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GUTE-NACHT/3279: Der kleine Nachtwächter vom Sturm vertrieben (SB)


Gute Nacht Geschichten

So gestürmt wie in dieser Nacht hat es schon lange nicht mehr. Der kleine Nachtwächter hält deshalb mit der einen Hand seine Laterne und mit der anderen seinen Hut fest, damit ihm dieser nicht vom Kopf fliegt. Die Taschenlampe dagegen wartet in seiner Jackentasche auf ihren Einsatz.

"Mann ist das ein Wind. Da sollte ich doch lieber nicht unter den Bäumen entlang laufen. Die Äste können brechen oder ein ganzer Baum kann entwurzelt werden. Das ist viel zu gefährlich", findet der kleine Nachtwächter, "es wird sich sicher auch kein Fremder in die Dunkelheit hinaus wagen."

Dann aber fallen dem kleinen Nachtwächter die Tiere ein. Wo verstecken sich die Vögel, wenn die Bäume so hin- und herwiegen? Was machen die Rehe und Hasen auf dem freien Feld? Und wo stecken die Füchse, Marder und Dachse? Nun, wer eine Erdhöhle hat, wird sich wohl da hinein verkriechen. Die Rehe legen sich in Vertiefungen in der Erde oder in Gräben ohne Wasser. Die Igelfamilien verstecken sich unter Holz- und Laubhaufen.

Gerade läuft dem kleinen Nachtwächter eine Katze über den Weg und biegt in den nächsten Hauseingang ein. Dort verschwindet sie durch eine Katzenklappe.

Da beschließt der kleine Nachtwächter auch nach Hause zu gehen und erst wieder hervor zu kommen, wenn sich der Sturm gelegt hat. Dann kann er vielleicht die heruntergefallenen Äste von den Wegen aufsammeln, damit keiner am frühen Morgen darüber fällt. Seine Laterne ist bereits erloschen. Der Sturm ist durch die Türchenritzen gefegt und hat die Kerze ausgeblasen. So versteckt der kleine Nachtwächter die Laterne in der Tonne, auf der er meist sitzt und sein Abendbrot genießt.

Nun holt er die Taschenlampe wieder aus der Jacke hervor und knipst sie an. Jetzt wirft sie das Licht auf den Weg. Den Hut, noch immer mit einer Hand haltend, tief ins Gesicht gezogen und die Taschenlampe fest in der anderen Hand, kämpft der kleine Nachtwächter gegen den Sturm an. Trotz all dieser Umstände kann der kleine Nachtwächter nicht die Angst vergessen, die ihn die letzten Tage immer wieder beschlichen hat. Auch jetzt hat er den Eindruck, daß ihn jemand verfolgt.

Da plötzlich huscht etwas Großes über die Straße und biegt in eine Seitengasse ein. Der Weg des kleinen Nachtwächters aber führt geradeaus weiter. Doch schon scheint das Etwas umzukehren und ihn zu verfolgen. Der kleine Nachtwächter nimmt all seinen Mut zusammen und dreht sich urplötzlich um. Da leuchtet seine Taschenlampe in zwei orangene Punkte, die plötzlich verlöschen, um dann wieder aufzuleuchten.

"Ein Wolf!", geht es dem kleinen Nachtwächter durch den Sinn und er bleibt wie angewurzelt stehen. "Was will ein einzelner Wolf hier in der Stadt. Sind Wölfe nicht immer in Rudeln unterwegs?", fragt sich der kleine Nachtwächter und bekommt sofort den nächsten Schreck, "er ist nicht allein. Sicher lauern hinter den Häuserecken noch mehr Wölfe."

Doch so ist es nicht. Endlich erkennt der kleine Nachtwächter, daß die leuchtenden Augen zu einem Hund gehören. "Aber auch ein fremder Hund kann gefährlich sein", weiß der kleine Nachtwächter. So ist er erst einmal vorsichtig.

Da unternimmt der Hund den ersten Schritt und nähert sich dem kleinen Nachtwächter. Er schmiegt sich an sein Bein und will wohl sagen: "Nimm mich mit, wo immer du hingehst. Dort kann es nur besser sein als hier."

Dem kleinen Nachtwächter tut der große Hund leid und er beschließt, ihn mit zu sich nach Hause zu nehmen. So geschieht es, und bald sind die beiden an dem geschützten Platz angekommen.


22. Oktober 2010

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