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AUFBAU/403: TTIP & CETA - Die Wirtschafts-NATO


aufbau Nr. 79, januar / februar 2015
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Die Wirtschafts-NATO



TTIP & CETA Freihandel mit den USA und Kanada sollen Europa Wachstum und Wohlfahrt bescheren. Doch die Statistiken sind geschönt, die Versprechungen leer. Im Gegenteil handelt es sich um ein transatlantisches Klassenprojekt, das es zu bekämpfen gilt.


(az) Die verschärfte Konkurrenz zwischen imperialistischen Staaten drückt sich in der Zunahme von Kriegen aus, aber nicht nur. Der wohlklingende Begriff "Freihandel" ist ein weiteres Symptom. Eric Gujer behauptete in der NZZ beispielsweise, Freihandel sei das beste Mittel gegen Krieg und Militarismus und auf eine verquere Art und Weise hat er auch recht damit: Wenn die grossen imperialistischen Staaten den Freihandel am Verhandlungstisch durchsetzen können, verzichten sie möglicherweise auf den Krieg. Wenn es ihnen aber, wie im Falle der Ukraine, strittig gemacht wird, dann stehen die Zeichen auf Krieg.

Ähnlich argumentiert Guido Speckmann, der in seinem Artikel "Ein atlantisches Klassenprojekt" die These aufstellt, TTIP (Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen) sei eine Kampfansage an China. Die beiden alten imperialistischen Kräfte USA und EU wollen sich seiner Ansicht nach damit nicht nur Investitionsmöglichkeiten eröffnen, sondern auch Investitionen aus China unattraktiver machen.

TTIP ist neben CETA und TiSA ein weiteres Freihandelsabkommen, das gerade diskutiert wird. Die Schweiz ist an den Verhandlungen nicht beteiligt, wäre aber über die EU auf jeden Fall betroffen.

CETA und TTIP sind wohl mehr oder weniger identisch, CETA würde die Freihandelszone zwischen der EU und Kanada begründen, TTIP zwischen der EU und den USA. Das Ziel von TTIP, Zölle und Schutz der nationalstaatlichen Ökonomien einzureissen, ist älter als die EU selbst, seit dem Ende des kalten Krieges laufen Bestrebungen in diese Richtung. Die Befürworter behaupten, das führe zu Wachstum und dadurch zu mehr Arbeitsplätzen. Doch ihre eigenen Statistiken, die an sich schon unglaubwürdig sind, sind dennoch so ernüchternd, dass die so genannten Experten lieber keine konkreten Zahlen nennen. Ansonsten müssten sie zugeben, dass von 0.5% Wachstum in zehn Jahren ausgegangen wird und das würde sich am TV schlecht machen.

Die Verhandlungen führt die EU-Kommission, ein Gremium, das sogar für diejenigen, die den bürgerlichen Parlamentarismus als demokratisch bezeichnen, völlig ausserhalb des Rahmens des Tragbaren funktioniert. Dass die Bevölkerung nicht informiert wird, ist bei derartigen Verhandlungen üblich. Aber die EU-Kommission ist noch nicht einmal verpflichtet, die Regierungen der einzelnen europäischen Länder zu informieren. Multinationale Konzerne und Lobbyisten sind hingegen häufig geladene Gäste. In wessen Interesse verhandelt wird, braucht man sich deshalb nicht zu fragen. Und faktisch arbeitet die Kommission auch gegen die Parlamente. Jürgen Meier beschreibt folgende Absicht: "Lange bevor Parlamente Vorschläge zu Gesicht bekämen, will man künftig der US-Regierung und Unternehmen grosszügige Einflussmöglichkeiten gewähren. Auf gut Deutsch: Die Kommission schlägt den USA eine weitreichende Entmachtung gewählter Parlamente und der Zivilgesellschaft vor."


