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KALENDERGESCHICHTEN/114: 06-2020   Spuk und Tränen - ohne Gewißheit ... (SB)


Buntstiftzeichnung: © 2020 by Schattenblick

Rumtrum hatte die Gestalt eines Mädchens angenommen und damit die Aufnahmeprüfung bestanden. Doch Trovje, der Troll, war damit nicht einverstanden, da er weibliche Wesen mit Vorsicht beäugte. Sie waren ihm viel zu schlau und zu listig. Rumtrum hatte die Vermutung, dass der Troll sich wohl auch vor seiner Frau fürchtete. Das gab ihm zu denken. Wie konnte Trovje wirklich böse sein, wenn er Angst vor Mädchen und vielleicht sogar vor seiner Trollfrau hatte? Wie auch immer, Rumtrum musste sich eine andere Gestalt geben, damit er die Ausbildung beginnen konnte, das war die Bedingung, die Trovje, der Garstige, gestellt hatte.

Rumtrum saß noch lange nachdem Kalle der Flatterling ihn zurückgelassen hatte auf einem kleinen Felsgestein und dachte nach. "Vielleicht", so überlegte er, "sollte ich herausfinden, wer Trovjes Frau ist. Es könnte ja sein, dass sie noch viel böser als ihr Trollmann ist. Ja, was für einen Grund sollte er denn sonst haben, sich vor ihr zu fürchten? Dann sollte ich mich wohl besser an sie wenden. Aber wo soll ich sie suchen?" Solcherart Gedanken kreisten in seinem Kopf bis er zu dem Schluss gelangte, abermals Kalle den Flatterling mit einer Frage und einer Bitte zu behelligen. Da ihm nichts Besseres einfiel, rief er einfach ganz laut: "Kalle, bitte zeigt dich! Kalle, Kaaaalleeee, komm bitte zu mir!" Als nichts weiter geschah, hockte Rumtrum in Mädchengestalt sich wieder hin und wartete. Nach einer gewissen Zeit voller Ungeduld, startete er einen neuen Versuch und brüllte so laut er konnte.

Plötzlich wurde es über ihm dunkel, während vor ihm der Himmel noch blau war und die Sonne ihr helles Licht auf die Berge und Wiesen strahlte. Das Dunkel hingegen wurde noch dunkler. Endlich begriff Rumtrum, dass sich ein Schatten von etwas Riesigem auf ihn zu bewegte. Er blickte nach oben und nach hinten und erstarrte. Vielmehr als einen gewaltigen Stiefel, der unter einem Rocksaum hervorlugte, konnte er jedoch nicht erkennen.

"Flatterlinge sind sehr eigen, sie machen nur was sie wollen!", erklärte eine seltsam starke, kräftige Stimme, die zu flüstern schien, aber immer noch sehr laut tönte.

"Oh", mehr brachte Rumtrum, der immer noch versuchte, die ganze Gestalt zu erkennen, nicht heraus.

Nun geschah etwas noch viel Merkwürdigeres. Im Nu stand vor ihm eine Frau, die nur etwas größer schien als seine Mädchengestalt. Als er sie anstarrte, was sehr unhöflich war, erkannte er den Stoff des Rocks wieder und ebenso die Stiefel.

"Wie hast du das gemacht, gerade warst du noch gigantisch riesig und nun bist du so klein, ich meine, viel kleiner, also das gibt `s doch gar nicht", stammelte Rumtrum.

"Na, nun erzähl mal erst, warum du Kalle, den Flatterling so laut gerufen hast, bist du in Not? Geht es um Leben und Tod? Oder ist dir nur langweilig?", forderte die Frau das Mädchen auf, ihr zu antworten. Als Rumtrum noch einen Moment lang stumm blieb, nahm die etwas unheimliche Frau seine Hand, dabei wurde ihre Stimme etwas unwirsch: "Nun sag` mal, was will so ein Menschenmädchen überhaupt hier in unserem Land? Menschen haben hier nichts zu suchen, verstehst du? Sie sind schlichtweg unerwünscht. Also, wenn du nun keine Antwort geben willst, dann sei so gut und verschwinde sofort wieder von hier, hast du das verstanden?" Dabei zerrte sie ungeduldig an der Mädchenhand.

