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PFLANZEN/059: Passend ... (SB)



Die Blütenpflanzen stehen erdgeschichtlich am Ende einer langen Entwicklungszeit der Flora, deren Anfang in einfachsten Organismen lag. So standen am Beginn die Algen, ihnen folgten vor mehr als 300 Millionen Jahren die Moose. Dann kam es vor ca. 140 Millionen Jahren zu der Ausbildung von Angiospermen (Bedecktsamer), die Blüten hervorbrachten. Zwar schritt ihre Entwicklung langsam voran, dennoch zählten sie bald schon zur überragenden Gruppe der Pflanzen. Es entstanden unzählige Arten und sie bevölkerten nahezu jeden Lebensraum auf der Erde. Doch wie kam es zu dieser herausragenden Stellung der Blütenpflanzen? Ein wichtiger Grund war die Veränderung ihres Lebensraumes, der bald auch von Tieren bevölkert wurde. Zwischen Blütenpflanzen und Tieren, insbesondere den Insekten, entstanden ganz besondere Beziehungen, die für beide Lebewesen von Vorteil waren. Die Evolution der Blütenpflanzen beeinflusste jene der Tiere und umgekehrt. Man nennt es Ko-Evolution. Im Folgenden soll diese Entwicklung näher betrachtet werden.

Da Insekten meist kräftige, leuchtende Farben und/oder intensive Düfte bevorzugten, veränderten sich allmählich Wuchs, Duft und Farbe der Blütenpflanzen, um möglichst viele Insekten oder Fledermäuse und Vögel anzulocken. Aber auch die Insekten veränderten sich, um möglichst viel Nektar und Pollen der vielen verschiedenen Blütenpflanzen zu erlangen. Kurz gesagt gehen Wissenschaftler davon aus, dass Blütenarten und -formen gemeinsam mit den verschiedenen Insekten eine aufeinander abgestimmte Entwicklung durchgemacht haben. Dabei sind nicht selten sehr spezielle Abhängigkeiten entstanden. Hier werden nun zwei entsprechende Beispiele vorgestellt. Zunächst der Jade-Wein, der durch eine ganz eigenartige Blütenausgestaltung eine besondere Beziehung zu einer Fledermausart entwickelt hat, um sie als Bestäuber nutzen zu können.


Der Jade-Wein

Die Jade-Wein Pflanze zählt zu den Lianengewächsen. Sie umschlingt Baumstämme und Äste und überwindet dabei schon mal eine Höhe von 18 Metern - und es handelt sich um eine Liane der besonderen Art. Ihr Name lautet "Jade-Wein" oder "Tayabak", wie sie in ihrem Herkunftsland, den Philippinen, genannt wird. Doch was ist an dieser Pflanze so außergewöhnlich?

Augenfällig ist die Farbe ihrer Blüten, die nicht in Gelb-, Rot-, oder Blautönen leuchten, sondern eine türkis-grünliche Blütenfarbe aufweisen, was einmalig in der Pflanzenwelt ist. Entdeckt wurde dieses ungewöhnliche Lianengewächs im Jahr 1841 in den tropischen Regenwäldern der Philippinen. Was aber hat es mit dieser einzigartigen Blütenfarbe auf sich? Es wurde vermutet, dass diese Blüten besonders gut im Mondlicht zu erkennen sind. Doch wer bestäubt sie des Nachts bei Mondschein? Die meisten Insekten fliegen tagsüber. Es müssten also Nachtfalter oder Fledermäuse sein, und tatsächlich spezialisierten sich die letztgenannten gerade auf den Jade-Wein. Um eine effektive Bestäubung durch die Fledermaus zu gewährleisten, entwickelte die Pflanze eine Besonderheit in Form eines ausgefeilten Mechanismus, der sich im Inneren der Blüte befindet.


Ein fein abgestimmtes Zusammenspiel von Fledermaus und Pflanze

Die Blüten des Jade-Weins sind in großer Zahl in einer Traubenform angeordnet, die bis zu einem halben Meter lang werden kann. Wird eine Fledermaus von dem Duft der Jade-Wein Pflanze angelockt, lässt sie sich auf der Blütentraube nieder, um sich den Nektar aus einer der vielen Blütenkelche zu holen.

Im Inneren einer solchen Blüte befindet sich eine Art Druckpumpe. Das heißt, ein Pflanzenteil ist wie ein Polster geformt, das mit einem nach oben gebogenem Pflanzenschlauch verbunden ist. Steckt die Fledermaus ihren Kopf in die Blüte, um an den Nektar zu gelangen, so drückt sie dabei unweigerlich auf jenes kleine "Polster". Durch den Druck wird in der Folge Pollen in den gebogenen Pflanzenschlauch gepumpt, der dann auf den Rücken der Fledermaus fällt. Auf diese Weise wird der Pollen zur nächsten Blüte transportiert. Das Zusammenwirken des speziellen Pflanzenmechanismus und der besonderen Fledermausart entwickelte sich über eine sehr lange Zeitspanne.


