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TIERE/144: Fische - Schwarmforschung ... (SB)



Kleine Fische, wie beispielsweise Heringe oder Makrelen, sind eine leichte Beute für ihre größeren Feinde, wenn sie vereinzelt durchs Meer schwimmen. Um sich vor diesen hungrigen Fressfeinden zu schützen, versammeln sich diese Tiere und bilden einen Schwarm. Auch Vögel und Insekten bilden Schwärme, ebenso viele Landtiere, die riesige Herden bilden, wie in Afrika die Gnus. Hier allerdings kümmern wir uns um Fische, die sich im Kampf ums Überleben zu Schwärmen organisieren. Wissenschaftler, die sich mit der Erforschung dieses Verhaltens befassen, stehen noch heute vor einigen Rätseln.


Wie entsteht ein Schwarm?

Gibt es einen Anführer oder eine bestimmte Gruppe, die den anderen zeigt, wie und in welche Richtung geschwommen wird? Schwimmen sie ihr Leben lang in dieser riesigen Gemeinschaft oder bilden sie nur dann einen Schwarm, wenn Gefahr droht?



Unzählige kleine Fische, silbrig glänzend mit seitlich roten Farbstreifen, glitzern im blauen Meerwasser, sie schwimmen alle in eine Richtung - Foto: 2004, by Brocken Inaglory, (own work) CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Ein Fischschwarm vor Papua Neuginea
Foto: 2004, by Brocken Inaglory, (own work) CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons


Einen Schwarm im Ozean zu beobachten und daraus Schlüsse auf ihr Verhalten zu ziehen, erweist sich als sehr schwierig. Deshalb haben Forscher im Labor überschaubare Verhältnisse geschaffen mit einer festgelegten Anzahl an Fischen. In diesen großen Aquarien können sie Fische über eine lange Zeit genau studieren. Videoaufzeichnungen ermöglichen es ihnen, sich bestimmte Schwimmverhalten der Fische noch einmal anzuschauen.

Eine Neuerung auf diesem Forschungsgebiet ist die Konstruktion eines Roboter-Fisches. Ein Stichling aus Plastik wurde seinen Artgenossen so ähnlich wie möglich angefertigt und mit einem Magneten versehen. Ein zweiter Magnet, der zudem mit einem Rechner verbunden wurde, wurde unter dem Aquarium angebracht. Mit ihm kann dieser Robo-Fisch hin und her bewegt werden. Gleichzeitig werden diese Bewegungen in einem Computerprogramm gespeichert, um später angesehen und ausgewertet zu werden.

Die Stichlinge, die in das Versuchsaquarium mit dem Robo-Stichling gesetzt wurden, folgten ihm nach einer Weile. Doch war ihre Anzahl wie auch die Menge des Wassers, das sie durchschwimmen konnten, allein durch die Größe des Aquariums, begrenzt. Welche Schlüsse können nun aus dieser Versuchsanordnung gezogen werden?

Wäre es möglich, dass die hinzugegebenen Stichlinge die gleiche Richtung einschlagen, weil es in dem begrenzten Raum des Aquariums ohnehin nicht so viele alternative Bewegungsmöglichkeiten gibt? Aber auch das wäre denkbar: mehr und mehr Fische schwimmen in eine Richtung und es entsteht eine leichte Strömung. Kommen weitere Fische hinzu, müssten sie gegen den Strom schwimmen, was anstrengender wäre, als sich den anderen Fischen anzuschließen. Wie dem auch sei, ist es ratsam, bei den im Folgenden genannten wissenschaftlichen Erkenntnissen stets zu bedenken, dass sie zu einem großen Teil unter Laborbedingungen entstanden sind.

An der Erforschung des Schwarmverhaltens sind viele Wissenschaftler aus verschiedenen Forschungszweigen und -instituten beteiligt. Übereinstimmung gab es bei der Erkenntnis über die mutmaßlichen drei Grundregeln der Schwarmbildung.

Die erste Regel lautet: Bleibt zusammen. (Das bedeutet, das einzelne Tier sieht sich nach den nächsten 6 bis 7 Artgenossen in seiner Nähe um und schwimmt in deren Mitte.

