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AUFBAU/394: Basel - Stadt der Gipfeltreffen


aufbau Nr. 78, september / oktober 2014
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Basel - Stadt der Gipfeltreffen



STADTENTWICKLUNG In den letzten Jahren hat sich Basel stark verändert. Die Gentrifizierung hat fast alle Quartiere der Stadt erreicht. Die Regierung will die Region zugunsten grosser Konzerne, Banken und internationaler Organisationen umformen.


(agkkbs) Bereits vor rund 120 Jahren konnte sich Basel als Treffpunkt für grosse internationale Organisationen etablieren. 1897 fand der erste Zionistenkongress in Basel statt, 1912 folgte der internationale Sozialistenkongress, in welchem wichtige VertreterInnen der noch nicht gespaltenen Sozialdemokratie über den möglichen Ausbruch des ersten Weltkrieges diskutierten (Siehe aufbau Nr. 70). Kurz darauf, so scheint es, hat auch die Privatwirtschaft die Rheinstadt ins Visier genommen. Die erste Mustermesse fand im Jahr 1917 statt, bereits neun Jahre später wurde die erste Messehalle gebaut. Bis heute konnte sich Basel zu einer weltbekannten Messestadt entwickeln, wo in zahlreichen Branchen jedes Jahr Milliarden umgesetzt werden, z.B. die Baselworld, vormals Uhren- und Schmuckmesse, die als Subgruppe der Mustermesse Basel entstanden ist. 1930 gründeten auch noch einige Repräsentanten der Börse und der internationalen Finanzhändler die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel. Dies nicht weil sie, wie sie selbst behaupteten, deutsche Kriegsreparationszahlungen verwalten wollten, sondern mit dem Zweck, im Herzen Europas eine Organisation aufzubauen, die einzig und allein die Interessen des Kapitals vertritt.

Auch die beiden grössten Pharmakonzerne der Schweiz, Novartis und Roche, haben ihren Hauptsitz in Basel, sowie die schweizerische Bankiervereinigung. Dass diese Organisationen und Firmen die Stadtentwicklung sehr stark beeinflussen, ist auf den ersten Blick sichtbar. Die Skyline von Basel wird von eben diesen Gruppierungen und deren Bauwerken geprägt. Der Novartis Campus, der Messeturm, der BIZ-Turm am Bahnhof und vor allem der Rocheturm dominieren das Stadtbild. Auch die Infrastruktur wird nach den Vorgaben der Privatwirtschaft geplant. So wird eher eine Strasse gebaut, die die Autobahn mit dem Novartis Campus verbindet, als dass der öffentliche Verkehr ausgebaut wird. Und wenn es Novartis will, wird auch mal ein Grenzübergang nach Frankreich geschlossen und das Gelände privatisiert. Schöne alte Gebäude mit bezahlbaren Wohnungen werden abgerissen und durch teure Stahl- und Glaskästen ersetzt. Die Basler Regierung setzt alles daran, z.B. mit Steuererleichterungen, VertreterInnen des internationalen Kapitals in die Stadt zu locken.


Kein Platz für grosse Teile der Bevölkerung

Diese Veränderungen in der Stadtentwicklung führen zu einer Verdrängung der ArbeiterInnenklasse in der ganzen Stadt. Ganze Quartiere werden umgebaut, die Mietpreise explodieren. Die vielen Proteste in den letzten Jahren konnten diese Entwicklung nicht aufhalten. Besetzte Häuser und alternative Kunstszenen werden immer weniger toleriert. Die neuste Debatte um autonome Wohnorte und Kunststätten rund um den Wagenplatz am Rheinhafen lässt nicht auf eine Umkehr dieses Trends schliessen. Der Brand der Villa Rosenau, des letzten autonomen Projektes dieser Art in Basel, machte die Stadt zu einem Raum frei von "gesetzlosen Räumen", wie bürgerliche KommentatorInnen besetzte Liegenschaften oder andere Projekte abseits der kapitalistischen Profitmaximierungs-Logik nennen. Ebenfalls wurden aus eben diesen Gründen viele neue PolizistInnen eingestellt und die Polizeipräsenz wurde stark erhöht. Obdachlose verschwanden zusehends aus der Innenstadt, Bettler wurden immer mehr Opfer von Repression und sogar gegen StrassenmusikerInnen wurde ein neues Gesetz entworfen, das das Spielen von Musik im öffentlichen Raum stark einschränkt. Für das nächste Megaprojekt in Basel, die OSZE-Ministerkonferenz, werden etwa 5000 SoldatInnen, 1000 GrenzwächterInnen und etliche PolizistInnen im Dienst sein, um die rund 1200 Delegierten aus 57 Staaten zu bewachen.


OSZE-Ministerkonferenz in Basel

Die Entwicklung der Stadt in den letzten 120 Jahren ebnet den Weg für weitere Treffen und Anlässe. Im Dezember dieses Jahres tagt die Ministerkonferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Kongresszentrum, das unmittelbar neben dem Messegelände, im Zuge der Umgestaltung des Quartiers gebaut wurde. "Das wird der grösste politische Anlass, den Basel je gesehen hat", schwärmt der Grüne Stadtpräsident Guy Morin in einem Interview der Tageswoche. "Damit wollen wir Basel als Kongressstandort von internationalem Format positionieren." Sowohl Morin als auch Martin Roth vom Justiz- und Sicherheitsdepartement vergleichen den Anlass mit dem zweiten Zionistenkongress in Basel im Jahr 1997. Das Sicherheitsaufgebot wird ähnlich gross sein wie damals oder an der Fussball-Europameisterschaft, die 2008 auch in Basel stattfand, und wird ein fast zwei Millionen Franken grosses Loch in die Stadtkasse reissen. Es ist klar, dass die Regierung in Basel die Stadt zu einer internationalen Konferenzstadt formen will. Das bedeutet, dass der Raum so geschaffen und gestaltet werden soll, dass er die Reichsten und Mächtigsten anzieht. Urbaner Lebensraum soll unserer Ansicht nach aber den Interessen und der vielfältigen Verwirklichung ihrer BewohnerInnen dienen. Im Sinne einer solchen Aneignung der Stadt sehen wir den Widerstand gegen die OSZE-Konferenz im Dezember.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 78, september / oktober 2014, Seite 7
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
aufbau, Postfach 8663, 8036 Zürich
E-Mail: info@aufbau.org
Internet: www.aufbau.org
 
Der aufbau erscheint dreimonatlich.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2014