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GUTE-NACHT/3528: Eine außergewöhnliche Bande - Teil  3 (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

Eine außergewöhnliche Bande



Es ist Mitternacht. Das verraten die Kirchenglocken, die gerade die Zeit zwischen dem vorherigen und dem nächsten Tag einläuten. Von diesem Lärm erwacht, beginnt sich hier und dort im Garten einiges zu regen. Es sind die Schuhe, die in der vergangenen Nacht das traute Heim verließen, um ihre eigenen Wege zu gehen.

Doch welchen Weg sollen die Schuhe überhaupt einschlagen? Um dies zu beraten, wollen sie in dieser Geisterstunde zusammentreffen. Einige von ihnen wissen nicht mehr so genau, wo sie sich versammeln wollten. So zieht es sie zurück an den Ort, an dem sie sich in der gestrigen Nacht trennten.

Hier an der Kellertreppe ist allerdings kein so geeigneter Platz für ein Stelldichein. Es könnte ja sein, daß der Hausherr vor dem Schlafengehen noch ein bißchen frische Nachtluft schnappen möchte. Da sollten die Schuhe an diesem Ort nicht herumlungern, sonst sind sie schneller wieder im Haus als ihnen lieb ist.

"Laßt uns dort drüben unter den Holunderbusch treten!",
schlagen die Stiefel vor, die sich für alle irgendwie
verantwortlich fühlen, vielleicht weil sie über all die
anderen Schuhe hinausragen.

Unter dem Holunderbusch angekommen, fragen die Stiefel sogleich nach, ob sich alle Paare wieder eingefunden haben, die gestern Nacht mit ihnen ausgebüxt sind.

Die goldenen Damenschuhe melden ihre Anwesenheit als erste. Auch die Wanderschuhe melden sich. Sie haben den Weg zurückgefunden, was für sie ja kein großes Problem darstellt, sind sie doch im Spurenlesen geübt. Die kleinen Turnschuhe und die Sandalen sind mit den Stiefeln gekommen, und nun haben sich auch fast alle anderen Schuhe - wie jeder sehen kann - eingefunden. Nur das eine Paar Herrenschuhe ist nicht wieder aufgetaucht.

"Wo mögen sie stecken?", fragen sich alle. "Vielleicht haben sie verschlafen?", meinen die Sandalen. "Wir sollten sie rufen", schlagen die goldenen Damenschuhe vor. Doch die Stiefel, finden das keine gute Idee: "Wenn uns jemand aus dem Haus hört und herauskommt. Dann war unsere Reise ein kurzes Abenteuer." - "Was aber sollen wir tun?", fragen einige. "Suchen wir die Herrenschuhe doch", sagt der rechte Turnschuh und der linke fügt an, "und dann kitzeln wir sie wach."

Die Suche beginnt. Doch im Garten sind die Herrenschuhe nicht aufzutreiben. Nach einer Weile kommen alle Schuhe wieder zusammen. Den Stiefeln schwant nichts Gutes: "Sicher hat sie der Hausherr im Garten gefunden und sie wieder mit ins Haus genommen. Er war sowieso nicht einverstanden damit, daß seine Frau die Schuhe einfach wegwerfen wollte."

Ein Stöhnen geht durch die kleine Gruppe. Die Wanderschuhe haben es jetzt eilig: "Wir sollten endlich losziehen. Sonst werden wir auch noch zurück ins Haus geholt." - "Aber wir müssen uns doch noch beraten, wohin wir ziehen wollen", rufen die anderen durcheinander. "Nichts da", drängeln die Wanderschuhe, "laßt uns wenigstens hier aus dem Garten hinausziehen."

Dem Wunsch möchten alle Schuhe entsprechen. Sie denken an die Zeit im Schuhregal zurück, wo sie sich die meisten Stunden des Tages gelangweilt hatten. Auch mit der Art ihrer Behandlung waren sie nicht einverstanden. Sie wurden fast nie geputzt.

Die Stiefel voran, reihen sich alle in eine Parade ein und es geht zur Gartentür hin. Doch die ist leider verschlossen. "Das macht nichts", sagen die Turnschuhe gleichzeitig, "wir kennen ein Loch im Zaun. Da passen wir alle hindurch und kommen genau hinter der Bushaltestelle heraus." Der Vorschlag wird angenommen. Auch wenn die goldenen Damenschuhe auf dem Weg zum Loch im Zaun wieder meckern - gehen sie doch am liebsten auf geteerten oder gepflasterten Wegen. Schließlich sind sie nicht für Beete oder dergleichen gemacht.

Hinter der Bushaltestelle angekommen, verschnaufen die Schuhe. Es ist ein angenehmer Platz. Ganz dicht ist die hintere Seite der Bushaltestelle zugewachsen. Auch zum Garten hin kann kein Blick die Hecke durchdringen. Zwar können die Schuhe dies jetzt bei Nacht nicht feststellen. Aber wie gut, daß die kleinen Turnschuhe dabei sind. Sie kennen sich hier in der Gegend bestens aus. Schließlich hat sich in diesem Gebüsch auch Toni oft versteckt, um nicht zu den Schulaufgaben ins Haus gerufen zu werden.

"Hier können wir bis morgen Nacht bleiben. Da haben wir genug Zeit uns zu beraten, wohin die Reise gehen soll", schlagen die Stiefel vor, die alles gern geordnet haben möchten. Zwar würden die Wanderschuhe am liebsten sofort losziehen, doch sie sehen ein, daß eine gute Planung vor der Reise von Vorteil ist. Ihnen zum Trost schlagen die Stiefel vor: "Ihr könnt euch ja schon einmal in der näheren Umgebung umschauen. Dann wissen wir morgen, was uns da vorne erwartet." Die Wanderschuhe nehmen ihre neue Aufgabe sehr ernst und pirschen los. Die anderen Schuhe warten gespannt, was die Wanderschuhe zu berichten haben werden. Inzwischen aber ruhen sie sich aus, und einige halten sogar ein kleines Nickerchen.

Gute Nacht




zum 18. Februar 2012