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KALENDERGESCHICHTEN/027: 03-2013   Der Kater auf der Flucht (SB)



Buntstiftzeichnung: © 2013 by Schattenblick

Jonathan, Rupert und Käpt'n Carlo

Der Kater auf der Flucht

Der Papagei Käpt'n Carlo hatte gerade seinen Plan "Wasser gegen Katzen" erklärt und freute sich, dass Rupert und Jonathan geradezu begeistert von seiner Idee waren. Folglich musste Ruperts Trinkschüssel voll Wasser ins Wohnzimmer geholt werden. Just wollte Rupert sie herbeischaffen, da geschah es!

Der Kater stand in der Zimmertür! Sein Rücken war zu einem Katzenbuckel gekrümmt, so dass er ziemlich riesig wirkte. Als er auch noch laut fauchte, ging alles holterdipolter durcheinander. Jonathan erschrak sich dermaßen, dass er sofort unter dem Sessel verschwand. Der Kater sprang ins Zimmer. Längst hatte er Jonathan erblickt und wollte ihn fangen, doch Rupert verstellte ihm in den Weg. Der Kater blieb stehen. Genau neben dem Wohnzimmertisch, auf dem immer noch Käpt'n Carlo hockte.

Blitzgeschwind holte der Papagei mit seinem Flügel Schwung und stieß den voll gefüllten Zahnputzbecher um. Das Wasser platschte auf den Kater und der Becher landete auf dessen Rücken. Rupert bellte und Käpt'n Carlo schimpfte: "Verflucht, verdammt, Räuber, Mörder!" Das war zu viel! Der Kater ergriff die Flucht. Wo war er hier nur hin geraten? Nichts wie weg! Keine Sekunde länger wollte er in diesem Haus bleiben. Er rannte hinaus auf den Flur, schlängelte sich zwischen den Beinen der beiden Menschen hindurch, die immer noch dort standen und miteinander sprachen, und sauste durch die offen stehende Haustür hinaus in den Garten.

Der Nachbar war empört über den Tumult, wandte sich ab und rief laut hinter dem Kater her: "Peterle, komm zurück, Peterle, komm her, wir gehen wieder nach Hause. Komm Peterle!" Dann stürmte er selbst hinaus ins Dunkel.

Herr Becker, Ruperts Herrchen, ging mit eiligen Schritten ins Wohnzimmer und staunte nicht schlecht: "Was ist denn hier passiert? Der Teppich ist ganz nass! Und was hat mein Zahnputzbecher hier zu suchen, wie kommt der überhaupt hier her?"

Rupert setzte sich artig hin und versuchte ganz lieb auszusehen. Dann gab er ein leises "Wuff" von sich. Käpt'n Carlo saß mittlerweile wieder oben auf seiner Stange und putzte sein Gefieder. Dabei sah er total brav aus. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass er mit dem Durcheinander irgendetwas zu tun haben könnte. Ratlos wiegte Herr Becker seinen Kopf hin und her: "Ich verstehe das nicht. Hier geht irgendetwas vor. Hier stimmt etwas nicht. Rupert, warst du das?"

"Das war klar. Zuerst fällt der Verdacht auf den Hund! Das ist immer so", dachte Rupert bei sich.

Herr Becker hob seinen Zahnputzbecher auf und ging ins Bad, um ihn auf das Regal über dem Waschbecken abzustellen. "Oh, nein! Warum läuft denn hier das Wasser? Ich bin doch gar nicht im Bad gewesen, ich habe den Wasserhahn nicht aufgedreht, ganz sicher nicht! Oder?" Herr Becker wurde nachdenklich und begann zu zweifeln, ob er vielleicht doch vergessen haben könnte, den Wasserhahn zuzudrehen.

