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CORREOS/148: Tödlicher Konflikt um kanadische Silbermine in Oaxaca


Correos des las Américas - Nr. 169, 8. März 2012

Tödlicher Konflikt um kanadische Silbermine in Oaxaca
Regierung versprach "Frieden und Fortschritt" - aber für wen?

von Philipp Gerber



(San José del Progreso. Mexiko) Bei einer Konfrontation zwischen MinengegnerInnen und den lokalen Behörden im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca wurden am 18. Januar zwei Oppositionelle schwer verletzt. Die Auseinandersetzung im Ort San José del Progreso fand statt, als die Behörden den Bau einer Wasserleitung auf dem Boden von Minengegnern beginnen wollten. Während eine junge Frau einen Beinschuss erhielt, erlag der 57-jährige Bernardo Méndez Vásquez tags darauf seinen schweren Verletzungen. Auf die protestierenden AnwohnerInnen, welche sich als "Koordination der Vereinten Völker des Ocotlán-Tales" (COPUVO) organisiert haben, eröffneten Polizisten der lokalen PRI-Verwaltung das Feuer. Gemäß der Opposition sollte die Wasserleitung der Silbermine Cuzcatlán, die sich im Besitz der kanadischen Fortuna Silver befindet, den regulären Betrieb ermöglichen.

Die umstrittene Mine, 40 km südlich der Hauptstadt Oaxaca Stadt im zapotekischen Bezirk Ocotlán gelegen, wird seit dem September des vergangenen Jahres kommerziell betrieben. San José ist seit 2009 in regelmäßigen Abständen Schauplatz von Auseinandersetzungen von Minenbefürwortern und -gegnern, die sich zahlenmäßig die Waage halten. So blockierten GegnerInnen im Mai 2009 den Bau der neuen Mine auf dem historischen Stollen, worauf 800 Polizisten, damals noch unter dem PRI-Gouverneur Ulises Ruiz, die Blockade gewaltsam räumten. Im Juni 2010 dann eskalierte erstmals die Gewalt unter den AnwohnerInnen selber: Der PRI-Gemeindepräsident und ein Gemeinderatsmitglied kamen dabei ums Leben. Als Racheakt entführten Minenbefürwortern den Priester des Dorfes, beschuldigten ihn der Autorschaft der Gewalt und übergaben ihn schwer verletzt der Polizei.

Aufgrund der andauernden Konfrontation fordern diverse soziale Organisationen Oaxacas, darunter die LehrerInnengewerkschaft, die Schließung der Mine. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, demonstrierten Ende Januar MinengegnerInnen aus verschiedenen Bundesstaaten vor der kanadischen Botschaft in Mexiko-Stadt. Diese Protestaktion reiht sich ein in die zunehmende Opposition gegen die Minentätigkeiten, hauptsächlich kanadischer Firmen, in einem Dutzend mexikanischer Bundesstaaten. Die Diplomaten Kanadas verweigerten jedoch einen Dialog mit den Protestierenden. Hingegen ist die Botschaft seit Monaten mit gezielten Besuchen bei Regierung und NGOs in Oaxaca präsent und versucht, der Investition Kanadas im Bundesstaat ein humanes Antlitz zu geben.

Das umstrittene Minenprojekt in Oaxaca wird sowohl von der PRI als auch von der Anti-PRI-Koalition des neuen Gouverneurs Gabino Cué bedingungslos unterstützt. Eine Befragung der indigenen Lokalbevölkerung über das Großprojekt fand nie statt. Die Regierung Cué sah sich genötigt, die Konfrontation umgehend als "internen Machtkampf um die politische Kontrolle" des Dorfes zu bezeichnen. Der tragische Vorfall habe deshalb rein gar nichts mit der Präsenz der Mine zu tun. Dieses Argument wurde von Fortuna Silver dankenswert in einer Stellungnahme übernommen, mit der sie auf kritische Berichte in der kanadischen Presse reagierte. Dem, gemäß eigener Werbung, "low-cost"-Unternehmen Fortuna Silver kam just am Tag vor dem neuen Gewaltakt in Oaxaca die zweifelhafte Ehre zu, die Börse in New York per Glockenschlag zu eröffnen. Dementsprechend, nervös kommentierte Fortuna Silver die "sinnlose Gewalt "in Oaxaca, mit der sie nichts zu tun habe, und bezeichnete "einige lokale Gruppen" als "interessiert daran, uns damit in Verbindung zu bringen", um sich selber zu profilieren.


