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GUTE-NACHT/3527: Eine außergewöhnliche Bande - Teil  2 (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

Eine außergewöhnliche Bande



Am Mittag wundert sich die Sonne, was denn da zwischen den Rosen im Beet so blinkt. Ist es etwa eine neue Rosenkugel, die da ins Beet gesteckt wurde, um die Blüten besser zur Geltung zu bringen. Oder hat jemand etwa ein Schmuckstück verloren, eine Kette oder eine Brosche, die jetzt das Licht der Sonne zurückwirft?

Es ist nichts dergleichen. Das Blinken kommt von den zurückgeworfenen Strahlen der Sonne, die auf die beiden goldenen Damenschuhe fallen. Nachts schien das Versteck zwischen den Rosen ein ausgezeichnetes zu sein. Denn hier würde ja wohl keiner hineintreten. Doch jetzt bemerken auch die goldenen Schuhe, wie schnell sie entdeckt werden könnten. "Ihr könnt euch ja mit Erde beschmieren", meint eine besonders rote Rose, die die Befürchtungen der beiden goldenen Schuhe belauscht hat. Doch von diesem Vorschlag wollen die beiden Damenschuhe nichts wissen. "Wer will sich schon mit Erde beschmieren?" fragen sich die Goldenen. Sie wissen wohl nicht, daß den Stiefeln oder den Wanderschuhen ein Spaziergang selbst durch Matsch und schwarzer Erde nicht das geringste ausmachen, wenn sie denn nachher wieder gesäubert und eingefettet werden.

Wo stecken eigentlich die Stiefel, für die es bei ihrer Größe auch nicht so leicht war, ein gutes Versteck zu finden. Während die Wanderschuhe es sich unter den großen Blättern des Rhabarbers gemütlich gemacht haben, haben die Stiefel einen Platz unter einer langen Plane gefunden, die das Holz für den Kamin vor dem Regen schützt. Hierher hat es auch die kleinen Turnschuhe verschlagen. Sie waren sicher in der Nacht einfach den Stiefeln gefolgt, könnte man meinen. Doch es war anders. Die Stiefel hatten keine Ahnung, wo sie denn ein Versteck finden sollten. Deshalb erinnerten sie sich daran, was die beiden Turnschuhe erzählt hatten. Die beiden Kinderschuhe waren ja hier im Garten schon fast zuhause. Da wußten sie bestimmt ein gutes Versteck auch für die langen Stiefel. Also fragte einer der Stiefel bei den Turnschuhen nach und so wanderten sie gemeinsam zum Holzstoß mit der Plane.

Auch ein drittes Paar schloß sich den Turnschuhen und den Stiefeln an. Es waren die Sandalen. Am Holzstoß angekommen kletterten sie gleich auf einen der Holzbalken drauf und verdeckten sich dann mit einem Stück der Plane. So fanden alle Paare ein Versteck im Garten. Nur die Herrenschuhe, die wollten lieber schon einen Schritt weiterkommen und versteckten sich unter der Bank in der Bushaltestelle, die genau vor dem Garten stand. Hier fanden die beiden Herrenschuhe es am geeignetsten für sich. Doch hätten sie geahnt, was sie dort erwartet, sie hätten sich wohl lieber mit den anderen Schuhen im Garten versteckt.

Die Sonne ist bereits weitergewandert. Es geht gegen Abend zu. Der letzte Bus ist abgefahren. Jetzt hält hier keiner mehr. So manch ein Fahrgast wunderte sich heute über die Herrenschuhe, die da unter der Bank standen, als hätte sie jemand vor seinem Bett abgestellt. Aber keiner interessierte sich wirklich für die Schuhe. Warum auch, alle hatten ihre eigenen Schuhe an, bis auf einen...

Gegen Abend kommt der alte Willi vorbei. Manchmal wenn er hier in der Gegend ist und für die Nacht kein Bett über dem Kopf hat, dann sucht er, wenn es bereits zu dämmern beginnt diese Bushaltestelle auf. Sie ist aus Holz gebaut, mit einer Bank darin. Hier kann Willi getrost die Nacht verbringen, ohne naß zu werden und auf dem Boden braucht er auch nicht schlafen. Dafür hat er die Bank. Sie ist etwas hart, aber Willi ist Schlimmeres gewohnt. Auch heute Abend ist Willi hier. Als er sich der Bushaltestelle nähert, sieht er sogleich, was auch all den anderen Fahrgästen gleich ins Auge fiel. Doch er sieht die Herrenschuhe, die da fein säuberlich hingestellt wurden, mit ganz anderen Augen.

Willi schaut links und schaut rechts, ob auch niemand in der Nähe ist. Dann setzt er sich auf die Bank und probiert die abgestellten Herrenschuhe an. Sie passen wie angegossen, wie für ihn gemacht. Da muß Willi einfach zugreifen. Schnell sieht er sich noch einmal nach allen Seiten um. In dieser Nacht wird er sich lieber nicht hier aufhalten. Vielleicht würde er sonst noch die neuen Schuhe, die ihm wie ein Geschenk des Himmels vorkommen, wieder abgeben müssen. Willi packt seine sieben Sachen, zieht wieder los und läßt anstelle der eben noch unter der Bank stehenden festen und heilen Herrenschuhe, seine abgetragenen und sohlendurchlöcherten Treter eben unter derselben Bank stehen. Für diese Nacht braucht Willi ein neues Quartier. Doch die Suche danach ist es ihm wert, hat er doch jetzt endlich wieder festes Schuhwerk an den Füßen. Damit kann er die nächsten Tausend Kilometer weiterlaufen. Seinen alten Schuhen ruft er zu: "Lebt wohl! Ihr habt mir gut gedient. Jetzt könnt ihr euch ausruhen.

"Gute Nacht."




zum 10. Februar 2012