"Nein, das ist alles sehr merkwürdig, sehr merkwürdig!" Verwirrt schüttelte er den Kopf, drehte den Hahn zu und ging wieder auf den Flur. Gerade kam auch sein Nachbar zurück. Seinen Kater hatte er nicht gefunden. "Das tut mir wirklich schrecklich Leid, Herr Jensen", so hieß sein Nachbar, "wirklich, ich habe keine Ahnung, was da eben passiert ist, ich meine, wie es passieren konnte!" Der Nachbar hatte sich inzwischen beruhigt. "Nun, nennen wir es ein Missgeschick", schlug er versöhnlich vor.

"Ja, das ist sehr freundlich von Ihnen."

"Aber, mein Peterle ist verschwunden! Ich habe ihn gerufen, immer wieder. Aber er ist nicht gekommen. Vielleicht ist er schon so weit weg gerannt, dass er mich gar nicht hören kann."

"Dann sollten wir ihn suchen!", beschloss Herr Becker und rief laut ins Haus: "Rupert, komm, Rupert hierher!"

Rupert gehorchte und lief nach draußen. "Du wirst jetzt den Kater suchen!", lautete der klare Befehl von Herrn Becker.

"Aber nein", widersprach der Nachbar, "es ist schon viel zu spät und zu dunkel. Wir sollten bis morgen mit dem Suchen warten. Peterle ist schon öfter mal nicht gleich wieder nach Hause gekommen."

"Ja, in Ordnung. Aber sagen Sie Bescheid, wenn er morgen noch nicht wieder zurück ist. Dann machen wir uns auf die Suche", bat Herr Becker seinen Nachbarn.

"Ja, ist gut. Ich werde jetzt noch einen Moment nach ihm Ausschau halten und ihn rufen", meinte Herr Jensen und verabschiedete sich mit einem Gute-Nacht-Gruß.

Rupert und Herr Becker gingen zurück ins Haus. Nachdem alles wieder aufgeräumt war, begab sich der Hausherr ins Bad, putzte sich die Zähne und legte sich danach ins Bett. Er wunderte sich ein wenig, dass Rupert ihn nicht, wie sonst immer, begleitete. Allerdings war Herr Becker viel zu müde, um sich lange zu wundern. Wenige Augenblicke später war er bereits eingeschlafen.

Eigentlich schlief Rupert gern neben dem Bett seines Herrchens. Doch heute ließ er sich lieber nicht blicken. Er hatte sich in der Stube auf seine Decke gelegt und sich schlafend gestellt. Er wollte auf keinen Fall los geschickt werden, um den Kater zu suchen. Nach einer Weile stand er auf und schlich ins Wohnzimmer. Oben auf der Stange saß Käpt'n Carlo. Er hatte seinen Kopf unter einen Flügel gesteckt. Als er Rupert kommen hörte, breitete er seine Flügel aus, hob seinen Kopf und flog dann hinunter auf den Teppich. Kurz danach tauchte auch Jonathan auf.

"Das war aber verdammt knapp", raunte Mäuserich Jonathan, "der Kater ist ja riesig! Hoffentlich kommt der nie wieder ins Haus."

"Leute, der Plan war gut und erfolgreich. Der Kater schien mächtig verärgert, als er so pitschnass wurde. Wie schnell er die Flucht ergriffen hat. Vortrefflich, gut, ja vortrefflich", freute sich Käpt'n Carlo.

"Ja, ja. Das mag alles sein. Der Kater ist weg. Aber wenn er morgen nicht wieder beim Nachbarn gelandet ist, soll ich ihn suchen!", empörte sich Rupert. "Stellt euch vor, ich soll nach diesem dusseligen Kater suchen, ich!?" Rupert schüttelte sich. "Wart doch erst mal ab, vielleicht ist er schon zurück und du brauchst ihm nicht hinterher zu schnüffeln", versuchte Jonathan ihn zu beruhigen.

"Und falls von dir verlangt wird, ihn aufzuspüren, werden wir dir natürlich bei der Suche behilflich sein", fügte der Papagei hinzu. "Bist du verrückt!? Ich werde verdammt noch mal bestimmt ganz sicher und niemals helfen, den Kater zu finden!", schrie Jonathan wütend in ihre nächtliche Versammlung.

