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AUFBAU/369: Bangladeschs Textilfabrikanten in arger Bedrängnis


aufbau Nr. 75, dezember / januar 2013-14
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Bangladeschs Textilfabrikanten in arger Bedrängnis



TEXTILINDUSTRIE - Im September 2013 streikten TextilarbeiterInnen knapp eine Woche lang in verschiedenen Regionen Bangladeschs für bessere Arbeitsbedingungen. Die Streiks wurden von ausserordentlich militanten Aktionen begleitet.


(akf) "Wir werden nicht zögern alles zu tun, um unsere Forderungen durchzusetzen", erklärte Nazima Akter, eine der Sprecherinnen der 200.000 streikenden, vorwiegend weiblichen ArbeiterInnen. Ihre Forderungen richten sich an die 3200 Textilfabrikeigentümer des Landes. Die Streikenden fordern eine Erhöhung ihres monatlichen Mindestlohnes von 3000 Taka (35 CHF) auf 8114 Taka (96 CHF). Um dem Kampf handfeste Argumentationshilfen zu sichern, griffen ArbeiterInnen aus zehn Fabriken der Stadt Savar die dortige Militärbasis an, beschlagnahmten Gewehre und Munition und verletzten fünf para-militärische Wachen (ACA Nachrichten, 22.9.13).

"8114 Taka ist unsere Minimal-Forderung", sagte eine Streikende. "Eine ArbeiterIn benötigt viel mehr als das, um ein anständiges Leben führen zu können." Aufstände begleiteten die Streiks, in denen aufgebrachte ArbeiterInnen in den Strassen gegen PolizistInnen kämpften, Zehntausende die wichtigen Autobahnen in und um die Hauptstadt blockierten, Lagerhäuser in Brand setzten, Fabriken angriffen in denen weitergearbeitet wurde, diese mit Steinen bewarfen und Polizeifahrzeuge zertrümmerten. Als PolizistInnen mit Gummischrot und Tränengas auf die streikenden ArbeiterInnen schossen, reagierten diese mit Ziegelstein-Würfen. Nach letzten Angaben wurden bei diesen Kämpfen 70 ArbeiterInnen und acht PolizistInnen verletzt.


Kern des Problems: Profitsystem

"Grosse Lohn-Erhöhungen würden Bangladeschs Vorteil als Billig-Lohnland im Vergleich zu anderen Textilexportierenden Ländern wie Indien, China und Vietnam zerstören", erklärte die Press Trust of India. Und die Associated Press schrieb: "Globale Marken sind wegen grosser Konkurrenz nicht bereit, höhere Preise zu bezahlen." Die kapitalistischen Konkurrenzgesetze zwingen die Bosse, Arbeiterinnen bis zur äussersten Grenze auszubeuten, d.h. zu Hungerlöhnen, zwischen 10-18 Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. Rund 4 Millionen Menschen arbeiten in dieser Industrie, meist Mädchen und junge Frauen aus den verarmten ländlichen Gegenden. Bangladeschs Kleidungsindustrie ist die zweitgrösste weltweit hinter China und erwirtschaftet 80% des Exportertrags des Landes - 2012 betrug deren Wert rund 20 Milliarden CHF. Die Exporte gehen vorwiegend in die USA (23 %) und nach Europa (60%), wo grosse Firmen wie Walmart, H&M, GAP, Sear, Target u.a. beliefert werden.

Nach den ersten grossen Protesten liess die Unternehmerorganisation Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association (BGMEA) verlauten, dass sie zu einer 20 prozentigen Lohnerhöhung bereit sei, was von den ArbeiterInnen als Provokation aufgefasst wurde. Innenminister Muhiunuddin Khan Alamgir drohte den Streikenden offen, sie als antinationale Elemente mit allen Mitteln zu verfolgen. Der Präsident der BGMEA, S.M. Mannan liess verlauten: "Eine Verschwörung ist auf lokaler und internationaler Ebene im Gang um unsere Industrie zu destabilisieren. Teil dieses Komplotts ist es, falsche Informationen in die lokale und internationale Presse zu bringen, um uns zu diskreditieren."


