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GUTE-NACHT/2940: Frau Löwenzahn verscheucht Herrn Spatz (SB)


Gute Nacht Geschichten


Auf der bunten Wiese träumte Mutter Löwenzahn gerade so vor sich hin. Im Geiste sah sie ihre Kleinen schon davonfliegen und stöhnte: "Ach, wie schön wäre es, noch einmal eine Reise durch die Luft zu starten?" Aber dies blieb Mutter Löwenzahn vergönnt. Vor langer Zeit hatte sie ihren Flug bereits hinter sich gebracht und war hier auf dieser bunten Wiese gelandet und hatte Wurzeln geschlagen.

Ein merkwürdiges Geräusch schreckte nun Mutter Löwenzahn aus ihren Träumen. Ein Spatz war vor ihr gelandet und pickte munter drauflos. "Hey, Sie da!", rief Mutter Löwenzahn. Der Spatz schaute hin und her und wußte nicht recht, ob er gemeint war. "Ja, Sie meine ich!" rief Mutter Löwenzahn noch einmal, "passen Sie auf, daß Sie meine Kinder nicht erwischen mit ihrem großen Schnabel!"

"Aber, aber, meine Dame! Ich werde Ihren Kindern doch nichts tun!" sagte der Spatz zu Mutter Löwenzahn und verbeugte sich schelmisch. Trüge er einen Zylinder auf dem Kopf, hätte er ihn sicher mit einer ausladenden Bewegung vom Kopf gezogen. Mutter Löwenzahn wußte nicht, ob sie sich geschmeichelt oder verulkt fühlen sollte. So zog sie es vor, sich zu beruhigen und lieber ein paar freundliche Worte mit diesem Herrn zu wechseln: "Mein Name ist Frau Löwenzahn und ich bin lieber vorsichtig als später den Ärger zu haben."

Herr Spatz erkannte in diesen freundlich gesprochenen Worten den guten Willen der Frau Wie-hieß-sie-denn-gleich und wollte sie in ein Gespräch verwickeln: "Guten Tag, mein Name ist Spatz! Ich bin auf der Durchreise und habe meine Kollegen verloren. Nur ein klein wenig will ich rasten, mich stärken und schon geht es wieder los!"

"Wohin führt Sie denn ihre Reise?", fragte Mutter Löwenzahn neugierig? "Ach, mal hierhin und mal dorthin, wie es mir gerade in den Sinn kommt oder wohin mich meine Flügel tragen", lachte Herr Spatz und pickte schon wieder auf dem Boden herum. "Was suchen Sie denn da am Boden? Haben Sie etwas verloren?", fragte Mutter Löwenzahn. Das fand Herr Spatz zu lustig: "Nein, ich habe doch nichts verloren. Ich suche mir mein Abendbrot - knackige Samen und leckere Insekten!" Das widerum fand Mutter Löwenzahn doch sehr empörend: "Das ist ja entsetzlich.   E n t s e t z l i c h   sage ich. Die Insekten sind unsere Nachbarn und viele unsere Freunde! Ich möchte Sie doch sehr bitten, schnellstens wieder loszufliegen, wohin es Sie auch treiben mag. Hier sind Sie nicht erwünscht. Womöglich fressen Sie noch eines meiner Kinder auf, das sich gerade vor Ort eine Erdwohnung sucht." Zum Glück wwußte Mutter Löwenzahn, daß ihre Kleinen noch gar nicht groß genug waren für diese Aufgabe. Aber das wußte der Spatz ja nicht. Mutter Löwenzahns Sorge war, daß ihre Löwenzahnkinder bald soweit waren, fortzuziehen. Wenn dann dieser schreckliche Herr Spatz hier noch immer rumspazierte, könnten ihre Kinder leicht seine Beute, ja sein Abendbrot, werden.

"Sie haben wohl noch niemals etwas von Gastfreundschaft gehört?", fragte Herr Spatz Mutter Löwenzahn. "Nicht, wenn es um das Wohl meiner Kinder geht!", protestierte Mutter Löwenzahn. Der Spatz vollführte die gleiche Verbeugung wie zuvor, nur daß er den Kopf noch tiefer gegen den Boden verneigte: "Adieu, werte Frau Ach-wie-heißen-Sie-doch-gleich. Vielleicht sehen wir uns ein andernmal ja wieder, wenn Sie in Nöten sind!" Er flatterte mit den Flügeln, hob ab und flog in den roten Abendhimmel hinein. Aber das kann Mutter Löwenzahn nicht sehen, denn das Bauernhaus versperrt ihr die Sicht in den Himmel. Triumphierend, den Herrn Spatz daran gehindert zu haben, ihre Freunde, die Insekten, zu fressen, aber auch etwas empört über seine letzte Bemerkung und ein wenig traurig, den Herrn Spatz nun nicht mehr nach seinen Abenteuern fragen zu können, schickte Mutter Löwenzahn ihre Kinder ins Körbchen und wünschte leise noch eine: "Gute Nacht."

Erstveröffentlichung im Jahr 2000

23. Mai 2009

Gute Nacht