"Schschscht, seid leise", zischte Rupert, "da, ein Lichtschein auf dem Flur!"

Buntstiftzeichnung: © 2013 by Schattenblick

Grafik: © 2013 by Schattenblick

In letzter Sekunde

(SB) - Nachdem der Haushund Rupert, Maus Jonathan und Käpt'n Carlo den Kater erfolgreich aus dem Haus vertrieben hatten, fanden sie sich des nachts im Wohnzimmer zu einem Treffen ein. Als Jonathan gerade sehr laut schimpfte, entdeckte Rupert einen Lichtschein auf dem Flur.

"Seid leise, ssschst, verstecken, sofort, leise verstecken!" Der Papagei tapste unter den Tisch, die Maus unter den Sessel und Rupert selbst stellte sich reglos hinter den langen, schweren Fenstervorhang.

Plötzlich wurde es noch heller. Die Tür zur Küche stand offen, das grelle Küchenlicht strahlte bis auf den Flur. Sie hielten die Luft an, keiner wagte es, sich zu bewegen. Rupert spitze die Ohren. Ein dumpfes "schschlapp, schschlapp, schschlapp", ein Schlurfen endete vor der Kühlschranktür, die leise quietschend geöffnet wurde.

Mutig schob Rupert seine Nase unterm Vorhang ins Wohnzimmer hinein. Jetzt konnte er es ganz deutlich riechen! Sein Herrchen, Herr Becker, stand vor dem Kühlschrank. Er holte sich, wie so oft des nachts, die Flasche Selterswasser, nahm dann ein Glas aus dem Schrank und goss sich das sprudelnde Wasser hinein. Jetzt konnte Rupert auch das Schlucken hören. Er war erleichtert, denn er wusste, dass sie nun nur eine Weile warten mussten. Herr Becker würde dann wieder ins Bett gehen.

So geschah es dann auch. Rupert verließ als erster sein Versteck, dann kroch auch Jonathan unter dem Sessel hervor und Käpt'n Carlo breitete seine Flügel aus, nachdem er unter dem Tisch hervor getappt war. Er schüttelte sich und zupfte an seinen Flügelfedern herum.

"Darf ich einen Vorschlag unterbreiten? Da bereits die Mitternachtsstunde lang überschritten ist, halte ich es für ratsam, dass wir uns alle zur Ruhe begeben und schlafen. Wer weiß schon, was der morgige Tag an Herausforderungen für uns bereithält!", sprach der Papagei in seiner merkwürdigen Art, "da sollten wir besser ausgeruht sein."

Doch Rupert hörte nur "schlafen" und stimmte dem Vorschlag sofort zu. Er wollte einfach nicht mehr darüber nachdenken, ob er den Kater nun noch suchen muss oder nicht. Dann torkelte er rüber in die Stube, legte sich auf seine Decke und schlief sofort ein. Die Maus und der Papagei blieben im Wohnzimmer.

Jonathan maulte: "Hast du das etwa ernst gemeint? Willst du wirklich helfen, den Kater zu finden? Ich fasse es nicht. Erst jagen wir ihn fort, dann willst du ihn zurückholen? Ich raff das nicht, das ist mir ... nee, also, ich kapier das nicht!"

"Beruhige dich, bitte. Bist du wirklich davon ausgegangen, dass ich den Kater wieder ins Haus holen möchte? Ich, der doch diesen vortrefflich guten Plan erdacht hat. Ich, der ich alle Mühen auf mich genommen habe, um ihn zu vertreiben. Glaubst du wahrhaftig, dass ich die Absicht habe, all das noch einmal durchzumachen?" Irgendwie sah Käpt'n Carlo beleidigt aus. Er flog hinauf auf seine Stange, machte es sich bequem, steckte den Kopf unter seinen Flügel und regte sich nicht weiter. Er schlief.

"Na toll, was soll ich nun damit anfangen? Ich wander' aus! Such mir eine neue Bleibe. Die spinnen! Alle beide!", beschloss Jonathan, huschte hinüber in die Stube und verkroch sich in sein Mauseloch. Irgendwann fiel auch er in einen tiefen Schlaf.