Faule Kompromisse für "industriellen Frieden"

Tatsächlich stehen die Eigentümer der Fabriken selbst in bürgerlichen Medien nach den Katastrophen in Dakka in schlechtem Licht. Die unsäglichen Sicherheitsmängel führten zu Einstürzen und Bränden in denen allein diesen Sommer 1241 ArbeiterInnen ums Leben kamen. Die internationalen Einkäufer weinten daraufhin Krokodilstränen und die grossen Marken versprachen, vermehrt die Arbeitsbedingungen ihrer Lieferanten zu kontrollieren. So H&M, Marks & Spencer, Carrefour, Inditex, Tesco und Prevmark. Dass es ihnen hierbei um den Schutz der eigenen Geschätsinteressen und kaum um den Schutz der ArbeiterInnen geht, ist klar. Selbst die New York Times appellierte an Eigentümer und Regierung Bangladeschs, die niedrigen Löhne und gefährlichen Arbeitsbedingungen zu verbessern. Sie befürchten, dass ohne diesen "industriellen Frieden" ein fruchtbarer Boden für einen Klassenkampf unter kommunistischer Führung entstehen könnte.

Nach knapp einer Woche Streik wurde die Arbeit wieder aufgenommen. Nachdem die reformistische Gewerkschaft Bangladesh Garment and Industrial Workers Federation (BGIWF) Verhandlungen mit Regierung und den Fabrikeigentümern geführt hatte und versprochen wurde, dass die ArbeiterInnen ab November eine Lohnerhöhung bekommen würden. Nachdem am 13.11. die Verhandlungen unterbrochen wurden, organisierte die Dachgewerkschaft Bangladesh Trade Union Center am 14.11. eine Demonstration der Textil-, Jute- und Stahlarbeiter in der Hauptstadt Dhaka.


Die niedrigsten Löhne der Welt müssen weg

Eine Kommission aus Unternehmern, Gewerkschaften und Regierungsvertretern hat nun jüngst eine Anhebung des Mindestlohnes auf 5300 Taka (60 CHF) vorgeschlagen. Dies ist den ArbeiterInnen zu niedrig, der Verband der Hersteller und Exporteure dagegen weist den Vorschlag als zu hoch zurück. Die TextilarbeiterInnen halten jedoch entschlossen an ihren berechtigten Forderungen fest. Wiederum blieben 100 Fabriken geschlossen und wurden militante Strassenkämpfe organisiert, während gleichzeitig ein 4-tägiger Generalstreik vom 10.-13. November im Gang war und Ausnahmezustand herrschte. AktivistInnen der Oppositionspartei Bangladesh Nationalist Party (BNP) zündeten Sprengsätze und setzten Fahrzeuge in der Hauptstadt Dhaka in Brand. Die Opposition fordert den Rücktritt von Premierministerin Sheikh Hasina der amtierenden Awami-Liga. Diese versuchte, durch Entlassungen und den Austausch zahlreicher Minister Handlungsfähigkeit vorzugeben. Die ultrareaktionär-islamistischen BNP verbreiteten währenddessen mit Bombenanschlägen Terror und diffamierten damit die berechtigten Aufstandsaktionen der ArbeiterInnen. Ihr Ziel ist es, im Vorfeld der Wahlen im Januar 2014 eine Atmosphäre der allgemeinen Unsicherheit und Verwirrung zu schaffen. Seit Oktober sind bei ähnlichen Protesten mindestens 19 Personen ums Leben gekommen und Hunderte verletzt worden.

Gleichzeitig kämpfen auch in Kambodscha seit Monaten TextilarbeiterInnen für bessere Arbeitsbedingungen. Zehntausende gingen auf die Strassen und die Polizei ging mit äusserster Gewalt gegen die Streikenden vor. Es wurden mehrere ArbeiterInnen vor der Fabrik des Textilunternehmens SL Garment Processing erschossen. In dem Werk wird Kleidung für internationale Ketten wie Gap und H&M hergestellt.

Den TextilarbeiterInnen weltweit gehört unsere Solidarität.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen- Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Kulturredaktion (kur), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 75, dezember / januar 2013-14, Seite 3
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2014