articles.latimes.com/1990-07-05/newsmn-131_1_cia-operations,
Den Artikel hat Bill Conroy von Narco News letzten August ausgegraben:
http://narcosphere.narconews.com/notebook bill-conroy/2013/08/release-dea-agent-kiki-camarena-s-murderer-game-changer-cia

(3) Proceso 1929, 20.10.13: el «thriller» Camarena

(4) http://www2.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB NSAEBB113/north06.pdf

(5) http://narcosphere.narconews.com/notebook bill-conroy/2013/10/assassinated-dea-agent-kiki-camarena-fell-cia-operation-gone-awry-say-l

(6) Proceso 1831, 3.11.13: Caso Camarena. Contra la CIA, más evidencias.

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Quelle:
Correos de Centroamérica Nr. 176, 16. Dezember 2013, S. 28-31
Herausgeber: Zentralamerika-Sekretariat, Zürich
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2014