Schattenblick →INFOPOOL →KUNST → FAKTEN

BERICHT/155: Kunst im Dialog mit Wissenschaft und Technik (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 12 vom 6. Juli 2010

Kunst im Dialog mit Wissenschaft und Technik
Die Universitätssammlungen Kunst + Technik wollen noch stärker als Inspirationsquell in Erscheinung treten

Von Tomas Petzold


In der Stadt und darüber hinaus spricht man seit einigen Jahren auch von Kunstausstellungen an der TU Dresden, nicht zuletzt wegen inspirierender Begleitprogramme. Das ist ein besonderes Verdienst von Reinhild Tetzlaff, die seit der Gründung der ALTANA-Galerie im Görges-Bau hier als Kuratorin insgesamt zehn Projekte verwirklichen konnte. Sie hat Vertreter der europäischen Avantgarde nach Dresden geholt, die oft unterschätzten Positionen Konkreter Kunst ins Gespräch gebracht und sich für Dresdner Künstler engagiert, von denen einige in den Museen der Stadt kaum noch die ihnen gebührende Aufmerksamkeit erfahren. Der Schock über ihren plötzlichen Tod wirkt nach, und wenn im Herbst noch einmal eine von ihr kuratierte Ausstellung zu "Nachwirkungen der Moderne in der österreichischen Konkreten Kunst" zu sehen ist, wird man ihrer ehrend gedenken. Auch deshalb, weil ihr Vermächtnis, die Anstöße, die sie vornehmlich als Einzelkämpferin zu geben bemüht war, bereits eine breite Resonanz gefunden haben.

Jüngstes Beispiel war die von Dr. Konrad Scheurmann geleitete und als TU-Projekt ausgewiesene Ausstellung "color continuo 1810... 2010... System und Kunst der Farbe", die Anfang dieses Jahres gleichzeitig in der Galerie und der SLUB stattfand und derzeit mit einer größeren Auswahl von Werken Dresdner Kunst in Wolgast zu sehen ist. Sie griff auf hier bereits vertraute künstlerische Ansätze zurück (etwa Gomringer oder Gerstner), erreichte aber auch dank einer Vielzahl von Partnern ein Höchstmaß an Komplexität und bot mit ihrem diskursiven Gehalt über Jahrhunderte und herkömmliche Trennungen von Fachgebieten hinweg weit mehr die Inszenierung eines Status quo.

Doch damit klärt sich auch ein mögliches Missverständnis, denn die Galerie im Görges-Bau ist nicht Basis, sondern das allerdings wohl wichtigste Schaufenster der "Universitätssammlungen Kunst + Technik", und der Zusatz "in der ALTANA-Galerie" verweist auf eine Dependance für Projekte, die zum 175. Uni-Jubiläum im Jahr 2003 gleichzeitig mit der seither für alle Sammlungen zuständigen Kustodie geschaffen wurde. Zugleich wurde in dem weitläufigen Gebäude am Zelleschen Weg 17 auch eine Dauerausstellung eingerichtet, die allerdings nur einen kleinen Ausschnitt aus insgesamt 40 Einzelsammlungen bieten kann, die nach wie vor bei den einzelnen Forschungsrichtungen untergebracht sind. Dabei handelt es sich zumeist nicht um Kunst, und der Schauwert fällt nicht immer so ins Gewicht wie etwa bei der prachtvollen fotografischen Sammlung mit den Lehrtafeln von Hermann Krone. Denkt man freilich an Duchamps Ready-Made, dann lassen sich durchaus auch technische Objekte als Kunstwerke betrachten, zumal wenn sie unabhängig von ihrer Funktion bzw. durch die Technikgeschichte von dieser entledigt wahrgenommen werden. In diesem Sinne korrespondieren die Schaustücke der Sammlung historischer Elektromaschinen im Görges-Bau mit den wechselnden Kunstwerken, aber bei einer solchen Zuordnung mit nur einer variablen Seite droht mit der Zeit Schematismus, während die Breite erhellender Dialoge zwischen Kunst und Wissenschaft mit dem "ästhetischen" Vergleichen bei weitem nicht ausgeschöpft ist. Gerade im Gegenüberstellen und Verbinden der unterschiedlichen Denkansätze und Perspektiven aber sieht Kustodie-Direktor Klaus Mauersberger auch die Chance einer noch stärkeren Resonanz, vor allem auch in der TUD selbst.

Wissenschaft, Technik und Kunst brauchen den geeigneten Reaktor, um in ihrem Dreiecksverhältnis geistig produktiv zu werden. In der herkömmlichen Struktur der universitären Sammlungen findet das gewöhnlich nicht statt. Während die meisten eine längere Geschichte haben, spielte die Bildende Kunst über rein repräsentative Zwecke hinaus erst seit Beginn der 50er Jahre eine bedeutendere Rolle. An der damals noch Technischen Hochschule engagierte man sich auf vielfältige Weise für ein zeitgemäßes Formbewusstsein, und neben Geldern aus dem Haushalt stand im Zuge der starken Bautätigkeit stets ein Teil der Investitionsmittel für baugebundene Kunst und für die Ausstattung von Arbeits- und Gesellschaftsräumen zur Verfügung. Eine museale Präsentation war nicht das Ziel, sondern ähnlich wie in staatlichen Dienststellen wurde ein Fundus aufgebaut, mit dessen Hilfe auch nach wechselnden Bedürfnissen und restauratorischen Erfordernissen unter den vorhandenen Werken ausgetauscht werden konnte. Der Schwerpunkt der Sammeltätigkeit lag eindeutig auf der Dresdner Kunst. Dabei profitierte man von der Nischensituation, die sich speziell im Bereich der Architektenausbildung ergab und das Entstehen wie den Erwerb von Arbeiten zuließ, die höchsten Qualitätsansprüchen genügten, freilich nicht in jedem Fall mit der offiziellen Kunstdoktrin in Einklang zu bringen waren. Hermann Glöckner, der schon lange vor seinen Faltungen an der Neuen Mensa baugebundene Arbeiten verwirklichen konnte, und Willy Wolff sind herausragende Beispiele aus der früheren, Karl-Heinz Adler oder Max Uhlig aus der späteren Zeit. Erheblichen Anteil an den entsprechenden Weichenstellungen hatte der Künstlerische Beirat, dem über viele Jahre mit Prof. Jürgen Schieferdecker ein selbst politisch und ästhetisch stark engagierter Künstler vorstand.

