Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

GUTE-NACHT/2634: Ein Pfennig auf Reisen - Zwietracht (SB)


Ein Pfennig auf Reisen

"Jetzt hab ich doch glatt die Lupe bei Kuno vergessen", stöhnt Hugo Egon. "Ach, was soll es, ich war sowieso nur da, um zu sehen, ob er in letzter Zeit wieder neue Münzen eingeholt hat. Einige lagen in dem Reinigungsbad. Wenn er sie einsortiert hat, wird er sie mir sicher stolz zeigen, wie er es immer tut. Dann werde ich wieder versuchen, ihn davon zu überzeugen, daß Briefmarkensammeln besser ist", so geht es Hugo Egon durch den Kopf.

Währenddessen holt Kuno die Münzen aus dem Reinigungsbad. Er putzt sie und trocknet sie ab, schlägt im Katalog nach, was sie wert sind und steckt sie schließlich in die Plastikfächer im Münzalbum zurück. Dabei fällt ihm auf, daß ein Fach, das noch gestern gefüllt war, leer bleibt. "Was hatte denn noch in diesem Fach gesteckt?", grübelt er. Es dauert eine ganze Weile bis sich Kuno erinnert. Dorthinein hatte er einen kleinen Pfennig gesteckt. Wo aber ist dieser denn nur geblieben? Er selbst hatte ihn doch in den Badetopf gesteckt. Wo kann der Pfennig nur abgeblieben sein?

Während Kuno überall nach dem Pfennig sucht, dabei sogar auf den Knien herumkriecht und schließlich zu der Überzeugung kommt, die nicht ganz falsch ist, daß das Fehlen des Pfennigs irgendwas mit dem Erscheinen des Nachbarn zu tun haben muß, denn seitdem ist der Pfennig erst verschwunden, liegt dieser in der Jackentasche des Nachbarn. Dort - wohl verborgen - überlegt er, wie er wieder hinaus auf die Straße kommen kann. Denn inzwischen hat er begriffen, was Sammelleidenschaft bedeutet. Für ihn selbst jedenfalls nichts Gutes. Deshalb ist ein baldiger Ortswechsel ein unbedingtes Muß.

Kuno sucht noch lange an diesem Abend und kommt dem Pfennig nicht auf die Spur. Um so mehr verhärtet sich sein Verdacht gegen den Nachbarn - insbesondere auch weil dieser wegen der Lupe gekommen, aber ohne sie gegangen ist -, daß der Nachbar den wertvollen Pfennig hat unbeabsichtigt oder beabsichtigt mitgehen lassen.

Hugo Egon dagegen ahnt nichts von den Gedanken Kunos und wundert sich, als dieser ihm am nächsten Morgen nicht wie verabredet die tägliche Zeitung vor die Tür legt. Der kleine Pfennig dagegen will mit beiden Sammlern nichts mehr zu tun haben. Er wünscht sich, als nächstes von einem Kind gefunden zu werden. "Kinder sind doch viel freundlicher und brauchen auch viel mehr Glück in dieser Welt", denkt der Pfennig. So ist es beschlossen. Bis zum Abend aber hat der Pfennig noch kein Kind gefunden, und nach den Aufregungen und Überlegungen des Tages ruht sich der kleine Pfennig erst einmal aus.


Erstveröffentlichung am 6. September 2003

21. Mai 2008

Gute Nacht