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KALENDERGESCHICHTEN/019: 07-2012   Grimbart Wohlgemut - Grimmy bittet den griesgrämigen Uhu um Hilfe (SB)


Buntstiftzeichnung: © 2012 by Schattenblick
Grimmy bittet den griesgrämigen Uhu um Hilfe

Grimmy und Gretchen lagen schon eine ganze Weile auf der Lichtung, um nach dem Uhu Ausschau zu halten. Mittlerweile war es richtig dunkel geworden. Nur das Mondlicht und die Sterne spendeten noch genügend Licht, um Bäume und Sträucher als dunkle Gesellen von merkwürdiger Gestalt erscheinen zu lassen.

Gretchen war ein wenig eingeschlafen, es war einfach total gemütlich an Grimmys warmen Bauch zu liegen. Schlagartig wach wurde sie aber, als sie ein lautes Knacken hörte. Wild blickte sie um sich, schnupperte und schnupperte, ob sich der Urheber des Knackens ausfindig machen ließe. Doch weder roch noch sah sie etwas. "Grimmy", flüsterte sie scharf in sein Ohr, "Grimmy, wach auf, hier ist irgendetwas ..."

"Wo, wie, was, bin schon da", rief Grimmy erschrocken aus. Mit einem Satz landete er auf allen Vieren, was zur Folge hatte, dass Gretchen in hohem Bogen nach vorn geschleudert wurde und lang gestreckt auf ihrem Bauch landete. "Hey, Grimmy, pass doch auf!", zischte sie, rappelte sich wieder hoch und baute sich vor dem kleinen Dachs auf.

"Entschuldigung, ich glaube, ich habe vor lauter Schreck ganz vergessen, dass du an meiner Seite lagst, tut mir leid, wirklich!", beteuerte er.

"Ist schon gut, aber horch mal! Hörst du was? Mich hat ein lautes Knacken aufgeschreckt, aber ich kann nichts sehen oder wittern. Du vielleicht?", wollte Gretchen wissen.

Grimmy streckte seine große Nase in die Luft. "Nichts, rein gar nichts Ungewöhnliches", nuschelte er vor sich hin, lief ein paar Schritte vor und durchstöberte Moos und Gräser. "Nein, Gretchen, ich kann nichts entdecken", rief er ihr zu.

"Merkwürdig", wunderte sich das kleine Eichhörnchen, "es war ein ziemlich lautes Knacken."

"Weißt du was, Gretchen, ich werde jetzt die Wache übernehmen, du kannst dich ausruhen. Ich verspreche dir, auf der Hut zu sein", schlug Grimmy ihr vor.

Als hätte sie es gar nicht gehört, vergrub sie unbeholfen ihre Pfoten in ihrem wuscheligen Fell am Bauch und stammelte leise: "Und wenn, wenn, das nun, vielleicht, vielleicht doch der Baummarder gewesen ist....?!"

"Oh, armes Gretchen, mach dir bitte keine Sorgen mehr. Ich habe dir doch gerade einen Vorschlag gemacht: ich werde aufpassen und du legst dich schlafen. Wenn ich den Uhu sehe, wecke ich dich sofort. Und wenn der Baummarder wirklich auftauchen sollte, na, du sollst mal sehen, der kann was erleben, dem mache ich Beine, dass er sich nie wieder in deine Nähe traut!", versuchte Grimmy sie zu beruhigen.

"Ist gut", murmelte sie und rollte sich auf dem Moosbett zusammen.

Grimmy setzte sich neben sie und suchte den Himmel ab. Doch der Uhu ließ sich nicht blicken. Grimmy wusste nicht, wie lange er so da gesessen hatte, als er plötzlich einen merkwürdigen Laut vernahm, als würde jemand durch die Luft wischen - schwuuuh, schwuuuh, schwuuh. Dann sah er einen dunklen Schemen am Himmel. Riesige Schwingen hoben sich auf und senkten sich nieder, auf und nieder. Sie trugen einen dicken Körper in ihrer Mitte - den Uhu!

"Gretchen, Gretchen, der Uhu, der Uhu, schnell wach auf, wir müssen ihn rufen!", rief Grimmy hastig und laut. "Hallo, Uhu, hallo, hier sind wir. Hallo, haaaallooo, Uhuuu, bitte komm herunter...!", der kleine Dachs brüllte aus Leibeskräften gen Himmel.

Gretchen begriff sofort, was es zu tun galt und stimmte in das Rufen ein: "Herr Uhu, Herr Uuhuuu, hier sind wir. Bitte, würden Sie hier unten landen, wir wollen Sie etwas fraaaagen?"

Der Uhu schien sie gehört zu haben - oder gesehen. Wie dem auch sei, er setzte zu einem steilen Flug in Richtung Dachs und Eichhörnchen an. Grimmy und Gretchen, die dicht beieinander standen, stoben nun auseinander, um dem großen Vogel beim Landen nicht im Weg zu sein. Mit großem Schwung setzte der Uhu seine gewaltigen Krallen auf den Boden und bremste mit seinen Schwingen, die er weit aufspannte und ruderte. Einige Federspitzen streiften Grimmys Nase. Er musste niesen.