Plötzlich schreckte Jonathan hoch. Was war das? Schwere Schritte erschütterten die Dielen des Fußbodens. Es war bereits heller Tag, grelles Sonnenlicht schien durch den Eingang. Er blinzelte vorsichtig hinaus. Sein Blick fiel auf Ruperts Futterschüssel. Neben der Schüssel standen zwei enorm große Schuhe. Jonathan hob seinen Kopf und sah die beiden langen Beine, die in diesen Schuhen steckten. Das musste Herr Becker sein. Doch wo war Rupert? Was wollte Herr Becker hier? Jonathan zog sich tiefer in den Schutz des Mauselochs zurück, drückte sich an die Wand, um ja nicht gesehen zu werden. Was hatte das zu bedeuten? Er wusste es nicht.

Fast hätte er laut aufgeschrien, als zwei Bretter kurz nacheinander auf den Boden plumpsten, ziemlich nahe am Eingang. Jonathan nahm allen Mut zusammen und lugte abermals ganz vorsichtig hinaus. Dann hörte er Herrn Becker rufen: "Rupert, komm! Na, komm schon! Hierhier, mach schön Platz!"

Rupert trabte vom Flur in die Stube und setzte sich artig neben Herrn Becker. Der klopfte ihm ein paar mal freundlich auf den Rücken und sprach dann weiter: "Rupert, ich habe das Mauseloch gefunden. Sieh, hier, ganz nah an deinem Platz. Merkwürdig, dass du es nicht bemerkt hast. Na, ja. Also, ich werde es jetzt mit diesen kleinen, beiden Brettern zunageln. Dann brauchen wir Herrn Jensen nicht mehr bitten, uns seinen Kater auszuleihen. Was hältst du davon?"

"Wuff", machte Rupert.

"Genau Rupert, das habe ich auch gedacht, eine wirklich gute Idee von mir, nicht wahr? Deine Aufgabe ist es nun, genau aufzupassen, ob diese Maus oder diese Mäuse, noch versuchen zu verschwinden, bevor ich den Eingang mit den Brettern versperre. Also, wenn sie aus ihrem Loch hervor kommen, dann fängst du sie, verstanden?"

"Wuff. Wuff."

Rupert war ganz schrecklich zumute. Er wusste nicht, ob Jonathan überhaupt in seinem Mauseloch war. Er wusste nicht, ob er vielleicht noch schlief und gar nicht bemerkte, in welcher Gefahr er sich befand. Rupert überlegte: "Ich muss ihn aufwecken, falls er tatsächlich dort drinnen ist, muss er fliehen." Dann bellte er so laut er konnte. Herr Becker, der gerade in seinen Hosentaschen nach Nägeln kramte, drehte sich zu Rupert um: "Was ist los? Hast du die Maus gesehen? Dann nichts wie hinterher, na los, lauf schon!"

"Heute geht aber auch alles schief", dachte Rupert. Da er nicht wusste, was er tun sollte, bellte er weiter.

Jonathan hatte alles mitangehört. Entschlossen und mutig schnappte er sich seinen Besen, lugte noch einmal vorsichtig durch den Eingang und wartete einen günstigen Moment ab, in dem er losrennen konnte. Dieser Moment kam, als Herr Becker nochmals mit energischer Stimme von seinem Hund verlangte, nun endlich hinter der Maus herzulaufen.

Rupert erblickte zuerst Jonathans Besen, dann ihn selbst. Er zwinkerte ihm zu und lief dann los. Dabei schnüffelte er auf dem Boden einer vermeintlichen Spur entlang, die aus der Stube hinaus auf den Flur führte. Herr Becker sah ihm nach. Das war die Gelegenheit für Jonathan. Er spurtete los. In dem Moment bückte sich Herr Becker, um den Hammer und ein Brett aufzuheben. "Rupert, hierher, hier ist noch eine Maus!" ...

März 2013