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BERICHT/166: Chinesische Künstler legen Konflikt auf Eis, erstes Eisskulpturen-Festival in Jerusalem (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. April 2012

Nahost: Chinesische Künstler legen Konflikt auf Eis - Erstes Eisskulpturen-Festival in Jerusalem

von Pierre Klochendler


Jerusalems Davidsturm in der Eisskulpturen-Ausstellung - Bild: © Pierre Klochendler/IPS

Jerusalems Davidsturm in der Eisskulpturen-Ausstellung
Bild: © Pierre Klochendler/IPS


Jerusalem, 4. April (IPS) - Schnee und Eis sind in Jerusalem ein seltener Anblick. Umso ungewöhnlicher ist eine Ausstellung, in der chinesische Künstler eine gefrorene Version der arabischen Altstadt geschaffen haben. Nicht nur in Weiß, sondern in vielen Farben.

Zwei Monate lang lassen 30 chinesische Bildhauer nicht nur die goldenen und bronzenen Kuppeln der Stadt unter der Sonne glänzen. "Wir haben unser bestes Team aus Harbin mitgebracht, ein weit entfernter Ort mit einer langen Geschichte und reichen Kultur", sagte der Leiter des Ausstellungsprojekts, Bai Liang. "Diese Künstler haben mindestens 15‍ ‍Jahre lang Erfahrungen gesammelt."

Mit Unterstützung israelischer Künstler haben die Chinesen das erste internationale Festival für Eisskulpturen eröffnet. Die vergänglichen Kunstwerke sind in einer Halle in der Nähe des stillgelegten Bahnhofs zu bewundern, unweit des einstigen Niemandslands, das vor der Besetzung Ost-Jerusalems durch Israel nach dem Krieg 1967 die Stadt in einen jüdischen und einen arabischen Teil teilte.

"Mit den israelischen Künstlern haben wir Ideen, Pläne und Entwürfe ausgetauscht", erklärte Liang. "Wir wollten die lokale Kultur und Architektur in unsere Werke integrieren."Aus Hunderten Tonnen Eis sind sorgfältig Mauern hochgezogen worden. In einem Monat harter Arbeit entstand die 'Eis-Stadt' nach dem Vorbild Jerusalems.


Künstler müssen kältefest sein

"Die Temperaturen sind niedrig und das Eis ist schwer", sagte der Künstler Liu Qi, der überwacht, wie ein aus Eis gefertigtes Stück der in Wirklichkeit aus Kalkstein gebauten Stadtmauer von Ostjerusalem hochgehievt wird. "Ein Eisbildhauer muss in guter körperlicher Verfassung sein und Kälte aushalten können."

Bei Innentemperaturen von minus zehn Grad erscheint es den Besuchern wie ein Märchen, wenn ihnen am Eingang Mäntel überreicht werden. Warm angezogen betreten sie eine Welt aus Eis und diffusem Licht. "Wir freuen uns, wenn wir die Menschen glücklich machen können", meint Qi, während er die Reproduktion eines fliegenden Kamels mit einem speziellen Metallrechen bearbeitet.

Die Besucher treten durch die Nachbildung des Jaffa-Tors, eines der sieben monumentalen offenen Tore zur Altstadt von Jerusalem, in die Eiswelt ein. In der Ausstellung sind auch die Stadtmauern zu sehen, die im 16. Jahrhundert unter der Herrschaft des osmanischen Sultans Süleyman dem Prächtigen errichtet wurden, außerdem den Davidsturm und die Montefiore-Windmühle von 1857.

Qi zersägt unterdessen einen weiteren durchscheinenden Eisklotz. Auch die Golem-Statue der französischen Künstlerin Niki de Saint Phalle, an der Jerusalemer Kinder gern spielen, ist Teil der Eisskulpturen-Schau. "Ich habe noch nie so etwas Schönes gesehen", staunt die sechsjährige Iris. Durch Lebensmittelfarben sind die Kunstwerke bunt geworden. "Es ist also nicht schlimm, wenn Kinder an den Eisskulpturen lecken", lacht Liang.

Jüdische und arabische Schüler durchwandern die Ausstellung gemeinsam. In die Mauern der 'Eis-Stadt' sind Friedenssymbole eingefügt - zwei ineinander verschlungene Tauben. Eine friedliche Koexistenz von Juden und Arabern erscheint hier nicht als Sinnestäuschung.

Auch Märchenfiguren wurden aus Eis nacherschaffen. Kinder und Erwachsene erfreuen sich an Figuren aus dem Buch 'Der Zauberer von Oz': der Vogelscheuche, dem Blechmann und der Bösen Hexe des Westens. Aschenputtels gläserner Schuh verwandelt sich in einen frostigen Pantoffel. Der Kürbis wird nicht zur goldenen, sondern zur Eiskutsche. Und die sieben Mäuse gefrieren zu sieben Schimmeln.


Vorbilder in China und Belgien

Das Eis-Festival in Jerusalem inspiriert sich an früheren Ausstellungen im chinesischen Harbin oder im belgischen Brügge. Wie an den anderen Orten kommen auch zu der Schau in Jerusalem viele Besucher aus dem Ausland. "Das machen sie also in China? Cool!" ruft ein Tourist aus Chicago, der einen schwarzen Bären mit smaragdgrünem Schimmer bewundert. "Meine Frau hat mir den Eintritt zum Geburtstag geschenkt", sagt Tomer Gur-Arieh, der in Jerusalem lebt.

"Bürgermeister Nir Barkat ist sogar fünf Mal hier gewesen", berichtet Liang stolz. Bis Ende April werden die Panda-Bären, Giraffen, Kamele und der Löwenkönig, das Symbol der Stadt, in all ihrer Pracht zu sehen sein, bevor sie zusammenschmelzen werden. Die Chinesen versprechen aber, dass sie nächstes Jahr zurückkommen werden. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.gojerusalem.com/discover/item_13730/Ice-City-International-Ice-Festival-in-Jerusalem
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107275

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. April 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2012