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GUTE-NACHT/3219: Der kleine Nachtwächter vermutet einen Dieb (SB)


Gute Nacht Geschichten

In seiner Stadt mit den hohen Mauern und ihren Türmen zieht der kleine Nachtwächter jeden Abend bis zum nächsten Morgen seine Runden. Zuerst führt ihn sein Weg durch die Straßen. Später umrundet er auf dem Mauerweg die Stadt. Von hier aus kann er nicht nur in die Straßen blicken, sondern auch weit über das Land schauen.

Wenn er seinen ersten Rundgang erledigt hat, nimmt er für eine kurze Rast Platz auf einem Faß. Meist brennt um diese Zeit kein Licht mehr in den Häusern. Doch was ist das? Dort unten ist es noch hell in einem Zimmer. Bewegung ist wahrzunehmen. Falls dort etwas nicht in Ordnung ist, will der kleine Nachtwächter lieber zur Stelle sein, und so geht er hinunter.

Beim Näherkommen, verlischt das Licht. Der kleine Nachtwächter will schon umdrehen und wieder auf die Stadtmauer hinauf, da nimmt er aus den Augenwinkeln wahr, daß sich dort jemand hinter dem Vorhang versteckt. Im Zimmer, wo das Licht brannte, steht jetzt das Fenster offen und nur ein Vorhang verhindert den Blick in den Raum.

Der kleine Nachtwächter versteckt sich hinter der Hauswand und wartet einen Moment. Da hört er Geräusche. Jemand scheint aus dem Fenster zu steigen. Als die Füße geräuschvoll den Boden betreten, ist der kleine Nachtwächter auch schon zur Stelle.

Zuerst denkt er, ein Dieb wolle sich aus dem Fenster stehlen. Dann aber erkennt er, daß es Konrad ist. "Konrad!", sagt er verwundert, "was treibt dich in der Nacht auf die Straße?" Erschrocken fährt der Junge zusammen. "Ich, ich wollte nur einmal in die Nacht hinaus. Allein auf der Mauer spazieren gehen, so wie du."

Der kleine Nachtwächter überlegt kurz. Dann sagt er: "Warum hast du mich nicht gefragt, daß du gerne einmal mitkommen möchtest?" Ohne auf die Frage zu antworten, stellt Konrad eine Gegenfrage: "Ja, darf ich denn mit?" Da antwortet der kleine Nachtwächter: "Nun, für heute werde ich die Frage erst einmal mit nein beantworten. Aber morgen - wenn wir bei dir zuhause nachgefragt haben, dann darfst du vielleicht mitkommen."

Konrad ist traurig. Da hat der kleine Nachtwächter eine Idee. Er reicht Konrad seine Laterne und sagt: "Schließ die Augen für einen Moment und fühle." Danach hilft er Konrad wieder in das Fenster hinein zu steigen. "Heute Nacht scheint meine Lampe nur für dich. Ich halte sie hoch, daß du sie sehen kannst. Dann folgst du ihr mit deinem Blick und stellst dir vor, daß du sie trägst." Konrad ist einverstanden. Als der kleine Nachtwächter später wieder an Konrads Fenster vorbeikommt, liegt der Junge im Bett und schläft tief und fest.


22. Juni 2010