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KALENDERGESCHICHTEN/099: 03-2019   Der kleine Elefant - gerettet ... (SB)



Ein riesiger schwarzer Panther springt über den kleinen Elefanten hinweg - Buntstiftzeichnung: © 2019 by Schattenblick

Der kleine Elefant Roland bestaunte die neue und ihm fremde Umgebung des dunklen Dschungels. Als er eine schwarze menschenähnliche Gestalt auf einem Baum entdeckte, die ihm zu winken schien, näherte er sich vorsichtig. Es stellte sich heraus, dass es sich um den Affen mit Namen "Boss" handelte. Alsbald wurde Roland von einer ganzen Horde Affen umzingelt, neugierig begutachtet und ausgefragt. Dabei bewegten sie sich alle unmerklich immer weiter in den dunklen Wald hinein.

Roland erfuhr von den Affen so allerhand und kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Leider hatte er darüber die Gräfin, Johann und das Flugzeug ganz vergessen. Erst als die Affen wissen wollten, wie er denn überhaupt in den Dschungel gelangt sei, fiel ihm alles wieder ein. Er berichtete von dem wilden Sturm und der umher trudelnden Transportkiste. Doch die meisten Affen verstanden gar nicht, wovon er sprach.

"Also, was ist denn ein Flugzeug und was bedeutet Transportkiste?", wollte ein kleines neugieriges Äffchen wissen.

"Na ja, das Flugzeug fliegt durch die Luft, also, da oben am Himmel wie ein Vogel, aber es hat keine Federn und ist ziemlich laut," versuchte der kleine Elefant es möglichst genau zu beschreiben. Die Affen hockten da mit offenen Mündern, kratzten sich an Kopf oder Ohr, wussten aber nicht so recht, wie sie sich das vorstellen sollten.

"So, so, geflogen in einem Vogel ohne Federn, ah, hmmm, ja, so ist das?", zweifelte ein anderer vor sich hin und legte misstrauisch den Kopf schief. Plötzlich fingen alle Affen durcheinander zu reden an und brachen in kreischendes Gelächter aus.

"Er will uns einen Bären aufbinden, ein schönes Märchen erzählen", meinte einer und ein anderer brüllte: "Tolle Geschichte, wirklich, tolle Geschichte, die du da erfunden hast!"

Roland war durcheinander, hatte er doch versucht, alles wahrheitsgemäß zu erzählen. Aber er sah ein, dass es nichts nutzte, sie würden ihm nicht glauben. Doch Boss half ihm aus der Patsche und belehrte seine Affenbande: "Das sind diese krachlauten Dinger mit den unbeweglichen, starren Flügeln, die manchmal am Himmel über unseren Dschungel kreisen.

"Ah, ja - ach so - ja, genau", erklang es nun aus vielen Affenkehlen, gerade so als ob sie es jetzt wirklich besser wüssten.

Auf einmal fühlte Roland sich unwohl und wollte am liebsten ganz schnell wieder zurück zur Gräfin, zu Johann und dem Flugzeug. Unsicher schaute er sich um und suchte nach dem richtigen Weg. Aber er wusste beim besten Willen nicht mehr, welche Richtung er einschlagen sollte. Und dann geschah etwas, was nicht nur ihm, sondern auch den Affen einen riesigen Schrecken einjagte. Alle schrien durcheinander und ergriffen sofort die Flucht, sprangen von Ast zu Ast, kletterten höher und höher hinauf in die Baumkronen und plötzlich war alles ganz still. Nur ein unheimliches Fauchen war direkt hinter dem kleinen Elefanten zu hören. Er traute sich aber nicht, sich umzusehen.

Doch das brauchte er auch gar nicht, denn mit einem Mal huschte ein gewaltiger Schatten über ihn hinweg und vor ihm landete eine riesige, also wirklich riesige schwarze Katze. So ein Wesen hatte Roland nie zuvor gesehen. Die Katzen in seiner Heimat waren zwar auch ziemlich groß, sie reichten ihm bis an seine Bauchmitte. Diese hier aber war mindestens dreimal höher als er, wenn nicht sogar noch mehr - mit anderen Worten - sehr viel größer als der kleine Elefant. Als wäre er nicht schon erschrocken genug, hob die Katze, oder was immer das für ein Wesen sein mochte, ihre mit scharfen Krallen bewehrte Tatze und es schien, als wolle sie gerade zuschlagen, als von oben herab eine harte Frucht ihr genau auf den Kopf fiel. Ein lautes "Plomp" ließ das Katzentier aus der Haut fahren und ärgerlich fluchen: "Potzblitz verflixt noch eins! Wer war das? Zeig' dich, und ich werde dich in der Luft zerreißen!"

