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GUTE-NACHT/3264: Der kleine Nachtwächter sucht den Mond (SB)


Gute Nacht Geschichten

"Wo steckt denn heute bloß der Mond?", fragt der kleine Nachtwächter den Baum am Wegesrand, "hat er sich hinter dir versteckt?" Der Baum raschelt mit den Zweigen. "Das soll wohl nein bedeuten", stellt der kleine Nachtwächter fest und fügt noch hinzu, "na, ich werde doch einmal hinter dir nachsehen und auch in deine Zweige leuchten." Damit nimmt er seine Taschenlampe hoch und leuchtet in die Krone des Baumes. Aber dort oben hat sich niemand versteckt. Da sitzt nur Frau Star in ihrem Nest und ärgert sich über das grelle Licht. "Kann ein Star nicht einmal die Nachtruhe genießen", schimpft sie.

Der kleine Nachtwächter entschuldigt sich und dreht den Lichtkegel seiner Taschenlampe gleich wieder zum Boden hin. Danach klopft er dem Baum mit der flachen Hand gegen den Stamm und verabschiedet sich: "Ich werde den Mond eben an einem anderen Platz suchen." Der Baum raunt noch etwas zwischen seinen Zweigen, was so viel heißen soll wie: "Der Mond ist doch nicht an einem einzigen Platz zu finden. Er ist ja kein Baum!" Aber das hat der kleine Nachtwächter schon nicht mehr vernommen.

Der schreitet weiter und schlägt den Weg zur Stadtmauer ein. "Dort oben auf dem Rundgang werde ich dem Mond schon ein ganzes Stückchen näher sein", meint der kleine Nachtwächter und hofft, "vielleicht finde ich den Mond dort oben."

Oben auf der Stadtmauer angekommen, ist noch immer kein Mond in Sicht. "Sicher haltet ihr den Mond gefangen", klagt der kleine Nachtwächter die Wolken an. Doch die treiben nur gemächlich dahin und antworten nicht. Aber während sie am Himmel immer weiterziehen, lockert sich ihr Verbund und ein angenehmes gelbes Licht schimmert dazwischen hinduch. Bald ist die kleine orangefarbene Sichel deutlich zu erkennen.

"Warum spielst du immer wieder mit mir Verstecken", schilt der kleine Nachtwächter den Mond aus. "Aber ich verstecke mich doch gar nicht", verteidigt sich der Mond, "ich ziehe nur meine Bahnen immer aufs Neue. Wenn du unter einem Baum Schutz suchst oder dir die Wolkendecke über den Kopf ziehst, dafür kann ich nichts. Das ist alles so weit von mir entfernt. Zudem bin ich nun von dem langen Suchen nach dir ganz müde geworden. Ich gehe jetzt schlafen!" Damit verabschiedet sich der Mond von dem kleinen Nachtwächter und kein Betteln und kein Stoßgebet gen Himmel halten den Mond noch länger wach.


1. Oktober 2010

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