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AUFBAU/558: Wenn Frau will, stehen erst recht ALLE Räder still


aufbau Nr. 95, Januar/Februar 2019
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Wenn Frau will, stehen erst recht ALLE Räder still


FRAUENSTREIK 2018 gab es weltweit grosse Frauenstreiks und für 2019 laufen bereits die Vorbereitungen heiss. Der 8. März 2019 wird mit Spannung erwartet, international werden Frauen an diesem Tag streiken und Strassenaktionen organisieren - alle Frauen? Nein, ein kleines Land in Westeuropa lässt den traditionsreichen 8. März links liegen und verschiebt den nationalen Frauenstreik auf den 14. Juni. Immerhin.


(fk) Ein unbekanntes Datum? Nun, vor 27 Jahren traten fast eine halbe Million Frauen in der Schweiz an diesem Tag in den Streik. Die Parole lautete: "Wenn Frau will steht alles still". Konkret ging es um die Anerkennung von Reproduktionsarbeit, die Frauen gratis neben ihren oft minder bezahlten Erwerbsarbeiten erledigen und dass der 1981 eingeführte Gleichstellungsartikel von Frau und Mann endlich anerkannt wird. Um der Öffentlichkeit klar zu machen, wie viel Arbeit Frauen erledigen, ohne dafür bezahlt zu werden, wurden die Lücken durch eben diesen Streik offen gelegt. Bereits 2004 wurde erforscht, dass in der Schweiz gerade mal 53 % der Bruttowertschöpfung im bezahlten Sektor erwirtschaftet wird, enorme 47% jedoch im unbezahlten Sektor. Fast die Hälfte der in der Schweiz geleisteten Arbeit wird also unbezahlt erbracht. Die Forderung nach Lohngleichheit wurde schlussendlich 1996 gesetzlich verankert.


Gesetze allein nützen nix

Nur hat sich seither leider wenig geändert: Lohnunterschiede aufgrund des Geschlechts sind nach wie vor eine Tatsache. Die Kinderbetreuung bleibt mässig gesellschaftlich organisiert und die Reproduktionsarbeit wird nach wie vor oft von Frauen alleine erledigt. Verständlich also, dass Frau sich daran stösst und Lust hat, ihre Wut darüber auf die Strasse zu tragen. Dies zeigt auch die gut besuchte Gewerkschafts-Demo diesen Herbst in Bern, wo über 20.000 Menschen für Lohngleichheit auf die Strasse gingen.

Die internationalen Frauenstreiks wurden von "unten" organisiert - darauf weisen die Organisationsbündnisse immer wieder hin. Es soll gerade nicht um parlamentarischen Wahlkampf gehen, der sich ein aktuelles Brennpunkt-Thema zunutze macht. Viele Komitees haben trotz breiten Bündnissen eine antikapitalistische Haltung - und teilen die Analyse, dass das Patriarchat dem kapitalistischen System inhärent ist. Natürlich sind in diesen grossen Komitees auch bürgerliche Politiker_innen aktiv. Die Haltung ist aber klar, dass Frauen der Basis mindestens das gleiche Mitspracherecht haben.

In der Schweiz will man allerdings niemandem zu sehr auf die Füsse treten und besteht explizit auf eine breite Allianz, auch mit bürgerlichen Frauen. So passt auch der 14. Juni statt dem 8. März gut ins Bild - frau pocht dabei auf die praktische Umsetzung eines Paragraphen im bürgerlichen Gesetzbuch. Dabei zeigt diese Geschichte einmal mehr, dass es mit Gesetzesreformen alleine nicht getan ist. Deutlich kommt zum Ausdruck. dass wirkliche Errungenschaften ohne Klassen- und Frauenkämpfe nicht zu haben sind, denn die Anliegen proletarischer Frauen sind den Interessen des Kapitals diametral entgegengesetzt.

Wollen wir also wirklich nur auf die Strasse, damit ein Gesetzesartikel von 1996 endlich umgesetzt wird? Die teilweisen Allianzen zwischen den Klassen machten den Frauenkampf schon immer herausfordernd.

Heute sollte klar sein, wessen Stimme Gehör verschafft werden sollte: derjenigen der proletarische Frau, eine der Verliererinnen in der Krise des Kapitalismus. Frauenspezifische Arbeit wird oft genug einfach schlecht(er) bezahlt oder ist prekarisiert.

Aktuell steht der schweizerische Frauenstreik- und Aktionstag noch am Anfang. Doch der Enthusiasmus ist gross, besonders in der Romandie. "Schon mehrere Hundert Frauen aus allen Schichten sind aktiv in der Vorbereitung", sagt Michela Bovolenta, Zentralsekretärin der Gewerkschaft VPOD in Lausanne. "Es gibt Gruppen in allen Westschweizer Kantonen und eine Koordinationsgruppe für die ganze Romandie." Am 1. Dezember wird der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) an seinem Kongress entscheiden, ob er den Frauenstreik unterstützt. Das wäre eine wichtige Hilfe für die Organisation - aber Bovolenta sagt: "Wir haben schon entschieden: Der Streik wird stattfinden."

Für uns ist es schade, dass nicht der 8. März als Streik-Tag beschlossen wurde. Denn dieser Tag steht historisch seit über 100 Jahren und international ganz klar für die proletarischen Frauen ein. Es geht dabei darum, den Kampf gegen die besondere Ausbeutung und Unterdrückung der Frauen durch die patriarchalen Strukturen mit dem Kampf gegen das kapitalistische Ausbeutungssystem zu verbinden. Denn nur in dieser Verbindung sehen wir die Möglichkeit einer fundamentalen gesellschaftlichen Veränderung. Patriarchale Strukturen und Kapitalismus sind nicht bloss ein nationales Problem, welches in einer Abstimmung gelöst werden kann. Wir stehen nun also in der Pflicht, revolutionäre Inhalte in diese Diskussionen einzubringen. denn Frauenbefreiung im Kapitalismus ist und bleibt eine Illusion.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 95, Januar/Februar 2019, Seite 8
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
aufbau, Postfach 8663, 8036 Zürich
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Internet: www.aufbau.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2019

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