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AUFBAU/520: Saudi-Arabien - Bündnispartner für neue Kriege


aufbau Nr. 91, Januar/Februar 2018
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Saudi-Arabien - Bündnispartner für neue Kriege


MITTLERER OSTEN. US-Präsident Trump will das Atomabkommen mit dem Iran zu Fall bringen. Saudi-Arabien ist dabei ein willkommener Bündnispartner. Trotz oder gerade wegen des Völkermordes im Jemen.

(rabs) "America First" und die wilde Entschlossenheit, das unter dem Vorgänger Obama unterzeichnete Abkommen mit dem Iran zu Fall zu bringen, sind die Eckpunkte der Aussenpolitik unter Präsident Trump. "America first" impliziert die völlige Unterordnung der geostrategischen Interessen des US-Imperialismus unter die ökonomischen Interessen einzelner grosser Konzerne. Wie sehr diese Politik zum Bumerang werden kann, zeigte sich nach der ersten grossen Asienreise Donald Trumps. Zwar kehrte er, wie übrigens auch alle seine Vorgänger, mit vollen Auftragsbüchern für den mitreisenden Tross von WirtschaftsvertreterInnen nach Hause zurück. Auf dem politischen Parkett hingegen, beispielsweise dem Handelsabkommen TPP, verhielten sich die USA völlig passiv und überliessen die Initiative der Volksrepublik China.

Ganz anders zeigt sich die US-Regierung in ihrem Kampf gegen den Iran. Präsident Trump setzt alles daran, die durch das Abkommen mit dem Iran verärgerten Saudis wieder ins Boot zu holen. Er unterstützt das Regime auch dort, wo die Scheiche gegen die US-Interessen agieren. Der Kalte Krieg gegen Katar, wegen seiner Beziehungen zum Iran beispielsweise, bringt die USA in Verlegenheit, unterhält sie doch dort einen ihrer wichtigsten Stützpunkte in der Region. Anfänglich brüstete sich Donald Trump gar damit, Saudi-Arabien, die Emirate und Bahrein persönlich zu dieser Blockade motiviert zu haben. Eine Twitter-Botschaft, die umgehend vom US-Aussenministerium dementiert wurde. Israel, nach wie vor der wichtigste US-Bündnispartner in der Region, ist der lachende Dritte. Diese Blockade schwächt auch den palästinensischen Erzfeind, die Hamas, die von Katar unterstützt wird und dort auch Büros unterhält.


Der Völkermord im Jemen

Auch im mörderischen Luftkrieg gegen den Jemen verstärken die USA ihre militärische Unterstützung. Seit 2015 führt Saudi-Arabien mit einer Militärallianz Krieg gegen das Nachbarland Jemen. Zu dieser Allianz gehören Ägypten, Bahrein, Katar, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, Marokko, der Sudan und Senegal. Logistische Unterstützung erhält dieser Aggressionskrieg, wie erwähnt, durch die USA und die ehemaligen Kolonialmächte Frankreich und Grossbritannien. Über 90.000 Luftangriffe wurden seither gegen das Land geführt. Die USA liefern die international geächteten Streubomben und betanken die Kampfflugzeuge der Saudis. Aus Deutschland kamen allein dieses Jahr über 40.000 Artilleriezünder. Auch die Schweiz mischt wacker mit. Im April 2016 lockerte der Bundesrat das Ausfuhrverbot für Waffen nach Saudi-Arabien. Mit einer Seeblockade der saudischen Allianz wird das Land systematisch ausgehungert. Alle 10 Minuten stirbt im Jemen ein Kind an Unterernährung.

Obwohl sich im Jemen die grösste humanitäre Katastrophe seit dem 2. Weltkrieg abspielt, finden diese Kriegsverbrechen kaum Eingang in die Berichterstattung der Medien.

Der Krieg im Jemen interessiert die westlichen imperialistischen Mächte ohnehin nur unter der Optik der Zurückdämmung des vermeintlichen Einflusses des Iran und der äusserst lukrativen Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien. Um die über zwei Millionen Flüchtlinge mussten sich SP-Bundesrätin Sommaruga und die EU-Delegierten an der berüchtigten Berner Mittelmeer-Konferenz keine Sorgen machen. Die Menschen im Jemen sitzen in der Falle, auf dem Landweg ist eine Flucht nach Saudi-Arabien ausgeschlossen. Der Seeweg führt nach Somalia oder Dschibuti, was kaum eine Alternative darstellt. Eine Weiterreise bis ans Mittelmeer kann sich praktisch niemand leisten.

