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MUSEUM/082: Die "Alten Meister" in jungem Medium besuchen (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 11 vom 17. Juni 2008

Die "Alten Meister" in jungem Medium besuchen
Kommunikationswissenschaftler begleiten Museumsprojekt im "Second Life"

Von Birgit Grabmüller


Seit Mai 2007 ist die Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister in der virtuellen Welt von "Second Life" (SL) vertreten - als erstes Museum überhaupt. Etwa 40.000 Besucher konnte das Museum dort im ersten Jahr bereits verzeichnen. Schnell stellte sich die Frage, wer dieses Angebot nutzt und ob die virtuelle Galerie der realen möglicherweise Besucher "abspenstig" machen könnte. Deshalb ließen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ihr Projekt vom Institut für Kommunikationswissenschaft wissenschaftlich begleiten; Studenten befragten sowohl Besucher der echten als auch der virtuellen Galerie. Erste Ergebnisse dieser Untersuchung stellte Professor Lutz M. Hagen bereits im Januar 2008 beim traditionellen Praxisforum des Instituts vor, inzwischen sind alle Daten ausgewertet. Und sie geben Grund zu Optimismus.

"Wir haben festgestellt - was wir von vornherein so nicht vermutet hätten -, dass es doch eine große Anzahl Leute gibt, die kunst- und kulturinteressiert sind. Denn die meisten, die das 'Gallery island' im Second Life besucht haben, geben an, dass sie das des Kunsterlebnisses wegen getan haben, oder weil sie ein bestimmtes Gemälde anschauen wollten, und nicht aus anderen Gründen, wie zum Beispiel, um dort jemanden zu treffen, oder einfach mal zu sehen, was hat es damit auf sich", erklärte Lutz Hagen gegenüber Deutschlandradio.

Weniger überraschend ist, dass es nur geringe Überschneidungen zwischen dem traditionellen Publikum der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden und den Nutzern von Second Life gibt. In der virtuellen Welt sind Menschen überrepräsentiert, die eine hohe Affinität zum Internet und besonders zu Online-Spielen haben. Dies sind etwas mehr Männer als Frauen und vor allem jüngere Leute: Während in der echten Galerie 60 Prozent der Besucher über 45 Jahre alt sind, fallen in Second Life nur 14 Prozent in diese Altersklasse. Es ist also kaum verwunderlich, dass weniger als 90 Prozent aller Besucher der echten Galerie schon von deren virtuellem Gegenstück in SL gehört haben und dass kaum jemand es bereits besucht hat. Künftig könnte sich dies jedoch durchaus ändern, denn es besteht die berechtigte Hoffnung, dass die Präsenz der Alten Meister in der Online-Welt Lust darauf macht, sie sich auch einmal real anzusehen. 90 Prozent der befragten Avatare, also der virtuellen "Spielfiguren" in Second Life, gaben an, gerne die echte Galerie besuchen zu wollen. Auch das virtuelle Gästebuch in Second Life enthält viele Einträge von Leuten, die schreiben, sich das reale Museum unbedingt einmal ansehen zu wollen, wenn sie das nächste Mal in Europa sind. Dass dies bislang offenbar noch kaum geschehen ist, lässt sich zumindest zum Teil sicherlich dadurch erklären, dass etwa die Hälfte aller Besucher in Second Life nicht aus Deutschland kommen, sondern aus allen Teilen der Welt - und deshalb nicht "mal eben" für einen Museumsbesuch nach Dresden fahren können. Außerdem sei es gar nicht unbedingt eine der Hauptfunktionen der virtuellen Galerie, mehr Besucher in die reale Galerie zu bringen, wie Lutz Hagen sagte. "Viel wichtiger ist eigentlich, die Reproduktion, inklusive dieses Erlebnisses von Raum und Kommunikation, von der Architektur, für Leute zugänglich zu machen, die gar nicht in die echte Galerie kommen können."

Und gerade für diese Leute sind die virtuellen Alten Meister mit Sicherheit eine gute Alternative. Denn abgesehen davon, dass sie eben nicht real sind, gibt es kaum Unterschiede: "Man kann mit seinem Avatar wirklich in den Räumen umhergehen, in den Zwinger-Gebäuden, im Zwinger-Park und in der eigentlichen Galerie umherspazieren wie in der echten. Das heißt, man kann eigentlich alles, was man in der echten Galerie kann und ein bisschen mehr dazu", so Lutz Hagen. "Es gibt eine schriftliche Information zu jedem Gemälde, die relativ knapp gehalten ist, aber auch Audio-Informationen, also die akustischen Guides, die man sich auch im Museum ausleihen kann. Die kann man durch einen Mausklick auch in dem virtuellen Museum bekommen." Entsprechend positiv bewerteten die Besucher der Gemäldegalerie im SL das Angebot: Etwa ein Drittel von ihnen fand es informativ, über die Hälfte unterhaltsam, und 42 Prozent bildend. Besonders lobten sie die 3-D-Darstellung sowie die Qualität der ausgestellten Werke und der Bildwiedergabe, aber auch die Orientierung in den Räumen sowie die begleitenden Informationen.

Zwar bleiben die Besucher in der virtuellen Galerie kürzer als in der echten, im Durchschnitt etwa 51 Minuten. Allerdings gaben 89 Prozent der befragten Avatare an, wiederkommen zu wollen, 10 Prozent taten dies sogar innerhalb einer Woche.

Die Alten Meister in Second Life finden also ein regelmäßiges Publikum, das verhältnismäßig jung und kulturinteressiert ist. Vermehrt Besucher anzuziehen, funktioniert in erster Linie durch eine entsprechende Werbung in anderen Medien. Ob es gelingen wird, durch die virtuelle Version die Besucherzahlen in der echten Galerie zu steigern, wird sich erst noch zeigen müssen - das Potential besteht jedenfalls. Nur eines fehlt der Galerie in Second Life nun noch: den großen Vorteil auszunutzen, den das Internet im Gegensatz zu anderen Medien hat, nämlich die Interaktivität. "Und ich denke, das wird eine Entwicklung sein, dass man den virtuellen Besuchern ein bisschen mehr Spielraum für Kreativität ermöglicht", so Lutz Hagen.

Mehr Informationen zu dem Projekt unter
www.dresdengallery.com und http://tu-dresden.de/ifk


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 19. Jg., Nr. 11 vom 17. Juni 2008, S. 12
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
Nöthnitzer Str. 43, 01187 Dresden
Tel.: 0351/463-328 82, Fax: 0351/463-371 65
E-Mail: uj@tu-dresden.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2008