Die zweite Regel lautet: Bewege dich in dieselbe Richtung. (Das soll verhindern, dass ein großes Durcheinander entsteht)

Die dritte Regel lautet: Halte konstanten Abstand (Das Einhalten dieses Mindestabstands lässt jedem Fisch die Bewegungsfreiheit ohne Zusammenstöße zu verursachen)

Selbstverständlich wurden diese Regeln bei den freilebenden Schwärmen im Ozean überprüft, doch wie gesagt, eine ganz genaue Aussage ist hier schwerlich zu treffen. Es bleiben auch noch Fragen offen. Gelten diese Regeln immer? Was geschieht, wenn ein Fressfeind auftaucht? Wer bestimmt, wie sich der gesamte Schwarm organisieren soll, um effektiv gegen den Angreifer geschützt zu sein? Gibt es überhaupt einen Fisch oder eine kleine Gruppe, die dieses Verhalten auslöst?


Was geschieht, wenn Gefahr droht?

Werfen wir einen Blick auf einen Makrelenschwarm, der von Barrakudas und Blaufischen angegriffen wird. Geschwind formieren sich die Makrelen zu einer Kugel. Unzählige einzelne Makrelen behalten diese Kugelform bei, innerhalb der sie mit hoher Geschwindigkeit schwimmen. Die Angreifer umrunden nun das Knäuel flinker, zuckender und flimmernder Fische. Es wird vermutet, dass die Fressfeinde eine Art Reizüberflutung erleiden und nicht mehr gezielt handlungsfähig sind. Weiterhin wird in diesem besonderen Fall davon ausgegangen, dass die dabei entstehenden Schwingungen und elektrischen Impulse des Schwarms, die Angreifer so weit irritieren, dass sie keine einzelne Makrele erfassen können.

Dieses Verhalten konnte im freilebenden Schwarm im Meer beobachtet werden. Doch wie kommt es, dass die Makrelen diese Kugelform bilden. Ist die Bedrohung durch die Barakudas das Signal für alle Fische gleichzeitig? Woher wissen sie, wie eine Kugelform aussieht? Nun, man darf annehmen, dass die Fische kein Wissen über eine Kugel in sich tragen. Selbst wenn hier die oben genannten drei Regeln der Schwarmbildung unterstellt werden, ist damit nicht erklärt, warum die Makrelen genau diese runde Form wählen.


Großes wissenschaftliches Interesse an Schwarmforschung

Auch Informatiker, Philosophen und Soziologen interessieren sich für Schwarmforschung, weil sie vergleichbare Verhaltensweisen auch bei den Menschen vermuten. Sollte es möglich sein, die Mechanismen herauszufinden, die für eine Schwarmbildung verantwortlich sind, könnten diese Erkenntnisse auf Menschenansammlungen angewendet werden. So könnte es in einem Katastrophenfall vielleicht verhindert werden, dass Menschen in Panik andere tottrampeln. Ein relativ geordnetes Verlassen der Gefahrenstelle wäre dann möglich, wenn alle einem Einzelnen oder einer Gruppe, die genau weiß, was zu tun ist, folgen würden. Soweit die Theorie und die Hoffnung, auf diese Weise Menschenmassen steuern zu können. Doch vermutlich sind Menschen die schwierigeren "Versuchstiere", denn geleitet von einem individuellen Überlebenswillen und einem geprägten überwiegend egoistischen Verhalten, dürfte es schwer sein, ein Schwarmverhalten hervorzurufen, dass dem der Makrelen ähneln würde.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.igb-berlin.de/verhaltensbiologie-und-schwarmintelligenz

https://www.swr.de/wissen/1000-antworten/umwelt-und-natur/1000-antworten-1178.html

https://www.wissenschaftsjahr.de/2019/neues-aus-der-wissenschaft/oktober-2019/bei-gefahr-setzen-fische-auf-schwarmintelligenz/index.html

https://www.n-tv.de/wissen/Schwarmintelligenz-So-verhalten-sich-Fische-article22521309.html


6. September 2021

veröffentlicht in der Schattenblick-Druckausgabe Nr. 167 vom 11. September 2021


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