Sorgfältig brachte der Uhu sein Gefieder in Ordnung und suchte sich einen bequemen Ast dicht über dem Boden, auf den er sich setzte. Stolz und ehrfurchtgebietend thronte er dort und sah sich um, blickte erst Grimmy, dann Gretchen an, wobei er seinen Kopf langsam in die eine, dann in die andere Richtung drehte. Gretchen sprang mit zwei Sätzen zu Grimmy hinüber, so dass sie wieder dicht beieinander standen und der Uhu sie beide gleichzeitig ansehen konnte.

"Nun, ihr habt nach mir gerufen", tönte der Uhu mit einer mächtigen, tiefen Stimme. Er sprach die Worte ganz langsam aus. Irgendwie würdevoll und erhaben fügte er hinzu: "Wer seid ihr, und was ist euer Begehr?"

Gretchen war total beeindruckt und brachte keinen Laut hervor. Schließlich antwortete der kleine Dachs: "Ich heiße Grimmy und das ist Gretchen. Wir, nein, ich habe mich verlaufen, vor langer Zeit nun schon, und ich, nein, wir möchten nach Hause. Aber ich weiß den Weg dorthin nicht mehr."

"Aha, ich verstehe. Nein, eigentlich bin ich etwas überrascht. Ich nahm an, ihr Dachse hättet eine famos funktionierende Nase und die hätte dir dann doch bestimmt dabei helfen können, deinen Bau zu finden", wunderte sich der Uhu.

"Ja, sicher, Herr Uhu, das mit der Nase ist ganz sicher richtig, aber ich war noch sehr klein, als ich von zuhause fortlief - und ich hatte furchtbare Angst." Dann erzählte Grimmy dem Uhu die ganze Geschichte, wie er aus seinem Bau herausgekrabbelt war, um Wasser zu trinken, wie ein Hund ihm in den Rücken sprang und die Stöckchen durch die Luft sausten, der Hund mit ihm schimpfte, wie er daraufhin dann rannte und rannte, als sei der Teufel hinter ihm her, bis dahin, wo er in Gretchens Holzhaufen Unterschlupf fand.

Der Uhu hörte aufmerksam zu, wobei er Grimmy mit seinen großen, runden Augen anblickte: "Mmmh, das ist ja eine famos üble Geschichte, wahrlich, famos schrecklich. Ah, mmh, ja, und ich soll nun also deinen Bau finden?"

"Ja, das wäre toll", freute Grimmy sich.

"Das geht nicht! Nein, nein, das kann ich nicht! Ich glaube, du hast überhaupt keine Ahnung, wie viele Dachsbaue es hier in diesem Wald gibt. Man sagt mir nach, sehr hilfsbereit zu sein, aber, nein. Wie stellst du dir das vor? Soll ich bei jedem Bau landen, anklopfen und fragen, ob hier vor einiger Zeit einmal ein kleiner Dachs verlorengegangen ist?"

Mit so einer Antwort hatte Grimmy nicht gerechnet. Traurig sank er in sich zusammen und seufzte.

"Also, es tut mir schrecklich leid, aber ich habe gerade sehr viel zu erledigen. Also, ganz unter uns, ich bin zur Zeit reichlich beschäftigt. Meine Kinder haben immer einen famos riesigen Appetit. Ich fliege schon Tag und Nacht umher, um ausreichende Mengen Nahrung herbeizuschaffen."

Als er so sprach, blickte er sehr aufmerksam in Gretchens Richtung. Sein Blick wurde plötzlich stechend und böse. Gretchen bemerkte es nicht. Für sie gab es nur einen Feind - Max, den Baummarder. Aber Grimmy ahnte, dass der Uhu in dem kleinen Eichhörnchen schon sein heutiges Abendessen sah. So grimmig und entschlossen wie er nur konnte, gab er dem Uhu zu verstehen: "Nein, verehrter Herr Uhu, ich werde Gretchen mit meinem Leben verteidigen ..."

Der Uhu fühlte sich ertappt. Da er eigentlich ein gutherziger Geselle war, besann er sich und blickte verlegen auf den Boden. Grimmy nutzte diese Gelegenheit: "Ich weiß, Herr Uhu, wie du meinen Dachsbau erkennen kannst. Über dem Eingang liegt ein großer, gebogener, dicker Ast. Er sieht aus wie ein Torbogen. Bestimmt erkennst du das sofort, wenn du über ihn hinweg fliegst."

Der Uhu, immer noch etwas beschämt über seine Gier, das Eichhörnchen als Abendessen mitzunehmen, horchte auf. Außerdem war er wirklich sehr beeindruckt von Grimmy, der sich schützend vor Gretchen gestellt hatte. Der Dachs musste das Eichhörnchen sehr gern haben, wenn er sein Leben für das ihre geben würde. Ja, das stimmte den Uhu nachdenklich und milde.

"Ich werde mich auf den Weg machen, kleiner Dachs, werde sofort einen Erkundungsflug starten. Es wäre ja gelacht, wenn ich mit meinen famos guten Augen diesen Torbogeneingang nicht ausfindig machen könnte. Lauft nicht all zu weit fort, damit ich euch wiederfinde, um euch Bescheid zu geben!"

Kaum hatte er mit seiner tiefen Stimme diesen Satz ausgesprochen, breitete er auch schon seine Schwingen aus und schwang sich in die Lüfte.



zum 1. Juli 2012