Die Wasserfrage

Die Koordination der MinengegnerInnen widerspricht dieser Version vehement. Wasser ist in der Region eine äußerst knapp bemessene Ressource, und die Mine versucht seit Monaten vergeblich. Wasserleitungen zu legen. Zwischenzeitlich angezapfte Wasservorräte und Tanklastwagen scheinen in der Trockenperiode definitiv nicht mehr auszureichen, um die Produktion aufrechtzuerhalten oder gar auszubauen. Fortuna Silver hatte gemäß lokalen Quellen auch schon verschiedene Versuche gestartet, einen der kleinen Staudämme in der trockenen Region zu kaufen, die der Lokalbevölkerung zur Bewässerung der Felder dienen, vergeblich. Gleichzeitig preist sich das Jungunternehmen als für Investoren besonders attraktiv an, da die geringen Produktionskosten eine hohe Gewinnspanne versprechen. Nach den Angaben der Firma erwarten sie eine Produktion von Silber, die gemessen an den Produktionskosten und dem aktuellen Börsenpreis einen Gewinn von rund 125 Millionen US-Dollar entspricht. Doch zur Realisierung dieser versprochenen Gewinne muss Wasser her, koste es, was es wolle.

Die Mine wurde durchgezwängt. die Investitionen sind getätigt. die Lokalbehörden gekauft. Doch der Produktion geht das Wasser aus. In dieser angespannten Situation war der Aushub eine gezielte Provokation von Seiten der Lokalbehörden. Angeblich geschah der Ausbau nur für neue Trinkwasserleitungen des Dorfes, aber seltsamerweise, ohne dass das Wasser-Komitee des widerständigen Quartiers einbezogen worden war. Schon in den Monaten zuvor waren Behörden und Öffentlichkeit gewarnt. So wurden lokale MinengegnerInnen und das "Kollektiv Oaxacas zur Verteidigung der Territorien", welche im November 2011 ein Forum über die Folgen der Minentätigkeit organisierten, massiv bedroht. Das Forum, an welchem 200 Personen aus zahlreichen Gemeinden teilnahmen, fand unter dem Schutz der Staatspolizei statt, die Pistoleros des Bürgermeisters hielten Abstand. Tage darauf denunzierte der Vorsteher des Weiler Maguey Largo, wo das Minenforum stattfand, die Einflussnahme von lokalen Politgrößen zugunsten der Mine. So war am selben Wochenende des Forums Salomon Jara in San José del Progreso. Jara leitet aktuell das Landwirtschaftsministerium und ist Kandidat der PRD für einen Senatorenposten.


Gerechtigkeit statt Wortblasen

Die Eskalation in San José del Progreso ist nur ein Beispiel für ein Entwicklungsmodell, welches zunehmend zur sozialen Konfrontation führt. Auch die Parteilinke Mexikos hat bisher die Konsultation der Bevölkerung bei Großprojekten erst im Diskurs, die Wirklichkeit der von ihr (mit-)regierten Bundesstaaten Chiapas, Oaxaca und Guerrero sieht anders aus. Unter der "progressiven" und von der UNO als besonders menschenrechtskonform ausgezeichneten Regierung Cué starb Ende 2011 eine Person im Konflikt zwischen Befürwortern und GegnerInnen eines Windparkprojekts mit spanischem Kapital im Istmus von Oaxaca. Eine andere Gemeinde an der Küste kämpft um die Stornierung eines Windparks, welcher der Gemeindepräsident ohne Zustimmung der Versammlung unterschrieb.

