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GUTE-NACHT/3218: Der kleine Nachtwächter unter den Sternen (SB)


Gute Nacht Geschichten

In der Stadt mit den hohen Mauern und ihren Türmen zieht abends der kleine Nachtwächter seine Runden. Erst führt ihn sein Weg durch die Straßen. Später umrundet er auf der hohen Mauer mit den Wachtürmen die Stadt.

Gerade hat er sich versichert, daß es in den Häusern still ist und die Bewohner schlafen. Da blickt er hinauf in den Himmel. Heute ist eine klare Nacht. Die Sterne leuchten besonders hell.

"Was würde ich unternehmen, wenn ich ein Stern wäre?", wirft der kleine Nachtwächter die Frage in die Luft und blickt verdrossen zum Sternenhimmel hinauf.

"Du würdest leuchten", ist eine Stimme zu vernehmen, "und dir von dort oben, die Erde ansehen." Der kleine Nachtwächter dreht sich um. Er sucht nach dem, der ihm geantwortet hat. Doch da ist niemand. Nur der Hahn auf dem Kirchturm dreht sich im Wind.

"Was weißt du von den Sternen?", ruft der kleine Nachtwächter zu dem Wetterhahn hinauf. "Ich bin ihnen näher als du!", empört sich der Wetterhahn. Der kleine Nachtwächter bezweifelt, daß dieser Vorteil wirklich von großem Nutzen ist.

"Warum willst du ein Stern sein?", fragt der Wetterhahn, wartet aber die Antwort nicht ab, sondern spricht sogleich weiter, "was sind sie schon, die Sterne? Kleine Punkte im Weltall. Wie Weizenkörner, die ich aufpicken kann, nur leuchtender!"

Dem kleinen Nachtwächter erscheinen die Sterne eher wie silberne Nadelköpfe, die am Himmel aufgepikst sind, wie Stecknadeln in einem Nadelkissen. "Ich finde ihr Glitzern sehr schön und so wie sie am Himmel stehen, bilden sie Figuren, die ganze Geschichten erzählen", erklärt der kleine Nachtwächter.

Da sagt der Wetterhahn von oben herab: "Geschichten erzählen ... Pah! das kann ich dir auch. Schließlich sehe ich von hier oben alles, was in meiner Stadt geschieht und zwar aus nicht so weiter Ferne wie die Sterne - und das auch am Tag, während du schläfst." Um kein weiteres Wort mehr über die Sterne verlieren zu müssen, läßt sich der Wetterhahn vom Wind in die andere Richtung herumdrehen und schweigt.

Der kleine Nachtwächter nimmt seine Laterne in die eine Hand und die Taschenlampe in die andere und beginnt erneut seinen Rundgang. Hier oben auf der Stadtmauer fühlt er sich fast auch ein bißchen wie ein Stern, wenn er mit der einen Hand seine Laterne schwingt und mit der anderen das Licht der Taschenlampe in den Himmel scheinen läßt. "Ob die Sterne da oben, mich hier unten leuchten sehen können?", fragt sich der kleine Mann. Dann ruft er laut hinauf: "Gute Nacht, ihr Sterne, schlaft schön!"


17. Juni 2010