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GUTE-NACHT/2832: Der Abtransport (SB)


Gute Nacht Geschichten


Das Weihnachtsfest war längst vorbei. Sogar die drei Heiligen Könige hatten sich schon wieder verabschiedet. Da war es an der Zeit, daß die Weihnachtsbäume eingesammelt wurden. Ein großer Wagen würde sie abtransportieren.

Im Hinterhof standen seit Tagen alle Weihnachtsbäume des Hauses bereit, bis auf einen. Noch bis zum letzten Abend vor dem Abtransport hatte Laura gebettelt, den Baum doch noch ein paar Tage länger stehen zu lassen. Aber Papa gab nicht nach. "Heute muß er abgeschmückt und auf die Straße gestellt werden", unterstützte ihn auch Mama und zeigte auf den Terminkalender.

"Aber er nadelt doch noch gar nicht!", entgegnete Laura zur Verteidigung des noch im Lichterscheins erglänzenden Baum. Laura hatte dem Weihnachtsbaum immer gut Wasser in den Baumständer geschüttet. Der Baum saugte sich voll und so wollten die Nadeln nicht abfallen.

"Wenn wir ihn jetzt nicht hinausstellen, müssen wir ihn selbst entsorgen und wer will ihn dann kleinsägen? Ich nicht", das war Papas letztes Wort. Mama holte die Kartons, um die Lichterkette und die Baumkugeln wieder einzupacken.

Laura half widerstrebend dabei mit. Sie nahm vorsichtig die Glasvögel vom Baum ab. Ein paar Süßigkeiten kamen auch noch zum Vorschein. Dann sollte er in den Hof gebracht werden. "Das mache ich!", sagte Laura. Sie wollte sich wenigsten noch von dem Weihnachtsbaum, der jetzt ganz nackt aussah, verabschieden.

Laura sprach mit dem Baum. Natürlich leise, daß sie niemand sonst hörte. "Warum mußten sie dich auch abschneiden. Dann hätten wir dich schön in den Garten pflanzen können." Als Laura vor die Tür trat, fand sie, daß es viel zu kalt für den Weihnachtsbaum sei. Die letzten drei Wochen hatte er in der Wohnstube gestanden und jetzt sollte er raus in die Kälte.

"Morgen früh wird es auch noch reichen, dich hinaus zu schaffen. Ich lasse dich unten bei den Fahrrädern im Keller. Da ist es nicht ganz so kalt wie auf der Straße. Wenn ich morgen früh zur Schule gehe, ist immer noch Zeit, dich an die Straße zu legen." So ließ es Laura dann geschehen.

Sie verabschiedete sich von dem Baum und wünschte ihm eine letzte gute Nacht hier im Haus. Am nächsten Morgen ging sie wenige Minuten eher nach unten. "Tschüß, Mama, ich gehe zum Bus", verabschiedete sie sich und war verschwunden. Sie holte den Weihnachtsbaum aus dem Keller und legte ihn auf den Weg an die dunkle Straße. Um diese Zeit war es noch nicht hell, nur die Straßenlaternen gaben Licht. Doch die hier vor Lauras Haus war ausgerechnet ausgefallen.

Laura legte den Weihnachtsbaum so, daß niemand darüber stolpern würde. Dann verabschiedete sie sich und ging zum Bus. In der Schule gingen ihr all die Weihnachtsbäume nicht aus dem Kopf. Sie würden jetzt irgendwohin abtransportiert und dort allesamt kurz und klein geschnitten werden. Das fand Laura gar nicht in Ordnung, besonders wo sie ein so schönes und seltenes Exemplar von Weihnachtsbaum erwischt hatten. Er hatte nämlich nicht nur eine, sondern gleich zwei Spitzen.

Endlich war die Schule aus und Laura fuhr mit dem Bus wieder nach Hause. Was machte sie große Augen, als am Straßenrand vor ihrem Haus noch immer ein Weihnachtsbaum lag. Es war ihr eigener Baum, das konnte sie an den beiden Spitzen genau erkennen. Wo waren die anderen Weihnachtsbäume geblieben. Wieso war nur der eine übrig geblieben?

Da kam der Hausmeister und schimpfte: "Können die Müllmänner denn nicht alles mitnehmen? Wieso lassen sie diesen häßlichen Baum hier liegen und nehmen ihn nicht mit? Haben ihn wohl heute morgen um 5.00 Uhr nicht gesehen."

"So früh?", dachte Laura und wußte jetzt, warum der Weihnachtsbaum noch immer da war. "Ich kümmere mich, um den Baum", sagte Laura schnell zum Hausmeister und nahm ihn mit. "Zuerstmal werde ich dich im Keller verstecken. Dann sehen wir weiter."
15. Januar 2009

Gute Nacht