"Friede und Fortschritt" versprach Gabino Cué im Wahlkampf 2010, und schaffte damit, nach 80 Jahren PRI-Herrschaft, einen historischen Machtwechsel. Doch die Gemeinden, welche sich gegen die nicht mit ihnen konsultierten Großprojekte wie Minen, Windkraftparks oder Staudämme organisiert haben, sind nach einem guten Jahr Amtszeit von der neuen Regierung mehr als enttäuscht. Es scheint, dass unter "Entwicklung" die privatwirtschaftliche Ausbeutung der Naturressourcen und unter "Friede" bloß Investitionssicherheit verstanden wird. Diese merkantilistische Vision von Fortschritt stößt mit dem Versuch eines guten Teils der indigenen Bevölkerung zusammen, ihr Territorium gegen diesen Zugriff zu verteidigen.

Es mehren sich die Anzeichen, dass 2012, in diesem Jahr der Präsidentschaftswahlen vom 1. Juli, die seit dem Aufstand von 2006 schwelende soziale Konfliktivität Oaxacas wieder virulent wird. Nur scheint Oaxaca heute, im Gegensatz zum Wahljahr 2006, nicht mehr die Ausnahme im Lande zu sein. "Unmut und Forderungen nach Gerechtigkeit blühen in weiten Teilen des Landes", titelte die Tageszeitschrift "Jornada" am 28. Januar. Die unverhohlen ausbeuterische Tätigkeit des Minensektors, welcher von der Regierung Calderón ganze 25% der gesamten Landfläche Mexikos für lächerliche 5 Pesos pro Hektare lizenziert kriegte, ist dabei der sichtbarste Angriff auf die Rechte der mexikanischen Bevölkerung. Die Aushöhlung der Arbeitsrechte, die Privatisierung des Bildungssektors, die Repression gegen soziale Bewegungen im Schatten des Drogenkriegs oder die Zensurbemühungen im Internet sind Beispiele für weitere Konflikte, welche das Klima im Land zunehmend verschärfen.


KASTEN

Fortuna Silver: "grüne" Minen?

"Wir verschmutzen kein Wasser, im Gegenteil, wir reinigen es", werden die Verantwortlichen der Fortuna Silver in einer minenfreundlichen "Reportage" zitiert. Dies, weil sie eine Abwasserreinigungsanlage der Gemeinde instand stellten... Politikerinnen und UnternehmerInnen stimmen in das Loblied auf die "Nachhaltigkeit" und ökologischen Verantwortung der Firma ein. Tatsächlich ist der in Oaxaca betriebene Unter-Tage-Bau auf den ersten Blick weniger umweltzerstörerisch als die Minentätigkeit unter freiem Himmel. Aber die Beeinträchtigungen und Gefahren für Mensch und Natur sind dennoch vielfältig. So sind die unterirdischen Dynamit-Explosionen inzwischen ein ständiger Begleiter der Gemeindebewohner, auch nachts. Von den Gefahren für Grundwasser und andere mittel- und langfristige Umweltschäden nicht zu reden. Zudem befürchten die Minengegner, dass die Mine Cuzcatlán sich von unten nach oben durch die Gesteinsschichten frisst, und letztlich doch ein offener Minenkegel entsteht. Zudem ist die Mine Cuzcatlán erst ein Pilotprojekt in der Region, drei weitere, grössere Minen sind in der näheren Umgebung in der Explorationsphase. Dies zeigt, dass das Misstrauen gegenüber der modernen, "grünen" Mine angebracht ist. Erst recht, wenn man einige Figuren des Unternehmens genauer unter die Lupe nimmt. Über die "grüne" Vergangenheit des Aufsichtsvorsitzenden von Fortuna Silver, Simon Ridgway, wissen die BewohnerInnen des Valle de Siria in Honduras Bescheid. Wie das lokale Anti-Minen-Komitee und Rights Action berichten, ist der findige Geschäftsmann, der aktuell in der Geschäftsleitung von einem halben Dutzend Minenfirmen sitzt, für die Verbrechen an der Umwelt von den Umweltbehörden erfolglos steckbrieflich ausgeschrieben worden.

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Quelle:
Correos de Centroamérica Nr. 169, 8. März 2012, S. 20-21
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2012