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GUTE-NACHT/2886: Der Geist in Pantoffeln und die Ohnmacht (SB)


Gute Nacht Geschichten


"Wo steckt denn Patrizia?", fragt Mutter, als Großmutter wieder zu der Geburtstagsgesellschaft stößt. "Sie ist müde und hat sich ins Bett gelegt", antwortet Großmutter. "Das gefällt mir aber gar nicht", sagt Mutter und ist ein wenig beleidigt, daß Paddy beim Fest nicht dabei sein wird. "Wahrscheinlich ist sie noch schlecht gelaunt, weil ich sie vorhin in ihr Zimmer geschickt habe", sagt Mutter und denkt, "Paddy wird immer viel zu verwöhnt. Doch soll Paddy eben schmollen. Ich lasse mir nicht die Laune verderben."

Der Abend schreitet voran, die Stimmung ist auf ihrem Höhepunkt. Da wird Großmutter gribbelig. Jetzt langsam wird es Zeit für die Überraschung. Schließlich geht es bereits auf zwölf Uhr zu. Bei einer Unterhaltung mit einem Bekannten aus dem Ort fällt das Stichwort: "Wie sehr sich doch die alte Mühle verändert hat. Würde mir das gern einmal anschauen", wünscht der Nachbar. Großmutter sieht das als gute Gelegenheit an und schlägt vor: "Warum nicht! Machen wir doch eine kleine Führung durch das Haus." Sie braucht dies nicht laut zu sagen. Dafür sorgt schon der Nachbar: "Leute, eine Führung durch das alte Bauernhaus. Wer kommt mit?"

Sogleich stehen alle Gäste auf. Mutter ist das gar nicht recht. Sie wäre lieber darauf vorbereitet gewesen. Hatte sie doch bei ihrer heutigen Vorbereitung für das Fest gar keine Zeit auch noch alle Zimmer aufzuräumen. Als letzte schließt sie sich aber doch dem Zug durch das Haus an. Großmutter geht voran. Sie führt die Gäste zuerst in den neueren Teil des Hauses. Zuerst zeigt sie ihre eigenen Zimmer, die äußerst aufgeräumt erscheinen. Mutter ist sich sicher, Großmutter war auf diesen Rundgang vorbereitet. "Na, wart es nur ab?", denkt sie im Stillen. Dann geht es in die neuen Gästezimmer, die einmal für den Fremdenverkehr gedacht waren - aber vorerst liegt die Idee auf Eis. Nun kommt das Bad mit der neuen Gaube und schließlich geht es hinauf auf den Dachboden.

Jetzt meldet sich der Nachbar wieder zu Wort: "War es in diesem Teil des Hauses, wo sich der Bauer das Leben nahm?" Großmutter winkt ab. Doch der Nachbar weiß etwas zu berichten: "Manchmal soll er sich ja noch nach seinem Tode gezeigt haben." Er sagt dies so laut, daß auch die weiter hinter ihm Gehenden seine Worte hören und recht entsetzt sind. Von Mund zu Mund werden die Worte weitergegeben, bis sie auch bei Mutter angelangt sind, die widerum ihre Sicht der Dinge, nämlich daß dies alles Unsinn sei, in die Gegenrichtung posaunt.

Doch gruselige Geschichten bleiben länger hängen. Als es dann auch noch auf den dunklen Dachboden geht, läuft einigen Gästen schon vor der verschlossenen Tür ein Schauer über den Rücken. Großmutter öffnet langsam die Bodentür, daß sie richtig schön quietscht. Äußerlich läßt sich Großmutter nichts anmerken, aber innerlich lacht sie: "Wie kann man nur so ängstlich sein?" In das Dunkel des Dachbodens, der nur durch ein wenig Licht, das der Mond hereinwirft, beleuchtet wird, setzt Großmutter einen Schritt und läßt die Gäste vorbei. Plötzlich ein Schrei und über den Gästen fliegt ein riesiges Ungetüm dahin. Eine Frau hat sich so erschrocken, daß sie ohnmächtig wird. "Gibt es hier kein Licht?" fragt jemand. Alle anderen stürmen zum Dachboden hinaus. Die Frau wacht wieder auf und kommt auf die Beine. Großmutter erklärt ihr, daß das fliegende Ungetüm doch nur eine Eule gewesen sei, die habe hier oben Quartier bezogen.

Die kleine Gesellschaft steigt also wieder hinab. Einige Gäste sind so schockiert, daß sie es vorziehen, jetzt lieber nach Hause zu fahren. Zwar erklären sie, es hätte ihnen gut gefallen, aber morgen müßten sie wieder früh raus und deshalb sei es besser, dann aufzubrechen, wenn es am schönsten sei. Mutter macht gute Mine zu diesem schlechten Spiel. Aber innerlich kocht sie. Wenn Großmutter wußte, daß hier oben eine Eule wohnt, warum hat sie die Eule nur gestört und ihre Gäste so erschreckt. Da wird sie wohl noch ein Hühnchen mit ihrer Mutter rupfen müssen. "Gut daß Paddy jetzt schon schläft", denkt Mutter und ist ihr gegenüber wieder ein bißchen versöhnt. In Gedanken wünscht sie ihr sogar eine: "Gute Nacht."

19. März 2009

Gute Nacht