Der Angriff ist kontinuierlich

TTIP reiht sich ein in die verschiedenen Liberalisierungsvorstösse wie MAI und ACTA, die von einer starken Protestbewegung verhindert wurden. Auch bei TTIP nützt der Protest, zumindest sieht es so aus, als würde das vorgesehene "Schiedsgericht", in welchem Konzerne Staaten anklagen können, im Moment nicht durchsetzbar sein. Es muss angefügt werden, dass Investoren schon jetzt sehr umfassend geschützt sind. Das Neue wäre, dass "indirekte Enteignung" eingeklagt werden könnte. Das wäre dann der Fall, wenn sich die Bedingungen für den Investor verschlechtern und deshalb die Investition nicht so viel Profit abwirft, wie er sich versprochen hatte. Ein anonymer Beamter beschreibt die Situation in Kanada, wo durch die NAFTA (Freihandelszone von USA-Kanada-Mexiko) ein derartiges Gericht von den Konzernen angerufen werden kann, folgendermassen: "Bei beinahe jeder neuen umweltpolitischen Massnahme gab es von Kanzleien in New York oder Washington Briefe an die kanadische Regierung. (...) Nahezu jede neue Initiative wurde ins Visier genommen, und die meisten haben nie das Licht der Welt erblickt." D.h. alleine die Drohung eines Verfahrens reicht schon aus, eine Massnahme zu verhindern. Denn wie das Schiedsgericht entscheiden würde, steht schon vor der Verhandlung fest. Man stelle sich vor, Mexiko würde das Rentenalter senken wollen oder gar Mindestlöhne festlegen. Das würde vor Gericht ohne Umschweife für illegal erklärt und Mexiko müsste dem klagenden Konzern die gefühlte "Enteignung" bezahlen.

Der neu geschaffene Begriff der "indirekten Enteignung" ist nichts anderes als was man üblicherweise als Vergesellschaftung der Kosten bezeichnet, nur dass den Konzernen damit gelingen würde, sich als Opfer hinzustellen. Es würde dazu führen, dass ein Staat schon verlangen dürfte, dass umweltfreundlicher oder zu besseren Löhnen produziert wird, die Mehrkosten dafür müssten aber aus den Steuergeldern berappt werden. In diesem Fall könnte man dann von einem direkten Fall von Enteignung staatlicher Gelder durch das Gericht sprechen, doch während die Konzerne supranational Staaten anklagen dürften, ist die umgekehrte Richtung nicht vorgesehen.


TTIP
Die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) wird seit 2013 zwischen der EU und den USA verhandelt.
Die Details des Abkommens sind weitgehend unbekannt, auch diese Verhandlungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
An der Oberfläche dreht sich TTIP um folgende Kernpunkte:
- Deregulierung des Finanzsektors
- Vereinheitlichung von Zulassungsverfahren, z.B. sollen in den USA zugelassene Medikamente automatisch in der EU verkauft werden dürfen
- Angleichung der Lebensmittel-Richtlinien, die USA möchten beispielsweise die Zulassung gentechnisch veränderter Organismen erwirken
- Einführung einer supranationalen Gerichtsbarkeit, welche es (nur) Unternehmen erlaubt, einzelne Staaten unter dem Vorwand der "indirekten Enteignung" einzuklagen
Im Wesen zielt TTIP darauf ab, die Kampfmittel des imperialistischen Kapitals weiter auszubauen. Das neu geplante "Schiedsgericht" (das Investor State Dispute Settlement ISDS) dient der Disziplinierung der Werktätigen.
Nicht zu Unrecht wird TTIP deshalb auch als "Wirtschafts-NATO" bezeichnet.

TISA
In Verhandlung seit 2012 wird das Abkommen über Handel mit Dienstleistungen (TiSA) im kleinen Kreis der "Really Good Friends of Services" unter Federführung von USA, EU, Japan, Australien und Kanada verhandelt.
Die Verhandlungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der australischen Botschaft in Genf statt.
Mit TiSA soll eine Weichenstellung erfolgen, welche nur noch weitere Marktöffnungen, jedoch keinerlei neue Regulatorien mehr erlaubt. Es bezweckt einen Zwang zur permanenten Liberalisierung. Im Kern umfasst das Abkommen folgende Punkte:
- Gleichstellung privater und öffentlicher Dienstleistungsanbieter
Werden öffentliche Schulen staatlich subventioniert, muss zukünftig eine Privatschule in den Genuss derselben Förderung gelangen
- Stillhalteklausel bzgl. bereits erfolgter Liberalisierungsschritte: Bereits privatisierte Wirtschaftsbereiche können nicht mehr reguliert werden
- Ratchet-Klausel: Auch zukünftige Liberalisierungsmassnahmen sind nicht umkehrbar
Mit TISA werden grundsätzlich alle Lebensbereiche automatisch der kapitalistischen Verwertung preisgegeben. Lediglich explizit benannte Ausnahmen sollen ausgeklammert werden.
Damit knüpft TiSA direkt an das 1999 in Seattle dem Druck der Strasse unterlegene multilaterale Investitionsabkommen MAI an.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 79, januar / februar 2015, Seite 5
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
aufbau, Postfach 8663, 8036 Zürich
E-Mail: info@aufbau.org
Internet: www.aufbau.org
 
Der aufbau erscheint dreimonatlich.
Einzelpreis: 2 Euro/3 SFr
aufbau-Jahresabo: 30 Franken, Förderabo ab 50 Franken


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2015


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