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AUFBAU/597: 100 Ausgaben Aufbauzeitung - Stöbern im Zeitungsarchiv


aufbau Nr. 100, März/April 2020
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

100 AUSGABEN AUFBAUZEITUNG
Stöbern im Zeitungsarchiv


Es ist interessant, in den alten aufbau-Zeitungen zu stöbern. Was lief 1996? Welche Themen waren aktuell? Was hat sich verändert, was ist gleich geblieben? Ein zufälliger Rundgang durchs Zeitungsarchiv ohne wissenschaftlichen Anspruch.


(rabs) "Une seule solution: Révolution" steht auf dem Kartonschild, dass die Frauen an einer Demonstration vor sich hintragen. Es ist das Foto auf dem Titelbild der allerersten Ausgabe des aufbau. Es ist ziemlich verpixelt; dass das 24 Jahre her ist, zeigen auch die Frisuren, die eher an die 80er-Jahre erinnern. Es ist wohl ein Bild von einer Demo gegen den Stellenabbau in der Basler chemischen Industrie. Es war die Zeit der Massenentlassungen auf Grund von Auslagerungen ins Ausland. Die Dimensionen sind beträchtlich: "1994 streicht Roche 5.000 Stellen, davon mindestens 350 in Basel. Bei Sandoz sind es 650. Im Januar 1995 doppelt die Roche mit dem Abbau von weiteren 100 Arbeitsplätzen nach und im Herbst 1995 kündet die Ciba die Streichung von 650 Arbeitsplätzen an. Kauer, Verwaltungsratspräsident der Ciba, will bis ins Jahr 2000 weitere 5.000 Stellen vernichten." Auch wenn die Gewerkschaft (damals noch die Gewerkschaft Bau und Industrie, vor der Fusion zur Unia) für ihre lasche Haltung gegenüber der Industrie kritisiert wird, mobilisieren konnten sie offenbar noch: 3.500 ArbeiterInnen kamen zur Demo im Januar 1996 in Basel. "Die Darbietung der GBI-Führung war dann allerdings ein jämmerliches Schauspiel." Gewisse Dinge ändern sich leider nicht.

In aufbau Nr. 2 (Mai 1996) sind dann die Folgen zu beobachten: "Ciba und Sandoz fusionieren, 15.000 Arbeitsplätze werden vernichtet, davon 3.600 in Basel."

Gleich blieb auch die Präsenz des 1. Mais: Unter dem Titel "Wer hat Angst vor dem 1. Mai?" (aufbau Nr. 3, August 1996) wird die Taktik der "präventiven Konterrevolution" analysiert. Auch die bürgerlichen Medien bekommen immer wieder ihr Fett ab, Desinformation hiess damals jedoch noch nicht "Fake News". In aufbau Nr. 22 (Mai 2001) treffen wir wieder auf den selben Titel über dem 1. Mai-Artikel. Die Angst scheint noch nicht verflogen zu sein. Und: "Das 1. Mai-Komitee paktiert mit den Bullen". Na so was.


Da war doch was

Ein Streifzug durchs aufbau-Archiv ruft uns auch vieles wieder in Erinnerung, das wir vergessen oder noch nicht aktiv mitbekommen hatten: Beispielsweise die Rolle der UCK im Jugoslawienkrieg, die in den bürgerlichen Medien mindestens verharmlost, zum Teil schöngeredet wurde. Wie wir es auch heute in den Stellvertreterkriegen z.B. in Libyen oder im Nahen Osten sehen, glaubte auch schon vor 19 Jahren (aufbau Nr. 22, Mai 2001) "niemand [...] ernsthaft, mit der durch die Nato-Bombardamente erzwungenen militärischen Besetzung des Kosovo sei man einem Frieden auf dem Balkan auch nur einen Schritt näher gekommen."

Und dann war da Genua, ein Städtename, der auch von jungen GenossInnen immer noch mit den G8-Protesten 2001 und dem Tod Carlo Giulianis in Verbindung gebracht wird. In der Nummer 23 des aufbau lesen wir einen Reisebericht. Entsolidarisierungen unter den politischen AktivistInnen, beispielsweise der "tute bianche" gegenüber dem "schwarzen Block" - man hätte sich da wohl die Parole gewünscht, die heute an Klimademos benützt wird: "Weisse Weste, schwarzer Block: Scheissegal, wir haben Bock". Auf der anderen Seite ist die beschriebene Solidarisierung der BewohnerInnen eindrücklich, die die Demonstrierenden mit Wasser versorgten. Und immer wieder die unglaubliche, organisierte Bullengewalt.

