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GUTE-NACHT/2739: Doktor Teddy ohne Faden (SB)


Die alte Dorfschule steht leer und verlassen. Niemand geht hier ein noch aus, bis nicht geklärt ist, ob die Schule nun zu einem Museum umgestaltet oder ob sie völlig dem Erdboden gleich gemacht wird. Niemand ahnt, daß dennoch lebendiges Treiben in der alten Schule vorhanden ist. Auf dem Dachboden haben ein Teddy im Doktorkittel und eine Puppe ohne Haare, die beiden früheren Schulmaskottchen, eine Klinik für Spielzeug eingerichtet.


*


Zwischen all den Spielsachen auf dem Dachboden hatten Doktor Teddy und Schwester Olga einen richtigen Puppendoktorkoffer gefunden. Diesen brachten sie gleich in einen großen Karton, der ihnen von da an als Operationsraum dient. Mit einem alten Lappen hatte Olga den Karton ausgewischt, denn der Operationsraum muß immer sauber sein.

Schwester Olga stöhnt. Gestern als die vielen Patienten auf die weichen Matratzen umquartiert wurden, zeigte sich erst, wie viele Spielzeuge die Hilfe von Doktor Teddy benötigen. "Wie soll er das alles und nur mit meiner Hilfe schaffen, wo jetzt auch noch Pfleger Braun abhanden gekommen ist?", grübelt Schwester Olga vor sich hin.

Doktor Teddy, der die Schwester gerade aufsucht, sieht ihr sorgenvolles Gesicht. "Was kann denn so schlimm sein, daß es die Sonne auf der kleinen Olgaglatze verschwinden läßt?", fragt Doktor Teddy. Eigentlich hätte Puppe Olga sich jetzt fürchterlich beschwert. Sie mag es überhaupt nicht, wenn der Doktor sich über ihre nur aufgemalten Haare lustig macht. Schließlich ist sie schon sehr alt und damals wurden Puppen eben auf diese Art erschaffen. Außerdem hat auch das Äußere des Doktors ein Manko. Neuere Teddybären haben ein superweiches Fell. Nur die alten Teddys strotzen voll Holzwolle und ihr Fell kratzt.

"Ich mache mir Sorgen, weil wir so viele Patienten haben, die alle ihre Hilfe benötigen. Aber sie können ihnen allen gar nicht auf einmal helfen", erklärt Schwester Olga. "Das macht doch nichts", erklärt Doktor Teddy, "wir haben alle Zeit der Welt. Es ist nicht schlimm, wenn die Arme und Beine der Puppen und Kuscheltiere nicht sofort wieder angenäht werden. Sie dürfen nur nicht verloren gehen. Im Moment macht es mir eher Sorgen, da ich nicht weiß, ob wir ausreichend mit Garn und Nadeln versorgt sind, um alle fehlenden Teile wieder annähen zu können?"

Schwester Olgas Augen beginnen zu leuchten. "Ich glaube, da habe ich eine Idee. Es wurden damals nicht alle Räume zu Wohnungen umfunktioniert. Der frühere Handarbeitsraum der Schule sollte immer noch da sein. Auch der große Klassenraum wurde nicht besetzt. Er war den Menschen schon immer viel zu schwer zu beheizen. Wir sollten vom Dachboden weg nach unten ziehen, selbst auf die Gefahr hin, daß die Menschen wiederkommen." Doktor Teddy schüttelt den Kopf: "Sie werden wiederkommen und das sicher sehr bald." Schwester Olga liefert ein schlagkräftiges Argument: "Wenn wir weiter unten im Haus leben, können wir besser fliehen, wenn Gefahr droht." - "Das ist wahr", bestätigt Doktor Teddy. "Auch ist es im Haus nicht so staubig wie hier oben auf dem Dachboden", fügt Schwester Olga noch an. Der Plan ist gefaßt, die Krankenstation zu verlegen. Nun bedenken Puppe und Teddy, wie vorzugehen ist. "Es müssen alle mithelfen, nur so wird es gehen", erklärt Doktor Teddy.

"Das Äffchen kann gute Dienste leisten, wenn es endlich wieder seinen Kopf auf den Schultern trägt und nicht in der Hand", rät Schwester Olga. Doktor Teddy holt seinen Puppendoktorkoffer und blickt hinein. "Es gibt hier keinen Faden zum Flicken", stellt er fest. Schwester Olga entdeckt aber drei Sicherheitsnadeln. "Damit können wir das Nötigste bewerkstelligen", empfiehlt sie, "und hier ist noch eine Bandage. Damit können wir den Hals zusätzlich noch umwickeln und stärken." Die Operation kann beginnen. Doktor Teddy achtet darauf, den Stoff genau zwischen den Fäden zu durchstechen, um dem Äffchen keine unnötigen Schmerzen zu bereiten. Zuerst ist das Äffchen hibbelig. Aber je ruhiger es sich verhält, um so vorsichtiger kann Doktor Teddy die Sicherheitsnadeln durch den Stoff stecken. Bald sind die drei Nadeln angebracht und gesichert, damit sie nicht picksen können. Jetzt wird der Hals noch mit der Bandage umwickelt und schon fühlt sich das Äffchen wieder fast wie neu. "Wenn wir uns erst unten eingerichtet haben und Nadel und Faden gefunden sind, werden wir deinen Kopf vollständig annähen. Damit ist das Äffchen zufrieden und zieht los, die unteren Stockwerke zu erkunden. Vor dem großen Umzug dürfen sich alle anderen aber noch einmal ausruhen.

18. September 2008

Gute Nacht