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GUTE-NACHT/2746: Kalt oder warm (SB)


"Gähn!", das kleine Wesen mit dem Mondgesicht erwacht und streckt die Arme aus. Es freut sich, an seinem Kopf nun einen Körper zu haben. So springt es aus dem Bett und dreht sich um sich selbst. "Es ist toll, was ich jetzt alles anfangen kann", stellt das kleine Wesen fest. Plötzlich aber bekommt das kleine Wesen eine Gänsehaut.

"Es ist kalt. Ich friere!", ruft es und blickt sich um, ob irgendwo der Zeichner in Reichweite ist. Der soll sogleich Abhilfe schaffen. "He, Zeichner, wo steckst du?", einige Male ruft das kleine Wesen nach seinem Erschaffer und schmeißt vor Ärger ganz schön mit Worten um sich, die hier lieber nicht zu hören sein sollen. Erst jetzt kommt der Zeichner an seinen Arbeitsplatz.

"Was schimpfst du so lautstark?", fragt der Zeichner in strengem Ton. "Mir ist kalt!" antwortet das Wesen schon etwas freundlicher. "Kannst du mir nicht etwas malen?" Der Zeichner schaut auf seinen Block. "Du hast recht. So nackig wie du bist, mußt du ja bei dieser Temperatur draußen im Freien frieren. Ich kann dir eine Sonne zeichnen." Damit ist das kleine Wesen einverstanden. Mit einer Tuschefeder und schwarzer Tinte entsteht ein Kreis. "Hier ist deine Sonne." Das kleine Wesen versucht sich daran zu wärmen.

"Mir ist noch immer kalt. Bestimmt weil die Sonne in der Mitte ein Loch hat und gar nicht gelb ist", protestiert das kleine Wesen, "mal sie mir gelb an!" - "Ich bin ein Zeichner und kein Maler", streikt der Mann, kaut aber nachdenklich am Stiel seiner Feder. Dann hat er eine Idee. Er zeichnet einen Eimer und einen Pinsel. "Was soll ich damit?", fragt das kleine Wesen. "Nun, schau doch in den Eimer hinein", ist die Antwort.

Der Blick in den Eimer und die Freude ist groß. Sogleich nimmt das kleine Wesen den Pinsel, taucht ihn in den Farbeimer und zieht eine gelbe Quaste wieder heraus. Aber nun ist das Wesen wieder enttäuscht. "Wie komme ich denn nur an den Himmel heran? Malst du mir eine Leiter?", fragt das kleine Wesen. "Eine Leiter ist viel zu gefährlich, sie könnte umkippen, wenn sie nicht gut steht oder festgehalten wird. Und ich habe nun wirklich keine Zeit dazu. Aber mach es doch einfach wie die Theatermaler. So wie hier mein Block, liegt im Theater der Stoff für die Bilder am Boden. Die Maler laufen darauf herum und malen mit ihren Pinseln an langen Stielen den Prospektstoff bunt an."

"Okay, ich versuche es", gibt das kleine Wesen von sich und schreitet nun auf dem Block einfach zur Sonne hinauf. "Mir wird gar nicht schwindelig, obwohl ich hier oben im Himmel bin", freut sich das kleine Wesen. Bei der Sonne angekommen, malt es den leeren Kreis gelb aus. "Jetzt aber schnell wieder auf den Erdboden zurück", lacht es.

Nach einer Weile ist das kleine Wesen richtig gut aufgewärmt. Ihm ist sogar zu warm. "Kann ich nicht etwas gegen die Hitze bekommen?", fragt es. Der Zeichner überlegt nicht lange und sagt: "Mal ist es dir zu kalt, dann wieder zu warm. Am besten du bekommst ein Fell wie die Hunde und Katzen." - "Hast du auch ein Fell?", fragt das kleine Wesen den Zeichner. Dieser lacht: "Ich bin doch kein Tier!" - "Was bist du denn?", möchte das kleine Wesen wissen. "Ich bin ein Mensch. Siehst du, Menschen haben kein Fell, sie tragen Kleidung." Das kleine Wesen beschaut sich den Zeichner von oben bis unten und sagt dann: "Ich bin auch ein Mensch. Ich will kein Fell, ich will Kleidung."

"Das war ja wohl zu erwarten", denkt der Zeichner, "wie konnte es auch anders sein." Damit das kleine Wesen nun endlich Ruhe gibt, malt der Zeichner ihm einen Schlafanzug, Bettschuhe und eine lange Schlafmütze mit einer Bommel dran. Dann steckt er das kleine Wesen wieder ins Bett und gibt ihm noch eine kuschelige und warm gefüllte Wärmflasche mit. "Bei so viel Molligkeit wird der kleine Kerl sicher bald einschlafen", denkt der Zeichner.

26. September 2008

Gute Nacht