Viele kleine türkis-grüne einzelne Blüten hängen in eine Traubenform dicht beieinander - Foto: by Rhododendrites, (own work) CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

Eine Jade-Wein-Blütentraube
Foto: by Rhododendrites, (own work) CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons


Nach der Bestäubung entwickelt diese imposante Lianenart, die zu den Schmetterlingsblütlern gehört und eng verwandt mit Bohnenpflanzen ist, wie den Kidney- und den Prunkbohnen, ihre Früchte. Sie können die Größe einer Melone erreichen, weisen eine grünliche Färbung auf und haben eine rundlich lang gezogene Form. Die darin enthaltenen Samenkapseln messen ungefähr 15 Zentimeter und tragen in ihrem Inneren 12 Samen.


Eine grüne längliche melonenförmige Frucht hängt an der Pflanze - Foto: 2011, by C T Johansson, (own work) CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Jade-Wein Frucht
Foto: 2011, by C T Johansson, (own work) CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons


Es sind verschiedene Möglichkeiten denkbar, wie die Samen verbreitet werden. Die Früchte könnten von Tieren davongeschleppt werden, sie könnten ins Wasser fallen, immerhin liebt der Jade-Wein die Nähe von Bach- und Flussläufen, oder sie bleiben in der Nähe der Elternpflanze am Boden liegen und treiben dort aus. Damit ein gutes Wachstum gewährleistet ist, sollte die Umgebungstemperatur 15°C nicht weit unterschreiten. Leider ist der Fortbestand des Jade-Weins aufgrund der anhaltenden Vernichtung des Regenwaldes auch auf den Philippinen bedroht. Dort wird er auf der nationalen Roten Liste der gefährdeten Arten als stark bedroht geführt.



Der Stern von Madagaskar

Als nächstes Beispiel betrachten wir eine Orchideenart, die als "Der Stern von Madagaskar" (Angraecum sesquipedale) bekannt ist. Entdeckt wurde sie 1820 von einem französischen Forscher, der ihr auch den Namen gab. Wenig später gelangte sie nach London, wo sie Mitte des 19. Jahrhunderts von Charles Darwin erforscht wurde. Diese Orchidee mit den sternförmig angeordneten weißen, fleischigen Blütenblättern trägt ihren Nektar am Ende eines 25 bis 35 cm langen Sporns (die Angaben über die Länge des Sporns reichen von 25 cm bis 45 cm), der sich an der Rückseite der Blüte befindet.


Hinten an der sternförmigen weißen Blüte befindet sich der lange Sporn - Foto: 2018 by sunoochi from Sapporo, Hokkaido, Japan, CC BY 2.0  https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, unverändert

Stern von Madagaskar
Foto: 2018 by sunoochi from Sapporo, Hokkaido, Japan, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, via flickr, unverändert


Doch welches Tier hat einen so langen Saugrüssel, der bis auf den Grund des Sporns reicht? Charles Darwin stellte die These auf, dass es sich um eine Mottenart beziehungsweise Nachtfalter handeln müsste, doch seinerzeit war kein solches Tier bekannt. Niemand hatte bisher einen solchen Falter mit einem derart langen Rüssel beobachtet. Erst viele Jahre nach Darwins Tod (1903) konnte seine Vermutung bestätigt werden. Tatsächlich ist es ein Nachtfalter (Xanthopan morgani praedicta), der mit einem entsprechend langen Saugrüssel ausgestattet ist und die Bestäubung des Sterns von Madagaskar übernimmt.


Ein Falter mit großen, braunen Flügel und einem lang ausgerollten Saugrüssel - Foto: 2010 by Esculapio, (own work) CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Xanthopan morgani (Nachtfalter)
Foto: 2010 by Esculapio, (own work) CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons


Nachts verströmt diese Orchidee einen starken Duft, der den Nachtfalter anlockt. Im Flug hält er seinen Rüssel spiralförmig zusammengerollt, doch wenn er die Orchidee erreicht, entrollt er ihn und führt ihn bis ans Ende des Blütensporns, um den Nektar aufzusaugen. Dabei nimmt er den Pollen aus der Blüte auf und trägt ihn zur nächsten.

Hier ist die Spezialisierung auf die Spitze getrieben. Würde dieser Nachtfalter fehlen, so würde das über lange Sicht das Aussterben dieser Orchideenart bedeuten.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.botgart.uni-bonn.de/o_haus/jade.php

https://www.bundesgaerten.at/service/news/schoenbrunn/2020/Ungew%C3%B6hnliche-Bl%C3%BCtenpracht.

http://www.botgart.uni-bonn.de/darwin/stern.html

https://www.biologie-seite.de/Biologie/Xanthopan_morganii


15. Dezember 2020


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