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KALENDERGESCHICHTEN/054: 06-2015   Weggefährten - Plan B ... (SB)


Storch und Gans stehen vor einem Fenster mit zerbrochener Scheibe - Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

Was bisher geschah ...

Edith und Mäuschen begleiteten das Kamel in die Scheune, wo es sich gleich schlafen legte. Gans und Kuh hielten Wache und wurden von einem lauten Knack-Geräusch aufgeschreckt. Sie stürmten nach draußen, umzingelten den Eindringling, der sich laut schimpfend als Gustl Storch zu erkennen gab. Erstaunlicherweise kam er, um zu helfen ...


Der Storch hatte Eulen-Lieschen des nachts nicht angetroffen. Er war müde und kehrte zur Scheune zurück. "Sobald es hell wird und ich für das Frühstück meiner kleinen hungrigen und nimmersatten Brut gesorgt habe, mache ich mich auf die Suche nach den Raben", verkündete er und gähnte dann herzhaft und laut. Plötzlich wurde die kleine Kuh unruhig, trat von einem Fuß auf den anderen und wiegte ihren Kopf hin und her. "Was? Ich bin müde, verdammt", raunzte Gustl sie an, denn er glaubte, dass sie wegen seines Gähnens den Kopf schüttelte.

"Ja, ich weiß, aber was machen wir, wenn du die Raben gefunden hast? Wie sollen sie denn in dem Buch lesen? Wir haben es doch gar nicht. Hat irgendjemand vielleicht eine Idee, wie wir an das Buch mit den Bildern von den vielen Ländern herankommen sollen?", sorgte sich Mäuschen.

"Äh, mmh, ja, eine gute Frage", räusperte sich Edith etwas verlegen. Daran hatte sie gar nicht gedacht.

"Ha, ich habe einen Vorschlag. Ganz einfach. Wir brechen in das Haus ein - Fensterscheibe kaputt, flatter, flatter hinein mit dir", dabei blickte Gustl der Gans ins Gesicht. "Dann schnappst du dir das Buch und schwuppdiwupp wieder hinaus - ganz einfach!"

Edith schluckte und Mäuschen schüttelte ganz langsam ihren Kopf. Die beiden waren doch ziemlich erstaunt über die Idee des Storchs.

"Ich glaube nicht, dass es so funktioniert", meinte Edith. "Ganz bestimmt wird es so nicht gelingen, denn sooo werden wir es auf keinen Fall machen. Ich bin total dagegen irgendwo einzubrechen. Nein! Punktum!", stellte Mäuschen entschlossen fest und stampfte energisch mit ihrem Vorderfuß auf.

"So ein Mist, so ein verdammter! Jetzt können wir ganz von vorn anfangen", fluchte der Storch.

"Lasst uns in die Scheune gehen und leise sein. Es fehlte gerade noch, dass der neugierige Timo aufwacht und laut zu bellen anfängt."

Die drei machten kehrt und schlichen in die Scheune. Doro schlief immer noch. Sie hatte tatsächlich von all den Geschehnissen nichts mitbekommen.

"Sag mal Gustl, wo fliegt ihr eigentlich im Winter hin? Gibt es dort auch Kamele, ich meine solche wie Doro?", wollte Edith wissen.

"Hmm, lass mich mal nachdenken. Nee, solche wie sie habe ich dort in Afrika noch nie gesehen. Die sehen irgendwie ganz anders aus."

"Gut, also in der Richtung brauchen wir dann schon mal nicht suchen", stellte Edith fest.

"Hey, Edith, wo fliegen denn deine Verwandten hin, du weißt schon, die die richtig fliegen können, so wie ich, und so ein graues oder braunes Federkleid tragen?", wollte Gustl Storch wissen.

Edith schluckte. Sie wurde nicht gerne von jemand anderen daran erinnert, dass sie nicht fliegen konnte. Einmal mehr nahm sie sich vor, noch viel härter daran zu arbeiten, das Fliegen zu lernen. Aber im Moment musste sie sich zusammennehmen und überlegen, wie sie das Land finden konnten, in das Doro zurückkehren möchte.

"Das weiß ich leider nicht, aber ich könnte mich mal umhören."