Roland stand immer noch wie versteinert am selben Fleck und als er das Schimpfen hörte, dachte er bei sich: "Hoffentlich bleibt der Übeltäter in seinem Versteck. Dieses schwarze Ungeheuer scheint wirklich sehr böse zu sein."

"Plopp" machte es erneut und wieder traf eine steinharte Frucht den Kopf der Katze, die diesmal sofort nach oben blickte, um den Werfer zu erkennen - doch ohne Erfolg. Wütend drehte sie sich um und musterte den kleinen Elefanten, als hätte sie ihn erst jetzt bemerkt.

"Warst du das?! Hast du nach mir geworfen?", fauchte sie ihn an und riss dabei ihr riesigen Maul auf, in dem vier weiße Eckzähne bedrohlich aufblitzten. "Nein, nein, ganz bestimmt nicht", trötete Roland ängstlich. Das schwarze Katzentier wiegte den Kopf und schien zu überlegen: "Irgendetwas stimmt nicht mit dir. Du siehst aus wie ein richtiger Elefant, ganz erwachsen, bist aber klein wie ein Baby. Was ist mit dir los? Wo kommst du her? So einen wie dich habe ich hier noch nie zuvor gesehen?!"

Roland wäre beinahe vor Wut geplatzt. Schon wieder nannte ihn jemand ein Baby. Nun reichte es dem kleinen Elefanten und er brüllte den Fremden in Katzengestalt an: "Ich bin ein richtiger, großer, erwachsener Elefant und ich bin genauso wie es sich für große Elefanten gehört! Wäre ich noch ein Baby, würde ich in einen Schuhkarton passen - also, du siehst ..."

"... Schuhkarton? Was soll das denn sein? Ich glaube du willst mich veräppeln und das finde ich gar nicht lustig!", wieder sperrte die Katze ihr Maul auf, "aber egal ob du alt oder ein Baby bist, eine anständige Mahlzeit werd' ich aus dir schon machen!"

Das war zu viel für Roland, er dachte, sein letztes Stündlein hätte geschlagen und er würde hier jetzt gleich sein Ende finden. Doch plötzlich prasselten Nüsse, Steine und Früchte auf die riesige Katze hinab, sie fauchte und drehte sich im Kreis, hieb mit der Pfote nach den Wurfgeschossen, duckte sich und endlich ergriff sie wütend unter lautem Brüllen die Flucht. Wenig später war von ihr nichts mehr zu sehen. Es dauerte eine Weile, bis Roland begriff, dass er nun nicht sterben würde und gerettet war - nur von wem, wusste er nicht.

Als die Affen ganz sicher waren, das der Panther, denn um ein solches Tier handelte es sich bei der schwarzen Katze, wirklich fort war, sprangen und kletterten sie von den Ästen herunter und führten einen Freudentanz auf.

"Das war knapp, Roland, was? Aber wir haben es geschafft, der Panther, der dich fressen wollte, ist verschwunden, wir haben ihn verjagt!", verkündete stolz der Boss der Affenbande.

"Danke, danke euch, ich bin so froh, danke", stammelte Roland noch ganz verwirrt. Die Affen sangen, lachten und hüpften um ihn herum, bis auch Roland wieder lachen konnte.

"Sagt mal", wollte er dann doch wissen, "geht es bei euch im Wald immer so gefährlich zu?"

"Nun, ja, eigentlich, ja, was soll 's, hier lauern stets irgendwo Gefahren, aber wenn man aufpasst und sich auskennt, ist es gar nicht so schlimm und kann sogar ganz gemütlich sein", erklärte Boss dem kleinen Elefanten.

"Ich hab' noch eine Frage, warum denkt ihr, dass ich nicht richtig bin, dass ich ein Baby bin oder irgendwie falsch?", wollte Roland nun doch von den Affen wissen.

Boss antwortete nicht gleich und überlegte, dann meinte er: "Weißt du was, morgen zeigen wir dir Elefanten, wie sie bei uns hier leben, dann wirst du selber sehen. Willst du mitkommen?"

"Ja, klar, das will ich auf jeden Fall."

Der kleine Elefant konnte nicht wissen, dass sich die Gräfin und Johann große Sorgen um ihn machten und schon ein wirklich großes Gebiet nach ihm abgesucht hatten. Traurig kehrten sie zum Flugzeug zurück und wollten ihre Suche am nächsten Tag fortsetzen.

Fortsetzung folgt ...


zum 1. März 2019


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