Im Jahr 2003 überfiel die US-Armee unter Führung von George W. Bush den Irak um den nicht mehr genehmen Saddam Hussein zu stürzen: "Ein mit einer beispiellosen Medienkampagne vorbereiteter Krieg", schrieb der aufbau (Nr. 29, März 2003) kurz vor dem effektiven Kriegsbeginn. In den folgenden Nummern schreiben wir über den Widerstand gegen den Krieg: in Europa (aufbau Nr. 30, Mai 2003) und im Irak selber (aufbau Nr. 31, Sept. 2003). Die Antikriegsbewegung, die während dem Irakkrieg sehr stark war und viele Menschen politisierte und prägte, war dann beim Nato-Angriff gegen Libyen praktisch inexistent (aufbau Nr. 65, Mai 2011). Auch dies - wie der Irak - ein Konflikt, der weiterhin aktuell ist (vgl. S. 3).


Biologische Erkenntnisse

Beim Durchblättern der Zeitungen fallen Artikel auf, bei denen es nicht um aktuelle Ereignisse oder politische Einschätzungen geht. In einem Artikel der ersten Ausgabe erfahren wir, wie bei einer Spinnenart, einer "Abart der Schwarzen Witwe, [...] das Thema der patriarchalen Strukturen auf eindrückliche und nicht minder wirkungsvolle Weise angegangen" wird: Noch während des Geschlechtsakts frisst das Weibchen das Männchen auf. Aus biologischen Realitäten werden mit viel Humor parallelen zur menschlichen Gesellschaft gezogen, wobei die naturkundliche Erklärung nicht zu kurz kommt.

In Zürich gingen übrigens "am 8. März [1996], dem internationalen Frauentag ca. 700 Frauen auf die Strasse. Angeführt vom Fronttransparent 'Frauenbefreiung fordert Revolution - alles andere ist Illusion' führte die unbewilligte Demo begleitet von kämpferischen Parolen und entschlossener Stimmung vom Limmatplatz zum Hirschenplatz. Begleitet wurde sie von einem aggressiv aufgerüsteten Bullenaufgebot" (aufbau Nr. 2, Mai 1996). Im kurzen Artikel wird bedauert, "dass nicht explizit zu einer Frauendemo aufgerufen wurde." "Denn obwohl wir natürlich die Solidarität von Männern mit dem Frauenkampf begrüssen, können auch proletarische Männer unseren Kampf nicht führen." Die Diskussion ist noch nicht zu Ende, aber vielleicht sind die Männer in ihrem "Bewusstseinsprozess" etwas weiter, der beinhaltet, "als Männer in allen Bereichen - auch den eigenen - patriarchale Strukturen und Mechanismen zu bekämpfen, um gleichberechtigte, kollektive Schritte entwickeln zu können"?

Die Tagesereignisse ändern sich, die Haltungen und Einschätzungen, die in den Artikeln zum Vorschein kommen, gleichen sich. Damals wie heute: Der Desinformation entgegenzutreten, aber auch Kämpfe zu dokumentieren, ist ein wichtiger Grund, linke Medien zu unterstützen.


Im Zeitungsarchiv kann im Aufbauzentrum (Kanonengasse 35 (im Hinterhaus, Eisentreppe), 8004 Zürich, offen jeden Samstag, 12: 00-17:00 und Bläsiring 86, Basel, Öffnungszeiten auf Anfrage: basel@aufbau.org) oder im Schweizerischen Sozialarchiv (Stadelhoferstrasse 12, Zürich) gestöbert werden.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 100, März/April 2020, Seite 7
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz:
aufbau, Postfach 8224, 8036 Zürich
E-Mail: info@aufbau.org
Internet: www.aufbau.org
 
Der aufbau erscheint dreimonatlich.
Einzelpreis: 2 Euro/3 SFr
Abo Inland: 30 Franken, Abo Ausland: 30 Euro,
Solidaritätsabo: ab 50 Franken


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2020

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