Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

GUTE-NACHT/3009: Kuchen backen (SB)


Gute Nacht Geschichten


"Sandmann! Was frißt du denn da? Gib ab. Es ist wichtig, daß ich weiß, was du da frißt. Nicht alles, was hier im Garten wächst, ist gut für einen Hund."

Nicht gern gibt Sandmann das unter dem Baum Gefundene wieder her. Aber er läßt es sich aus der Schnauze nehmen.

"Guter Sandmann. Das ist ja eine Pflaume, und da liegen ja noch mehr unter unserer Bank und über uns wachsen auch jede Menge davon. Hätte nicht gedacht, daß diese dünnen Stämme mit ihren feinen Ästen schon so viele Pflaumen tragen. Mal probieren. Mhm, schmeckt gut. Hier hast du auch eine, aber ohne Kern. Den hole ich vorher heraus. Uih, die war aber sauer. Für einen Pflaumenkuchen wäre die richtig gewesen."

Sandmann blickt Jan tief in die Augen - vielleicht bekommt er ja noch eine leckere Frucht ab.

"Weißt du was? Ich glaube, wir werden meinen Kindern für morgen, wenn sie ankommen, einen Pflaumenkuchen backen. Laß uns mal eine Schüssel aus der Küche holen."


*


Eine Stunde später in der Küche:

"Hhm? Kuchen hat immer meine Frau Lisa gebacken. Aber wir bekommen das sicher auch hin."

Sandmann liegt auf dem Küchenboden und schaut Jan, der jetzt zu singen anfängt, neugierig zu.

"Backe, backe Kucken, der Bäcker hat gerufen. Wer will guten Kuchen backen, der muß haben sieben Sachen: Eier und Mehl, Zucker und ...? Wie ging das Lied denn nochmal?"

Sandmann setzt sich auf, als wolle er Jan zuhilfe kommen.

"Mal sehen, was wir in den Schränken haben. Mehl auf jeden Fall eine ganze Tüte, und Zucker haben wir auch. Eier und Milch haben wir erst heute morgen beim Bauern geholt. Was nehmen wir als Triebmittel? Da kommt nur Hefe oder Backpulver in Frage. Was haben wir denn im Haus?
Ach, schau! Hier zwischen den Gewürzen liegt ja das Backbuch. Das beinhaltet zwar nur Rezepte für Weihnachtsgebäck, aber den Stollen können wir sicher ein bißchen abwandeln. Dann gibt das doch fast einen perfekten Hefekuchen. Frische Hefe habe ich zwar nicht im Haus, aber die Trockenhefe aus der Packung geht sicher auch. Aus dem Stollenrezept lassen wir die Mandeln weg, denn die haben wir auch nicht im Haus. Außerdem fallen noch die Rosinen und das ganze Nat-Zeug weg. Zitronat und Orangeat mag ich sowieso nicht. Auf ein Kilo Mehl nehmen wir 100 Gramm Zucker, zwei Eier, einen Viertel bis einen halben Liter Milch, 100 Gramm Butter, die in Wasser aufgelöste Hefe und eine Prise Salz."

Da sich Jan zu Sandmann umblickt und ihn direkt anspricht, spitzt dieser die Ohren, als könne er sonst etwas Wichtiges verpassen.

"Wenn ich jetzt nicht gerade einen Kuchen für meine beiden Kinder backen wollte, würde ich doch glatt einmal ausprobieren, was passiert, wenn wir die kleine Prise Salz weglassen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, was diese wenigen Krümelchen Salz in so einer großen Schüssel Teig anzurichten vermögen. Na, vielleicht geht es mir auch einfach nur wie dem König, der drei Prinzessinnen hatte und diese fragte, wie lieb sie ihn, ihren Vater, hätten. Die älteste Tochter verglich den Vater mit Gold und Edelsteinen. Die zweite Tochter sagte, sie liebe ihren Vater so sehr wie ihre Kleider und Spielsachen. Die jüngste Tochter aber verglich den Vater mit dem Salz in all den Speisen auf dem Tisch. Der Vater, der gerade seine Jüngste am liebsten hatte, wurde über diesen Vergleich sehr zornig. Denn er wollte nicht mit etwas für ihn so Geringem wie Salz verglichen werden. Um seiner Tochter zu zeigen, wie wertlos Salz sei, gab er den Befehl, von nun an keinerlei Speisen mehr mit Salz anzurichten und alles Salz aus dem Lande zu verbannen. Die jüngste Prinzessin, die sich gar so mißverstanden fühlte, verließ in dieser Nacht noch heimlich das Schloß. Irgendwann fand sie aber doch wieder zu ihrem Vater zurück. Als dieser nämlich gelernt hatte, wieviel nur ein wenig Salz an jeder Speise, diese bekömmlicher und schmackhafter machte. Auch lernte er erst jetzt von seinen Untertanen wie wichtig Salz war, um bestimmte Speisen einzulegen und haltbar zu machen."

Sandmann liegt auf seinem Platz und ist eingeschlafen. Jan erzählt ohne hinzuschauen weiter.

"Nun, siehst du, während ich dir die Geschichte erzählt habe, habe ich auch den Teig fertig angerührt und durchgeknetet. Er braucht jetzt noch ein Weilchen Ruhe. Dann können wir ihn auf dem Blech ausrollen und mit den Pflaumen, die wir schon entkernt haben, belegen. Noch etwas Zimt darüber und ab in den Backofen. Nach ungefähr einer Stunde ziehen wir ihn wieder aus dem Backrohr heraus. Doch bevor wir ihn hineinschieben können, muß er noch ein Weilchen gehen. Paß du schön auf, daß er nicht fortläuft, während ich nachschaue, ob wir Süße Sahne zu dem Kuchen im Haus haben."

Sandmann sitzt vor dem Küchenschrank und überlegt, ob er den Kuchen nicht lieber gleich fressen soll, bevor dieser fortläuft.

20. August 2009

Gute Nacht