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GUTE-NACHT/2668: Auf gute Nachbarschaft (SB)


Auf gute Nachbarschaft

"Warum bin ich heute nur so müde?", fragt sich die Eule oben auf ihrem Ast, "vor lauter Müdigkeit habe ich nicht einmal Hunger. Da könnte der leckerste Mäuseschmaus vorbeihuschen, ich würde es nicht einmal bemerken." Bei diesem Gedanken fallen der Eule auch schon wieder die Augen zu.

Ein kleines Stück vom Baum entfernt, huscht etwas über den Waldboden. "Nun komm doch schon, Willibald", wir wollen uns bei der Eule bedanken, daß sie unserer kleinen Mausalinde gestern nichts angetan hat." - "Glaubst du Quendolina, daß dies eine gute Idee ist?", wendet Willibald ein, "vielleicht war der Eule unser Schätzchen nur viel zu klein und sie hat gehofft, daß nun des Mäuschens Eltern kommen und einen fetteren Leckerbissen abgeben." Die Mäusemutter schimpft: "Hast du noch nie etwas von freundlicher Nachbarschaft gehört? Die Eule ist sicher eine sehr nette alte Dame." - "Also du meinst", wendet Willibald ein, "sie ist zu alt, um zu jagen und hat deshalb unserem Mäuschen kein Leid angetan? Dann sollten wir ihr aber nicht zu nahe kommen, sonst schnappt sie uns von der Stelle weg." - "Warum bist du nur immer so ängstlich. Denkt doch nicht immer gleich so schlecht über all die anderen", kritisiert Quendolina den Mäusepapa, der mit eingekniffenem Schwanz in großem Abstand langsam hinter ihr herschleicht. "Siehst du sie schon?" fragt Willibald und ist auf dem Sprung, um sich rechtzeitig in Deckung zu bringen. "Nein, aber ich glaube, wir sind gleich da. Das da vorne ist der Baum, den Mausalinde uns beschrieben hat."

"So, jetzt sind wir da!" - "Pst, schrei doch nicht so laut", schimpft Willibald mit seiner Mäusefrau, "willst du es dir nicht noch einmal anders überlegen, sonst haben unsere Kinder vielleicht bald keine Eltern mehr."

"Was ist das für ein Lärm da unten am Boden?" denkt die Eule und öffnet ein Auge. Sie sieht ein Mäuschen am Boden daherhuschen. "Bist du schon wieder da?", ruft sie zum Boden hinunter, "habe ich dich gestern nicht vor allen Eulen gewarnt?"

Die beiden Mäuschen am Boden zucken zusammen. Während Willibald sogleich reißaus nimmt, starrt Quendolina wie gebannt nach oben und flüstert: "Willibald, sag doch mal was." Da aber nichts kommt, dreht Quendolina sich um und entdeckt, daß Willibald verschwunden ist. Da ergreift sie schnell selbst das Wort: "Das Mäuschen von gestern ist nicht hier. Es sind nur wir, also ich. Ich wollte mich bedanken, daß du mein Kind nicht gefressen hast. Vielen Dank!"

Die Eule schlägt nun das zweite Auge auf, erkennt, daß es sich um ein anderes Mäuschen, ein größeres und fetteres handelt und kneift das andere Auge wieder zu. Leicht öffnet die Eule ihren Schnabel. Doch noch immer ist die Eule müde und verspürt keinen Hunger. Darum sagt sie: "Mutig, mutig, dich hierher zu wagen. Aber brauchen dich deine Kinder nicht Zuhause? Sie könnten dich suchen und loslaufen und dann doch noch gefressen werden. Es gibt eine Menge Tiere hier im Wald, die euch Mäusen nach dem Leben trachten. Also ab marsch! Das ist ein Befehl!"

Diesem folgt das Mäuschen sofort und huscht nach Hause zu seinen Kindern, wo Willibald wohl schon längst wieder im Heu verborgen liegt.

26. Juni 2008

Gute Nacht