Seit 2003 ist Maria Obenaus für Kunst und Gestaltung zuständig - das heißt auch für die entsprechenden Konzepte und die denkmalpflegerische Betreuung der Lehreinrichtungen. Für die diplomierte Architektin, die lange in der Lehre tätig war, offenbar ein Traumjob, den sie nicht isoliert an ihrem Schreibtisch zwischen zwei schönen Gemälden von Georg Nerlich, des einstigen Malerei- und Grafikprofessors an der Architekturfakultät, auszufüllen sucht, sondern mit Lust und Hingabe für die Gesamtaufgabe der Kustodie. Und da hat sie an den Vorhaben der ALTANA-Galerie ebenso Anteil wie an denen der Kleinen Galerie im Gang. Wenn künstlerische Aufträge für den Campus mit einer überzeugenden Umsetzung enden wie unlängst im Chemie-Neubau an der Bergstraße, sind das ohne Zweifel Sternstunden für sie. Tatsächlich: War "color continuo" eine enorme intellektuelle Herausforderung, die man womöglich ignorieren musste, um auch der sinnlichen Reize gewahr zu werden, scheint beides hier in beinahe genialer Einfachheit zusammenzufließen. Die Installation von Roland Fuhrmann: Serien dünner Glasstäbe hängen hier als "Farbsinfonie der Elemente" frei im Raum und korrespondieren dabei auf reizvolle Weise mit dessen konstruktiven Elementen. Dabei stellen sie nichts anderes dar als ein Periodensystem der Elemente anhand der jeweiligen Atomspektren, sind also auch eine Art Wissenskompendium und zugleich eine Komposition nach einem theoretischen Modell.

Wären die Mittel nicht so begrenzt, könnte sich Maria Obenaus noch stärker für den Ausbau des Bestands an guten Bildwerken einsetzen. "Wir haben viel zu wenige Darstellungen des Campusgeländes", findet sie und nennt als gelungenes Beispiel den Blick auf den Fritz-Foerster-Platz, gemalt vom Klotz-Schüler Jörn Diederichs. Sie ist einerseits froh darüber, dass nur ein relativ kleiner Teil der annähernd 3000 Arbeiten der Kunstsammlung in Depots schlummert, muss aber gerade auch mit diesem Teil geschickt arbeiten - etwa mit Leihgaben für bedeutsame Ausstellungen -, um das Ansehen der Sammlung zu stärken, denn nur auf diesem Weg gewinnt man heute noch Zuwachs, kann vorhandene Positionen durch Stiftungen und aus Nachlässen stärken. So hat beispielsweise Werner Schmidt als Glöckners Nachlassverwalter der TU die Vorstudien zu dessen Farbsäulen im Physik-Gebäude überlassen.

Was an der TU in Sachen Kunst geschieht, kann nicht ausgleichen, was in Stadt und Land etwa versäumt wird, aber es will unbedingt auch nach außen vermittelt sein. Gerade das aber stellt sich weit schwieriger dar als etwa bei einem städtischen Museum. Mit dem notwendigen Marketing ist eine mit nur drei Mitarbeitern besetzte Abteilung schlicht überfordert. "Wir sind noch zu sehr Stadt in der Stadt, und es existiert leider auch kein Tourismuspfad Technik", beklagt Mauersberger.

Mit ihm weiß sich Maria Obenaus einig, dass die Fülle der Themen nur durch Konzentration und Ordnung annähernd zu erfassen ist. Ebenso in der Auffassung, dass es um Verjüngung geht, um mehr Raum für künstlerische Aktivitäten von Studenten - bis hin zu Diplom-Konzerten der Musikhochschule. Mehr Experimente, auch Wettbewerbe möchte sie anschieben helfen. "Es fehlt nicht an Exposés, auch nicht an fähigen jungen Kunstwissenschaftlern, um diese umzusetzen."


Universitätssammlungen Kunst + Technik in der ALTANA-Galerie
der TU Dresden Helmholtzstraße 9, 01069 Dresden www.tu-dresden.de/kunst-plus-technik
Mo-Fr: 10-18 Uhr, Sa: 10-14 Uhr
Führungen: Telefon: 0351 463-39596
E-Mail: kunst-technik@tu-dresden.de


*


Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 21. Jg., Nr. 12 vom 06.07.2010, S. 3
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
Nöthnitzer Str. 43, 01187 Dresden
Telefon: 0351/463-328 82
Telefax: 0351/463-371 65
E-Mail: uj@tu-dresden.de
Internet: www.tu-dresden.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2010