Nun endlich kam Rumtrum wieder zur Besinnung und schimpfte als erstes die Frau an, sie möge ihn sofort loslassen, was sie überraschenderweise auch tat. Rumtrum zupfte seine Kleidung zurecht und richtete sich auf. "Ich bin kein Menschenmädchen", protestierte er ärgerlich, "ich bin ein Hausgeist und ich bin in der Lehre bei Trovje, dem Garstigen."

"Ach ja, sehr interessant, ja, wirklich, kaum zu glauben. Und was willst du von ihm lernen?", wurde die Frau nun neugierig. "Na, das Bösesein! Ich will ein richtig böser Geist werden, der Leute in die Angst treibt und sie fürchterlich erschreckt, auf dass sie das Weite suchen", gab Rumtrum nicht wenig stolz bekannt.

"Ach so ist das, na, wenn du gar kein Menschenmädchen bist, dann kannst du bleiben", meinte die Frau. Rumtrum wollte nun aber wissen, wer sie denn sei, und wie sie es zustande gebracht habe, sich von einer Riesin in eine kleine Gestalt zu verwandeln. Die Frau lachte und stellte sich vor.

"Mein Name ist Helga", mehr brauchst du nicht zu wissen. Dass ich eine Trollfrau bin, hast du ja bestimmt schon bemerkt. Wie ich klein oder groß werden kann, werde ich dir sicher nicht einfach verraten. Du würdest es sowieso nicht verstehen!"

Kaum hatte sie das gesagt, da war sie auch schon wieder verschwunden. Rumtrum rief ins Leere hinein, sie möge doch warten, er hätte noch eine Frage, doch sie war wohl schon zu weit fort, um sein Rufen zu hören. Enttäuscht ließ er sich wieder auf den kleinen Felsen plumpsen und grübelte über eine andere Gestalt nach. "Sollte ich vielleicht eine Maus werden, nein, die ist viel zu klein. Aber ein großes Pferd oder ein Tiger, ein Schaf vielleicht? Nein, das scheint mir auch zu winzig. Ein Mammut, ja, ich denke das ist groß und mächtig genug. Rumtrum hatte ein solches Wesen in einem der Bücher des Jungen gesehen, der in dem Haus lebte, das er verlassen hatte.

Guten Mutes begab sich Rumtrum auf die Suche nach einem bequemen Plätzchen und gab sich alle Mühe, sich an das Mammutbild zu erinnern. Dass er dabei beobachtet wurde, konnte er nicht wissen und schon gar nicht, dass es die Trollfrau Helga war.

Nach der Verwandlung sah Rumtrum an sich herunter und staunte über das dichte, lange Fell und die wunderschönen Stoßzähne. Er drehte sich im Kreis, um sich auch von hinten ansehen zu können, doch das wollte ihm einfach nicht gelingen. Da hörte er ein Lachen, das von weit oben herab schallte und zwar ziemlich laut. Die lachende Trollfrau beugte sich zu ihm hinunter und zupfte sein Fell, dann griff sie einen seiner Stoßzähne, um ihn daran zu sich zu ziehen.

"Du willst bei Trovje lernen? Na, dann pass gut auf ...", begann Trollfrau Helga, doch Rumtrum unterbrach sie. "Kennst du ihn etwa?" - "Nun, wer kennt ihn nicht in diesem Land? Aber ja, ich kenne ihn sogar sehr gut", schmunzelte die Trollfau.

"Weißt du vielleicht, was es damit auf sich hat, dass er meine Mädchengestalt schrecklich findet, warum er meint, dass weibliche Wesen schlau und listig sind und er sie deswegen nicht leiden kann?", ergriff der kleine Geist die Gelegenheit jemanden zu fragen, der Trovje den Troll gut kannte. "Ah, das hat er gesagt?", wollte Trollfrau Helga wissen.

"Ja, genau das. Das ist auch der Grund für die Bedingung, die er mir gestellt hat, nämlich eine andere Gestalt zu wählen." - "Nun, das ist gut, das ist sehr gut. Ich glaube, kleiner Hausgeist, wir sollten uns einmal zusammensetzen und etwas sehr Wichtiges besprechen." Ihre Worte klangen geheimnisvoll, aber auch bedrohlich und Rumtrum wusste nicht recht, ob er ihr trauen sollte.

Weitere Abenteuer mit Rumtrum folgen ...


zum 1. Juni 2020


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