Für die Obama-Administration war die Unterstützung Saudi Arabiens im Krieg gegen den Jemen eher taktischer Natur im Hinblick auf die Verhandlungen mit dem Iran. Die militärische Unterstützung in diesem Krieg sollte die ob der Annäherung an den Iran erzürnten Scheichs etwas beruhigen. Ganz anders die Regierung Donald Trumps. Das Abkommen mit dem Iran galt schon im Wahlkampf als ein zu beseitigendes Schandmal und einhergehend damit setzte er sich für den Ausbau der Beziehungen zu Saudi-Arabien ein. Anlässlich seines Besuches in Riad vertrat der US-Verteidigungsminister Mattis die Auffassung, dass die Huthi-Rebellen nur durch ein hartes militärisches Vorgehen an den Verhandlungstisch gezwungen würden.


Die Nacht der langen Messer in Riad

Beflügelt durch die bedingungslose Unterstützung durch die Trump-Administration riss der Kronprinz und designierte Thronfolger Mohammed bin Salman in den letzten Wochen Schritt für Schritt die Macht an sich. Der ökonomische Hintergrund ist eine sich abzeichnende tiefe Krise des Scheich-Staates. Die Erdölpreise sind im Keller und auch die erschliessbaren Vorräte Saudi-Arabiens neigen sich dem Ende zu. Der erste Schritt war die Aufhebung des Fahrverbotes für Frauen. Was als "fortschrittlicher Akt" weltweit bejubelt wurde, dient einzig der Imagepflege im Ausland und der Ablenkung von den Kriegsverbrechen im Jemen. Durchaus gewollt war auch die Brüskierung ultrareaktionärer Kleriker, die den Fortschritt des Landes behindern. Anfangs November dann liess MBS, so das Kürzel des forschen Kronprinzen, über 200 Kader aus Politik und Wirtschaft, darunter 11 Kronprinzen, verhaften und ins als Edelknast umfunktionierte Hotel Ritz Carlton in Riad verfrachten. Was als Kampf gegen die Korruption dargestellt wird, ist in Tat und Wahrheit ein skrupelloser Machtkampf mit noch offenem Ausgang. Kaum zufällig erklärte der libanesische Ministerpräsident ebenfalls am Tag dieser Verhaftungen seinen Rücktritt, notabene in Riad und nicht in Beirut. Saudi-Arabien kritisierte Hariri wegen seiner angeblich zu laschen Haltung gegenüber der mitregierenden Hisbollah-Partei, die dem Iran nahe steht. Ein Rücktritt, den Riad zum Anlass nahm, seine BürgerInnen zur Abreise aus dem Libanon aufzufordern und damit versteckt-offen mit einem Krieg zu drohen. Hinsichtlich den USA ging das Kalkül von MBS auf. Seine Politik findet dort Gefallen und Präsident Trump stellte sich umgehend hinter die drakonischen Massnahmen des Kronprinzen.


Frankreich - historische Nostalgie oder realer Einfluss auf den Konflikt?

Weniger erbaut über diese Entwicklung zeigten sich Frankreich und Deutschland. Mit einem Spontanbesuch in Riad erinnerte Präsident Macron an die ehemalige Kolonialmacht und versuchte, Gegensteuer zur US-Politik zu geben und sich als Vermittler im Konflikt mit dem Iran in Szene zu setzen. Beunruhigt waren Frankreich und Deutschland auch über den offensichtlich von Saudi-Arabien erzwungenen Rücktritt Hariris und die Kriegsdrohungen gegen den Libanon. Bekanntlich fand Hariri in der Folge nach einem Irrweg über Paris und Kairo wieder nach Hause und erklärte überraschend in Beirut den Rücktritt von seinem Rücktritt. Da Frankreich den Krieg gegen den Jemen ebenfalls logistisch unterstützt, verurteilte Präsident Macron anlässlich seines Blitzbesuches in Riad den Abschuss einer (!) Rakete auf Saudi-Arabien durch die Huthi Rebellen und solidarisierte sich dem Königreich und seinem seit bald drei Jahren anhaltenden Bombenterror gegen das Nachbarland Jemen.

Das ultrareaktionäre Regime in Saudi-Arabien wird aus geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen von allen imperialistischen Mächten umworben und unterstützt. Den US-Imperialismus und die Scheichs in Riad verbinden aber zusätzlich das gemeinsame Interesse, den Einfluss des Iran notfalls auch mit einem direkten Krieg gegen Teheran zurück zu drängen. Ein Einfluss, und das die Ironie der Geschichte, der erst über die von den USA im Irak und von Saudi-Arabien in Syrien angezettelten Kriege überhaupt möglich wurde.

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Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis AbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 91, Januar/Februar 2018, Seite 3
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2018

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