"Und wie lange wird das dauern. Ich meine, wie weit musst du denn fliegen, um deine Verwandten zu treffen? - Oh, entschuldige bitte, Edith, ich meine natürlich laufen, wie weit musst du laufen ..." Es hörte sich zwar immer noch ein wenig gemein an, aber Gustl Storch wollte gar nicht mehr gemein sein.

"Ein ganzes Stück weit in Richtung Norden, also da längs", sagte Edith und schwang ihren Kopf in eben diese Richtung.

"Sollte dann nicht vielleicht Gustl lieber dorthin fliegen? Das geht doch bestimmt schneller", mischte sich Mäuschen ein. Edith überlegte einen Moment. Sie war nicht sicher, ob Gustl der Richtige für diese Aufgabe war, schließlich war höfliches Fragen nicht unbedingt seine Sache. Aber dafür konnte er wirklich schnell fliegen. "Gut, ich bin einverstanden. Du versuchst herauszufinden, wo meine Verwandten hinfliegen. Aber vorher ..."

"Ooh, Edith, sieh, es beginnt schon zu dämmern, gleich wird es hell und Bauer Sepp wird zur Koppel gehen. Ich muss jetzt aber schnell zurück ...", rief Mäuschen erschrocken aus.

Doro hob ihren Kopf, blinzelte mit ihren großen Augen und blickte sich verwundert um: "Was ist los, wo bin ich, warum, wie, also, was geschieht hier?"

"Ganz ruhig, Doro, ich erkläre dir gleich alles", beruhigte Edith das Kamel und wandte sich dann an Gustl Storch: "Also, los Gustl, erst bringst du Mäuschen zurück, dann machst du dich auf den Weg ..."

"Haaalt, stopp", schnitt der Storch Edith das Wort ab, "zuvor muss ich noch für das Frühstück sorgen, sonst gibt 's Ärger im Nest und darauf habe ich keine Lust! Danach geht 's sofort los. Sobald ich etwas weiß, komme ich sofort zurück."

Doro verstand gar nichts mehr. Sie hatte alles verschlafen und war nun erstaunt über die Aufregung, die gerade in der Scheune herrschte, und darüber, dass der Storch sich auf einmal auch hier aufhielt. Wie und warum war er hierher gekommen? Und warum wollte er dann gleich wieder wegfliegen? Sie rappelte sich auf die Füße, schüttelte sich ausgiebig und stapfte in Richtung Kuh, die gerade in Begleitung des Storchs zum Scheunentor hinausging, sich umdrehte und leise rief: "Tschüss, bis später, ich muss mich eilen." Dann waren beide verschwunden.

Edith sah zu Doro hinauf: "So, nun kann ich dir in Ruhe erzählen, was in der Zwischenzeit alles passiert ist. Du musst auf jeden Fall noch etwas Geduld haben und hier drinnen bleiben, bis wir einen Plan haben."

"Nein, ich will hier nicht bleiben, es ist so dunkel und ich möchte unter freiem Himmel sein, so wie in meiner Heimat. Da gibt es gar keine Scheunen - nur Land, Wasser und Himmel so weit man sehen kann", regte sich Doro lauthals auf.

"Ist ja gut, ist ja gut, Doro, ich kann dich verstehen. Aber wir sollten auf jeden Fall warten bis Bauer Sepp nach dem Melken wieder im Haus verschwunden ist. Dann gehen wir auf die Koppel und mischen uns wieder unter die Kühe. Einverstanden?", schlug Edith vor.

"Hmmh, ja. Tut mir Leid, ich bin lieber draußen an der frischen Luft", erklärte das Kamel.

"Dann lass ich dich aber dort zurück, eine von uns muss ja vor der Scheune auf Gustls Rückkehr warten."

"Ja, das ist in Ordnung", freute sich Doro. Und genauso geschah es. Als Edith das Kamel in der Kuhherde gut untergebracht und nochmals gewarnt hatte, sich möglichst klein zu machen oder sich hinzulegen, begab die Gans sich wieder zur Scheune und machte es sich dort erst einmal gemütlich.


Die Gans liegt auf dem Rücken mitten in einem Blumenbeet, ihren Kopf im Schatten eines Blattes und schläft - Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

Buntstiftzeichnung: © 2015 by Schattenblick

Fortsetzung folgt ...

zum 1. Juni 2015


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